VwGH 2013/07/0133

VwGH2013/07/013323.1.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde der P GmbH in H, vertreten durch Dr. Josef R. Harthaller, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Anichstraße 13/IV, gegen Spruchpunkt I des Bescheides des Landeshauptmannes von Tirol vom 18. März 2013, Zl. IIIa1-W-60.499/2, betreffend Feststellung einer wasserrechtlichen Bewilligungspflicht (mitbeteiligte Partei: S E), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §1;
AVG §56;
AVG §8;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
WRG 1959 §138 Abs1;
WRG 1959 §138 Abs6;
WRG 1959 §138;
WRG 1959 §32 Abs1;
WRG 1959 §32 Abs2 litc;
AVG §1;
AVG §56;
AVG §8;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
WRG 1959 §138 Abs1;
WRG 1959 §138 Abs6;
WRG 1959 §138;
WRG 1959 §32 Abs1;
WRG 1959 §32 Abs2 litc;

 

Spruch:

Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin plant die Errichtung eines Wohnhauses mit drei Wohneinheiten auf dem Grundstück 3319/1 KG O. Mit Bescheid der Bürgermeisterin der Gemeinde O vom 21. März 2012 wurde diesem Vorhaben die baurechtliche Genehmigung erteilt, die u. a. auch die Auflage enthielt, die Dach- und Oberflächenwässer ohne Beeinträchtigung für die Anrainer auf eigenem Grund zur Versickerung zu bringen.

Eine dagegen erhobene Berufung des Eigentümers des nördlich an das Bauvorhaben angrenzenden Grundstückes (des Mitbeteiligten) wurde mit rechtskräftigem Bescheid des Gemeindevorstandes der Gemeinde O vom 27. Juni 2012 als unbegründet abgewiesen.

Mit Schriftsatz vom 18. Juni 2012 stellte der Mitbeteiligte einen Antrag auf Feststellung der wasserrechtlichen Bewilligungspflicht der Oberflächenentwässerung des Bauvorhabens der Beschwerdeführerin. Dies wurde damit begründet, dass sich im Rahmen der Bauverhandlung herausgestellt habe, dass die Oberflächenentwässerung ein großes Problem und eine Gefahr für seine Liegenschaft darstelle. Angesichts der zu erwartenden Oberflächenwassermenge von ca. 30 l/s sei das Maß der Geringfügigkeit jedenfalls überschritten.

Die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck (BH) holte eine fachkundige Stellungnahme des wasserwirtschaftlichen Amtssachverständigen vom 10. Juli 2012 ein, derzufolge die Versickerung der Dachwässer auf Grund der Örtlichkeit (beengte Platzverhältnisse, Hanglage, Untergrundverhältnisse - bindiger Boden) als nicht unproblematisch einzustufen sei und bei nicht fachgerechter Ausbildung der Oberflächenentwässerung eine Beeinträchtigung der tiefer liegenden Parzellen nicht ausgeschlossen werden könne.

Mit Bescheid der BH vom 19. September 2012 stellte diese unter Spruchpunkt I gemäß § 32 Abs. 1 und Abs. 2 lit. c WRG 1959 in Verbindung mit § 56 AVG fest, dass für die Oberflächenentwässerung hinsichtlich des Bauvorhabens der beschwerdeführenden Partei Bewilligungspflicht bestehe. Mit Spruchpunkt II wurde der Beschwerdeführerin ein wasserpolizeilicher Auftrag auf Grundlage des § 138 Abs. 2 WRG 1959 erteilt und bis zur Entscheidung über den demnach einzubringenden Antrag eine Versickerung von Oberflächenwässern auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin untersagt.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung und begründete diese mit dem Hinweis auf das Bestehen der rechtskräftigen baurechtlichen Genehmigung, die auch Auflagen in Bezug auf die Entwässerung von Oberflächenwässern beinhalte. Eine wasserrechtliche Bewilligungspflicht bestehe mangels Geringfügigkeit der Einwirkung nicht. Die potenzielle Beeinträchtigung des Grundstückes des Mitbeteiligten sei im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens zu klären gewesen. In diesem seien die Einwände des Mitbeteiligten aber als unzulässig zurückgewiesen und dessen Berufung als unbegründet abgewiesen worden.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 18. März 2013 wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen Spruchpunkt I des Erstbescheides als unbegründet ab. Der Berufung gegen Spruchpunkt II wurde Folge gegeben und der Erstbescheid in diesem Umfang ersatzlos behoben.

Die Abweisung der Berufung begründete die belangte Behörde nach Hinweis auf den Inhalt des Gutachtens des wasserwirtschaftlichen Amtssachverständigen damit, dass die Beschwerdeführerin den sachverständigen Ausführungen, wonach eine Beeinträchtigung der tiefer liegenden Parzellen (unter anderem auch des Mitbeteiligten) nicht auszuschließen sei, nicht entgegengetreten sei. Sie habe auch nicht bestritten, dass eine Wassermenge von ca. 25 bis 30 l/s zur Versickerung gebracht werden müsste. Aus den Ausführungen der Beschwerdeführerin könne auch nicht abgeleitet werden, dass die vom Sachverständigen aufgezeigten Probleme nicht aufträten. Eine Bewilligungspflicht im Sinne des § 32 WRG 1959 setze eine Einwirkung auf Gewässer voraus, die geeignet sei, deren Beschaffenheit unmittelbar oder mittelbar zu beeinträchtigen. Die Bewilligungspflicht sei daher immer dann gegeben, wenn nach dem natürlichen Lauf der Dinge mit nachteiligen Einwirkungen auf die Beschaffenheit der Gewässer zu rechnen sei. Der Eintritt einer Grundwasserverunreinigung sowie die Art der Nutzung des beeinträchtigten Gewässers seien für die Bewilligungspflicht irrelevant. Die Oberflächenentwässerung stelle im gegenständlichen Fall eine bewilligungspflichtige Maßnahme nach § 32 WRG 1959 dar, da eine solche Einwirkung nicht als geringfügig im Sinne des § 32 Abs. 1 WRG 1959 bezeichnet werden könne.

Das durchgeführte Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass durch die auf Grund der Bebauung bedingte geänderte Oberflächenentwässerung eine geordnete Entsorgung der anfallenden Oberflächenwässer sicherzustellen sei. Die von der Baubehörde getroffene Anordnung, die Dach- und Oberflächenwässer ohne Beeinträchtigung für die Anrainer auf eigenem Grund zur Versickerung zu bringen, ersetze nicht eine allenfalls notwendige wasserrechtliche Bewilligung. Die Baubehörde sei auch nicht zuständig, die Frage der wasserrechtlichen Bewilligung der geplanten Versickerung von Oberflächenwässern zu klären.

In weiterer Folge legte die belangte Behörde unter Hinweis auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Voraussetzungen für die Erlassung eines Feststellungsbescheides dar und verwies darauf, dass die Beschwerdeführerin die wasserrechtliche Bewilligungspflicht der auf Grund ihres Vorhabens notwendigen Entsorgung/Versickerung von Oberflächenwässern ausdrücklich bestreite. Der Mitbeteiligte habe hingegen ein rechtliches Interesse an der Klärung der Frage, ob eine wasserrechtliche Bewilligungspflicht für die Versickerung der bei der Verwirklichung des Bauvorhabens der beschwerdeführenden Partei anfallenden Oberflächenwasser bestehe. Auf Grund des vorhandenen Feststellungsinteresses habe die BH mit Spruchpunkt I des Erstbescheides zu Recht festgestellt, dass eine wasserrechtliche Bewilligungspflicht bestehe.

Die Behebung des mit Spruchpunkt II erlassenen wasserpolizeilichen Auftrages durch die belangte Behörde wurde damit begründet, dass im Zeitpunkt der Bescheiderlassung das Gebäude und damit eine eigenmächtig vorgenommene Neuerung noch nicht bestanden habe.

Gegen den die Berufung abweisenden Teil des angefochtenen Bescheides erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher deren Behandlung mit Beschluss vom 26. Juni 2013, B 516/2013-4, ablehnte und sie zur weiteren Behandlung an den Verwaltungsgerichtshof abtrat.

In ihrer auftragsgemäß erstatteten Beschwerdeergänzung macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

Der Mitbeteiligte beteiligte sich nicht am Verfahren.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Auf den vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.

1. Die Beschwerdeführerin meint, dass nach dem "Grundsatz der Verfahrenskonzentration" die Baubehörde auch hinsichtlich allfälliger "wasserrechtlicher Notwendigkeiten" zuständig gewesen sei. Diese habe in ihrem Baubescheid auch die Auflage erteilt, Dach- und Oberflächenwässer ohne Beeinträchtigung für die Anrainer auf eigenem Grund zur Versickerung zu bringen. Schon deshalb sei für ein separates wasserrechtliches Verfahren kein Raum und die Wasserrechtsbehörden zur Bescheiderlassung unzuständig.

Dazu ist allgemein zu bemerken, dass im Rahmen einer baurechtlichen Bewilligung nicht gleichzeitig über wasserrechtliche Belange abgesprochen werden kann. Wenn die Nachbarn geltend machen, dass in Hinblick auf eine nicht ausreichende Entwässerungsanlage Wasser auf ihre Grundstücke gelangen könnte und es zu einer Unterspülung der auf ihren Grundstücken befindlichen Häuser kommen könnte, handelt es sich dabei um Einwendungen, die nicht im baurechtlichen Verfahren berücksichtigt werden können, sondern die in den Zuständigkeitsbereich der das WRG 1959 vollziehenden Behörden fallen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. März 2001, 99/06/0155, 0156). Auch im Zusammenhang mit den in Bauverfahren angesprochenen Aspekten der Wahrung des Hochwasserschutzes von Grundstücken (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 1992, 91/06/0239), oder der Wasserversorgung und Wasserqualität (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 23. Jänner 1996, 84/06/0117, und vom 14. März 1991, 89/06/0121) ging der Verwaltungsgerichtshof in den genannten Erkenntnissen mit näherer Begründung davon aus, dass solche Interessen nicht im Bauverfahren, sondern im wasserrechtlichen Verfahren zu wahren seien.

Im vorliegenden Fall war die Zuständigkeit der Wasserrechtsbehörde zur Erlassung des angefochtenen Bescheides aber schon deshalb gegeben, weil sein Gegenstand die Entscheidung über den Antrag des Mitbeteiligten auf Feststellung einer wasserrechtlichen Bewilligungspflicht darstellte. An der Zuständigkeit der Wasserrechtsbehörde zur Erlassung von Bescheiden über solche Anträge bestehen daher keine Zweifel.

2. Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides erweist sich allerdings aus nachfolgenden Überlegungen als rechtswidrig:

Die Verwaltungsbehörden sind grundsätzlich befugt, im Rahmen ihrer örtlichen und sachlichen Zuständigkeit auch Feststellungsbescheide zu erlassen. Dies jedenfalls dann, wenn hiefür entweder eine ausdrückliche gesetzliche Anordnung oder ein im öffentlichen Interesse begründeter Anlass vorliegt und wenn die Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmen, aber auch dann, wenn die begehrte Feststellung im nachweislichen rechtlichen Interesse einer Partei gelegen ist. All dies immer mit der Einschränkung, dass sich aus den Verwaltungsvorschriften keine andere Regelung ergibt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. März 1990, 89/07/0157).

Ein Feststellungsbescheid ist jedenfalls dann nicht zulässig, wenn die für die Feststellung maßgebende Rechtsfrage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgezeichneten Verwaltungsverfahrens zu entscheiden ist, wobei insbesondere auch die Möglichkeit der Erlassung eines Leistungsbescheides der Zulässigkeit eines Feststellungsbescheides entgegensteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. April 1996, 95/07/0216, mwN).

Eine Feststellung über die wasserrechtliche Bewilligungspflicht einer geplanten Maßnahme ist unzulässig, wenn der Nachbar die Möglichkeit hat, im Falle der Verwirklichung der Maßnahmen mit einem Antrag nach § 138 WRG 1959 vorzugehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25.10.1994, 92/07/0102, mit weiteren Ausführungen zur Zulässigkeit von Feststellungsbescheiden). Dies gilt auch im vorliegenden Fall, in dem dem Mitbeteiligten die Möglichkeit zur Verfügung steht, als Betroffener nach § 138 Abs. 6 WRG 1959 einen Antrag nach § 138 Abs. 1 WRG 1959 zu stellen.

Da durch den angefochtenen Bescheid die Bewilligungspflicht des gegenständlichen Vorhabens festgestellt wurde, jedoch die Voraussetzungen für die Erlassung eines derartigen Feststellungsbescheides nicht vorlagen, verletzte der angefochtene Bescheid Rechte der Beschwerdeführerin.

Auf Grund dieses Ergebnisses erübrigt es sich auch, auf das weitere Beschwerdevorbringen, welches sich im Wesentlichen mit der Frage auseinander setzt, ob für das gegenständliche Vorhaben eine Bewilligungspflicht nach § 32 Abs. 2 lit. c WRG 1959 vorliegt, näher einzugehen.

3. Nach § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG konnte von der Durchführung der von der Beschwerdeführerin beantragten mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 79 Abs. 11 VwGG und § 3 der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014 iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr. 455.

Wien, am 23. Jänner 2014

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