VwGH 2013/03/0076

VwGH2013/03/007626.3.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde der A s.r.o. in B, Slowakische Republik, vertreten durch Maga. Sylvia Unger, Rechtsanwältin in 1090 Wien, Ferstelgasse 1/1, gegen den Bescheid des Landeshauptmanns von Niederösterreich vom 17. Mai 2013, Zl RU6- AB-2208/007-2012, betreffend Bewilligung für Außenlandungen und Außenabflüge, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §6 Abs1;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §73 Abs1;
AVG §73 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z2;
AVG §6 Abs1;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §73 Abs1;
AVG §73 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

A. Angefochtener Bescheid

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Antrag der beschwerdeführenden Partei vom 23. Oktober 2012 auf Erteilung einer Bewilligung für die Durchführung von zahlenmäßig unbeschränkten Außenstarts und Außenlandungen im Zeitraum vom 1. November 2012 bis zum 1. November 2017 in Niederösterreich (wobei die Bewilligung pauschal für den angegebenen Zeitraum gelten solle (also nicht eingeschränkt auf einen bestimmten Tag) und die beschwerdeführende Partei zur eigenständigen Auswahl der Örtlichkeiten für die Durchführung der Außenstarts und Außenlandungen berechtigt sein solle) gemäß § 9 Abs 2 des Luftfahrtgesetzes, BGBl Nr 253/1957 idF BGBl I Nr 83/2008 (LFG), keine Folge gegeben.

Begründend wurde insbesondere ausgeführt, dass sich am 23. Mai 2009 der im Untersuchungsbericht der Unfalluntersuchungsstelle des Bundes, Fachbereich Luftfahrt, vom 14. März 2012 untersuchte Flugunfall ergeben habe. Zu diesem sei es auf Grund mehrerer Fehlhandlungen des Piloten der beschwerdeführenden Partei gekommen. Der Hubschrauber habe sich bei diesem Unfall unkontrolliert um die Hochachse entgegen der Hauptrotordrehrichtung gedreht. Eine Landung in Normallage sei nicht mehr möglich gewesen, der Hubschrauber sei gekippt und zerstört worden. Laut Flugunfallbericht seien bei der Flugvorbereitung die (relevanten) Einschränkungen und Verbote nicht berücksichtigt worden. Die vorgenommene Gewichtsberechnung habe nicht den tatsächlichen Schwerpunktgrenzen und der Masse entsprochen, die maximale Masse des Luftfahrzeuges zum Abflugzeitpunkt sei geringfügig überschritten worden. Eine Änderung des Flugunfallberichts sei trotz Betreibens der beschwerdeführenden Partei nicht vorgenommen worden. Auf Grund des im Unfallbericht aufgezeigten Verhaltens des Piloten erscheine die Aussage in diesem Bericht glaubwürdig, dass ein Pilot eingesetzt worden sei, der für den Flug fachlich nicht qualifiziert gewesen sei; auch die Schlussfolgerung, dass der Flugbetriebsleiter der beschwerdeführenden Partei einen Piloten eingesetzt habe, den er nicht hätte beauftragen dürfen, erscheine plausibel.

Mit Bescheiden des Landeshauptmanns vom 12. März 2013 und 29. März 2013 seien der beschwerdeführenden Partei in anderen Genehmigungsverfahren einzelne Außenlandungen und Außenstarts gemäß § 9 Abs 2 LFG bewilligt worden. Zum gegenständlichen Verfahren sei unter anderem um Bekanntgabe ersucht worden, mit welchem Luftfahrzeug und von welchen Piloten die Starts und Landungen im Rahmen dieser Bewilligungen durchgeführt worden seien; ebenso sei um Mitteilung der Namen der beförderten Personen sowie um Übermittlung der entsprechenden Flugvorbereitungen, der Flugaufträge, der Gewichtsberechnungen und der Flight and Maintenance Reports ersucht worden. Mit E-Mail vom 23. April 2013 seien seitens der beschwerdeführenden Partei diverse Unterlagen übermittelt worden, die Nennung der Namen der beförderten Personen sei aus angeblich datenschutzrechtlichen Gründen verweigert worden.

Die im Rahmen des § 9 Abs 2 LFG relevante Verkehrssicherheit umfasse die Sicherheit des Luftverkehrs sowie auch die Sicherheit von Personen und Sachen auf der Erde; sie umfasse nicht nur die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer, sondern auch die Sicherheit der Insassen sowie die Sicherheit von Nichtverkehrsteilnehmern. Wie dem Flugunfallbericht vom 14. März 2012 zu entnehmen sei, habe damals die vorgenommene Gewichtsberechnung nicht den tatsächlichen Schwerpunktgrenzen und der Masse entsprochen. Der Geschäftsführer der beschwerdeführenden Partei verweigere nun die Namhaftmachung der (wie erwähnt) später beförderten Personen. Dieses Verhalten führe unter anderem dazu, dass die Behörde die Angaben in der Gewichtsberechnung nicht auf deren Richtigkeit hin überprüfen und die beförderten Personen zu dem Flug nicht befragen könne. Damit sei der Geschäftsführer der beschwerdeführenden Partei seiner Mitwirkungspflicht bei den vorliegend maßgeblichen Erhebungen nicht nachgekommen, weshalb bezüglich der beantragten Flüge insbesondere die Verkehrssicherheit nicht als gegeben angenommen werden könne und damit öffentliche Interessen gegen die Erteilung der beantragten Bewilligung sprächen.

B. Beschwerdeverfahren

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

C. Erwägungen

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die beschwerdeführende Partei bringt vor, am 24. April 2013 - somit vor Erlassung des bekämpften Bescheides - einen Devolutionsantrag an die Oberbehörde - hier der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie - zur Post gegeben zu haben. Mit dem Einlangen dieses Devolutionsantrages bei der Bundesministerin sei die Zuständigkeit der belangten Behörde ex lege erloschen. Die belangte Behörde habe als unzuständige Behörde über den Antrag der beschwerdeführenden Partei vom 23. Oktober 2012 entschieden.

2.1. Dazu wird in der Gegenschrift ausgeführt, dass die belangte Behörde vom Devolutionsantrag erst mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie vom 3. Juni 2013 in Kenntnis gesetzt worden sei. In diesem Schreiben sei mitgeteilt worden, dass mit dem vorliegenden Bescheid des Landeshauptmanns die beschwerdeführende Partei hinsichtlich der Entscheidungspflicht klaglos gestellt worden sei, weshalb der Devolutionsantrag mangels Beschwer zurückzuweisen wäre. Diese Zurückweisung sei mit Ministerialbescheid vom 22. August 2013 erfolgt.

2.2. Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten traf der verfahrenseinleitende Antrag der beschwerdeführenden Partei vom 23. Oktober 2012 bei der belangten Behörde am 24. Oktober 2012 ein.

2.3. Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten langte das mit 3. Juni 2013 datierte ministerielle Schreiben bei der belangten Behörde am 5. Juni 2013 ein. Aus der Beilage dieses Schreibens ergibt sich, dass der Devolutionsantrag der beschwerdeführenden Partei beim Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie am 26. April 2013 einlangte.

3.1. Nach § 73 Abs 1 AVG ist die Behörde verpflichtet, wenn in einer Verwaltungsvorschrift nichts anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen. Wird der Bescheid nicht innerhalb dieser Frist erlassen, so geht gemäß § 73 Abs 2 AVG auf schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, wenn aber gegen die ausständige Entscheidung die Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat vorgesehen ist, auf diesen über (Devolutionsantrag).

3.2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geht dann, wenn die Voraussetzungen für einen Devolutionsantrag iSd § 73 AVG vorliegen, der Bescheid also nicht innerhalb der gesetzlichen Frist erlassen worden ist, mit dem Einlangen des Antrages bei der Oberbehörde die Zuständigkeit zur Entscheidung über den zugrundeliegenden Antrag auf diese Behörde über. Ein nach diesem Zeitpunkt durch die Unterbehörde erlassener Bescheid ist infolge Unzuständigkeit dieser Behörde, unabhängig davon, ob sie tatsächlich schuldhaft säumig im Sinne des § 73 Abs 2 letzter Satz AVG war, rechtswidrig, es sei denn, der Devolutionsantrag wäre nach dieser Gesetzesstelle bereits vor der Bescheiderlassung rechtskräftig abgewiesen worden (vgl etwa VwGH vom 27. November 2008, 2005/07/0168, VwGH vom 22. Februar 2012, 2011/06/0057, und VwGH vom 24. Juli 2012, 2009/03/0070).

3.3. Macht eine Partei den Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung an die sachlich zuständige Oberbehörde nach § 73 Abs 2 AVG geltend und erlässt anschließend die Unterbehörde unzuständiger Weise den von ihr versäumten Bescheid und wird dieser Bescheid durch ein Rechtsmittel angefochten, so erwächst der Oberbehörde vorerst die Pflicht zur Entscheidung über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Berufung. Einer Erledigung des bei ihr eingelangten Devolutionsantrags steht der von der Unterbehörde erlassene, mit Berufung bekämpfte Bescheid hindernd entgegen. Auf Grund der Berufung wäre zunächst der unterinstanzliche Bescheid wegen Unzuständigkeit aufzuheben (vgl VwGH vom 24. Juli 2012, 2009/03/0070, mwH).

4.1. Eine Berufung gegen den angefochtenen Bescheid bei der genannten Bundesministerin kam nicht in Betracht, weil gemäß § 140 Abs 2 LFG gegen eine Entscheidung des Landeshauptmannes u.a. im Fall des § 9 LFG eine Berufung nicht zulässig ist (vgl zuletzt VwGH vom 28. Februar 2014, 2012/03/0100, mwH).

4.2. Der vorliegende Devolutionsantrag vom 24. April 2013 war zulässig, weil die belangte Behörde über den Antrag der beschwerdeführenden Partei vom 23. Oktober 2012 nicht innerhalb der in § 73 Abs 1 AVG bestimmten Frist entschieden hatte (vgl VwGH vom 22. Februar 2005, 2003/06/0018).

Für den vorliegenden Fall bedeutet das, dass die belangte Behörde - da zudem der Devolutionsantrag vor Erlassung des bekämpften Bescheides noch nicht rechtskräftig abgewiesen worden war - zur Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht zuständig war.

4.3. Der mit dem Einlangen des Devolutionsantrags bei dem besagten Bundesministerium bewirkte Zuständigkeitsübergang trat unabhängig davon ein, wann bzw ob die belangte Behörde Kenntnis von der Anrufung der Oberbehörde erlangte (vgl VwGH vom 17. Dezember 1991, 90/08/0030, und VwGH vom 22. September 1998, 97/05/0104).

5. Der angefochtene Bescheid war daher infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde gemäß § 42 Abs 2 Z 2 iVm § 79 Abs 11 VwGG aufzuheben. Bei diesem Ergebnis war es entbehrlich, auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455 (vgl § 79 Abs 11 VwGG iVm § 3 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl II Nr 518/2013, idF BGBl II Nr 8/2014).

Wien, am 26. März 2014

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