VwGH 2009/03/0070

VwGH2009/03/007024.7.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, in der Beschwerdesache der A in G, vertreten durch Mag. Martin Dohnal, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 24/13, gegen die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht hinsichtlich eines Devolutionsantrages, bzw hinsichtlich einer Entscheidung in der Sache in einer Angelegenheit nach dem Luftfahrtrecht, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §73 Abs1;
AVG §73 Abs2;
B-VG Art132;
VwGG §27;
VwGG §34 Abs1;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §73 Abs1;
AVG §73 Abs2;
B-VG Art132;
VwGG §27;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

A. In der vorliegenden beim Verwaltungsgerichtshof am 16. Juni 2009 eingelangten Säumnisbeschwerde vom 10. Juni 2009 führt die Beschwerdeführerin aus, sie habe mit zwei Eingaben vom 13. Mai 2008 bei der Austro Control GmbH

1. den "Korrekturantrag CAME Issue 4 Rev O vom 17. März 2008 und Antrag auf Genehmigung der CAME Issue 4 Rev O."

2. die "Herausnahme der Helicopter OE-G, OE-T, OE-D, OE-X, OE-M, D-A, D-L, OE-F, OE-L aus dem AOC."

beantragt.

Da die Austro Control GmbH trotz mehrfacher telefonischer und persönlicher Interventionen ihrer Entscheidungspflicht nach § 73 Abs 1 AVG nicht nachgekommen sei, sei mit Schreiben vom 20. November 2008 bei der belangten Behörde als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde in der gegenständlichen Rechtssache ein Devolutionsantrag nach § 73 Abs 2 AVG gestellt worden.

Seit dem Einlangen des Devolutionsantrags sei die sechsmonatige Frist iSd § 27 VwGG bei weitem verstrichen, die Beschwerdeführerin stelle daher den Antrag, der Verwaltungsgerichtshof wolle in Stattgebung der Säumnisbeschwerde in der Sache selbst erkennen und den mit Schreiben vom 13. März 2008 gestellten Korrekturantrag sowie die mit diesem Schreiben beantragte Herausnahme genehmigen.

B.1. Nach dem am 27. November 2008 bei der belangten Behörde eingelangten Devolutionsantrag wies die Austro Control GmbH mit Bescheid vom 18. Dezember 2008 den (schon) im Jahr 2007 gestellten, ua mit Antrag vom 13. Mai 2008 modifizierten Antrag auf Wiedererteilung der Genehmigung für ein Unternehmen zur Führung der Aufrechterhaltung der Lufttüchtigkeit (gemeint ist damit offensichtlich der "Korrekturantrag") gemäß § 13 Abs 3 AVG zurück, weil eine zur Mängelbehebung gesetzte Frist fruchtlos verstrichen sei. Dagegen brachte die beschwerdeführende Partei die Berufung vom 2. Jänner 2009 ein.

B.2. Mit Bescheid vom 21. Jänner 2009 (der beschwerdeführenden Partei zugestellt am 26. Jänner 2009) wies die Austro Control GmbH den Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Herausnahme näher genannter Helikopter aus dem AOC-Anhang ab. Dagegen erhob diese eine mit dem 28. Jänner 2009 datierte Berufung. Darin führte die beschwerdeführende Partei aus, die erstinstanzliche Behörde habe zu Unrecht ihre Zuständigkeit wahrgenommen.

B.3. Nach Einlangen der vorliegenden Säumnisbeschwerde beim Verwaltungsgerichtshof gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin vom 28. Jänner 2009 gegen den Bescheid der Austro Control GmbH vom 21. Jänner 2009 gemäß § 66 Abs 4 AVG statt und hob den erstinstanzlichen Bescheid wegen Unzuständigkeit der Behörde auf, weil die Austro Control GmbH auf Grund des Devolutionsantrags seit 27. November 2008 zur Entscheidung u. a. über den Herausnahmeantrag der Beschwerdeführerin vom 13. Mai 2008 nicht mehr zuständig gewesen sei.

B.4. Mit Bescheid vom 9. Juli 2009 wurde von der belangten Behörde die Berufung der beschwerdeführenden Partei gegen den Bescheid der Austro Control GmbH vom 18. Dezember 2008 gemäß § 66 Abs 4 iVm § 63 Abs 5 und § 32 Abs 2 AVG sowie § 17 des Zustellgesetzes als verspätet zurückgewiesen.

C.1.1. Gemäß Art 132 B-VG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch Verwaltungsbehörden einschließlich der unabhängigen Verwaltungssenate erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war. Art 132 B-VG gewährt Rechtsschutz in den Fällen, in denen jemand einen Rechtsanspruch darauf hat, dass eine Verwaltungsbehörde einen Bescheid erlässt; die Säumnisbeschwerde schützt den Einzelnen vor behördlicher Untätigkeit in der Hoheitsverwaltung (vgl hiezu etwa den hg Beschluss vom 13. September 2006, Zl 2006/12/0140, mwH).

Wie der Verwaltungsgerichtshof zur Frage der Zulässigkeit einer Säumnisbeschwerde nach § 27 VwGG bereits ausgesprochen hat (vgl zum Folgenden das hg Erkenntnis vom 22. April 1999, Zl 98/07/0107, mwH), dient dieses Rechtsinstitut dem Schutz vor Untätigkeit der Behörde, nicht aber der Abwehr von Verletzungen der den Behörden aufgetragenen Zuständigkeitsbestimmungen. Das hat zur Folge, dass die Erlassung eines Bescheides über den vom Säumnisvorwurf betroffenen Sachantrag der Zulässigkeit einer Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof (im Falle einer nach Beschwerdeerhebung erfolgenden Bescheiderlassung der Fortsetzung des Säumnisbeschwerdeverfahrens) auch dann entgegensteht, wenn der über den vom Säumnisvorwurf betroffenen Sachantrag erlassene Bescheid aus welchen Gründen immer, auch aus jenem der Unzuständigkeit der bescheiderlassenden Behörde, rechtswidrig ist.

C.1.2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geht dann, wenn die Voraussetzungen für einen Devolutionsantrag iSd § 73 AVG vorliegen, der Bescheid also nicht innerhalb der gesetzlichen Frist erlassen worden ist, mit dem Einlangen des Antrages bei der Oberbehörde die Zuständigkeit zur Entscheidung über den zugrundeliegenden Antrag auf diese Behörde über; ein nach diesem Zeitpunkt durch die Unterbehörde erlassener Bescheid ist infolge Unzuständigkeit dieser Behörde, unabhängig davon, ob sie tatsächlich schuldhaft säumig im Sinne des § 73 Abs 2 letzter Satz AVG war, rechtswidrig, es sei denn, der Devolutionsantrag wäre nach dieser Gesetzesstelle bereits vor der Bescheiderlassung rechtskräftig abgewiesen worden (vgl etwa die hg Erkenntnisse vom 27. November 2008, Zl 2005/07/0168, und vom 22. Februar 2012, Zl 2011/06/0057, beide mwH).

Macht eine Partei den Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung an die sachlich zuständige Oberbehörde nach § 73 Abs 2 AVG geltend und erlässt anschließend die Unterbehörde unzuständiger Weise den von ihr versäumten Bescheid und wird dieser Bescheid durch ein Rechtsmittel angefochten, so erwächst der Oberbehörde vorerst die Pflicht zur Entscheidung über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Berufung. Einer Erledigung des bei ihr eingelangten Devolutionsantrags steht der von der Unterbehörde erlassene, mit Berufung bekämpfte Bescheid hindernd entgegen. Auf Grund der Berufung wäre zunächst der unterinstanzliche Bescheid wegen Unzuständigkeit aufzuheben (vgl das hg Erkenntnis vom 26. Jänner 2011, Zl 2009/07/0098, mwH).

C.2.1. Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich (wie schon erwähnt), dass der Devolutionsantrag der beschwerdeführenden Partei bei der belangten Behörde am 27. November 2008 einlangte. Die besagten Bescheide der Austro Control GmbH wurden - wie dargestellte - erst danach erlassen, diese Behörde war somit mangels Zuständigkeit nicht mehr befugt, über den Antrag der beschwerdeführenden Partei abzusprechen, die Bescheide der Austro Control GmbH wurden durch die beschwerdeführende Partei in Berufung gezogen.

C.2.2. Der belangten Behörde lagen also zum einen Berufungen gegen die unzuständigerweise ergangenen Bescheide der Austro Control GmbH vom 18. Dezember 2008 bzw 21. Jänner 2009 und zum anderen - in derselben Angelegenheit - ein Devolutionsantrag vor.

Wenn die beschwerdeführende Partei meint, die belangte Behörde hätte über ihren Devolutionsantrag entscheiden müssen, verkennt sie, dass die Behörde erster Instanz (ohnehin) die genannten Bescheide erlassen hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat schon wiederholt ausgesprochen, dass vor Entscheidung über die Berufung in einem Fall vorstehender Art eine Verletzung der Entscheidungspflicht bezüglich eines zulässigerweise gestellten Devolutionsantrages beim Gerichtshof nicht geltend gemacht werden kann; die Oberbehörde ist in einem solchen Fall verpflichtet, vorerst über die Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid zu entscheiden (vgl die unter C.1.2. zitierte Judikatur). Im Zeitpunkt der Einbringung der Säumnisbeschwerde beim Verwaltungsgerichtshof standen der Erledigung des Devolutionsantrages noch die offenen Berufungen der beschwerdeführenden Partei aus dem Jänner 2009 entgegen, hinsichtlich der die Frist nach § 73 Abs 1 AVG bei Einbringung der Säumnisbeschwerde am 16. Juni 2009 noch nicht abgelaufen war. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher die Säumnisbeschwerde gemäß § 34 Abs 1 und 3 VwGG 1965 als unzulässig zurückzuweisen.

C.3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am 24. Juli 2012

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