VwGH Ra 2016/06/0068

VwGHRa 2016/06/006829.11.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch sowie die Hofrätin Dr. Bayjones und den Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin MMag. Lehner, über die Revision der revisionswerbenden Parteien 1. H D, 2. E G, 3. F G, 4. E H, 5. I H, 6. H S, 7. F S, 8. J S, 9. E S und 10. F S, alle in M, alle vertreten durch Dr. Franz Riess, Rechtsanwalt in 4910 Ried im Innkreis, Friedrich-Thurner-Straße 9, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 29. Mai 2015, Zl. LVwG-150368/52/RK/FE, betreffend eine Bewilligung nach dem Oö. Straßengesetz 1991 (mitbeteiligte Partei: Land Oberösterreich, Landesstraßenverwaltung, Amt der Oö. Landesregierung, Direktion Straßenbau und Verkehr, Abteilung Geoinformation und Liegenschaft, Bahnhofplatz 1, 4021 Linz; belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Oö. Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §13 Abs1;
LStG OÖ 1991;
UVPG 2000 §3 Abs1;
UVPG 2000 §3 Abs2;
UVPG 2000 §3 Abs7;
AVG §13 Abs1;
LStG OÖ 1991;
UVPG 2000 §3 Abs1;
UVPG 2000 §3 Abs2;
UVPG 2000 §3 Abs7;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach den im angefochtenen Erkenntnis getroffenen Feststellungen beabsichtigt das Land Oberösterreich die Umlegung der Landesstraße B XXX "B-Straße" in den Nahbereichen von (von Süden nach Norden verlaufend) 1. M (Bauabschnitt 1 = "M"), 2. S (Bauabschnitt 2 = "M-Nord-S") sowie 3. M (Bauabschnitt 3 = "S-M").

2 Die Baulose 1, 2 und 3 weisen eine Gesamtlänge des Trassenbandes gemäß Verordnung der Oö. Landesregierung, LGBl. Nr. 52/2009, von 7710 m (km 11160 alt bis km 18870 alt) laut Kilometrierung auf. Die neue Trasse beschreibt wegen ihrer bogenmäßigen Ausführung sodann eine Gesamtlänge von ca. 8,5 km neu (1. Bauabschnitt: ca. 3,3 km, 2. Bauabschnitt: ca. 2,6 km, 3. Bauabschnitt: ca. 2,6 km).

3 Nach den Verkehrsleitlinien für grenzüberschreitende Verkehrsprojekte zwischen Oberösterreich und Salzburg wurde die Umfahrung "M-M" als zweistreifige Straße und somit mit der gleichen Kapazität wie die bereits bestehende B XXX geplant. Es sei beabsichtigt, den Bau in drei Bauabschnitten durchzuführen.

4 Mit Eingabe vom 21. Mai 2014 beantragte die mitbeteiligte Partei bei der zuständigen Straßenbehörde unter Vorlage von Projektunterlagen die Erlassung eines straßenrechtlichen Baubescheides nach § 31 Oö. Straßengesetz 1991 für die "Umfahrung M-M, Abschnitt 1 - M".

5 Mit Bescheid der Oö. Landesregierung vom 30. Juli 2014 wurde dem entsprechend die Umlegung der Landesstraße B XXX, B-Straße, Baulos "Umfahrung M-M", Abschnitt 1 - M (Bau-km 0,0 bis 3,3)" nach Maßgabe des bei der mündlichen Verhandlung vorgenommenen Einreichprojektes, des Umweltberichtes vom 25. August 2008, einer näher genannten schalltechnischen Untersuchung mit Stand Mai 2014 sowie einer lufttechnischen Untersuchung vom 4. April 2014 straßenrechtlich unter näher genannten Bedingungen und Auflagen bewilligt.

6 Zum von Parteien geltend gemachten Erfordernis einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) und zum Vorbringen, die Behörde versuche, die Durchführung einer UVP durch die Aufteilung in kleinere Projekte zu umgehen, wurde in der Bescheidbegründung u. a. dargelegt, dass die Behörde an den Antrag des Projektwerbers gebunden sei. Bei Straßenbauvorhaben sei darauf abzustellen, ob ein Vorhaben in technischer und betrieblicher Hinsicht für sich bestehen könne bzw. ob es für sich alleine verkehrswirksam sei. Im gegenständlichen Fall sei der Teilabschnitt 1 der Umfahrung M-M für sich verkehrswirksam, weil er von der Landesstraße B XXX ausgehend, M umfahrend, wieder in die B XXX einmünde. Der verkehrswirksame Teilabschnitt 1 "Umfahrung M" sei somit ein Vorhaben iSd UVP-G 2000. Würde man die gesamte geplante Umfahrung M-M bzw. den geplanten Ausbau der B XXX von B bis S durch verschiedene Maßnahmen als ein Vorhaben betrachten wollen, wäre auch der geforderte zeitliche Zusammenhang in Frage zu stellen, weil sich die verschiedenen Abschnitte bzw. Maßnahmen in unterschiedlichen Planungsphasen befänden und zum Teil noch weit entfernt von einer Genehmigung bzw. Realisierung seien. Es liege daher keine unzulässige Stückelung vor.

7 Zudem werde im Anhang 1 Z 9 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (UVP-G 2000) nicht nur der "Neubau von Straßen" als eigenständiges Vorhaben angesehen, sondern auch der "Neubau von Teilabschnitten".

8 Insbesondere bei Straßenbauvorhaben sei eine Teilung in Abschnitte unvermeidlich (wegen Budgetierung, Ressourcen bei Planung) und könne diese nicht von vornherein als Umgehungsabsicht gewertet werden. Mitunter schon allein aufgrund des hohen Kostenfaktors bei Straßenbauvorhaben könne bei einer solchen abschnittsweisen Errichtung davon ausgegangen werden, dass ein Teilstück gar nicht erst gebaut würde, würde es nicht auch allein verkehrswirksam sein.

9 Die gegen diesen Bescheid der Oö. Landesregierung von den revisionswerbenden Parteien und weiteren Beschwerdeführern erhobenen Beschwerden wurden mit dem angefochtenen Erkenntnis des Oö. Landesverwaltungsgerichts (LVwG) vom 29. Mai 2015 als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde eine ordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis an den Verwaltungsgerichtshof für unzulässig erklärt.

10 In seinen Erwägungen hielt das LVwG zum Vorbringen betreffend den Themenbereich "Rechtswidrigkeit in Bezug auf die Verletzung von europarechtlichen Vorschriften" u.a. fest, dass die Kriterien für eine UVP im Anhang 1 Z 9 UVP-G 2000 dermaßen ausgestaltet seien, dass hier keine unzulässige Einschränkung des Projektes im Hinblick auf eine Vermeidung einer UVP erkannt werden könne. Für die gegenständliche Angelegenheit der projektierten Umfahrung seien im Anhang 1 Z 9 lit. b, e und f UVP-G 2000 die Kriterien für eine UVP genannt. Eine Betrachtung der lit. f leg. cit. zeige, dass der Gesetzgeber im Anhang zum UVP-G 2000 explizit auf den hier gegenständlich gemachten Umstand eingegangen sei, wonach bei Infrastrukturprojekten, wie dem gegenständlichen Straßenprojekt, prinzipiell auch im Sinn des § 2 Abs. 2 UVP-G 2000 alle in einem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehenden Maßnahmen betrachtet werden sollen, die durch ein Gesamtprojekt verwirklicht werden sollen.

11 Unbestritten könne und müsse gerade bei Straßenbauvorhaben eine gegebene "Stückelungsproblematik" naturgemäß regelmäßig zum Thema gemacht werden, wobei sich praktisch zwingend die Frage der Abgrenzung von Projekten stelle. Wesentlich sei, ob ein Vorhaben in technischer und betrieblicher Hinsicht für sich bestehen könne bzw. ob es für sich alleine verkehrswirksam sei. Dies sei zweifellos der Fall; auf die Begründung im erstinstanzlichen Bescheid könne verwiesen werden.

12 Zufolge der Bestimmung des Anhangs 1 Z 9 lit. f UVP-G 2000 sei es rechtlich zulässig, allfällige weitere Projekte im Zusammenhang mit dem (hier argumentativ) vorgebrachten "gesamten Straßenprojekt von S nach B" sodann als von der UVP-Pflicht miteingeschlossen zu betrachten. Einem derartigen Prüfungsverfahren wären diese Projekte dann zu unterziehen.

13 Eine unsachliche Herausnahme aus der UVP-Bewilligungspflicht könne aber nach Ansicht des LVwG in der zitierten Vorschrift gerade nicht erkannt werden. Die diesbezüglichen EU-rechtlichen Vorgaben seien daher jedenfalls durch die relativ strengen Bestimmungen des Anhanges des UVP-G 2000, welcher sich auch mit "Zusammenzählungen" befasse, als eingehalten zu betrachten. Insbesondere gemäß der lit. e leg. cit. seien, abgesehen von einem Längenkriterium, derartige Projekte auch bei einer anzunehmenden Länge von über 5 km dann einer UVP zu unterziehen, wenn eine durchschnittliche tägliche Verkehrsbelastung von mindestens 15.000 Kraftfahrzeugen in einem Prognosezeitraum von fünf Jahren zu erwarten sei. Es würden also im UVP-G 2000 zwei unmittelbare umweltrelevante Kriterien, nämlich zum einen jenes der Länge eines Straßenabschnittes und zum anderen jenes der täglichen Verkehrsbelastung auf einer solchen Straße, zu einem materiellen Kriterium für eine allfällige UVP gemacht, was schon für sich für die Sachlichkeit einer derartigen Regelung in "umweltmäßiger Hinsicht" ins Treffen geführt werden müsse.

14 Unabhängig davon, dass auch die Umweltanwaltschaft selbst in ihrer Stellungnahme vom 16. September 2008 davon ausgegangen sei, dass das gegenständliche Vorhaben keiner UVP gemäß den genannten Kriterien zu unterziehen sei, könne hiezu auf die diesbezügliche Begründung im erstinstanzlichen Bescheid verwiesen werden. Im gegenständlichen Verfahren, das ein Projektverfahren sei, sei derzeit ein Straßenbauabschnitt der gegenständlichen Umfahrung "M-M", nämlich der "Abschnitt 1 - M", verfahrensgegenständlich, welcher eine Länge von 3,3 km aufweise und ein für das Jahr 2025 prognostiziertes durchschnittliches tägliches Verkehrsaufkommen von maximal 10.690 KFZ/24 h aufweise. Die anderen Teilabschnitte bzw. Ausbaumaßnahmen an der B XXX seien derzeit nicht antragsgegenständlich.

15 Dass der Straßenabschnitt als solcher prinzipiell für eine derartige ("isolierte") Betrachtung in Frage komme, erhelle schon daraus, dass der Anhang 1 Z 9 lit. a UVP-G 2000 beispielsweise auch den "Neubau von Teilabschnitten von Straßenzügen" (dort am Beispiel von Schnellstraßen) als eigenständig zu betrachtenden Projektteil, welcher somit eigenständig hinsichtlich einer allfälligen UVP-Pflicht zu betrachten sei, nenne.

16 Die Bestimmungen der Z 9 lit. b, e und f des Anhanges 1 zum UVP-G 2000 böten eine Regelung, die klar einer Umgehung einer UVP durch Aufsplitterung von Vorhaben auf mehrere Teilstücke im Einzelnen entgegentrete. Anhang 1 Z 9 lit. f UVP-G 2000 normiere klar, dass auch Vorhaben, die unter dem jeweiligen Schwellenwert lägen, sodann einer UVP zu unterziehen seien, wenn sie mit in räumlicher oder zeitlicher Nähe bestehenden anderen Vorhaben verwirklicht würden und nur gemeinsam mit diesen Vorhaben der jeweilige Schwellenwert erreicht werde.

17 Eine unzulässige Aufteilung auf einzelne unter der UVP-Schwelle gelegene Projekte werde so verhindert; es sei also auch in Bezugnahme auf das konkrete Straßenprojekt unmissverständlich auszuführen, dass nach der geltenden Rechtslage nunmehr weitere Umfahrungsstraßenprojekte der B XXX, wenn sie etwa im zeitlichen Bereich der folgenden zehn Jahre dem Verkehr freigegeben (Anhang 1 Z 9 lit. f UVP-G 2000) und die dort normierten Längenkriterien für Straßen sodann überschreiten würden, einer UVP zu unterziehen wären.

18 Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 8. März 2016, E 1428/2015-13, die Behandlung der von den revisionswerbenden Parteien gegen das Erkenntnis des LVwG vom 29. Mai 2015 erhobenen Beschwerde abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

19 Gegen das Erkenntnis des LVwG vom 29. Mai 2015 richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

20 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

21 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

22 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

23 In der vorliegenden Revision wird zu deren Zulässigkeit ausgeführt:

"Notwendigkeit einer UVP (siehe auch 6.1)

Die belangte Behörde hat eine ordentliche Revision gegen die angefochtene Entscheidung als unzulässig erachtet. Begründet wurde dies damit, dass sich das angefochtene Erkenntnis im Rahmen der Gesetze und der Rechtsprechung bewege und keine Rechtsfrage gegeben sei, deren Lösung grundsätzlicher Bedeutung zukommen würde.

Die belangte Behörde hat bei ihrer Beurteilung aber insbesondere die Entscheidungen des EuGH in den Rechtssachen C- 570/13 und C-531/13 unrichtig berücksichtigt. Gerade die Entscheidung C-531/13 führt dazu, dass die österreichische Regelung, wonach nur Einzelprojekte bei der Prüfung der Kriterien für das verpflichtende Abhalten einer Umweltverträglichkeitsprüfung relevant wären, der Umweltverträglichkeitsrichtlinie widerspricht. Insbesondere sind bei richtiger Auslegung der Umweltverträglichkeitsrichtlinie Wechselwirkungen mit bereits bestehenden Projekten zu berücksichtigen, wobei diese Prüfung nicht auf kleinräumiger Betrachtung verharren darf.

Daraus ist abzuleiten, dass bei der Prüfung der Kriterien für die Umweltverträglichkeitsprüfung nicht nur der im Verfahren berührte Straßenabschnitt relevant ist. Mit einzubeziehen sind jedenfalls auch die durch die Trassenverordnung bedingten Änderungen und Neugestaltungen der Nebenwege, auch wenn sie hinsichtlich der Bewilligung in die Entscheidungsbefugnis einer anderen Behörde fallen. Allein schon beim gegenständlichen Verfahrensabschnitt sind Nebenwege mit einer Länge von mehr als 2 km gegeben, sodass gemeinsam mit der durch die Trassenverordnung definierten Länge im Umfang von 8,5 km der Schwellenwert von 10 km, den das österreichische UVP-G festlegt, überschritten wird und eine Umweltverträglichkeitsprüfung notwendigerweise durchzuführen wäre.

Die Entscheidung des EuGH lässt aber auch den Schluss zu, dass darüber hinaus auch eigentlich sämtliche bestehende Straßen, die in einem relevanten Abstand liegen, bei der Berechnung der Auswirkungen und somit bei der Berücksichtigung der Schwellenwerte einbezogen werden müssen. Die nach österreichischer Rechtslage gegebenen Schwellenwerte sind daher im Sinne der Umweltverträglichkeitsrichtlinie nicht der geeignete Ansatz für die Beurteilung der relevanten Kriterien.

Es liegt daher sehr wohl eine Rechtsfrage von wesentlicher Bedeutung vor, nämlich die Frage, inwieweit in einem Straßenprojekt bestehende Straßen und im Zuge der Neuprojektierung entstehende Nebenwege bei der Beurteilung der Schwellenwerte zu berücksichtigen sind und ob in diesem Zusammenhang insbesondere die österreichische Rechtslage der europarechtlichen Vorgabe (Umweltverträglichkeitsrichtlinie) entspricht.

Eine derartige Entscheidung in Bezug auf Straßen gibt es von Seiten des VwGH bislang nicht. Ist für das der Enteignung zu Grunde liegende Straßenprojekt eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, so wurde der straßenrechtliche Bewilligungsbescheid von einer unzuständigen Behörde erlassen. Dieser wäre aufzuheben und fiele damit die Rechtsgrundlage für eine Enteignung weg."

24 Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt.

25 Das UVP-G 2002 in der Fassung BGBl. I Nr. 14/2014 normiert in § 3 Abs. 1, dass Vorhaben, die in Anhang 1 angeführt sind, sowie Änderungen dieser Vorhaben nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen sind. Für Vorhaben, die in Spalte 2 und 3 des Anhanges 1 angeführt sind, ist das vereinfachte Verfahren durchzuführen.

26 Bei Vorhaben des Anhanges 1, die die dort festgelegten Schwellenwerte nicht erreichen oder Kriterien nicht erfüllen, die aber mit anderen Vorhaben in einem räumlichen Zusammenhang stehen und mit diesen gemeinsam den jeweiligen Schwellenwert erreichen oder das Kriterium erfüllen, hat die Behörde gemäß § 3 Abs. 2 UVP-G 2000 im Einzelfall festzustellen, ob auf Grund einer Kumulierung der Auswirkungen mit erheblichen schädlichen, belästigenden oder belastenden Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen und daher eine Umweltverträglichkeitsprüfung für das geplante Vorhaben durchzuführen ist. Eine Einzelfallprüfung ist nicht durchzuführen, wenn das beantragte Vorhaben eine Kapazität von weniger als 25 % des Schwellenwertes aufweist. Bei der Entscheidung im Einzelfall sind die Kriterien des Abs. 4 Z 1 bis 3 zu berücksichtigen, Abs. 7 ist anzuwenden. Die Umweltverträglichkeitsprüfung ist im vereinfachten Verfahren durchzuführen. Die Einzelfallprüfung entfällt, wenn der Projektwerber/die Projektwerberin die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung beantragt.

27 Anhang 1 zum UVP-G 2000 lautet auszugsweise:

"Anhang 1

Der Anhang enthält die gemäß § 3 UVP-pflichtigen Vorhaben.

In Spalte 1 und 2 finden sich jene Vorhaben, die jedenfalls UVP-pflichtig sind und einem UVP-Verfahren (Spalte 1) oder einem vereinfachten Verfahren (Spalte 2) zu unterziehen sind. Bei in Anhang 1 angeführten Änderungstatbeständen ist ab dem angeführten Schwellenwert eine Einzelfallprüfung durchzuführen; sonst gilt § 3a Abs. 2 und 3, außer es wird ausdrücklich nur die ‚Neuerrichtung', der ‚Neubau' oder die ‚Neuerschließung' erfasst.

(...)

Anhang 1 Z 9

(Spalte 1)

(...)

b) Neubau sonstiger Straßen oder ihrer Teilabschnitte mit

einer durchgehenden Länge von mindestens 10 km, wenn auf der neuen Straße eine durchschnittliche tägliche Verkehrsbelastung (DTV) von mindestens 2 000 Kraftfahrzeugen in einem Prognosezeitraum von fünf Jahren zu erwarten ist; als Neubau gilt auch die Zulegung von zwei auf vier oder mehr Fahrstreifen;

(...)

(Spalte 2)

(...)

e) Neubau sonstiger Straßen oder ihrer Teilabschnitte mit

einer durchgehenden Länge von mindestens 5 km, wenn auf der neuen Straße eine durchschnittliche tägliche Verkehrsbelastung (DTV) von mindestens 15 000 Kraftfahrzeugen in einem Prognosezeitraum von fünf Jahren zu erwarten ist;

f) Vorhaben der lit. a, b, c oder e, wenn das Längenkriterium der jeweiligen lit. nur gemeinsam mit daran unmittelbar angrenzenden, noch nicht oder in den letzten 10 Jahren dem Verkehr frei gegebenen Teilstücken erreicht wird;

(...)"

28 Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist Gegenstand einer - wie hier von den revisionswerbenden Parteien geforderten - Umweltverträglichkeitsprüfung die Prüfung der Umweltverträglichkeit des zur Bewilligung eingereichten Vorhabens. Der Umfang des Vorhabens wird grundsätzlich durch den Antragsteller im Genehmigungsantrag definiert (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 30. Juni 2016, Ra 2016/07/0034).

29 Im Zusammenhang mit der Betrachtung einer behaupteten kumulativen Wirkung von Projekten ist allein das in den Einreichplänen und sonstigen Unterlagen dargestellte Projekt entscheidend, auf eventuell sonst noch beabsichtigte Vorhaben kommt es, so lange noch kein konkretes Projekt vorliegt, nicht an. Im Zusammenhang mit der so genannten Stückelungsproblematik bei einem Straßenbauvorhaben ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bei der Beurteilung, ob ein Teil eines größeren Vorhabens für sich allein als Vorhaben im Sinne des § 3 Abs. 1 UVP-G 2000 zu beurteilen ist, die Sachlichkeit der Abgrenzung maßgeblich (vgl. dazu die Erkenntnisse vom 20. Juli 2004, 2004/05/0100, und vom 20. Dezember 2005, 2004/05/0317).

30 Verfahrensgegenständlich ist der 3,3 km lange "Abschnitt 1 - M" der Umfahrung M-M, der die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 iVm Anhang 1 Z 9 lit. b bzw. e (auch iVm lit. f) UVP-G 2000 nicht erfüllt. Dass dieser Teilabschnitt der Umfahrung M-M für sich verkehrswirksam und sachlich abgrenzbar ist, haben die belangte Behörde und das LVwG mit ihren oben zitierten Ausführungen - in Übereinstimmung mit der hg. Judikatur - nachvollziehbar dargelegt.

31 Die revisionswerbenden Parteien legen ihrem Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision aber zugrunde, dass bei der gegenständlichen Beurteilung die durch die Trassenverordnung definierte Länge von 8,5 km zu berücksichtigen sei. Sie können sich dabei aber auf keine konkrete gesetzliche Bestimmung berufen und übersehen überdies, dass die weiteren Verfahrensabschnitte der Umfahrung M-M nicht antragsgegenständlich waren. Dass für diese weiteren Abschnitte - im Sinne der zitierten hg. Judikatur - bereits konkrete Projekte vorlägen, wird in der Zulässigkeitsbegründung der Revision ebenso wenig behauptet.

32 Aus der von ihnen zitierten Judikatur des EuGH (insbesondere dem Urteil des EuGH vom 11. Februar 2015, C-531/13 ) leiten die revisionswerbenden Parteien selbst (lediglich) ab, dass "bei richtiger Auslegung der Umweltverträglichkeitsrichtlinie Wechselwirkungen mit bereits bestehenden Projekten" zu berücksichtigen seien. "Bestehende Projekte" existieren jedoch - wie dargelegt - im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses des LVwG hinsichtlich der weiteren Abschnitte der Umfahrung M-M nicht.

33 Im Übrigen führte auch der EuGH im zitierten Urteil vom 11. Februar 2015, C-531/13 , aus, es ergebe sich aus Anhang III Nr. 1 der Richtlinie 85/337, dass die Merkmale eines Projekts insbesondere hinsichtlich der kumulativen Auswirkungen "mit anderen Projekten" zu beurteilen seien (Rz 43). Ferner führte er aus, dass die nationale Behörde die Auswirkungen zu prüfen habe, "die das Projekt zusammen mit anderen" haben könnte (Rz 45).

34 Weswegen die österreichische Rechtslage (konkret die in Rede stehenden Bestimmungen des Anhangs 1 Z 9 UVP-G 2000) vor diesem Hintergrund nicht den europarechtlichen Vorgaben entsprechen sollte, lassen die revisionswerbenden Partei unbeantwortet.

35 Soweit die revisionswerbenden Parteien die Einbeziehung der beim gegenständlichen Verfahrensabschnitt "gegebenen" Nebenwege "mit einer Länge von mehr als 2 km" verlangen, zeigen sie schon deshalb keine Rechtsfrage vor grundsätzlicher Bedeutung auf, weil - ausgehend vom gegenständlichen Vorhaben mit einer Länge von 3,3 km - das in Anbetracht der prognostizierten Verkehrsbelastung hier maßgebliche Längenkriterium des Anhangs 1 lit. b UVP-G 2000 (10 km) auch unter Berücksichtigung der genannten Nebenwege nicht erreicht würde.

36 Das weitere Vorbringen, es seien "eigentlich sämtliche bestehende Straßen, die in einem relevanten Abstand liegen", einzubeziehen, erweist sich schon deshalb als nicht geeignet, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen, weil damit kein konkreter, die UVP-Pflicht auslösender Tatbestand (nach dem UVP-G 2000) behauptet wird (siehe zu einem ebenso unkonkreten Vorbringen, es seien die kumulierten Auswirkungen "des projektierten Betriebes mit den bestehenden Betrieben in der Umgebung" zu berücksichtigen, das hg. Erkenntnis vom 9. September 2015, Ro 2015/04/0009).

37 Anzumerken ist, dass die Beurteilung des gegenständlichen Vorbringens zur Zulässigkeit der Revision auch vor dem Hintergrund der Bestimmung des § 3 Abs. 2 UVP-G 2000 zu keinem anderen Ergebnis führte. Aus § 3 Abs. 2 UVP-G 2000 ergibt sich, dass bei der Beurteilung umweltrelevanter Auswirkungen bei einer Einzelfallprüfung nicht nur bestehende, sondern auch geplante Projekte (inklusive geplanter Ausgleichsmaßnahmen) berücksichtigt werden müssen. Das Hauptziel dieser Bestimmung lag und liegt darin, mehrere projektierte, unter dem Schwellenwert liegende Vorhaben gemeinsam bewerten zu können und so eine Umgehung der UVP-Pflicht zu verhindern. Dies setzt aber notwendigerweise eine Beurteilung nicht nur bereits bestehender Anlagen, sondern auch solcher Anlagen voraus, die zwar noch nicht errichtet sind, aber bei denen zumindest ein Projekt vorliegt. Auf beabsichtigte Vorhaben kommt es daher dann nicht an, wenn und solange noch gar kein konkretes Projekt vorliegt (vgl. im Einzelnen nochmals den hg. Beschluss vom 30. Juni 2016, Ra 2016/07/0034, mwN).

38 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

39 Damit erübrigt sich ein Eingehen auf die Anregung der revisionswerbenden Parteien auf ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zur Frage der Auslegung des Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten.

40 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG Abstand genommen werden.

Wien, am 29. November 2016

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