VwGH Ra 2014/06/0042

VwGHRa 2014/06/004227.2.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz, die Hofrätin Mag.a Merl und den Hofrat Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Lehner, über die Revision 1. des F K und 2. der I K, beide in S, beide vertreten durch Dr. Hans Lehofer und Mag. Bernhard Lehofer, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Kalchberggasse 6/1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 20. August 2014, Zl. LVwG 50.33-2259/2014-11, betreffend Feststellung gemäß § 40 Stmk. BauG 1995 (mitbeteiligte Parteien:

1. W T und 2. E T, beide in S, beide vertreten durch Mag. Ulrich Berger, Rechtsanwalt in 8600 Bruck an der Mur, Schillerstraße 2; vor dem Landesverwaltungsgericht belangte Behörde: Gemeinderat der Marktgemeinde S, vertreten durch die Hohenberg Strauss Buchbauer Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Hartenaugasse 6; weitere Partei:

Steiermärkische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

BauG Stmk 1995 §40 Abs2;
BauG Stmk 1995 §40 Abs3;
BauO Stmk 1968 §31 Abs1;
BauO Stmk 1968 §31 Abs2;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §30a Abs7;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §36 Abs1;
VwGG §51;
BauG Stmk 1995 §40 Abs2;
BauG Stmk 1995 §40 Abs3;
BauO Stmk 1968 §31 Abs1;
BauO Stmk 1968 §31 Abs2;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §30a Abs7;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §36 Abs1;
VwGG §51;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag der mitbeteiligten Parteien auf Kostenersatz wird zurückgewiesen.

Begründung

1. Zur Vorgeschichte wird auf die beiden hg. Erkenntnisse vom 22. Februar 2012, Zl. 2011/06/0198, und vom 7. November 2013, Zlen. 2013/06/0088, 0090, verwiesen.

Gegenstand des Verfahrens vor den Baubehörden und dem Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) ist der von den mitbeteiligten Parteien mit Eingabe vom 22. April 2010 gemäß § 40 Steiermärkisches Baugesetz 1995 (Stmk. BauG 1995) gestellte Antrag auf Feststellung des rechtmäßigen Bestandes des auf ihrem Grundstück Nr. 1122/26 KG R befindlichen, mit Bescheid vom 9. März 1971 baubewilligten Objektes. Das Wohnhaus und die Garage der mitbeteiligten Parteien sind unstrittig jedenfalls bereits im Jahr 1975 errichtet gewesen. Die revisionswerbenden Parteien sind Eigentümer des nördlich angrenzenden Grundstückes Nr. 1122/27 KG R. Sie haben im Verfahren unter anderem geltend gemacht, dass bei der von ihnen behaupteten zweigeschossigen Bauweise des Objektes der mitbeteiligten Parteien der erforderliche Mindestabstand zu ihrem Grundstück von 4 m nicht eingehalten worden sei.

Im zuletzt ergangenen, aufhebenden Erkenntnis vom 7. November 2013, Zlen. 2013/06/0088, 0090, hat der Verwaltungsgerichtshof im Wesentlichen festgehalten, dass die Baubehörden (bei der Beurteilung des Vorliegens eines rechtmäßigen Bestandes nach § 40 Abs. 2 und 3 Stmk. BauG 1995) die Frage der Abstandsrelevanz des Dachgeschosses nach den Vorgaben des - Aufenthaltsräume im Dachraum regelnden - § 31 Abs. 2 Steiermärkische Bauordnung 1968 (BauO 1968) zu prüfen hatten. Die mit dem genannten Erkenntnis ausgesprochene Aufhebung des damals angefochtenen Bescheides der Steiermärkischen Landesregierung (Vorstellungsbehörde) vom 20. März 2013 erfolgte mit der Begründung, dass die belangte Behörde zu einem der beiden in § 31 Abs. 2 BauO 1968 normierten Kriterien, nämlich ob die Aufenthaltsräume im Dachraum wenigstens über der halben Fußbodenfläche eine lichte Höhe von mindestens 2,40 m aufweisen, nicht die erforderlichen Feststellungen getroffen bzw. der Berufungsbehörde die Nachholung dieser Feststellungen nicht aufgetragen hatte.

Das gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz iVm Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VGzuständig gewordene LVwG holte in weiterer Folge ein Gutachten eines bautechnischen Amtssachverständigen vom 10. Juli 2014 ein und wies mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 20. August 2014 die (nunmehr als) Beschwerde im Sinn des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG anzusehende Berufung der revisionswerbenden Parteien gegen den Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde S vom 11. September 2012 als unbegründet ab. Mit dem genannten Bescheid des Gemeinderates war im Instanzenzug festgestellt worden, dass das Wohnhaus der mitbeteiligten Parteien einen rechtmäßigen Bestand im Sinne des § 40 Abs. 2 Stmk. BauG 1995 darstelle.

Unter Verweis auf das eingeholte Gutachten hielt das LVwG begründend fest, es liege (zumindest) die zweite Voraussetzung des § 31 (Abs. 2) BauO 1968 im gegenständlichen Fall nicht vor. Dem Gutachten sei nachvollziehbar zu entnehmen, dass die lichte Höhe der Räumlichkeiten lediglich über weniger als der Hälfte der Fläche des Dachraumes 2,40 m erreiche. Das gegenständliche Dachgeschoss sei daher nicht abstandsrelevant. Das Wohnhaus trete an der fraglichen nördlichen Gebäudefront eingeschossig in Erscheinung. Der sich daraus ergebende Mindestabstand von 3 m (§ 4 Abs. 1 BauO 1968) sei eingehalten worden.

Hinsichtlich des - im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof (Erkenntnis Zlen. 2013/06/0088, 0090) nicht geltend gemachten - Vorbringens, die (bis zur rechtskräftigen Entscheidung in einem zivilgerichtlichen Verfahren über den Verlauf der Grundgrenze erfolgte) Aussetzung des Verfahrens betreffend die Feststellung der Rechtmäßigkeit der Garage sei zu Unrecht erfolgt, weil diese eine Einheit mit dem Wohngebäude bilde, folge das LVwG den Ausführungen der Aufsichtsbehörde im aufgehobenen Bescheid vom 20. März 2013. Hinsichtlich der baulichen Einheit von Garage und Wohnhaus werde somit festgestellt, dass die Objekte statisch-konstruktiv unabhängig seien und auch kein direkter funktioneller Zusammenhang bestehe. Zwischen Wohnhaus und Garage sei keine Verbindungstür vorgesehen, die Garage samt Dachkonstruktion sei statisch unabhängig vom Wohnhaus, beide Objekte seien für sich standfähig. Aufgrund des Höhenunterschiedes liege jedenfalls auch keine gemeinsame Dachkonstruktion vor. Auch optisch bestehe der Eindruck von zwei eigenständigen Objekten. Demgemäß bildeten das Wohnhaus und die Garage keine bauliche Einheit, weshalb nicht nachvollziehbar sei, weshalb die Aussetzung des Verfahrens bezüglich des Garagengebäudes nicht rechtmäßig sein solle.

Gegen dieses Erkenntnis des LVwG richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

3. Gemäß § 31 Abs. 1 BauO 1968, LGBl. Nr. 149, muss die lichte Höhe von Aufenthaltsräumen mindestens 2,60 m betragen. Wenn die Lage, die Bodenfläche oder der Verwendungszweck des Aufenthaltsraumes es erforderlich machen, ist die Raumhöhe größer zu wählen. Andere Räume müssen eine lichte Höhe von mindestens 2,10 m haben.

Gemäß § 31 Abs. 2 BauO 1968 müssen Aufenthaltsräume im Dachraum wenigstens über der halben Fußbodenfläche eine lichte Höhe von mindestens 2,40 m und an der niedrigsten Stelle mindestens eine solche von 1,50 m haben.

4.1. Die revisionswerbenden Parteien begründen in ihren Ausführungen gemäß § 28 Abs. 3 VwGG die Zulässigkeit ihrer Revision unter anderem mit dem Vorbringen, das LVwG habe entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf das Vorerkenntnis vom 7. November 2013, Zl. 2013/06/0088, 0090) die Beurteilung gemäß § 31 Abs. 2 BauO 1968 allein an Hand der Aufenthaltsräume vorgenommen. Nach dem Wortlaut des § 31 Abs. 1 BauO 1968 sei zwar zwischen Aufenthaltsräumen und anderen Räumen zu unterscheiden. Andere Räume seien jedoch ebenso in die Frage, ob ein abstandsrelevantes Dachgeschoss vorliege, miteinzubeziehen. Die Fläche sowie die Höhe des nicht ausgebauten Dachraumes seien nicht berücksichtigt worden. Gemäß § 31 Abs. 1 BauO 1968 seien andere Räume mit einer lichten Höhe von 2,10 m relevant. Weiters müsse berücksichtigt werden, dass die Räume ohne weiteres als Aufenthaltsräume verwendet werden könnten. Auch sei der Dachausbau bereits vor dem Umbau als Aufenthaltsfläche benutzt worden. Somit müsse jedenfalls auch der nicht ausgebaute Teil berücksichtigt werden.

Diesen Ausführungen ist zu entgegnen, dass bereits nach dem Wortlaut des hier maßgeblichen § 31 Abs. 2 BauO 1968 die dort normierten Kriterien hinsichtlich der "Aufenthaltsräume im Dachraum" zu prüfen sind.

Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem zuletzt ergangenen, aufhebenden Erkenntnis, Zlen. 2013/06/0088, 0090, klargestellt, dass die Baubehörden die Frage der Abstandsrelevanz des Dachgeschosses nach den Vorgaben des - Aufenthaltsräume im Dachraum regelnden - § 31 Abs. 2 BauO 1968 zu prüfen haben. Er hat im Vorerkenntnis die Aufhebung des damals angefochtenen Bescheides mit der Begründung ausgesprochen, dass hinsichtlich des Kriteriums, ob die Aufenthaltsräume im Dachraum wenigstens über der halben Fußbodenfläche eine lichte Höhe von mindestens 2,40 m aufweisen, nicht die erforderlichen Feststellungen getroffen worden waren (vgl. zur Maßgeblichkeit einer lichten Höhe von 2,40 m im erforderlichen Ausmaß für die Qualifikation eines Dachgeschosses als Geschoss auch das hg. Erkenntnis vom 3. Juni 1997, Zl. 95/06/0179). An diese Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes waren die Behörden und nunmehr das LVwG gebunden (vgl. § 63 Abs. 1 VwGG idF BGBl. 470/1995 bzw. nunmehr idF BGBl. I Nr. 33/2013). Einen entsprechenden Auftrag zur Gutachtenserstellung hat das LVwG dem bautechnischen Amtssachverständigen auch erteilt; dessen Gutachten liegt dem angefochtenen Erkenntnis des LVwG zugrunde.

Entgegen dem zitierten Vorbringen der revisionswerbenden Parteien ist das LVwG somit nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.

Die Frage, ob ein konkreter Raum als "Aufenthaltsraum" im Sinn des § 31 Abs. 2 BauO 1968 zu qualifizieren ist, stellt jedenfalls keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar.

4.2. Die revisionswerbenden Parteien bringen zur Zulässigkeit der Revision ferner vor, das LVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach es für die Beurteilung eines Dachgeschossausbaus als abstandsrelevantes weiteres Geschoss darauf ankomme, ob und, wenn ja, in welchem Abstand zur Grundgrenze die Höhe des durch diesen Ausbau gewonnenen Raumes 2,40 m erreiche (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 1. April 2008, Zl. 2004/06/0114). Die Nordseite des Wohnhauses weise auf großer Fläche eine Höhe von mehr als 2,40 m auf und sei somit abstandsrelevant. Dies gelte unabhängig davon, ob "das Gebäude" als Ganzes als Geschoss zu werten sei. Damit müsse jedenfalls ein Grenzabstand von mindestens 4 m eingehalten werden.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist für das Aufzeigen einer Rechtsfrage als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darzulegen, warum das rechtliche Schicksal der Revision von dieser Frage abhängen sollte (vgl. dazu die hg. Beschlüsse vom 24. Juni 2014, Zl. Ra 2014/05/0004, und vom 27. Oktober 2014, Zl. Ro 2014/04/0061).

Diesem Erfordernis wird mit dem in Rede stehenden Vorbringen nicht entsprochen. Im Zusammenhang mit diesen Ausführungen der revisionswerbenden Parteien zur Zulässigkeit der Revision ist nämlich nicht ersichtlich, weshalb dadurch gegen die - nach dem unter Pkt. 4.1. und im Vorerkenntnis, Zlen. 2013/06/0088, 0090, Gesagten jedenfalls kumulativ zu erfüllenden - Kriterien des § 31 Abs. 2 BauO 1968 für die Abstandsrelevanz des Dachgeschossausbaus verstoßen würde.

4.3. Mit dem sonstigen im Rahmen der gesonderten Darstellung der Gründe für die Zulässigkeit der Revision geltend gemachte Verfahrensmangel wird ebenfalls keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt (vgl. auch den hg. Beschluss vom 8. Jänner 2015, Zl. Ra 2014/08/0064).

4.4. Die Revision war daher zurückzuweisen.

5. Nach § 30a Abs. 7 in Verbindung mit § 36 Abs. 1 VwGG hat im Falle einer außerordentlichen Revision der Verwaltungsgerichtshof das Vorverfahren zu führen und die Parteien zur Einbringung einer Revisionsbeantwortung aufzufordern. Eine solche Aufforderung ist seitens des Verwaltungsgerichtshofes nicht ergangen. Die außerordentliche Revision wird im vorliegenden Fall zurückgewiesen. Der Ersatz der Kosten für die seitens der mitbeteiligten Parteien erstattete Revisionsbeantwortung konnte daher nicht zugesprochen werden (vgl. den hg. Beschluss vom 25. Juni 2014, Zl. Ra 2014/07/0025).

Wien, am 27. Februar 2015

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