VwGH Ro 2014/10/0056

VwGHRo 2014/10/00569.11.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Revision der E S in Wien, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Amhof & Dr. Damian GmbH in 1060 Wien, Linke Wienzeile 4, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 16. Dezember 2013, Zl. MA 22-62197/2013, betreffend naturschutzrechtliche Bewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §18 Abs4;
AVG §56;
NatSchG Wr 1998 §1;
NatSchG Wr 1998 §18 Abs1 Z2;
NatSchG Wr 1998 §18 Abs3;
NatSchG Wr 1998 §18 Abs4 Z1;
NatSchG Wr 1998 §18 Abs4 Z2;
NatSchG Wr 1998 §18 Abs4 Z3;
VwRallg;
AVG §18 Abs4;
AVG §56;
NatSchG Wr 1998 §1;
NatSchG Wr 1998 §18 Abs1 Z2;
NatSchG Wr 1998 §18 Abs3;
NatSchG Wr 1998 §18 Abs4 Z1;
NatSchG Wr 1998 §18 Abs4 Z2;
NatSchG Wr 1998 §18 Abs4 Z3;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die Revisionswerberin hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Wiener Landesregierung vom 16. Dezember 2013 wurde der Antrag der Revisionswerberin auf (nachträgliche) naturschutzrechtliche Bewilligung einer Steganlage, bestehend aus einem etwa 22 m langen, ca. 80 cm breiten Holzsteg aus Lärchenholz, der in einer ca. 4 m x 4 m großen Plattform mündet, und die an den mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 20. Juni 2012 bewilligten Quersteg anschließt, gemäß § 24 Abs. 6 Wiener Naturschutzgesetz (Wr. NSchG) abgewiesen.

2 Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, bei einem Ortsaugenschein auf einem näher bezeichneten Grundstück in 1220 Wien am 6. Juli 2011 sei festgestellt worden, dass im Landschaftsschutzgebiet Lobau die genannte naturschutzbehördlich bewilligungspflichtige Steganlage angelegt worden sei. Die Revisionswerberin habe dazu angegeben, die Errichtung der Steganlage einige Jahre zuvor veranlasst zu haben. Sie habe daraufhin am 28. September 2011 einen Antrag auf naturschutzbehördliche Bewilligung gestellt. Dem eingeholten Gutachten eines Amtssachverständigen für Landschafts-, Natur- und Artenschutz vom 21. Dezember 2011 zufolge sei die Errichtung des Steges durch ihre fragmentierende Wirkung auf den Lebensraum Uferzone als wesentliche Beeinträchtigung des Landschaftshaushaltes zu werten. Demgegenüber habe die Revisionswerberin ein naturschutzfachliches Gutachten eines Ingenieurkonsulenten für Landschaftsplanung und Landschaftspflege vom 9. November 2012 vorgelegt, demzufolge die Steganalage den Landschaftshaushalt nicht wesentlich beeinträchtige. Mit dem angefochtenen Bescheid der Erstbehörde vom 30. November 2012 sei die naturschutzbehördliche Bewilligung versagt worden. Begründend sei im Wesentlichen ausgeführt worden, dass in dem von der Revisionswerberin vorgelegten Gutachten für die Beurteilung der Wesentlichkeit relevante Umstände nicht erörtert worden seien. Im Gutachten des Amtssachverständigen sei demgegenüber schlüssig und nachvollziehbar dargelegt worden, dass die Errichtung der gegenständlichen Steganlage zumindest den Landschaftshaushalt wesentlich beeinträchtige. Vor diesem Hintergrund sei im Rahmen der Beweiswürdigung den Ausführungen des Amtssachverständigen zu folgen gewesen. Dagegen habe die Revisionswerberin Berufung erhoben und darin - sowie in einem weiteren Schriftsatz vom 6. Dezember 2013 - ein im Einzelnen dargestelltes Vorbringen erstattet.

3 In weiterer Folge führte die belangte Behörde nach Darstellung der Rechtslage zum Vorbringen der Revisionswerberin - soweit im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof noch von Relevanz - zusammengefasst Folgendes aus: Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin gehe der erstinstanzliche Bescheid konkret auf das von ihr vorgelegte Gutachten vom 9. November 2012 ein. So werde richtigerweise ausgeführt, dass in diesem Gutachten für die Beurteilung der Wesentlichkeit des Eingriffs in den Landschaftshaushalt nur das Vorhandensein des Steges und dessen Nutzung (also die "Bestandsphase") herangezogen werde, nicht jedoch auch dessen Errichtung und die damit verbundenen Änderungen des Gewässerbodens und Beeinträchtigungen des Schilfgürtels. Sowohl die "Errichtungsphase" als auch die "Bestandsphase" seien aber für die Beurteilung der Wesentlichkeit eines Eingriffes relevant, weshalb auch eine entsprechende Bewertung im Gutachten des Amtssachverständigen vorgenommen werde. Der Amtssachverständige ziehe dazu in seinem Gutachten auch die Situation vor Unterschutzstellung des Landschaftsschutzgebietes (also vor 1978) heran und berücksichtige u.a. Luftbilder aus der Zeit vor 2004, als die gegenständliche Steganlage noch nicht errichtet gewesen sei. Als Ergebnis dieser Beurteilung gelange er in nachvollziehbarer Weise zum Schluss, dass die Errichtung des Steges eine Zäsur in der Uferzone darstelle. Das von der Revisionswerberin vorgelegte Gutachten räume sogar ein, dass der Schilfgürtel an verschiedenen Stellen durchbrochen sei und dass dies teilweise auch anthropogene Ursachen habe, es gehe jedoch - im Gegensatz zum Gutachten des Amtssachverständigen - auf die Errichtungsphase des Steges nicht ein. Die Erstbehörde stütze sich daher zu Recht auf die Ausführungen des Amtssachverständigen.

4 Ergänzend sei anzumerken, dass das (von der Revisionswerberin vorgelegte) Gutachten vom 9. November 2012 davon ausgehe, dass durch den Steg keinerlei Beeinträchtigungen des Schilfgürtels stattgefunden hätten und insbesondere die Revisionswerberin im Bereich des Steges keinen Rückschnitt von Röhricht durchgeführt habe. Das werde damit begründet, dass die Revisionswerberin dies dem Gutachter im Spätherbst 2012 mitgeteilt habe und er weiters vor Ort keine Spuren von Rückschnitten festgestellt habe. Ein Gutachten, das sich in wesentlichen Aussagen auf die Angaben einer Partei stütze bzw. diese unkritisch übernehme, könne aber nicht als gänzlich objektiv bezeichnet werden. Zudem werde im Gutachten die Folgerung, durch das gegenständliche Projekt werde der Landschaftshaushalt nicht wesentlich beeinträchtigt, darauf gestützt, dass der Steg bestimmte streng geschützte Arten, die in einer Stellungnahme des Amtssachverständigen angeführt seien, nicht beeinträchtige. Der Amtssachverständigen gehe aber gar nicht von einem Verstoß gegen die Artenschutzbestimmungen aus. Die Beurteilung der Auswirkungen des gegenständlichen Projekts auf geschützte Tier- und Pflanzenarten ändere somit nichts daran, dass dieses Projekt - wie aus dem Amtssachverständigengutachten ersichtlich sei - einen Schutzzweck des Landschaftsschutzgebietes, nämlich den Landschaftshaushalt, im Sinne des § 24 Abs. 5 Wr. NSchG wesentlich beeinträchtige. Es werde im Gutachten des Amtssachverständigen schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass und warum die Errichtung der gegenständlichen Steganlage zumindest den Landschaftshaushalt wesentlich beeinträchtige. Im Hinblick auf die aufgezeigten Mängel des Gutachtens vom 9. November 2012 sei die Erstbehörde zu Recht den Ausführungen des Amtssachverständigen gefolgt.

5 Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin sei es nicht von Relevanz, ob derzeit südlich des Steges Schilfröhricht vorhanden sei oder nicht. Die Aussage im Gutachten vom 9. November 2012, dass das Schilfröhricht keine Ausbreitungstendenzen in Richtung des Steges zeige, beruhe auf Angaben der Revisionswerberin und sei als bloße Schutzbehauptung zu werten. Gerade weil, wie dem Gutachten des Amtssachverständigen vom 21. Dezember 2011 zu entnehmen sei, die Uferzone einschließlich des Schilfgürtels in diesem Bereich bereits stark "zersiedelt" sei und durch wiederkehrende Nutzungen beeinträchtigt werde, spiele jede weitere Beeinträchtigung dieses sensiblen Systems eine umso größere Rolle. Dazu komme die Nähe des gegenständlichen Bereiches zum Nationalpark Donau-Auen und die damit verbundene wichtige Pufferfunktion der Uferzone und ihres Röhrichtgürtels.

6 Soweit die Revisionswerberin vorbringe, der Steg stelle keine funktionale Unterbrechung der Litoralzone dar, sei auf die schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Amtssachverständigen in einer ergänzenden Stellungnahme vom 11. Juli 2013 zu verweisen. Demnach sei Röhricht ein sehr wichtiger Strukturgeber und biete Lebensraum für eine spezialisierte Lebewelt. So sei er z.B. Laich-, Brut- und Fluchtraum für Kleinfische und Fischlarven, diene vielen spezialisierten Insekten als Nahrungspflanze oder fungiere als Brutstätte zahlreicher Vogelarten. Röhricht übernehme aber auch als natürliche "Kläranlage" eine wesentliche Funktion in der Reinhaltung eines Gewässers. Daneben diene Röhricht mit seinem ausgedehnten Wurzelwerk der Befestigung der Ufersedimente. Allgemein würden Röhrichte funktionell wie natürliche Pufferzonen zwischen Land und Gewässer fungieren, wobei die strukturelle Bedeutung des Röhrichts bei weitem seinen trophischen Wert übersteige. Um die ökologische Funktionsfähigkeit einer Röhrichtvergesellschaftung möglichst intakt zu halten, sei die Konnektivität und Ungestörtheit dieser natürlichen Pufferzone zwischen Land und Gewässer maßgebend.

7 Im Bereich der Gartensiedlung "Herrenhäufel" sei die Röhrichtzone auf einer Uferlänge von etwa 30 m schon vor Unterschutzstellung unterbrochen gewesen (Bestand vor 1978). Obwohl die meisten röhrichtbrütenden Vögel ziemlich flexibel seien, was die Größe ihres Nistbiotops angehe, könne als untere Nistbiotopgröße für Drossel- und Teichrohrsänger sowie Wasserralle 0,01 ha und für die Zwergdommel 0,1 ha angesehen werden. Insgesamt würden Artendichte und Artendiversität signifikant positiv von der Flächengröße abhängen. Die nunmehrige zusätzliche Durchtrennung des Uferröhrichts im Ausmaß von ca. 100 m2 (auf einer Uferlänge von etwa 8 m) bewirke somit eine merkliche Vergrößerung der bereits bestehenden Zäsur (Bestand vor 1978), dies zumindest in Nistbiotopgröße potentiell vorkommender geschützter Vogelarten. Neben der Konnektivität sei aber auch die "Ungestörtheit" eine maßgebende Größe für den Artenschutz (strukturelle Komponente als Lebensraum). Weiters stelle der Steg eine Baulichkeit dar, die durch ihre Benutzung Störungen verursache. Die im von der Revisionswerberin vorgelegten Gutachten vom 9. November 2012 vertretene Ansicht, dass der Steg für eine Bewegung entlang des Ufers für keine in diesem Raum vorkommende Tierart eine Barriere darstelle, zumal er den Austausch des Wassers und die Ausbreitung der Vegetation in uferparalleler Richtung nicht unterbreche, könne der Amtssachverständige in Anbetracht potentiell vorkommender geschützter Vogelarten nicht teilen.

8 Soweit die Revisionswerberin vorbringe, die von der Erstbehörde vermutete Änderung des Gewässerbodens durch die Steganalage entbehre ebenso wie die Behauptung, es sei im Zeitpunkt der Errichtung des Stegs zu Beeinträchtigungen des Schilfgürtel gekommen, einer Sachverhaltsgrundlage, sei auf die Ausführungen des Amtssachverständigen zu verweisen. Demnach sei die von der Erstbehörde vermutete Änderung des Gewässerbodens lediglich als beispielhafte Aufzählung zu verstehen. Diese Frage habe aber keine Auswirkungen auf die Gesamtbeurteilung des Eingriffes. Die herangezogenen Luftbilder von 1977 und 1979 zeigten, dass der Uferbereich des in Rede stehenden Grundstückes zu 100 % mit Schilfröhricht bewachsen gewesen sei. Es handle sich dabei um eine geschätzte Fläche von 100 m2. Da zum Zeitpunkt der Unterschutzstellung des Gebietes zweifelsfrei Schilfröhricht vorhanden gewesen sei, sei für einen dem Naturschutz möglichst weitgehend Rechnung tragenden Zustand eben jener "ursprüngliche" Zustand einzufordern. Dass mit dem Bau von Steganlagen in Röhrichtzonen eine direkte Zerstörung von Röhrichten verbunden sei, erscheine schlüssig.

9 Unabhängig von der Frage, ob und inwieweit im Zuge der Errichtung der Steganlage der Röhrichtgürtel unmittelbar zerstört worden sei, entfalte die Steganalage deutlich negative Auswirkungen. Wie aus den Stellungnahmen des Amtssachverständigen hervorgehe, sei zur Erhaltung des Wirkungsgefüges der natürlichen Pufferzone zwischen Land und Gewässer die Freihaltung dieser Pufferflächen von jeder Verbauung von immanenter Bedeutung. Die Errichtung des gegenständlichen Steges stelle eine zusätzliche Zäsur in die - in diesem Bereich teilweise bereits fragmentierte - Uferzone als Lebensraum dar. Darüber hinaus finde mit der Nutzung des Stegs, der etwa bis in die Mitte des Gewässers reiche, eine zusätzliche nicht unerhebliche Störung der Schwimmpflanzenbzw. Unterwasserpflanzenzone statt, die der Erhaltung der ökologischen Funktionsfähigkeit zuwiderlaufe. Weiters ergebe sich aus der allgemeinen Lebenserfahrung, dass an jener Stelle, an der sich eine Steganlage befinde, kein neues Röhricht aufkommen könne und der Steg damit einen Lückenschluss im Röhrichtgürtel zumindest behindere.

10 Soweit die Revisionswerberin vorbringe, die Erstbehörde habe nicht festgestellt, ob als Ursache für Unterbrechungen im Schilfgürtel menschliche oder sonstige Einflüsse maßgeblich gewesen seien bzw. ob nicht bereits Voreigentümer Eingriffe in den Schilfgürtel vorgenommen hätten, sei abermals auf die Ausführungen des Amtssachverständigen zu verweisen. Demnach ließen die Luftbilder von 1977, 1979 und 2009 im in Rede stehenden Bereich auf eine gleichmäßige vitale Entwicklung des Röhrichts schließen. Vergleiche man den im Uferbereich der Revisionswerberin dokumentierten Röhrichtrückgang mit den angrenzenden Röhrichtbeständen, so würden jedenfalls Wasserstandsschwankungen, Beweidung durch Wildtiere, Verschlechterung der Gewässerqualität, Beschattung und Raumkonkurrenz durch Ufergehölze, mechanische Schädigung durch Eis- und Wellengang, Treibholz, Konkurrenz durch krautige Pflanzen, Ufererosion, Algenmatten oder andere Wasserpflanzen als Rückgangsursache ausscheiden. Somit verblieben als mögliche Ursache Freizeitaktivität, Sommermahd (Baggerung), Uferverbauung oder Errichtung einer Steganalage. Die letztgenannten Ursachen stünden alle mit menschlichem Einfluss in Zusammenhang. Es liege nahe, dass der gegenständliche Steg eine Ursache für den Röhrichtrückgang darstelle, wobei dies Mehrfachkausalitäten nicht ausschließe.

11 Zum Vorbringen der Revisionswerberin, die Errichtung der Steganlage habe den Landschaftshaushalt nicht wesentlich beeinträchtigt, sei erneut auf die Ausführungen des Amtssachverständigen zu verweisen. Demnach seien im in Rede stehenden Bereich auf einer Uferlänge von 130 m etwa 1.250 m2 Schilfröhricht vorzufinden. Als Betrachtungsraum (jener begrenzte Bereich, in welchem die aus naturschutzfachlicher Sicht auftretenden Auswirkungen der Maßnahme Steganlage auf den Schutzzweck zu beurteilen seien) sei der Gewässerabschnitt zwischen der Brücke "Lobaugasse" bis zur Einmündung des Mühlwassersystems in den Nationalpark Lobau festgelegt worden. Diese Eingrenzung sei mit der Homogenität der bestehenden Einflüsse und dem einheitlichen Schutzzweck des Landschaftsschutzgebietes zu begründen. Am Ufer dominiere ein Schilfröhrichtgürtel, welcher orographisch rechts durch Siedlungstätigkeiten in seiner Durchgängigkeit in mehrere größere Bereiche parzelliert werde und somit in seiner Qualität und Quantität bereits schon vor 1978 beeinträchtigt gewesen sei. Mit der Errichtung des Steges sei in einen naturnahen Uferbereich des Mühlwassers so eingegriffen worden, dass ein hinsichtlich des Landschaftshaushaltes intakter Uferabschnitt vernichtet worden sei. Die mit der Errichtung der Steganlage (Fläche von ca. 33 m2) einhergehende Vernichtung eines ca. 100 m2 (ca. 1 % des Bestandes des Betrachtungsraumes) großen Röhrichtbestandes sei als rezedent einzustufen. Dennoch sei aufgrund der kumulativen Wirkung zu bereits bestehenden menschlichen Einflüssen (schon vor Unterschutzstellung), fehlender Kompensationsmaßnahmen und vor allem aufgrund des ökologischen Potentials der vernichteten Röhrichtfläche, wie geeignete Nistarealgröße (z.B. Teichrohrsänger), Laichhabitat für Amphibien etc., dieser Eingriff in den Landschaftshaushalt flächenmäßig als bedeutsam und damit als wesentliche Beeinträchtigung einzustufen. Im Hinblick darauf beeinträchtige die gegenständliche Steganlage den Landschaftshaushalt im Sinne des § 24 Abs. 6 Wr. NSchG wesentlich.

12 Soweit die Revisionswerberin eine - über das gesamte Jahr gesehen - bloß gelegentliche Erholungsnutzung des Steges behaupte, seien diese Angaben nicht glaubwürdig. Wer einen derart groß dimensionierten Steg mit nicht unerheblichem Aufwand errichte, nutze diesen nicht bloß einige Male im Jahr. Es sei daher davon auszugehen, dass die diesbezüglichen Angaben der Revisionswerberin bloße Schutzbehauptungen seien und der Steg wesentlich öfter als angegeben genutzt werde. Im Übrigen räume auch das von der Revisionswerberin vorgelegte Gutachten vom 9. November 2012 ein, dass von der Erholungsnutzung Störwirkungen auf Teile der Tierwelt (u.a. Wirbeltiere und Gliederfüßer) ausgehen könnten.

13 Zusammenfassend hätten sich die von der Revisionswerberin vorgebrachten Einwände nicht bestätigt. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass mit der Umsetzung des eingereichten Projekts eine wesentliche Beeinträchtigung des Landschaftshaushaltes im Landschaftsschutzgebiet verbunden wäre, weshalb das Projekt zu Recht als nicht bewilligungsfähig qualifiziert worden sei. Ein öffentliches Interesse an der Errichtung des - rein privaten - Steges bestehe nicht, weshalb eine Interessenabwägung nach § 24 Abs. 7 Wr. NSchG nicht vorzunehmen gewesen sei.

14 Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Übergangsrevision (§ 4 Abs. 1 erster Satz Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz - VwGbk-ÜG).

15 Das Verwaltungsgericht Wien legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, verzichtete jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

16 Vorauszuschicken ist, dass gemäß § 4 Abs. 5 VwGbk-ÜG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG sinngemäß weiter anzuwenden sind.

17 Das Wiener Naturschutzgesetz, LGBl. Nr. 45/1998 idF LGBl. Nr. 31/2013 (Wr. NSchG), lautet auszugsweise:

"Ziel des Gesetzes

§ 1. Dieses Gesetz dient dem Schutz und der Pflege der Natur in all ihren Erscheinungsformen im gesamten Gebiet der Bundeshauptstadt Wien sowie der nachhaltigen Gewährleistung der stadtökologischen Funktionen durch Setzung der erforderlichen Erhaltungs-, Ergänzungs- und Erneuerungsmaßnahmen.

...

Begriffsdefinitionen § 3. ...

(2) Landschaftshaushalt ist das Wirkungsgefüge zwischen den Landschaftsfaktoren Klima, Luft, Gestein, Relief, Boden, Wasser, Pflanzen, Tiere und Menschen.

...

(8) Eingriff ist jede vorübergehende oder dauerhafte Maßnahme, die geeignet ist, nachteilige Auswirkungen auf den Schutzzweck eines Schutzgebietes, auf ein Schutzobjekt oder im Rahmen des allgemeinen Landschaftsschutzes zu haben. Ein Eingriff in ein Schutzgebiet oder Schutzobjekt liegt auch dann vor, wenn die Maßnahme selbst außerhalb des Schutzgebietes oder Schutzobjektes ihren Ausgang nimmt.

...

Allgemeine Verpflichtungen § 4. (1) Die Natur darf nur soweit in Anspruch

genommen werden, als ihr Wert auch für nachfolgende Generationen erhalten bleibt.

(2) Bei der Planung und Durchführung aller Maßnahmen ist

darauf Bedacht zu nehmen, daß

1. der Landschaftshaushalt,

2. die Landschaftsgestalt und

3. die Landschaft in ihrer Erholungswirkung für den Menschen

nicht gefährdet oder wesentlich beeinträchtigt werden.

...

Bewilligungen

§ 18. (1) Folgende Maßnahmen bedürfen im

gesamten Gebiet der Bundeshauptstadt Wien einer Bewilligung der Behörde:

...

2. die Errichtung von Anlagen in naturnahen Oberflächengewässern und deren naturnahen Uferbereichen sowie die Änderung solcher Anlagen, sofern das äußere Erscheinungsbild oder die Funktion der Anlage wesentlich verändert wird, und

...

(3) Eine Bewilligung gemäß Abs. 1 oder 2 ist zu erteilen, wenn zu erwarten ist, daß die Ausführung der Maßnahme den Landschaftshaushalt, die Landschaftsgestalt oder die Erholungswirkung der Landschaft nicht wesentlich beeinträchtigt.

(4) Eine wesentliche Beeinträchtigung des

Landschaftshaushaltes liegt vor, wenn durch den Eingriff das

Wirkungsgefüge der Landschaftsfaktoren in dem betroffenen Teil der

Landschaft nachteilig verändert wird, insbesondere durch Eingriffe in

1. die Vielfalt und Häufigkeit der Tier- und Pflanzenarten,

deren Lebensräume und Lebensgrundlagen,

2. die Vielfalt und Häufigkeit von Biotopen oder

3. andere Landschaftsfaktoren wie Klima, Boden oder

Wasserhaushalt.

...

Landschaftsschutzgebiete

§ 24. (1) Gebiete, die

1. sich durch ihre Landschaftsgestalt auszeichnen,

2. als Kulturlandschaft von historischer Bedeutung sind

oder im Zusammenwirken mit Nutzungsart und Bauwerken eine

landestypische Eigenart aufweisen oder

3. der naturnahen Erholung dienen,

können zu deren Schutz und Pflege durch Verordnung der Landesregierung zum Landschaftsschutzgebiet erklärt werden.

...

(5) Im Landschaftsschutzgebiet sind vorbehaltlich des Abs. 6 alle Eingriffe untersagt, die dem Schutzzweck zuwiderlaufen. Hiezu zählen insbesondere:

1. die Vornahme der in § 18 Abs. 1 und 2 genannten Maßnahmen,

...

(6) Die Naturschutzbehörde kann mit Bescheid Ausnahmen vom Verbot des Abs. 5 bewilligen, wenn die geplante Maßnahme den Schutzzweck nicht wesentlich beeinträchtigt.

(7) Die Bewilligung ist zu erteilen, wenn die geplante Maßnahme eine wesentliche Beeinträchtigung des Schutzzweckes darstellt, jedoch das öffentliche Interesse an der beantragten Maßnahme unter dem Gesichtspunkt des Gemeinwohles deutlich höher zu bewerten ist, als das öffentliche Interesse an der Bewahrung des Landschaftsschutzgebietes vor störenden Eingriffen. Bei der Interessensabwägung ist zu berücksichtigen, ob der angestrebte Zweck auf eine technisch und wirtschaftlich vertretbare andere Weise erreicht werden kann und dadurch der Landschaftshaushalt, die Landschaftsgestalt oder die Erholungswirkung der Landschaft in geringerem Umfang beeinträchtigt würden. Der Erhaltungs-, Ergänzungs- oder Erneuerungsvorrang sowie die stadtökologischen Funktionen der von dem Eingriff betroffenen Flächen sind in die Abwägung jedenfalls miteinzubeziehen.

(8) Die Bewilligung ist erforderlichenfalls unter Bedingungen, Befristungen und Auflagen zu erteilen, um eine Beeinträchtigung des Landschaftshaushaltes, der Landschaftsgestalt oder der Erholungswirkung der Landschaft möglichst gering zu halten. Für die Erfüllung der mit der Bewilligung verbundenen Auflagen und Bedingungen kann eine angemessene Frist festgesetzt werden. Zur Überprüfung der bescheidmäßigen Ausführung hat der Verpflichtete der Behörde die Erfüllung der Auflagen und Bedingungen unverzüglich anzuzeigen.

...

Übergangsbestimmungen § 53. (1) Bis zu einer Neuregelung bleiben

folgende Verordnungen als Gesetze solange in Geltung, bis durch auf dieses Gesetz gegründete Verordnungen eine Neuregelung erfolgt ist:

...

3. Verordnung betreffend den Schutz der Lobau

(Lobauverordnung), LGBl. für Wien Nr. 32/1978 in der Fassung

LGBl. für Wien Nr. 6/1985,

..."

18 Die Verordnung betreffend den Schutz der Lobau

(Lobauverordnung) in der Stammfassung LGBl. Nr. 32/1978 lautet

auszugsweise:

"Landschaftsschutzgebiete

§ 3. Sämtliche in dem eine Anlage zu dieser Verordnung bildenden Plan hellgrün ausgewiesenen Teile der Lobau werden zu Landschaftsschutzgebieten erklärt."

19 Die diese Verordnung betreffenden Bestimmungen des Wiener Naturschutzgesetzes 1984, LGBl. 6/1985, lauten auszugsweise wie folgt:

"§ 46. ...

(4) Die Verordnung ..., die Lobauverordnung, LGBl. Nr. 32/1978, sowie die Verordnung ... bleiben als Gesetze solange in Geltung, bis durch auf dieses Gesetz gegründete Verordnungen eine neuerliche Unterschutzstellung erfolgt ist.

(5) Bis zu einer Neuregelung finden auf den örtlichen Geltungsbereich

1. der Lobauverordnung die §§ 11, 12 und 20 des Naturschutzgesetzes, LGBl. Nr. 1/1955, ...

Anwendung."

20 Das Naturschutzgesetz, LGBl. 1/1955 (Wr. NSchG 1955),

lautet auszugsweise wie folgt:

"Landschaftsschutz

§ 12.

...

(2) In Landschaftsschutzgebieten ist jeder Eingriff, der geeignet ist, den Gesamtcharakter der Landschaft zu verändern, nur mit Genehmigung des Magistrates gestattet. Bauvorhaben in Landschaftsschutzgebieten sind von den Bauwerbern vor Einholung der Baubewilligung beziehungsweise Erstattung der Anzeige an die Baubehörde dem Magistrat anzuzeigen. Dieser kann auch im Einzelfalle zur Erhaltung des Landschaftsbildes mit Bescheid Pflegemaßnahmen anordnen, wobei sinngemäß § 4 Abs. 2 Anwendung zu finden hat. Sind gewisse Veränderungen des Landschaftsbildes und Eingriffe in den Lebenshaushalt der Natur unabweislich, müssen gleichzeitig Maßnahmen zur Wiederherstellung eines möglichst natürlichen Zustandes getroffen werden.

...

(5) Vorhaben, deren Durchführung schädigende Rückwirkungen auf das Landschaftsbild oder auf das innere Gefüge des Landschaftshaushaltes (Klima, Bodenbildung, Grundwasserführung, Pflanzenkleid, Tierleben) zur Folge hat, können vom Magistrat untersagt werden. ..."

21 Die Revisionswerberin macht zunächst geltend, der angefochtene Bescheid sei das Ergebnis eines mangelhaft geführten Verfahrens. Wesentliche Beweise seien nicht aufgenommen worden, vorgelegte Beweismittel seien nicht bzw. nicht ausreichend gewürdigt worden, sodass eine "unzureichende Beweiswürdigung" vorliege. Der angefochtene Bescheid übernehme "vollinhaltlich" den erstinstanzlichen Bescheid, ohne darüber hinausgehende Feststellungen zu treffen. Es fehlten ausreichend begründete und damit nachvollziehbare Feststellungen zum Schutzzweck des Schutzgebietes, zum Vorliegen einer Maßnahme, den mit der Maßnahme verbundenen nachteiligen Auswirkungen auf den Schutzzweck sowie zur Wesentlichkeit der Beeinträchtigung des Schutzzweckes. Das Fehlen der Feststellungen sei dabei vielfach das Ergebnis eines unvollständig geführten Ermittlungsverfahrens. Die Wiedergabe von Sachverständigengutachten mache eigenständige Feststellungen der Behörde nicht entbehrlich. Der angefochtene Bescheid sei mangelhaft begründet.

22 Dem ist Folgendes zu erwidern:

23 Die belangte Behörde geht, wie sich aus der oben auszugsweise wiedergegebenen Begründung des angefochtenen Bescheides unmissverständlich entnehmen lässt, auf Grund des im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Amtssachverständigengutachtens sowie der im Berufungsverfahren eingeholten ergänzenden Stellungnahme des Amtssachverständigen in nicht als unschlüssig zu erkennender Weise davon aus, dass durch die in Rede stehende Steganlage zumindest der Landschaftshaushalt wesentlich beeinträchtigt werde. Dies gründe sich im Wesentlichen darauf, dass die Errichtung des Steges eine Zäsur in der Uferzone darstelle und in einen naturnahen Uferbereich des Mühlwassers so eingegriffen werde, dass ein hinsichtlich des Landschaftshaushaltes intakter Uferabschnitt vernichtet werde. Aufgrund der kumulativen Wirkung zu bereits bestehenden menschlichen Einflüssen, fehlenden Kompensationsmaßnahmen und vor allem aufgrund des ökologischen Potentials der vernichteten Röhrichtfläche sei dieser Eingriff in den Landschaftshaushalt flächenmäßig als bedeutsam und damit als wesentliche Beeinträchtigung einzustufen.

24 Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin hat die belangte Behörde demnach die als fehlend gerügten Feststellungen getroffen und auch dargelegt, aufgrund welcher beweiswürdigender Überlegungen sie von diesem Sachverhalt ausgeht. Mit dem oben wiedergegebenen, allgemein gehaltenen Revisionsvorbingen wird daher ein zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führender relevanter Verfahrensmangel nicht aufgezeigt.

25 Im Hinblick darauf, dass beide Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens davon ausgehen, dass die zur Bewilligung beantragte Steganlage nach § 24 Abs. 6 Wr. NSchG zu beurteilen gewesen sei, ist allerdings auf Folgendes hinzuweisen:

26 Gemäß der Anordnung des § 53 Abs. 1 Z. 3 Wr. NSchG wurde die Lobauverordnung bis zu einer Neuregelung "in der Fassung LGBl. für Wien Nr. 6/1985" als Gesetz in Geltung belassen. Die zuletzt genannte Fassung ordnet an, dass auf den örtlichen Geltungsbereich der Lobauverordnung die §§ 11, 12 und 20 Wr. NSchG 1955 Anwendung finden. Dies, so die Gesetzesmaterialien (Landtags-Beilage Nr. 14/1984, S. 14), weil die Lobauverordnung selbst keine Schutzmaßnahme enthält und daher bis zu einer Neuregelung die bestehenden gesetzlichen Beschränkungen aufrechterhalten werden müssen. Nach § 12 Abs. 2 und 5 Wr. NSchG 1955 ist in Landschaftsschutzgebieten jeder Eingriff, der geeignet ist, den Gesamtcharakter der Landschaft zu verändern, nur mit Genehmigung des Magistrates gestattet, wobei Vorhaben, deren Durchführung schädigende Rückwirkungen auf das Landschaftsbild oder auf das innere Gefüge des Landschaftshaushaltes (Klima, Bodenbildung, Grundwasserführung, Pflanzenkleid, Tierleben) zur Folge hat, vom Magistrat untersagt werden können.

27 Die belangte Behörde geht auf sachverständiger Grundlage davon aus, dass die in Rede stehende Steganlage den Landschaftshaushalt wesentlich beeinträchtigt. Damit bejaht sie in der Sache aber zugleich den in § 12 Abs. 5 Wr. NSchG 1955 normierten Versagungsgrund der "schädigenden Rückwirkungen auf das innere Gefüge des Landschaftshaushaltes (Klima, Bodenbildung, Grundwasserführung, Pflanzenkleid, Tierleben)", sodass der Revisionswerber dadurch, dass die belangte Behörde die Abweisung auf § 24 Abs. 6 Wr. NSchG gestützt hat, nicht im geltend gemachten Recht auf naturschutzrechtliche Bewilligung verletzt wurde.

28 Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung von einer kumulativen Bewilligungsbedürftigkeit aufgrund von Bestimmungen des Allgemeinen Landschaftsschutzes und des Gebietsschutzes ausgeht, wenn die Anwendungsvoraussetzungen beider in Betracht kommenden Bestimmungen vorliegen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1999, Zl. 99/10/0204, mwN). § 18 Abs. 3 Wr. NSchG bindet die Erteilung einer Bewilligung für eine Maßnahme nach § 18 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. aber unter anderem daran, dass zu erwarten ist, dass die Ausführung der Maßnahme den Landschaftshaushalt nicht wesentlich beeinträchtigt. Auch unter diesem Aspekt ist somit in einem Fall wie dem vorliegenden davon auszugehen, dass durch die auf eine wesentliche Beeinträchtigung des Landschaftshaushaltes gestützte Abweisung des Antrages keine Verletzung im geltend gemachten Recht auf naturschutzrechtliche Bewilligung erfolgt ist.

29 Die Revisionswerberin bringt auch vor, die Beweisanträge auf Einvernahme der Revisionswerberin, auf Vornahme eines Ortsaugenscheins sowie auf Einholung von Sachverständigengutachten aus den Fachgebieten Landschaftspflege, Botanik, Biologie und Zoologie seien zu Unrecht abgelehnt worden. Bei Aufnahme der beantragten Beweise auf Einvernahme der Revisionswerberin und auf Vornahme eines Ortsaugenscheins hätte die belangte Behörde feststellen müssen, dass "in den vorangegangenen Jahren - mit Wissen und Billigung der Naturschutzbehörde - bereits zahlreiche Eingriffe in den geschützten Landschaftsteil Lobau erfolgt sind, hinter die der von der Revisionswerberin beantragte Steg in seiner Wirkung vollkommen zurücktritt." Die Aufnahme der beantragten Sachverständigenbeweise sei deshalb erforderlich gewesen, weil nach dem Begriffsverständnis des § 3 Abs. 2 Wr. NSchG unter Landschaftshaushalt "das Wirkungsgefüge zwischen den Landschaftsfaktoren Klima, Luft, Gestein, Relief, Boden, Wasser, Pflanzen, Tiere und Menschen" zu verstehen sei und dieses Begriffsverständnis "damit aber umfassende Sachverhaltserhebungen unter Beiziehung unterschiedlicher Sachverständiger erforderlich" mache. Das Amtssachverständigengutachten reiche nicht aus, zumal "es dem Amtssachverständigen mangels Abdeckung der entsprechenden Fachgebiete auch an dem hierfür erforderlichen, einschlägigen Expertenstatus" mangle.

30 Auch mit diesem Vorbringen wird ein relevanter Verfahrensmangel nicht aufgezeigt. Der allgemein gehaltene Hinweis, dass durch die beantragte Einvernahme der Revisionswerberin bzw. durch die Vornahme eines Ortsaugenscheins "zahlreiche Eingriffe in den geschützten Landschaftsteil Lobau in den vorangegangenen Jahren" festgestellt hätten werden können, "hinter die der von der Revisionswerberin beantragte Steg in seiner Wirkung vollkommen" zurücktrete, lässt bezogen auf den hier zu beurteilenden Eingriff in den Landschaftshaushalt nicht konkret erkennen, welche auf sachverständiger Grundlage getroffene Beurteilung damit in Zweifel gezogen wird. Nach Ausweis der oben wiedergegebenen Begründung geht die belangte Behörde ohnedies davon aus, dass unter anderem aufgrund der kumulativen Wirkung "zu bereits bestehenden menschlichen Einflüssen" der Eingriff in den Landschaftshaushalt flächenmäßig als bedeutsam und damit als wesentliche Beeinträchtigung einzustufen sei. Sollte das Revisionsvorbringen aber dahin zu verstehen sein, dass damit auf ein allfällig rechtswidriges Verhalten der Behörde gegenüber Dritten betreffend die Bewilligung von Eingriffen Bezug genommen wird, genügt es darauf hinzuweisen, dass es eine "Gleichheit im Unrecht" nicht gibt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 2002, Zl. 2002/07/0092).

31 Soweit die Revisionswerberin allein mit dem Hinweis darauf, dass unter Landschaftshaushalt "das Wirkungsgefüge zwischen den Landschaftsfaktoren Klima, Luft, Gestein, Relief, Boden, Wasser, Pflanzen, Tiere und Menschen" zu verstehen sei, die Beiziehung unterschiedlicher Sachverständiger "aus den Fachgebieten Landschaftspflege, Botanik, Biologie und Zoologie" als erforderlich ansieht, wird nicht dargelegt, warum es dem beigezogenen Amtssachverständigen an der Fachkenntnis, das Wirkungsgefüge der genannten Landschaftsfaktoren zu beurteilen, fehlte. Nach den - in konkreter Weise nicht bestrittenen - Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid ist dieser Absolvent der Universität für Bodenkultur Wien, besitzt umfassende Kenntnisse insbesondere der Fachgebiete Gewässerschutz, Hydrobiologie und Limnologie, verfügt über mehrjährige Erfahrung in der Erstattung von naturschutzfachlichen Gutachten und besitzt daher auch Kenntnisse aus Botanik und Zoologie. Davon ausgehend wird mit dem - begründungslosen - Hinweis darauf, dass es dem Amtssachverständigen am "einschlägigen Expertenstatus" mangle, ein relevanter Verfahrensfehler nicht dargetan.

32 Die Revisionswerberin macht im Weiteren geltend, der belangten Behörde sei, soweit diese die Ansicht vertrete, dass für die Beurteilung der Wesentlichkeit des Eingriffes nicht auf die "Bestandsphase", sondern auf die zeitlich vorangegangene "Errichtungsphase" abzustellen sei, entgegenzuhalten, dass Gegenstand des verfahrenseinleitenden Antrages die Genehmigung des bereits bestehenden Steges sei. Über diesen Antrag sei auf der Grundlage der zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorzufindenden Sach- und Rechtslage zu entscheiden. Entgegen der Ansicht der belangte Behörde sei es nicht zulässig, dass der Amtssachverständige in seinem Gutachten auch die Situation vor Unterschutzstellung, also vor 1978, heranziehe und dabei auch auf Luftbilder aus der Zeit vor 2004 zurückgreife, als die gegenständliche Steganlage noch nicht errichtet gewesen sei. Die Frage, ob der beantragte Steg eine Zäsur in der Uferzone darstelle, sei "nach Maßgabe der im Jahr 2013 tatsächlich vorgefundenen Situation des Landschaftsschutzgebietes Lobau zu beantworten und nicht an Hand eines Zustandes, wie er vor 1978 oder vor 2004 bestanden" habe.

33 Dazu ist Folgendes auszuführen:

34 Der Umstand, dass über den Antrag auf nachträgliche naturschutzrechtliche Bewilligung der bereits errichteten Steganlage auf Grundlage der zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorzufindenden Sach- und Rechtslage zu entscheiden ist, ändert nichts daran, dass die Frage, ob durch die zur Bewilligung beantragte Maßnahme eine wesentliche Beeinträchtigung des Schutzzwecks des Landschaftsschutzgebietes erfolgt, anhand jener Situation zu beurteilen ist, wie sie sich vor Umsetzung der beantragten Maßnahme - im Falle von konsenslos durchgeführten Maßnahmen sohin unter deren Außerachtlassung - darstellt. Die gegenteilige, offenbar den Standpunkt der Revisionswerberin darstellende Ansicht kann dem Gesetz schon deshalb nicht unterstellt werden, weil in diesem Fall konsenslos erfolgte Eingriffe Teil jener Beurteilungsgrundlage würden, anhand derer nachfolgende Maßnahmen zu beurteilen wären. Ein derartiges Verständnis steht aber schon mit der Zielsetzung des Gesetzes nach § 1 Wr. NSchG nicht im Einklang. In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung zu den Naturschutzgesetzen der Länder in Ansehung der Beurteilung von Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes wiederholt festgehalten, dass die belangte Behörde zu Recht all jene Elemente außer Acht gelassen hat, die konsenslos bzw. rechtswidrig vorhanden und deshalb zu entfernen waren (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. April 2015, Zl. 2013/10/0155, mit Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 2015, Zl. 2012/10/0011). Nichts anders hat aber auch bei der Beurteilung einer Beeinträchtigung des Landschaftshaushaltes zu gelten.

35 Die Revisionswerberin macht auch geltend, soweit die belangte Behörde ihre Ansicht, dass der Steg eine wesentliche Beeinträchtigung des Schutzzweckes bewirke, auf Schätzungen des Amtssachverständigen stütze, wonach mit der Errichtung des Steges eine Fläche von 100 m2 Röhricht zerstört worden sei, verlasse sie "den Boden festgestellter bzw. feststellbarer Tatsachen". Die Revisionswerberin habe im Verfahren darauf hingewiesen, dass mit der Errichtung des Steges keine Beeinträchtigung des Schilfgürtels verbunden gewesen sei. Die belangte Behörde hätte daher feststellen müssen, dass eine allfällige Beeinträchtigung des Schilfgürtels, sofern eine solche überhaupt erfolgt sei, "schon lange vor der Errichtung des Steges auf Grund anderer, nicht von der Revisionswerberin zu vertretender Ursachen" eingetreten sei. Die belangte Behörde hätte daher zum Ergebnis kommen müssen, dass eine allfällige Änderung des Schilfgürtels bei der Beurteilung der Wesentlichkeit der Beeinträchtigung durch den Steg von vornherein außer Betracht zu bleiben habe, da eine solche Änderung nicht auf die Errichtung des Holzsteges zurückgeführt werden könne.

36 Diesem Vorbringen ist zu erwidern, dass die belangte Behörde aufgrund der im Berufungsverfahren eingeholten ergänzenden Stellungnahme des Amtssachverständigen in nicht als unschlüssig zu erkennender Weise davon ausgegangen ist, dass als Ursache für den im Uferbereich der Revisionswerberin dokumentierten Röhrichtrückgang nicht natürliche Ursachen, sondern anthropogene Einflüsse maßgeblich seien. Ein konkretes Vorbringen dahin, dass dieser Rückgang auf konsensgemäßes Verhalten der Revisionswerberin, allfälliger Voreigentümer oder Dritter zurückzuführen wäre, hat die Revisionswerberin allerdings nicht erstattet. Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin durfte die belangte Behörde demnach die mit der geplanten Errichtung des Steges verbundene Zerstörung einer Fläche von rund 100 m2 Röhricht - unabhängig davon, ob diese Fläche tatsächlich durch die konsenslose Errichtung des Stegs oder durch konsenslose Maßnahmen davor zerstört wurde - in ihre Beurteilung einbeziehen.

37 Soweit in der Revision unter Hinweis auf Ausführungen im von der Revisionswerberin vorgelegten Privatgutachten darzulegen versucht wird, dass die Steganlage keinen Eingriff darstelle bzw. durch diese der Landschaftshaushalt nicht wesentlich beeinträchtigt werde, ist darauf hinzuweisen, dass die Revisionswerberin damit vom von ihr behaupteten, nicht aber vom festgestellten Sachverhalt ausgeht. Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides kann mit diesem Vorbringen nicht aufgezeigt werden.

38 Die Revisionswerberin macht schließlich geltend, der erstinstanzliche Bescheid weise in der Fertigungsklausel die Leiterin der Wiener Umweltschutzabteilung aus, in deren Auftrag und Namen der Bescheid erlassen worden sei. Gemäß § 40 Abs. 1 Wr. NSchG sei der Magistrat Naturschutzbehörde erster Instanz. Die Leiterin der Wiener Umweltschutzabteilung sei zu Erlassung des Bescheides nicht zuständig gewesen, sodass dieser von der belangten Behörde wegen Unzuständigkeit der Erstbehörde aufgehoben hätte werden müssen.

39 Die Frage, ob eine Erledigung einer bestimmten Behörde bzw. welcher Behörde sie zuzurechnen ist, ist anhand ihres äußeren Erscheinungsbildes, also insbesondere anhand des Kopfs, des Spruchs, der Begründung, der Fertigungsklausel und der Rechtsmittelbelehrung, nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG2, § 18 Rz. 16, und die dort genannte hg. Judikatur).

40 Im vorliegenden Fall ist dem Spruch des erstinstanzlichen Bescheides zu entnehmen, dass dieser "vom Magistrat der Stadt Wien - Magistratsabteilung 22" erlassen wurde. Auch der Behördenbezeichnung auf der ersten Seite des Bescheides ("Wiener Umweltschutzabteilung - Magistratsabteilung 22 - Magistrat der Stadt Wien") lässt sich zweifelsfrei die bescheiderlassende Behörde entnehmen. Ebenso wird in der Rechtsmittelbelehrung auf die Einbringung einer Berufung beim "Magistrat der Stadt Wien - Magistratsabteilung 22" verwiesen. Vor diesem Hintergrund kommt dem Umstand, dass die Fertigungsklausel insofern nur auf eine Kurzbezeichnung der genannten Magistratsabteilung verweist, keine Relevanz zu. Eine Vorschrift des Inhalts, dass die Bezeichnung der bescheiderlassenden Behörde auch in der Unterschriftsklausel aufzuscheinen habe, gibt es im Übrigen nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. September 1995, Zl. 95/10/0034).

41 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

42 Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die die §§ 47 VwGG in Verbindung mit der (auf "Übergangsfälle" gemäß § 4 iVm § 3 Z. 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014 weiter anzuwendenen) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Wien, am 9. November 2016

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