Normen
BAO §93 Abs2;
IO;
VwRallg;
Spruch:
Gemäß § 42 Abs. 3a VwGG wird der angefochtene Bescheid dahin abgeändert, dass sein Spruch lautet:
"Die namens der A GmbH eingebrachte Beschwerde vom 21. Mai 2013 gegen eine Berufungsvorentscheidung des Zollamtes Wien vom 18. April 2013, GZ 230000/61299/15/2011, wird zurückgewiesen."
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Das Zollamt S erließ einen Bescheid vom 25. Juli 2011, welcher im Adressfeld die Beschwerdeführerin aufwies und folgenden Spruch enthielt:
"Für die Firma L AG, (Anschrift), ist am 20. Juni 2011 bei der Überführung von eingangsabgabenpflichtigen Waren in den zollrechtlich freien Verkehr gemäß Art. 203 Abs. 1 und Abs. 3 Zollkodex (ZK) iVm § 2 Abs. 1 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) die Eingangsabgabenschuld in der
Höhe von ..... entstanden.
Im Zuge der Verbringung in die EU wurde die Einfuhrverzollung auf Grund von Unstimmigkeiten für ungültig erklärt und die Eingangsabgaben nicht erhoben.
Der geschuldete Abgabenbetrag von EUR 6.815,52 wird gemäß Art. 220 Abs. 1 ZK nachträglich buchmäßig erfasst und gemäß Art. 221 Abs. 1 ZK mitgeteilt.
Die Fälligkeit tritt nach § 73 ZollR-DG mit Beginn des Tages ein, an dem die Abgaben spätestens zu entrichten sind.
Als Folge der Entstehung dieser Eingangsabgabenschuld ist gemäß § 108 Abs. 1 ZollR-DG weiters eine Abgabenerhöhung in Höhe von EUR 17,27 zu entrichten.
Die Bemessungsgrundlage und die Abgabenberechnung sind aus den Angaben der Beilage, die einen Bestandteil dieses Bescheides bildet, ersichtlich.
Gesamtbetrag: EUR 6.832,79 Zahlungsaufforderung
Für die Entrichtung des Gesamtbetrages wird gemäß Art. 222 Abs. 1 ZK eine Frist von zehn Tagen nach Zustellung dieses Bescheides eingeräumt.
Die Entrichtung hat auf das P.S.K. Kto. Nr. ..... zugunsten der
Abgabenkontonummer der Firma A, xxx, zu erfolgen."
Gegen diesen der Beschwerdeführerin zugestellten Bescheid erhob die Beschwerdeführerin durch ihren Rechtsfreund mit Schriftsatz vom 22. August 2011 Berufung.
Das Zollamt S wies die Berufung mit Bescheid vom 1. September 2011 "wegen mangelnder Aktivlegitimation" zurück. Der bekämpfte Bescheid des Zollamtes vom 25. Juli 2011 weise als "Firma, an die er ergeht" die L AG aus. Berufungswerber könne nur der sein, dem der Bescheid wirksam bekannt gegeben worden sei und für den er auch inhaltlich bestimmt gewesen sei. Zur Erhebung einer Berufung gegen diesen Bescheid sei demnach nur die im Spruch angeführte L AG selbst berechtigt. Die zurückgewiesene Berufung sei aber vom steuerlichen Vertreter ausdrücklich im Namen und Auftrag der Beschwerdeführerin eingebracht worden.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin durch ihren Rechtsfreund mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2011 eine als "Beschwerde" bezeichnete Berufung. Der bekämpfte Bescheid des Zollamtes vom 25. Juli 2011 sei inhaltlich auch für die Beschwerdeführerin bestimmt gewesen und ihr auch wirksam bekannt gegeben worden. Auf Seite zwei des bekämpften Bescheides sei ausdrücklich das Abgabenkonto der Beschwerdeführerin angeführt. Es sei sowohl an die Beschwerdeführerin als auch an die L AG ein Bescheid ergangen. Der Bescheid weise ausdrücklich die nunmehrige Beschwerdeführerin als Adressatin auf.
Mit Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten vom 31. Jänner 2013, 14 S 16/13p, wurde über das Vermögen der Beschwerdeführerin das Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet und eine Insolvenzverwalterin bestellt.
Das Zollamt S richtete eine als Berufungsvorentscheidung
bezeichnete Erledigung vom 8. April 2013 an
"Dr. S. Rechtsanwalt GMBH .....
als Vertreter der
(Beschwerdeführerin) ..."
und wies damit die von der Beschwerdeführerin "mit der Eingabe vom 22. August 2011 eingebrachte Berufung gegen den Bescheid des Zollamtes S ..... vom 25. Juli 2011 wegen mangelnder Aktivlegitimation" zurück.
Mit als "Sammelbescheid" bezeichneter Erledigung vom 18. April 2013 an
"Dr. S. Rechtsanwalt GmbH .....
als Vertreter der
(Beschwerdeführerin) ....."
hob das Zollamt S gemäß § 299 Abs. 1 BAO seinen "Bescheid" vom 8. April 2013 auf und erließ gemäß § 299 Abs. 2 BAO die "Berufungsvorentscheidung" über die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Zollamtes vom 1. September 2011, womit es diese Berufung abwies.
Mit einem Schriftsatz vom 21. Mai 2013 wurde für die "Beschwerdeführerin: (Firma der Beschwerdeführerin)", vertreten durch: "Dr. S. Rechtsanwalt GmbH ..... (unter Berufung auf die erteilte Bevollmächtigung)" Beschwerde gegen "die Entscheidung" des Zollamtes S" vom 18. April 2013 erhoben.
Mit dem an "Dr. C.R., RA, als Masseverwalterin über das Vermögen der (Beschwerdeführerin)" gerichteten angefochtenen Bescheid vom 26. Juli 2013 wies die belangte Behörde "die Beschwerde der (Beschwerdeführerin)" gegen die "Berufungsvorentscheidung" vom 18. April 2013 als unbegründet ab.
Mit seinem am selben Tag bekannt gemachten Beschluss vom 2. September 2013 hob das Landesgericht St. Pölten das Sanierungsverfahren auf.
In der gegen den angefochtenen Bescheid erhobenen, mit 3. September 2013 datierten und am 9. September 2013 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin u.a. im Recht auf Erhebung einer Berufung verletzt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und reichte eine Gegenschrift ein, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall sind gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 122/2013 die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.
Über eine nach § 85a Abs. 1 Z 1 des Zollrechts-Durchführungsgesetzes (ZollR-DG) in der im Beschwerdefall noch maßgeblichen Fassung der dritten ZollR-DG - Novelle, BGBl. I Nr. 13/1998, erhobene Berufung hatte die Berufungsbehörde (im Beschwerdefall das Zollamt) gemäß § 85b Abs. 2 ZollR-DG in der im Beschwerdefall noch maßgeblichen Fassung des 1. Euro-Finanzbegleitgesetzes, BGBl. I Nr. 126/1998, mit Berufungsvorentscheidung zu entscheiden.
Soweit im ZollR-DG nicht anderes bestimmt ist, gelten gemäß § 85b Abs. 3 letzter Satz ZollR-DG in der im Beschwerdefall noch maßgeblichen Fassung des Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetzes (AbgRmRefG), BGBl. I Nr. 97/2002, u.a. für das Berufungsverfahren und die Berufungsvorentscheidung die diesbezüglichen Bestimmungen der BAO sinngemäß.
§ 93 Abs. 2 der Bundesabgabenordnung (BAO), lautet:
"(2) Jeder Bescheid ist ausdrücklich als solcher zu bezeichnen, er hat den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht."
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erlangen Bescheide, die nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens an den Gemeinschuldner und nicht an den Insolvenzverwalter gerichtet sind, keine Wirksamkeit (vgl. für viele etwa das hg. Erkenntnis vom 9. November 2011, 2009/16/0260, und den hg. Beschluss vom 11. September 2014, Ra 2014/16/0013).
Aus diesem Grund sind die Erledigungen des Zollamtes S vom 8. April 2013 und vom 18. April 2013, welche ausdrücklich an die Beschwerdeführerin (damals die Gemeinschuldnerin) gerichtet waren, nicht wirksam geworden. Da somit noch keine wirksam erlassene Berufungsvorentscheidung des Zollamtes vorlag, blieb die mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2011 erhobene Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Zollamtes vom 1. September 2011 deshalb noch unerledigt.
Eine gegen die Erledigung des Zollamtes von 18. April 2013 - somit gegen einen Nichtbescheid - erhobene (Administrativ‑)Beschwerde wäre daher von der belangten Behörde schon deshalb zurückzuweisen gewesen.
Diese mit Schriftsatz vom 21. Mai 2013 erhobene Beschwerde wurde für die Beschwerdeführerin (damals die Gemeinschuldnerin) durch ihren Rechtsfreund eingebracht. Soweit sich dieser dabei auf die erteilte Vollmacht beruft, ist festzuhalten, dass nach § 1024 ABGB die erteilte Vollmacht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgehoben wurde und konsequent dazu § 26 IO das Erlöschen des Auftragsverhältnisses regelt. § 1024 ABGB ist zufolge der Bestimmung des § 83 Abs. 2 BAO auch im Beschwerdefall anzuwenden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. September 2011, 2011/16/0197). Außerdem wäre nur die Insolvenzverwalterin, nicht aber die Gemeinschuldnerin legitimiert gewesen, eine solche (Administrativ‑)Beschwerde zu erheben.
Die Beschwerde vom 21. Mai 2013 wäre daher von der belangten Behörde auch aus diesem Grund als unzulässig zurückzuweisen gewesen.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde jedoch diese (Administrativ‑)Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Damit wurde im Ergebnis die Berufung der Beschwerdeführerin vom 22. August 2011 rechtskräftig zurückgewiesen.
Der angefochtene Bescheid wäre deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Im fortzusetzenden Verfahren hätte gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 9 letzter Satz B-VG das Bundesfinanzgericht sodann die Beschwerde vom 21. Mai 2013 zurückzuweisen, weil noch keine wirksame Berufungsvorentscheidung ergangen ist.
Gemäß § 42 Abs. 3a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof jedoch in der Sache selbst entscheiden, wenn sie entscheidungsreif ist und die Entscheidung in der Sache selbst im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt. Dies ist im vorliegenden Beschwerdefall gegeben.
Von der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der im Beschwerdefall noch anzuwendenden VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 20. November 2014
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)