Normen
ArbIG 1993 §23 Abs2;
ASchG 1994 §130 Abs1 Z16;
ASchG 1994 §35 Abs1 Z1;
EMRK Art6;
VStG §5 Abs1;
VwGG §39 Abs2 Z6;
ArbIG 1993 §23 Abs2;
ASchG 1994 §130 Abs1 Z16;
ASchG 1994 §35 Abs1 Z1;
EMRK Art6;
VStG §5 Abs1;
VwGG §39 Abs2 Z6;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 21. Juli 2010 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe als Arbeitgeber am 18. August 2009 in einer näher genannten Arbeitsstätte (Bäckerei) nicht dafür gesorgt, dass bei der Benützung von Arbeitsmitteln diese nur für Arbeitsvorgänge und unter Bedingungen benützt würden, für die sie geeignet seien und für die sie nach Angaben der Hersteller oder Inverkehrbringer vorgesehen seien.
Bei der in der Backstube aufgestellten näher bezeichneten Teigteilmaschine sei als Aufstiegshilfe für Arbeiten am Teigzuführtrichter eine Leiter verwendet worden. Entsprechend den Herstellerangaben sei das Arbeitsmittel für die Bedienung vom Boden aus vorgesehen und werde der Schutz der Quetschstellen zwischen Hauptkolben und Maschinentrichter bzw. Maschinenrahmen durch die Bauhöhe der Maschine (Trichter) erreicht. Durch das Verwenden einer Leiter bei der Bedienung der Teigteilmaschine sei das Antriebsmittel nicht entsprechend den Hersteller- und Inverkehrbringerangaben benutzt worden.
Der Beschwerdeführer habe dadurch § 130 Abs. 1 Z. 16 i.V.m.
§ 35 Abs. 1 Z. 1 ASchG verletzt, weshalb über ihn eine Geldstrafe in Höhe von EUR 1.000.-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 2 Tage) verhängt wurde.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird u. a. ausgeführt, am 18. August 2009 habe der Bäckermeister J. L. eine Leiter verwendet, um Teig in die Teigteilmaschine hineinzuschieben. Der Teigzuführtrichter sei nicht geöffnet worden. Es sei daher die Maschine in Betrieb gewesen. Zwischen dem Hauptkolben und dem Maschinentrichter bzw. Maschinenrahmen würden sich Quetschstellen befinden. Die Maschine habe eine Bauhöhe, sodass sie bei der Bedienung vom Boden aus keine Gefahr darstelle, weil vom Boden aus die Quetschstellen nicht erreicht werden könnten. Der Unfall sei beim letzten Teig, der in die Maschine gekommen sei, passiert, als J. L. die Teigreste im Trichter hinuntergestrichen habe.
Die gegenständliche Teigteilmaschine sei von J. L. am 18. August 2009 nicht entsprechend den Herstellerangaben durch Bedienen vom Boden aus verwendet worden, sondern es sei bei der Bedienung der Teigteilmaschine eine Leiter von diesem Arbeitnehmer verwendet worden, sodass er ohne Öffnung des Trichters - damit würde die Maschine zum Stillstand kommen - in den Teigzuführtrichter gegriffen habe und so die Quetschstellen zwischen Hauptkolben und Maschinentrichter bzw. Maschinenrahmen erreicht habe. Es sei dadurch zu einer Verletzung der rechten Hand gekommen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In der Beschwerde wird u.a. ausgeführt, dass der Beschwerdeführer den objektiven Tatbestand der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung nicht begangen habe. Es sei richtig, dass sich J. L. am 18. August 2009 infolge eines selbstverschuldeten Verhaltens an der Hand verletzt habe. Der Beschwerdeführer habe jedoch sämtliche einschlägigen Arbeitnehmerschutzbestimmungen eingehalten. Das Beweisverfahren habe auch ergeben, dass J. L. seine selbstgewählte Arbeitsvorgangsweise stets dann durchgeführt habe, wenn dies niemand gesehen habe. Er habe sich eigenmächtig, wider besseres Wissen, sohin unvorhersehbar und mutwillig in Gefahr begeben.
Es mangle dem Beschwerdeführer aber insbesondere am Verschulden. So widerspreche es jeglichen Schutzvorkehrungen und sei selbstverständlich strengstens verboten, eine derartige Maschine, während sie in Betrieb sei, also während der scharfe Kolben den Teig teile, zu warten bzw. zu reinigen. Dies stelle eine schwere Sorgfaltsverletzung des Arbeitnehmers selbst dar, für welche der Arbeitgeber nicht verantwortlich gemacht werden könne. Mit einer derartigen überraschenden und schwerwiegenden Sorgfaltsverletzung habe der Beschwerdeführer aber nicht zu rechnen gehabt. Ferner sei darauf hinzuweisen, dass J. L. bereits seit 8 Jahren in der Bäckerei des Beschwerdeführers beschäftigt und daher außerordentlich geschult sei. Der Beschwerdeführer habe nicht die Möglichkeit gehabt, die Verwirklichung der angelasteten Tat hintanzuhalten. Hätte der Beschwerdeführer jemals gesehen, dass der Bäckermeister J. L. oder ein anderer Mitarbeiter eine derart sorglose Reinigungsmethode anwende, hätte er dies sofort und strikt untersagt.
Dem Beschwerdeführer sei nicht zumutbar, hinter jedem Arbeitnehmer "nachzulaufen" und zu kontrollieren, ob dieser absurde, unerwartete und dumme Handlungen setzen könnte, die außerhalb jeglicher Lebenserfahrung und des Menschenverstandes lägen und völlig unvorhersehbar seien. Dies schon gar nicht, wenn es sich bei dem Arbeitnehmer um einen voll ausgebildeten Bäckermeister mit Berufserfahrung handle. Der Beschwerdeführer habe aufgrund der Fachkenntnisse des Arbeitnehmers J. L. und der diesem erteilten oftmaligen Anweisungen nicht mit einem solchen Fehlverhalten rechnen müssen.
Wenn man eine Kontrolleinrichtung für ein Verhalten fordere, das weder bekannt, noch vorhersehbar sei, dann bedeute dies die Überspannung der Anforderungen an die Überwachungspflicht des Betriebsleiters.
Die von der belangten Behörde zitierte Rechtsprechung habe bezüglich des Kontrollsystems Großbetriebe im Auge, in denen Arbeitnehmer permanent potenziellen physischen Gefahren ausgesetzt seien. Im Beschwerdefall handle es sich um einen kleinen Familienbetrieb, der aus insgesamt 8 Personen bestehe. Der Bäckermeister J. L. sei im Sinne des § 23 Abs. 2 ArbIG ein leitender Angestellter und neben dem Beschwerdeführer eine Führungskraft. Die Unsachlichkeit der Auffassung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer hätte sich beispielsweise einer weiteren leitenden Führungskraft bedienen müssen, die J. L. kontrolliere, sei offensichtlich.
§ 35 Abs. 1 ASchG lautet auszugsweise:
"(1) Arbeitgeber haben dafür zu sorgen, dass bei der Benutzung von Arbeitsmitteln folgende Grundsätze eingehalten werden:
1. Arbeitsmittel dürfen nur für Arbeitsvorgänge und unter Bedingungen benutzt werden, für die sie geeignet sind und für die sie nach den Angaben der Hersteller oder Inverkehrbringer vorgesehen sind.
2. ….
…."
Nach § 130 Abs. 1 Z. 16 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 EUR bis
7.260 EUR, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 EUR bis
14.530 EUR zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber entgegen diesem Bundesgesetz oder den dazu erlassenen Verordnungen die Verpflichtungen betreffend die Beschaffenheit, die Aufstellung, die Benutzung, die Prüfung oder die Wartung von Arbeitsmitteln verletzt.
Bei der Übertretung im Sinne des § 35 Abs. 1 Z. 1 i.V.m.
§ 130 Abs. 1 Z. 16 ASchG handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt, weil zum Tatbestand der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört.
Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
Unter dem Gesichtspunkt des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG ist es im Hinblick auf ein das Verschulden ausschließendes "wirksames Kontrollsystem" u.a. nicht ausreichend, Anordnungen (Weisungen) zu erteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. August 2009, Zl. 2008/02/0128, m.w.N., auf dessen nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).
Es entspricht auch der ständigen Rechtsprechung, dass gerade für den Fall eigenmächtiger Handlungen von Arbeitnehmern gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften das entsprechende Kontrollsystem Platz zu greifen hat (vgl. das vorzitierte hg. Erkenntnis vom 5. August 2009, m.w.N.).
Auch in der Beschwerde wurde kein Vorbringen erstattet, welche Kontrolle über die Erteilung von Anordnungen (Weisungen) hinaus erfolgt ist. Vor dem dargestellten rechtlichen Hintergrund ist die belangte Behörde daher im Hinblick auf den festgestellten Sachverhalt zutreffend davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer kein wirksames Kontrollsystem zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Bestimmungen eingerichtet hat. Es ist auch nicht zu ersehen, dass die durch den Vorwurf einer mangelnden wirksamen Kontrolle die Anforderungen an die Überwachungspflicht - wie der Beschwerdeführer behauptet - überspannt würden.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden. Der Anforderung des Art. 6 EMRK wurde im gegenständlichen Fall durch die Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde, einem Tribunal im Sinne der EMRK, Genüge getan (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Juni 2005, Zl. 2004/02/0347, m.w.N.).
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 24. Februar 2012
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