VwGH Ro 2014/04/0062

VwGHRo 2014/04/00629.9.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek, die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Mayr, Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie Hofrat Dr. Pürgy als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Revision der Bietergemeinschaft B, bestehend aus

1. W GmbH Co. Nfg. KG, 2. P Gesellschaft m.b.H., 3. P-BAU Gesellschaft m.b.H., 4. W GmbH,

  1. 5. Ing. F Gesellschaft m.b.H.  Co KG,
  2. 6. S Baugesellschaft m.b.H., 7. PB GmbH, 8. Ing. R GmbH,
    1. 9. G GmbH, 10. T Aktiengesellschaft sowie 11. Stadtbaumeister Dipl. Ing. H Baugesellschaft m.b.H., vertreten durch Harrer Schneider Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Jasomirgottstraße 6/3, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 19. März 2014, Zl. VGW- 123/060/10220/2014, betreffend vergaberechtliche Nachprüfung (mitbeteiligte Partei: S, vertreten durch Schwartz Huber-Medek  Partner Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Stubenring 2), zu Recht erkannt:

Normen

32004L0017 Vergabekoordinierungs-RL Wasser Energie Verkehr;
32004L0018 Vergabe-RL öffentliche Bauaufträge Art45 Abs2 lite;
32004L0018 Vergabe-RL öffentliche Bauaufträge Art45 Abs2;
62004CJ0226 La Cascina VORAB;
62011CJ0465 Forposta und ABC Direct Contact VORAB;
62012CJ0358 Consorzio Stabile Libor Lavori Pubblici VORAB;
BVergG 2006 §19 Abs1;
BVergG 2006 §68 Abs1 Z2;
BVergG 2006 §68 Abs1;
BVergG 2006 §68 Abs3;
BVergG 2006 §69 Z1;
BVergG 2006 §69;
BVergG 2006 §72 Abs1;
EURallg;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die Revisionswerberin hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Die Mitbeteiligte (Auftraggeberin) führte ein offenes Verfahren über einen Bauauftrag im Oberschwellenbereich durch. Gegenstand des Verfahrens war ein Rahmenvertrag über Baumeisterarbeiten in den Bezirken 1 bis 23 der Stadt Wien, aufgeteilt auf 49 Lose. Als Zuschlagskriterium war der niedrigste Preis vorgesehen. Der geschätzte Gesamtauftragswert ohne Umsatzsteuer betrug über EUR 391 Millionen.

Die Revisionswerberin, eine Bietergemeinschaft bestehend aus 11 Unternehmern, beteiligte sich an diesem Verfahren und legte am 12. Juli 2013 für mehrere Lose ein Angebot. Mit der Angebotsabgabe wurde gegenüber der Auftraggeberin die im Formblatt enthaltene Eigenerklärung für die Erfüllung der Eignungskriterien unterfertigt. Die Angebotsöffnung erfolgte ebenfalls am 12. Juli 2013.

2. Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 23. Juli 2013 wurde über die P GmbH, ein Mitglied der revisionswerbenden Bietergemeinschaft, das Sanierungsverfahren eröffnet. Der Sanierungsplan wurde am 23. Oktober 2013 angenommen, wobei die Insolvenzgläubiger eine Quote von 20 % erhalten sollten. Am 12. November 2013 wurde in der Insolvenzdatei bekannt gemacht, dass das Sanierungsverfahren aufgehoben und der Sanierungsplan rechtskräftig bestätigt worden ist.

Mit Schreiben vom 5. Dezember 2013 teilte die Auftraggeberin der Revisionswerberin mit, dass ihr Angebot auf Grund des Ergebnisses der Angebotsprüfung auszuscheiden gewesen sei, weil gegen ein Mitglied der Bietergemeinschaft, die P GmbH, am 23. Juli 2013 ein Insolvenzverfahren eröffnet worden sei. Gemäß § 68 Abs. 1 Z 2 des Bundesvergabegesetzes 2006 (BVergG 2006) seien Unternehmer von der Teilnahme am Vergabeverfahren auszuschließen, wenn über ihr Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet werde. Dies gelte auch dann, wenn das Insolvenzverfahren nachträglich wieder aufgehoben werde. Das Angebot eines gemäß § 68 Abs. 1 Z 2 BVergG 2006 auszuschließenden Unternehmers sei gemäß § 129 Abs. 1 Z 1 BVergG 2006 zwingend auszuscheiden. Gemäß § 69 Z 1 BVergG 2006 müsse die Eignung im offenen Verfahren spätestens zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung vorliegen und dürfe in weiterer Folge nicht mehr verloren gehen. Durch das gegen das Bietergemeinschaftsmitglied P GmbH eingeleitete Insolvenzverfahren sei nach der Angebotsöffnung die Eignung weggefallen. Da die berufliche Zuverlässigkeit einzelner Mitglieder einer Bietergemeinschaft nicht substituierbar sei, führe die Unzuverlässigkeit eines Mitglieds einer Bietergemeinschaft dazu, dass die gesamte Bietergemeinschaft als ungeeignet zu qualifizieren und daher auszuscheiden sei.

3. Mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2013 beantragte die Revisionswerberin, der (damals noch zuständige) Vergabekontrollsenat Wien möge die Ausscheidensentscheidung vom 5. Dezember 2013 hinsichtlich ihres Angebots für nichtig erklären. Die Revisionswerberin vertrat darin die Auffassung, dass vom Ausschlusstatbestand des § 68 Abs. 1 Z 2 BVergG 2006 nur dann Gebrauch gemacht werden dürfe, wenn das Insolvenzverfahren im Zeitpunkt des Ausschlusses noch anhängig sei. Zudem habe die Auftraggeberin die Möglichkeit der Abstandnahme vom Ausschluss eines Unternehmers aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses nach § 68 Abs. 3 BVergG 2006 außer Acht gelassen.

4. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das (mit 1. Jänner 2014 in das Verfahren eingetretene) Verwaltungsgericht Wien den Antrag der Revisionswerberin auf Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung ab. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für zulässig erklärt.

Das Verwaltungsgericht gab (auf das Wesentliche zusammengefasst) den Inhalt des Nachprüfungsantrags der Revisionswerberin, der weiteren seitens der Auftraggeberin und der Revisionswerberin erstatteten Schriftsätze sowie die Ergebnisse der durchgeführten mündlichen Verhandlung wieder.

In seiner rechtlichen Beurteilung hielt das Verwaltungsgericht unter Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 2012, 2009/04/0187, fest, der Ausschluss eines Unternehmers gemäß § 68 Abs. 1 Z 2 BVergG 2006 wegen eines Insolvenzverfahrens komme nur bis zu dessen Beendigung in Frage. Da zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Angebotes der Revisionswerberin am 5. Dezember 2013 kein Insolvenzverfahren gegen ein Mitglied der Bietergemeinschaft anhängig gewesen sei, sei der Ausschlussgrund des § 68 Abs. 1 Z 2 BVergG 2006 nicht mehr gegeben gewesen. Ein Ausscheiden der Revisionswerberin könne somit nicht auf diese Bestimmung gestützt werden, weshalb dahingestellt bleiben könne, wie die Ausnahmeregelung des § 68 Abs. 3 BVergG 2006 im Zusammenhang mit Art. 45 Abs. 2 der Richtlinie 2004/18/EG über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (im Folgenden: RL 2004/18/EG ) auszulegen sei.

Allerdings ergebe sich aus § 69 Z 1 BVergG 2006, dass die Eignung beim offenen Verfahren spätestens zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung vorliegen müsse und in der Folge nicht mehr verloren gehen dürfe. § 72 BVergG 2006 lasse erkennen, dass ein Ausschlussgrund gemäß § 68 Abs. 1 BVergG 2006 den Verlust der beruflichen Zuverlässigkeit bedeute. Somit sei ein Ausscheidenstatbestand verwirklicht gewesen, weil nicht während des gesamten Vergabeverfahrens nach Angebotsöffnung die berufliche Zuverlässigkeit gegeben gewesen sei. Ein anderes Ergebnis würde öffentlichen Auftraggebern eine Dispositionsmöglichkeit über das Ausscheiden von Bietern geben, weil es dem Auftraggeber überlassen bliebe, bei einem Bieter, dessen Eignung nach Angebotsöffnung weggefallen sei, zuzuwarten, bis die Eignung gegebenenfalls wieder vorliege, oder ihn sogleich auszuscheiden.

Die Zulassung der ordentlichen Revision begründete das Verwaltungsgericht mit dem Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Frage, ob ein nach Angebotsöffnung eingeleitetes, jedoch vor der Ausscheidensentscheidung wieder rechtskräftig abgeschlossenes Sanierungsverfahren ein Ausscheiden rechtfertige.

5. Die dagegen an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde wurde von diesem mit Erkenntnis vom 26. September 2014,

E 304/2014-12, abgewiesen. Der Verfassungsgerichtshof hatte unter dem Blickwinkel des Gleichheitsgrundsatzes keine Bedenken gegen die vom Verwaltungsgericht angewendeten Bestimmungen des § 68 BVergG 2006.

6. Weiters erhob die Bietergemeinschaft gegen das dargestellte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die vorliegende ordentliche Revision. Zur Zulässigkeit der Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG verweist sie - zusätzlich zu der vom Verwaltungsgericht als grundsätzlich angesehenen Rechtsfrage - auf die fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, wie § 68 BVergG 2006 im Hinblick auf die unionsrechtlichen Vorgaben des Art. 45 der RL 2004/18/EG auszulegen sei.

7. Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.

II.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes 2006 (BVergG 2006), BGBl. I Nr. 99 idF BGBl. I Nr. 10/2012, lauten auszugsweise:

"Ausschlussgründe

§ 68. (1) Der Auftraggeber hat - unbeschadet der Abs. 2 und 3 - Unternehmer von der Teilnahme am Vergabeverfahren auszuschließen, wenn

...

2. über ihr Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet

oder die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels

kostendeckenden Vermögens abgewiesen wurde;

...

(3) Von einem Ausschluss von Unternehmern gemäß Abs. 1 kann

Abstand genommen werden, wenn

1. auf deren Beteiligung in begründeten Ausnahmefällen

aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses nicht verzichtet

werden kann, oder

..."

"Zeitpunkt des Vorliegens der Eignung

§ 69. Unbeschadet der Regelung des § 20 Abs. 1 muss die Befugnis, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit spätestens

1. beim offenen Verfahren zum Zeitpunkt der

Angebotsöffnung,

...

vorliegen."

"Nachweis der beruflichen Zuverlässigkeit

§ 72. (1) Der Auftraggeber hat als Nachweis für die berufliche Zuverlässigkeit gemäß § 70 Abs. 1 Z 2 festzulegen, dass die Unternehmer zu belegen haben, dass kein Ausschlussgrund gemäß § 68 Abs. 1 vorliegt. ...

(2) Der Nachweis kann für Ausschlussgründe

1. gemäß § 68 Abs. 1 Z 1 bis 4 durch Vorlage eines Auszuges aus einem in Anhang VII angeführten Berufs- oder Handelsregister, dem Strafregister oder einer gleichwertigen Bescheinigung einer Gerichts- oder Verwaltungsbehörde des Herkunftslandes des Unternehmers, aus der hervorgeht, dass diese Ausschlussgründe nicht vorliegen, sowie

...

erbracht werden.

..."

1.2. Art. 45 der Richtlinie 2004/18/EG über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (RL 2004/18/EG ) lautet auszugsweise:

"Artikel 45

Persönliche Lage des Bewerbers bzw. Bieters

(1) Ein Bewerber oder Bieter ist von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren auszuschließen, wenn der öffentliche Auftraggeber Kenntnis davon hat, dass dieser Bewerber oder Bieter aus einem der nachfolgenden Gründe rechtskräftig verurteilt worden ist:

...

Die Mitgliedstaaten legen im Einklang mit ihren nationalen Rechtsvorschriften und unter Beachtung des Gemeinschaftsrechts die Bedingungen für die Anwendung dieses Absatzes fest.

Sie können Ausnahmen von der in Unterabsatz 1 genannten Verpflichtung aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses zulassen.

...

(2) Von der Teilnahme am Vergabeverfahren kann jeder Wirtschaftsteilnehmer ausgeschlossen werden,

a) der sich im Insolvenz-/Konkursverfahren oder einem

gerichtlichen Ausgleichsverfahren oder in Liquidation befindet oder seine gewerbliche Tätigkeit eingestellt hat oder sich in einem Vergleichsverfahren oder Zwangsvergleich oder aufgrund eines in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften vorgesehenen gleichartigen Verfahrens in einer entsprechenden Lage befindet;

b) gegen den ein Insolvenz-/Konkursverfahren oder ein

gerichtliches Ausgleichsverfahren oder ein Vergleichsverfahren oder ein Zwangsvergleich eröffnet wurde oder gegen den andere in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften vorgesehene gleichartige Verfahren eingeleitet worden sind;

...

Die Mitgliedstaaten legen nach Maßgabe ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften und unter Beachtung des Gemeinschaftsrechts die Bedingungen für die Anwendung dieses Absatzes fest.

..."

2. Zum Vorliegen des Ausschlussgrundes des § 68 Abs. 1 Z 2 BVergG 2006:

2.1. Die Revisionswerberin bringt vor, bereits aus dem Wortlaut des § 68 Abs. 1 Z 2 BVergG 2006 ergebe sich, dass ein Insolvenzverfahren zum Zeitpunkt des Ausschlusses eines Unternehmers "tatsächlich noch anhängig" sein müsse. Dem stehe auch die Regelung des § 69 Z 1 BVergG 2006 nicht entgegen, weil diese im Licht des Grundsatzes des § 19 Abs. 1 BVergG 2006 ("Die Vergabe hat an befugte, leistungsfähige und zuverlässige

Unternehmer ... zu erfolgen") auszulegen sei. Die Regelungen über

die Eignung der Unternehmer würden darauf abzielen, dass die Vergabe - und damit die Zuschlagserteilung - an geeignete Unternehmer erfolge. Es sei daher bei der Prüfung der Ausscheidensgründe nicht allein auf den in § 69 BVergG 2006 genannten Zeitpunkt, sondern auch auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Auftraggebers abzustellen. Dies werde durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. März 2011, 2008/04/0083, bestätigt. Sowohl zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung als auch zum Zeitpunkt des Ausscheidens sei die Zuverlässigkeit der Revisionswerberin (bzw. sämtlicher ihrer Mitglieder) gegeben gewesen. Das zwischenzeitlich durchgeführte und rechtskräftig abgeschlossene Sanierungsverfahren eines Mitglieds sei für die Beurteilung der Zuverlässigkeit der Bietergemeinschaft somit ohne Belang.

2.2. Dem hält die Mitbeteiligte in ihrer Revisionsbeantwortung entgegen, dass die Eignungsprüfung keine starre Momentaufnahme sei, sondern nachfolgende Entwicklungen zu beachten seien. Es sei somit nicht relevant, ob das Insolvenzverfahren nachträglich wieder aufgehoben worden sei und somit nur "kurzfristig" bestanden habe. Eine davon abweichende Auslegung wäre gegenüber den sich ausschreibungskonform verhaltenden Bietern diskriminierend. Weiters verweist die Mitbeteiligte auf die Ausschreibungsunterlagen, in denen bestandfest festgelegt sei, dass die Eignung nicht nur zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung vorliegen, sondern auch fortbestehen müsse.

2.3. Gemäß § 68 Abs. 1 Z 2 BVergG 2006 hat der Auftraggeber einen Unternehmer von der Teilnahme am Vergabeverfahren auszuschließen, wenn über sein Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Gemäß § 72 Abs. 1 BVergG 2006 hat der Auftraggeber als Nachweis für die berufliche Zuverlässigkeit festzulegen, dass die Unternehmer zu belegen haben, dass kein Ausschlussgrund gemäß § 68 Abs. 1 BVergG 2006 vorliegt. Bei einer Bietergemeinschaft muss die Zuverlässigkeit aller Mitglieder gegeben sein, das Vorliegen eines Ausschlussgrundes bei einem Mitglied der Bietergemeinschaft führt dazu, dass die Bietergemeinschaft als solche als nicht zuverlässig anzusehen ist (in diesem Sinn hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 12. September 2013, 2012/04/0010, das Vorliegen eines Ausschlussgrundes der dort beschwerdeführenden Bietergemeinschaft auf Grund von - einem Mitglied der Bietergemeinschaft zuzurechnenden - Verwaltungsübertretungen überprüft; siehe weiters das hg. Erkenntnis vom 22. April 2009, 2007/04/0141, sowie Heid/Kondert, in Heid/Preslmayr (Hrsg.), Handbuch Vergaberecht3 (2010) Rz. 1079).

2.4. Gemäß § 69 Z 1 BVergG 2006 muss die Eignung im offenen Verfahren spätestens zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung vorliegen. Wird für die Frage des Vorliegens der Eignung (allein) auf den Zeitpunkt der Zuschlagsentscheidung abgestellt, entspricht dies nicht dem BVergG 2006 (vgl. im Zusammenhang mit der Leistungsfähigkeit das hg. Erkenntnis vom 17. September 2014, 2013/04/0056).

Der Verwaltungsgerichtshof hat unter Verweis auf die Erläuterungen zu § 69 BVergG 2006 (RV 1171 BlgNR 22. GP 61) festgehalten, dass die Leistungsfähigkeit nach dem in dieser Bestimmung genannten Zeitpunkt nicht mehr verloren gehen darf und jedenfalls bis zur Zuschlagserteilung gegeben sein muss (siehe das Erkenntnis vom 17. Juni 2014, 2013/04/0033, mwN). Diesem Erkenntnis lag zugrunde, dass als Nachweis für die Leistungsfähigkeit eine Bonitätsauskunft des Kreditschutzverbandes (KSV) über ein näher bezeichnetes Rating (Wert < 350) festgelegt worden sei. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin hatte zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung und zum Zeitpunkt der Zuschlagsentscheidung über ein entsprechendes Rating verfügt. Der Verwaltungsgerichtshof wies zwar darauf hin, dass § 69 BVergG 2006 keine Verpflichtung des Auftraggebers zu einer ständigen Überprüfung enthalte, ob nach den dort genannten Zeitpunkten die Eignung seitens des Unternehmers noch vorliegt oder nicht. Auf Grund der dort gegebenen - speziellen - Sachverhaltskonstellation wäre die Auftraggeberin aber zu einer genaueren Überprüfung der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit verpflichtet gewesen, im Zuge derer ihr der (nunmehr erst im Nachprüfungsverfahren hervorgekommene) Umstand zur Kenntnis gelangt wäre, dass das KSV-Rating der Zuschlagsempfängerin für einem gewissen Zeitraum zwischen Angebotsöffnung und Zuschlagsentscheidung den festgelegten Wert überschritten hatte und das entsprechende Eignungskriterium somit nicht erfüllt gewesen sei. Da die Nachprüfungsbehörde dies unberücksichtigt gelassen habe, wurde der dort angefochtene Bescheid aufgehoben.

Nach dieser Rechtsprechung darf die Eignung nach den in § 69 BVergG 2006 genannten Zeitpunkten nicht mehr verloren gehen, unabhängig davon, ob die Eignung zu einem späteren Zeitpunkt - vor der Zuschlagserteilung - wieder auflebt. Dem steht weder der Wortlaut des § 68 Abs. 1 Z 2 BVergG 2006 ("wenn ... ein Insolvenzverfahren eröffnet ... wurde") noch § 19 Abs. 1 BVergG 2006 entgegen. Dadurch wird nämlich eine gesetzliche Festlegung eines Stichtages, ab dem die Eignung - durchgehend - gegeben sein muss, nicht ausgeschlossen.

Dem Auftraggeber soll keine Möglichkeit eingeräumt werden, durch die zeitliche Ausgestaltung der Angebotsprüfung Einfluss auf das Ausscheiden eines Angebotes (bzw. auf das Unterlassen eines solchen) nehmen zu können (siehe Mayr, in Schramm/Aicher/Fruhmann (Hrsg), Bundesvergabegesetz 2006 - Kommentar (2009), § 69 Rz. 1, mwN). Würde man einen nach Angebotsöffnung eingetretenen Verlust der Eignung dann als unmaßgeblich ansehen, wenn der Wegfall vor einer Entscheidung des Auftraggebers wieder saniert wird, bestünde eine derartige Dispositionsmöglichkeit für den Auftraggeber. Unionsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung - wie von der Revisionswerberin ins Treffen geführt - bestehen seitens des Verwaltungsgerichtshofes nicht, zumal die Regelung den Zielen der Gleichbehandlung aller Bieter und der Rechtssicherheit dient.

2.5. Der nach Angebotsöffnung erfolgte Wegfall der Eignung der Revisionswerberin bleibt daher ungeachtet dessen, dass die Eignung vor der Ausscheidensentscheidung des Auftraggebers wieder erlangt wurde, relevant. Im vorliegenden Fall war somit der Ausschlussgrund des § 68 Abs. 1 Z 2 BVergG 2006 gegeben.

2.6. Dem von der Revisionswerberin ins Treffen geführten hg. Erkenntnis vom 22. Mai 2012, 2009/04/0187, lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen. Im dort zugrunde liegenden Fall war das Insolvenzverfahren nämlich ca. drei Jahre vor dem gegenständlichen Vergabeverfahren beendet worden und somit weder zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung noch danach anhängig gewesen. Anders als die Revisionswerberin meint, können auch aus dem - den Ausscheidensgrund wegen fehlender Aufklärungen nach § 129 Abs. 2 BVergG 2006 betreffenden - hg. Erkenntnis vom 21. März 2011, 2008/04/0083, keine Rückschlüsse auf die hier zugrunde liegende Konstellation, nämlich den nach Angebotsöffnung eingetretenen Verlust der Eignung, gezogen werden.

3. Zur Abstandnahme vom Ausschluss gemäß § 68 Abs. 3 BVergG 2006:

3.1. Die Revisionswerberin moniert, die Auftraggeberin habe - ebenso wie das Verwaltungsgericht - § 68 Abs. 3 BVergG 2006 außer Acht gelassen. Einen - in dieser Bestimmung angesprochenen - zwingenden Grund des Allgemeininteresses sieht die Revisionswerberin darin, dass die Insolvenzordnung den Zweck habe, die Sanierungschancen zu erhöhen und die Unternehmensfortführung zu erleichtern. Weiters liege ein Allgemeininteresse in der Zielsetzung des Vergaberechts, einen ausreichenden Wettbewerb - und damit eine Beteiligung möglichst vieler Bieter an der Ausschreibung - sicherzustellen. Ein Ausscheiden des Angebotes der Revisionswerberin würde diesen Zielen widersprechen.

Diese Sichtweise sei unionsrechtlich geboten, zumal nach der Judikatur des EuGH (Verweis auf das Urteil vom 13. Dezember 2012, Rs C-465/11 , Forposta SA) ein automatischer Ausschluss eines Wirtschaftsteilnehmers bei Nichterfüllung der in Art. 45 Abs. 2 der RL 2004/18/EG genannten Eignungskriterien unzulässig sei. In diesem Zusammenhang verweist die Revisionswerberin darauf, dass Art. 45 der RL 2004/18/EG zwischen zwingenden (Abs. 1) und fakultativen (Abs. 2) Ausschlussgründen unterscheide. Demgegenüber habe der österreichische Gesetzgeber alle Ausschlussgründe als zwingend normiert. Dies stehe in einem Spannungsverhältnis zur Judikatur des EuGH, der zufolge Mitgliedstaaten keine weiteren Ausschlussgründe schaffen dürften bzw. nur befugt seien, diese Ausschlussgründe überhaupt nicht anzuwenden, abzumildern oder flexibler zu gestalten (Verweis auf das bereits zitierte Urteil Rs C-465/11 sowie auf das Urteil vom 9. Februar 2006, Rs C-226/04 und C-228/04 , La Cascina und Zilch).

§ 68 Abs. 3 BVergG 2006 sei somit richtlinienkonform dahin auszulegen, dass im Fall der Insolvenz eines Wirtschaftsteilnehmers jedenfalls eine Einzelfallbetrachtung vorzunehmen sei, bei der zu berücksichtigen sei, dass im vorliegenden Fall durch das Insolvenzverfahren die erforderliche Eignung nicht verloren gehe, zumal das Unternehmen P GmbH fortgeführt werde. Ohne eine weite Auslegung des § 68 Abs. 3 BVergG 2006 wäre § 68 Abs. 1 BVergG 2006 richtlinienwidrig.

Für den Fall, dass der Verwaltungsgerichtshof Zweifel hinsichtlich der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung des § 68 BVergG 2006 haben sollte, regt die Revisionswerberin an, ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zu stellen.

3.2. Die Mitbeteiligte bringt vor, dass die Ausnahmebestimmung des § 68 Abs. 3 BVergG 2006 eng auszulegen sei. Ein zwingender Grund des Allgemeininteresses liege dann vor, wenn eine dringend benötigte und unaufschiebbare Leistung nur von einem Unternehmer erbracht werden könne, bei dem ein Ausschlussgrund vorliege. Im vorliegenden Fall könnten die ausschreibungsgegenständlichen Bauleistungen keinesfalls nur von der Revisionswerberin erbracht werden. Zu der von der Revisionswerberin als erforderlich erachteten unionsrechtskonformen Interpretation des § 68 Abs. 3 BVergG 2006 vertritt die Mitbeteiligte die Auffassung, dass die in Art. 45 Abs. 2 der RL 2004/18/EG enthaltene "Kann"-Bestimmung an die Mitgliedstaaten gerichtet sei. Diese seien ermächtigt, die aufgezählten Ausscheidensgründe in ihre nationalen Regelungen zu übernehmen (oder nicht). Dass der österreichische Gesetzgeber von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht habe, könne keine Richtlinienwidrigkeit begründen. Anders als in den von der Revisionswerberin ins Treffen geführten Urteilen des EuGH gehe es vorliegend nicht um eine über Art. 45 Abs. 2 der RL 2004/18/EG hinausgehende Regelung, sondern lediglich um die nationale Übernahme eines unionsrechtlich vorgesehenen Ausscheidenstatbestandes.

3.3. Festzuhalten ist zunächst, dass die Revisionswerberin mit ihren allgemein gehaltenen Ausführungen, wonach das Vergaberecht dem Ziel der Sicherung eines ausreichenden Wettbewerbs diene und die Insolvenzordnung die Unternehmensfortführung erleichtern solle, nicht aufzeigt, dass hier ein begründeter Ausnahmefall im Sinn des § 68 Abs. 3 Z 1 BVergG 2006 vorliegt, der aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses eine Teilnahme der Revisionswerberin trotz Vorliegen eines Ausschlussgrundes nach § 68 Abs. 1 BVergG 2006 erfordert hätte. Insbesondere vermag sie nicht darzulegen, weshalb ihre Teilnahme zur Sicherstellung des Wettbewerbs unabdingbar wäre.

3.4. Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin vermag der Verwaltungsgerichtshof keine Verpflichtung zu erkennen, diesen Ausnahmetatbestand aus unionsrechtlichen Gründen in anderer Weise auszulegen.

Der EuGH hat in seinem Urteil vom 10. Juli 2014, Rs C-358/12 , Consorzio Stabile Libor Lavori Pubblici, zum Ausdruck gebracht, dass Art. 45 Abs. 2 der RL 2004/18/EG die in ihm "genannten Ausschlussfälle dem Ermessen der Mitgliedstaaten anheimstellt", wie der am Anfang dieser Bestimmung stehende

Ausdruck ("kann ... ausgeschlossen werden") bezeugt. Außerdem

legen die Mitgliedstaaten nach Art. 45 Abs. 2 Unterabs. 2 der RL 2004/18/EG nach Maßgabe ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften und unter Beachtung des Unionsrechts die Bedingungen für die Anwendung dieses Absatzes fest. Art. 45 Abs. 2 der RL 2004/18 verfolgt somit keine einheitliche Anwendung der in ihm angeführten Ausschlussgründe auf Unionsebene, weil die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, diese Ausschlussgründe entweder überhaupt nicht anzuwenden oder aber diese Gründe je nach den auf nationaler Ebene maßgeblichen rechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Erwägungen im Einzelfall mit unterschiedlicher Strenge in die nationale Regelung aufzunehmen. In diesem Rahmen können die Mitgliedstaaten die in dieser Vorschrift festgelegten Kriterien abmildern oder flexibler gestalten. Der (dort maßgebliche) Art. 45 Abs. 2 lit. e der RL 2004/18/EG gestattet den Mitgliedstaaten, jeden Wirtschaftsteilnehmer von der Teilnahme an Vergabeverfahren auszuschließen, der seine Verpflichtungen zur Zahlung der Sozialbeiträge nicht erfüllt hat, ohne einen Mindestbetrag an Beitragsrückständen vorzusehen (siehe zu all dem das eingangs zitierte Urteil Rs C-358/12 , Rn. 35 ff; vgl. auch das ebenfalls bereits zitierte Urteil Rs C-226/04 und C-228/04 , Rn. 22 f; zu den Spielräumen der Mitgliedstaaten siehe Frenz, Handbuch Europarecht, Band 3, Beihilfe- und Vergaberecht, Rz. 2863 ff).

In dem von der Revisionswerberin ins Treffen geführten Urteil Rs C-465/11 hält der EuGH fest, dass die Republik Polen von der Befugnis (dort gemäß der RL 2004/17/EG in Verbindung mit Art. 45 Abs. 2 der RL 2004/18/EG ) Gebrauch gemacht und die Ausschlussklausel des Art. 45 Abs. 2 Unterabs. 1 lit. d der RL 2004/18/EG in die nationale Regelung übernommen hat (Rn. 24). Dass der EuGH für die in lit. d des Art. 45 Abs. 2 der RL 2004/18/EG angesprochene "Feststellung einer 'schweren

Verfehlung' ... eine konkrete und auf den Einzelfall bezogene

Beurteilung der Verhaltensweise des betreffenden Wirtschaftsteilnehmers" verlangt und in diesem Fall einen automatischen Ausschluss - ohne Möglichkeit der Beurteilung der Schwere des Fehlverhaltens im Einzelfall - als unzulässig erachtet hat (Rn. 31 ff), lässt keinen Rückschluss darauf zu, dass bei einem Ausschluss eines Bieters auf Grund der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens eine Einzelfallbeurteilung gefordert ist, weil die Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmals eindeutig feststellbar ist.

Soweit die Revisionswerberin unter Verweis auf die Judikatur des EuGH (Rs C-226/04 und C-228/04 sowie Rs C-465/11 ) vorbringt, die Schaffung weiterer - auf die fachliche Eignung der Wirtschaftsteilnehmer bezogener - Ausschlussgründe sei nicht zulässig, ist dem entgegenzuhalten, dass mit der Regelung des § 68 Abs. 1 Z 2 BVergG 2006 kein über den Rahmen der Aufzählung des Art. 45 Abs. 2 der RL 2004/18/EG hinausgehender zusätzlicher Ausschlussgrund geschaffen, sondern lediglich von der Richtlinienermächtigung Gebrauch gemacht wurde, einen dieser Ausschlussgründe (ohne Abmilderung) anzuwenden.

Vor diesem Hintergrund besteht weder die Notwendigkeit, § 68 Abs. 3 BVergG 2006 aus unionsrechtlichen Erwägungen in anderer Weise auszulegen, noch begegnet § 68 Abs. 1 BVergG 2006 unionsrechtlichen Bedenken. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich daher nicht veranlasst, im vorliegenden Zusammenhang ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zu richten.

3.5. Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin kommt dem Verweis auf die deutsche Rechtslage und Judikatur, der zufolge im Fall eines Insolvenzverfahrens eine Ermessensentscheidung samt einzelfallbezogener Beurteilung des Auftraggebers geboten sei, keine Relevanz zu, zumal die innerstaatliche Umsetzung der RL 2004/18/EG in Deutschland mit der im BVergG 2006 getroffenen Regelung nicht vergleichbar ist.

3.6. Die Revisionswerberin zeigt somit mit ihrem Vorbringen zu § 68 Abs. 3 BVergG 2006 keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses auf.

4. Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

5. Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG Abstand genommen werden, weil es im vorliegenden Fall nicht um Fragen der Beweiswürdigung oder strittige Tatsachenfeststellungen geht, sondern - wie die Revisionswerberin im Zusammenhang mit ihrer Anregung, in der Sache zu entscheiden, selbst angibt - Verfahrensgegenstand nur die Lösung von Rechtsfragen ist. Art. 6 EMRK steht daher dem Unterbleiben der mündlichen Verhandlung nicht entgegen (vgl. das Erkenntnis vom 15. Dezember 2014, 2013/04/0078, mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 18. Juli 2013, Nr. 56422/09, Schädler-Eberle gegen Liechtenstein, mwN).

6. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 9. September 2015

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