European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2015:RA2015160038.L00
Spruch:
1. den Beschluss gefasst:
Die Revision wird, soweit sie in Spruchpunkt II. des angefochtenen Erkenntnisses die Grundsteuer für die Jahre 2008 und 2009 betrifft, zurückgewiesen;
2. zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird, soweit mit seinem Spruchpunkt II. die Grundsteuer für 2007 festgesetzt wird, aufgehoben.
Die Stadtgemeinde Oberwart hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 27. September 2013 schrieb der Bürgermeister der Stadtgemeinde O der Revisionswerberin Wasserbezugsgebühr und Kanalbenützungsgebühr für näher bezeichnete Liegenschaften sowie Grundsteuer für die Jahre 2007 bis 2009 für näher bezeichnete Liegenschaften mit im Einzelnen aufgegliederten Beträgen fest.
Die Revisionswerberin erhob mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2013 Berufung gegen diesen Bescheid und wandte u. a. Verjährung ein.
Mit Bescheid (Berufungsvorentscheidung) vom 19. September 2014 wies der Gemeinderat der Stadtgemeinde O die Berufung als unbegründet ab.
Die Revisionswerberin erhob mit Schriftsatz vom 29. September 2014 dagegen eine Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Burgenland. Darin wiederholte sie u. a. den Einwand der Verjährung.
Mit Erkenntnis vom 15. Jänner 2015 entschied das Landesverwaltungsgericht Burgenland über diese Beschwerde hinsichtlich der Kanalbenützungsgebühr.
Das Landesverwaltungsgericht Burgenland hob in Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses vom 12. März 2015 die Festsetzung der Wasserbezugsgebühr im Hinblick auf die eingetretene Verjährung ersatzlos auf. Mit Spruchpunkt II. dieses Erkenntnisses wies das Gericht die Beschwerde betreffend die Grundsteuer als unbegründet ab und mit Spruchpunkt III. seines Erkenntnisses sprach das Gericht aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.
Hinsichtlich der bekämpften Festsetzung der Wasserbezugsgebühr sei Verjährung eingetreten, nicht jedoch hinsichtlich der Grundsteuer. Die noch im Verwaltungsverfahren als Unterbrechungshandlungen angeführten Lastschriftanzeigen seien laut Mitteilung der Gemeinde ohne Rückschein übermittelt worden. Die Revisionswerberin habe bestritten, dass diese ihren Empfänger erreicht hätten. Die verschiedenen Lastschriftanzeigen stellten daher keine verjährungsverlängernden Amtshandlungen dar. Einen Zustellnachweis gebe es lediglich für den Bescheid vom 16. September 2010, welcher der Revisionswerberin am 5. Oktober 2010 zugestellt worden sei und gegen den sie auch Berufung erhoben habe. In diesem seien die strittigen Abgabenansprüche geltend gemacht worden. Dieser Bescheid bilde daher eine nach außen erkennbare Amtshandlung der Abgabenbehörde zur Geltendmachung des Abgabenanspruchs und sei daher verjährungsverlängernd. Mit Ablauf des Jahres 2010 habe die Verjährungsfrist sohin neu zu laufen begonnen.
Die dagegen erhobene vorliegende Revision bekämpft das angefochtene Erkenntnis hinsichtlich des Spruchpunktes II. (betreffend Grundsteuer).
Der Gemeinderat der Stadtgemeinde O hat mit Schriftsatz vom 15. Juli 2015 eine Revisionsbeantwortung eingebracht, in welcher er die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Revision unter Zuspruch von Schriftsatzaufwand beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 1 Abs. 1 des Grundsteuergesetzes 1955 - GrStG unterliegt der inländische Grundbesitz der Grundsteuer. Bei der Berechnung der Grundsteuer ist gemäß § 18 Abs. 1 GrStG von einem (von den Finanzämtern festzusetzenden) Steuermessbetrag auszugehen. Der Jahresbetrag der Steuer ist gemäß § 27 Abs. 1 GrStG nach einem Hundertsatz (Hebesatz) des Steuermessbetrages zu berechnen, wobei der Hebesatz von der Gemeinde festgesetzt wird.
Der Jahresbetrag der Steuer ist gemäß § 28 GrStG mit Steuerbescheid festzusetzen.
Gemäß § 28a GrStG entsteht der Abgabenanspruch für die Grundsteuer mit dem Beginn des Kalenderjahres, für das die Grundsteuer auf Grund eines von der Gemeinde festgesetzten Hebesatzes erhoben werden soll.
§ 28b GrStG lautet:
"§ 28b. Verjährung
(1) Das Recht, die Grundsteuer festzusetzen, unterliegt nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung.
(2) Die Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre, im Falle der Hinterziehung zehn Jahre.
(3) Die Verjährung beginnt mit Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist.
(4) Die Verjährung wird durch jede zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde oder dem für die Festsetzung des Messbetrages zuständigen Finanzamt unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.
(5) Die Verjährung ist gehemmt, ...
(6) Das Recht auf Festsetzung der Grundsteuer verjährt spätestens dann, wenn seit der Entstehung des Abgabenanspruches (§ 28a) fünfzehn Jahre verstrichen sind."
Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden und diese Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
Die vorliegende Revision sieht ihre Zulässigkeit darin, dass eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehlt, ob ein Mahnschreiben oder ein Mahngebührenbescheid verjährungsunterbrechende Wirkung im Sinn des § 28b GrStG haben kann, und andererseits darin, dass das Verwaltungsgericht die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes missachtet habe, wonach bei Fehlen einer Unterschrift des die Erledigung genehmigenden, keine verjährungsunterbrechende Amtshandlung vorliege.
Mit der Abweisung der Beschwerde übernahm das Verwaltungsgericht den Spruch des mit Beschwerde bekämpften Bescheides der vor ihm belangten Behörde (vgl. für viele etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 2010, 2007/13/0065). Gleiches galt für den Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde O (Berufungsvorentscheidung) im Hinblick auf den mit Berufung bekämpften Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde O vom 27. September 2013.
Soweit somit vom Landesverwaltungsgericht Burgenland im Instanzenzug mit dem solcherart teilbaren Spruch die Grundsteuer für die Jahre 2008 und 2009 festgesetzt wurde, begann die Verjährungsfrist für diese Abgaben jeweils mit Ablauf dieser Jahre 2008 und 2009 zu laufen und endete die Verjährungsfrist auch ohne Unterbrechungshandlungen iSd § 28b Abs. 4 GrStG mit Ablauf der Jahre 2013 (Grundsteuer für 2008) und 2014 (Grundsteuer für 2009). Daher stellt sich für die Festsetzung der Grundsteuer für die Jahre 2008 und 2009 durch den Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde O vom 27. September 2013 die im Zusammenhang mit der Unterbrechung der Verjährung nach § 28b Abs. 4 GrStG aufgeworfene Rechtsfrage nicht.
Die Revision hängt hinsichtlich der Festsetzung der Grundsteuer für die Jahre 2008 und 2009 nicht von der Lösung einer von der Revisionswerberin aufgeworfenen grundsätzlichen Rechtsfrage ab und war daher in diesem Umfang gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Hinsichtlich der Festsetzung der Grundsteuer für 2007 ist die Revision zulässig und berechtigt:
Der in § 28b Abs. 4 GrStG enthaltene Wortlaut zur
Umschreibung einer Unterbrechungshandlung ("jede zur
Geltendmachung des Abgabenanspruches ... von der Abgabenbehörde
... unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung") gleicht dem
des § 209 Abs. 1 BAO ("werden ... nach außen erkennbare
Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches ... von
der Abgabenbehörde unternommen").
Der Normzweck des § 209 Abs. 1 BAO wie auch der des § 28b Abs. 4 GrStG spricht dafür, unter "zur Geltendmachung des Abgabenanspruches" nur Amtshandlungen zu verstehen, welche die Festsetzung unmittelbar oder mittelbar zum Ziel haben. Amtshandlungen, die der Einhebung und zwangsweisen Einbringung (vermeintlich oder tatsächlich) bereits festgesetzter Abgabenansprüche dienen, verlängern somit nicht die Bemessungsverjährungsfrist nach der BAO und unterbrechen nicht die Festsetzungsverjährungsfrist des § 28b GrStG, sondern unterbrechen nur die Einhebungsverjährungsfrist des § 238 BAO (vgl. Ritz, BAO5, § 209 Tz 30 und Achatz, Verjährung im Abgabenverfahren und im Finanzstrafverfahren, in Leitner, Aktuelles zum Finanzstrafrecht 1997, (1998) 75 (81)).
Das Landesverwaltungsgericht hat einen Bescheid vom 16. September 2010, eine Mahnung mit gleichzeitiger Festsetzung einer Mahngebühr (§ 227a BAO), als Unterbrechungshandlung angesehen. Bei einer Mahnung handelt es sich um eine im sechsten Abschnitt der BAO (Einhebung der Abgaben) in § 227 vorgesehene Amtshandlung zur Einhebung vollstreckbar gewordener Abgabenschuldigkeiten, somit um keine wirksame Unterbrechungshandlung iSd § 28b Abs. 4 GrStG. Gleiches gilt für die vom Gemeinderat der Stadtgemeinde O in der Revisionsbeantwortung ins Treffen geführten Zahlungserinnerungen und Lastschriftanzeigen, welche das Landesverwaltungsgericht schon mangels Nachweises einer Zustellung nicht als Unterbrechungshandlung gewertet hat.
Die Frist für die Verjährung der Festsetzung der Grundsteuer für 2007 hat demnach mit Ablauf des Jahres 2007 zu laufen begonnen (§ 28b Abs. 2 iVm § 28a Abs. 1 GrStG) und endete nach fünf Jahren (§ 28b Abs. 2 GrStG) mit Ablauf des Jahres 2012. Im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides des Bürgermeisters der Stadtgemeinde O vom 27. September 2013 war hinsichtlich der Grundsteuer für 2007 bereits Verjährung eingetreten.
Das angefochtene Erkenntnis ist daher in diesem Umfang, nämlich soweit die Grundsteuer für 2007 betroffen ist, gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-AufwErsV.
Wien, am 22. Oktober 2015
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