European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:RA2016020030.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Die vorliegende Revision erachtet die rechtliche Beurteilung des Verwaltungsgerichts, das vom Revisionswerber eingerichtete Kontrollsystem sei für die Befreiung von seiner Verantwortlichkeit nicht ausreichend, als rechtswidrig.
5 Zunächst ist der Revisionswerber darauf zu verweisen, dass sich (betriebliche) Kontrollsysteme in der Regel nicht gleichen und daher einer einzelfallbezogenen Beurteilung unterliegen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG läge daher nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgte und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis führte.
6 Nach der Rechtsprechung zum Kontrollsystem hat der Arbeitgeber im Bereich des Arbeitnehmerschutzes für die Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems zu sorgen, wobei es der ständigen Rechtsprechung entspricht, dass dieses gerade für den Fall eigenmächtiger Handlungen von Arbeitnehmern gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften Platz zu greifen hat (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 24. Februar 2012, Zl. 2010/02/0220, mwN).
7 Die Einrichtung eines entsprechenden Kontrollsystems ist für die Befreiung von der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften entscheidend (vgl. das Erkenntnis vom 19. Oktober 2001, Zl 2000/02/0228); dessen genaue Ausgestaltung wurde in der Rechtsprechung bereits umfassend behandelt (vgl. etwa das Erkenntnis vom 23. März 2012, Zl. 2010/02/0263).
8 So ist es für die Darstellung eines wirksamen Kontrollsystems erforderlich, unter anderem aufzuzeigen, welche Maßnahmen im Einzelnen der unmittelbar Übergeordnete im Rahmen des Kontrollsystems zu ergreifen verpflichtet war, um durchzusetzen, dass jeder in dieses Kontrollsystem eingebundene Mitarbeiter die arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften auch tatsächlich befolgt und welche Maßnahmen schließlich der an der Spitze der Unternehmenshierarchie stehende Anordnungsbefugte vorgesehen hat, um das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten, das heißt sicherzustellen, dass die auf der jeweils übergeordneten Ebene erteilten Anordnungen (Weisungen) zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften auch an die jeweils untergeordnete, zuletzt also an die unterste Hierarchie-Ebene gelangen und dort auch tatsächlich befolgt werden (vgl. etwa das Erkenntnis vom 4. Mai 2015, Ra 2015/02/0020, mwN).
9 Zu einem derartigen Kontrollsystem gehört auch, dass in systematischer Weise möglichen Verstößen nachgegangen wird, diese Verstöße dokumentiert werden und zu entsprechenden Konsequenzen (beispielsweise zu einer Verbesserung der Anleitungen oder Schulungen, allenfalls auch zu disziplinären Maßnahmen) führen, sodass im Ergebnis mit gutem Grund erwartet werden kann, dass die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften gewährleistet ist (vgl. in diesem Zusammenhang zu einer möglichen Einrichtung eines Kontrollsystems im Rahmen eines zertifizierten Qualitätssicherungssystems das zum GGBG ergangene Erkenntnis vom 23. November 2009, Zl. 2008/03/0176).
10 Stichprobenartige Kontrollen reichen für das Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems zur Hintanhaltung von Verstößen gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften nicht aus (vgl. auch das Erkenntnis vom 30. September 2014, Zl. Ra 2014/02/0045).
11 Ein wirksames Kontrollsystem verlangt nicht die ständige Beaufsichtigung jedes Arbeitnehmers, sondern das Treffen von Maßnahmen, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Dieses Kontrollsystem ist im Verfahren auch darzulegen (vgl. das Erkenntnis vom 9. Februar 2015, Ra 2015/02/0014).
12 Schulungen und Betriebsanweisungen als Vorsorge vermögen gegebenenfalls ein Kontrollsystem zu unterstützen, aber nicht zu ersetzen. Belehrungen, Arbeitsanweisungen oder stichprobenartige Kontrollen reichen ebenfalls nicht aus, die Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems glaubhaft zu machen (vgl. das Erkenntnis vom 24. März 2015, Zl. 2013/03/0054, mwH).
13 In der Zulässigkeitsbegründung erachtet der Revisionswerber die auf das Wesentliche zusammengefassten Fragen, inwieweit das konkrete Kontrollsystem Mitarbeiter vom Zuwiderhandeln gegen Arbeitnehmervorschriften abzuhalten geeignet gewesen sei und wie weit ein Kontrollsystem im Spannungsfeld zwischen Dienstnehmerprivatsphäre und Arbeitnehmerschutz gehen müsse, als Rechtsfragen nach Art. 133 Abs. 4 B-VG.
14 Abgesehen davon, dass es nicht Aufgabe der Behörde ist, Anleitungen dahingehend zu geben, wie ein funktionierendes Kontrollsystem aussehen müsste, sondern nur zu überprüfen, ob das behauptete Kontrollsystem ausreichend gestaltet ist, um mangelndes Verschulden darzutun (vgl. das oben zitierte Erkenntnis vom 30. September 2014, Ra 2014/02/0045, mwN), ist dem Revisionswerber selbst unter Berücksichtigung des gesamten im Verfahren erstatteten Vorbringens zum Kontrollsystem in den Stellungnahmen vom 22. August 2014, vom 2. März 2015 samt Beilagen und vom 19. Mai 2015 sowie in der Beschwerde vom 19. Juni 2015 und in der mündlichen Verhandlung vom 5. November 2015 vor dem Hintergrund der zitierten Rechtsprechung die Darstellung eines wirksamen Kontrollsystems nicht gelungen, zumal zwar immer wieder von einzelnen Schulungen und Kontrollen die Rede ist, jedoch kein wie von der Rechtsprechung gefordertes "System" dahinter erkennbar ist. Insbesondere gelang es dem Revisionswerber nicht aufzuzeigen, welche konkreten Maßnahmen im Einzelnen der unmittelbar Übergeordnete im Rahmen des Kontrollsystems zu ergreifen verpflichtet war, um durchzusetzen, dass jeder in dieses Kontrollsystem eingebundene Mitarbeiter die arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften auch tatsächlich befolgt und welche Maßnahmen schließlich der an der Spitze der Unternehmenshierarchie stehende Anordnungsbefugte vorgesehen hat, um das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten, das heißt sicherzustellen, dass die auf der jeweils übergeordneten Ebene erteilten Anordnungen (Weisungen) zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften auch an die jeweils untergeordnete, zuletzt also an die unterste Hierarchie-Ebene gelangen und dort auch tatsächlich befolgt werden.
15 In der Revision werden demnach keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 7. März 2016
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