VwGH 2013/01/0172

VwGH2013/01/017224.4.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schweda, über die Beschwerde des B A M in S, vertreten durch Dr. Nikolaus Topic-Matutin und Mag. Veronika Maria Sengmüller, Rechtsanwälte in 5023 Salzburg, Mühlstraße 4A, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 8. November 2013, Zl. 20032- STA/23414/14-2013, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
StVO 1960 §38 Abs5;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2014:2013010172.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid der Salzburger Landesregierung (belangte Behörde) vom 8. November 2013 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Somalia, auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, betreffend den Beschwerdeführer schienen vier verwaltungspolizeiliche Vormerkungen (Strafverfügung vom 22. März 2012, vom 1. Juli 2012, vom 21. September 2012 und vom 5. März 2013) auf. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens sei in die vier Verwaltungsstrafakten Einsicht genommen worden.

Danach habe sich der Beschwerdeführer im Straßenverkehr in der Stadt S durch Überfahren von Rotlicht zweimal den Vorrang genommen und dabei andere behindert. Hiezu stellte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid fest (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):

"So hat der Antragsteller am 28.12.2011 um 18:09 Uhr in S, Hstraße Kreuzung S-Straße Richtung stadtauswärts mit dem Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen S das Rotlicht der Verkehrslichtsignalanlage nicht beachtet, indem das Fahrzeug nicht vor der dort befindlichen Haltelinie angehalten wurde. Der Antragsteller hat dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 38 Abs. 5 in Verbindung mit § 99 Abs. 3 lit. a der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), BGBl. Nr. 159, begangen. Gemäß § 99 Abs.3 lit. a StVO wurde gegen ihn in Anwendung des § 47 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 eine Geldstrafe von EUR 180,00 verhängt. Im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe trat an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 60 Stunden.

Nichtsdestotrotz hat der Antragsteller nochmals am 04.08.2012 um 17:20 Uhr in S, I-Straße Kreuzung G-straße Richtung stadteinwärts mit dem Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen S das Rotlicht der Verkehrslichtsignalanlage nicht beachtet, indem das Fahrzeug nicht vor der dort befindlichen Haltelinie angehalten wurde. Der Antragsteller hat dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 38 Abs. 5 in Verbindung mit § 99 Abs. 3 lit. a der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), BGBl. Nr. 159, begangen. Gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO wurde gegen ihn in Anwendung des § 47 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 eine Geldstrafe von EUR 180,00 verhängt. Im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe trat an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 60 Stunden."

Die Nichtbeachtung des Rotlichts bei gleichzeitiger Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer seien Delikte im Vormerksystem. Wer ein rotes Ampellicht oder eine Stopptafel ignoriere und dadurch einen anderen Verkehrsteilnehmer den Vorrang nehme (diese also zum Bremsen oder Auslenken nötige) behindere und gefährde andere und mache sich strafbar. Das Ignorieren roter Ampeln könne rasch in einem Unfall mit Fußgängern enden. Beim Verstoß gegen rotes Ampellicht handle es sich somit um ein besonders rücksichtsloses, andere Verkehrsteilnehmer außerordentlich gefährdendes Verhalten.

Sodann traf die belangte Behörde folgende weitere Feststellung (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):

"Darüber hinaus hat der Antragsteller am 15.04.2012 um 19:16 Uhr in S als Lenker des Kraftfahrzeuges mit dem polizeilichen Kennzeichen S die durch Verbotszeichen gemäß § 52 lit a Z. 10a StVO 1960 kundgemachte Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h überschritten, weil die Fahrgeschwindigkeit 40 km/h betrug, wobei die Überschreitung mit einem Messgerät festgestellt wurde. Dadurch hat der Antragsteller eine Übertretung nach § 52 lit. a Z 10a in Verbindung mit § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 begangen. Gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 wurde gegen ihn in Anwendung des § 47 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 eine Geldstrafe von EUR 40,00 verhängt. Im Falle der Uneinbringlichkeit trat an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 12 Stunden."

Auch wenn diese Geschwindigkeitsübertretung für sich genommen geringfügig gewesen sei, so sei sie im Rahmen einer Gesamtbetrachtung dennoch zu berücksichtigen.

Auch sei gegen den Beschwerdeführer zuletzt mit Strafverfügung vom 5. März 2013 wegen der Übertretung nach § 103 Abs. 1 Z 1 iVm § 36 lit. e KFG eine Geldstrafe in Höhe von EUR 50,--, verhängt worden, da der Beschwerdeführer am 22. Februar 2013 in S das Kraftfahrzeug mit einem näher bezeichneten polizeilichen Kennzeichen gefahren habe, obwohl an diesem keine den Vorschriften entsprechende Begutachtungsplakette angebracht gewesen sei.

Auf Grund der beschriebenen Art, der Anzahl sowie der Häufigkeit der genannten Verstöße komme die belangte Behörde daher zu der Auffassung, dass das Gesamtverhalten des Beschwerdeführers noch keine Gewähr dafür biete, dass er keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle. Insbesondere sei der seit der letzten Verwaltungsübertretung vom 22. Februar 2013 vergangene Zeitraum als zu kurz zu bewerten, um eine positive Prognose zu ermöglichen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Vorauszuschicken ist, dass es sich vorliegend um keinen Übergangsfall nach dem VwGbk-ÜG handelt und somit gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.

2. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 136/2013 (StbG), darf einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, die Staatsbürgerschaft nur verliehen werden, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Prüfung der Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG auf das Gesamtverhalten des Verleihungswerbers, insbesondere auch auf von ihm begangene Straftaten, Bedacht zu nehmen. Maßgebend ist, ob es sich dabei um Rechtsbrüche handelt, die den Schluss rechtfertigen, der Verleihungswerber werde auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung - oder andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte Rechtsgüter - erlassene Vorschriften missachten. In der Art, der Schwere und der Häufigkeit solcher Verstöße kommt die - allenfalls negative - Einstellung des Betreffenden gegenüber den zur Hintanhaltung solcher Gefahren erlassenen Gesetzen zum Ausdruck (vgl. aus jüngster Zeit etwa das hg. Erkenntnis vom 21. November 2013, Zl. 2013/01/0002, mwN).

3. Fallbezogen hat die belangte Behörde die Abweisung des Verleihungsansuchens des Beschwerdeführers gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 StbG auf die in der Begründung des angefochtenen Bescheides näher bezeichneten Übertretungen der StVO sowie des KFG in einem Zeitraum von etwas mehr als einem Jahr gestützt.

Die Beschwerde wendet gegen den angefochtenen Bescheid ein, die Art, Schwere und vor allem nicht gegebene Häufigkeit der Verstöße gegen die StVO bzw. gegen das KFG rechtfertigten die Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft nicht, zumal nicht schlüssig begründet worden sei, warum diese Verstöße dazu führten, dass der Beschwerdeführer eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle.

4. Zu diesem Vorbringen ist festzuhalten:

4.1. Die belangte Behörde stellte - auf Grundlage der rechtskräftigen Strafverfügungen vom 22. März 2012 und vom 1. Juni 2012 - fest, der Beschwerdeführer habe im Stadtgebiet von S das Rotlicht einer Verkehrslichtsignalanlage nicht beachtet, indem er das Fahrzeug nicht vor der dort befindlichen Haltelinie angehalten habe. Die Beschwerde bestreitet diese Feststellung nicht, sondern bestätigt sie vielmehr.

Soweit die Beschwerde nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof das den Strafverfügungen zu Grunde liegende Verhalten des Beschwerdeführers relativierend vorbringt, dieser sei einerseits in die Kreuzung eingefahren als das Licht der Verkehrslichtsignalanlage noch grün war und andererseits lediglich 0,8 Sekunden in die sogenannte "Rotlichtphase" eingefahren, ist darauf hinzuweisen, dass das Verfahren zur Verleihung der Staatsbürgerschaft keinen Raum bietet, ein rechtskräftig abgeschlossenes Strafverfahren neu aufzurollen (vgl. das hg. Erkenntnis vorn 24. Oktober 2013, Z1. 2013/01/0133, mwN). Gleiches gilt für das Vorbringen, die belangte Behörde habe es unterlassen, den maßgeblichen Sachverhalt im Hinblick auf die zweimalige Bestrafung des Beschwerdeführers wegen Nichtbeachtung des Rotlichtes einer Verkehrslichtsignalanlage zu ermitteln und das Vorbringen des Beschwerdeführers, warum er in einem Fall bei Rot in der Kreuzung eingefahren sei, nicht beachtet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat das Nichtbeachten des Rotlichts einer Verkehrslichtsignalanlage bereits als gravierenden Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung eingestuft (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 2009, Zl. 2006/01/0032, mwN).

Die Beschwerde wendet gegen die Auffassung der belangten Behörde, beim Verstoß gegen ein rotes Ampellicht handle es sich um ein besonders rücksichtsloses, andere Verkehrsteilnehmer außerordentlich gefährdendes Verhalten, ein, im gesamten Akt finde kein Beweis dafür, dass der Beschwerdeführer andere Verkehrsteilnehmer gefährdet habe. Zu diesem Vorbringen genügt es darauf hinzuweisen, dass alleine die im angefochtenen Bescheid dargestellte Möglichkeit einer Behinderung und Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer durch die Nichtbeachtung des Rotlichts einer Verkehrslichtsignalanlage dazu führt, dass dieses Verhalten als ein gravierender Verstoß gegen Schutznormen, die der Ordnung und Sicherheit des Straßenverkehrs dienen, zu werten ist (vgl. allgemein zu Schutzmaßnahmen, die der Ordnung und Sicherheit des Straßenverkehrs dienen auch das hg. Erkenntnis vom 21. November 2013, Zl. 2013/01/0002).

Wenn die Beschwerde vorbringt, die belangte Behörde habe nicht berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer auf Grund seines Berufs als Pizzaauslieferer permanent unter Zeitdruck gestanden sei, ist sie darauf hinzuweisen, dass gerade von einem Berufskraftfahrer zu verlangen ist, dass er bei der Einhaltung der für die Sicherheit im Straßenverkehr erlassenen Vorschriften besondere Sorgfalt an den Tag legt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. März 2012, Z1. 2010/01/0013, mwN).

4.2. Die belangte Behörde hat sich neben den genannten Übertretungen wegen Nichtbeachtung des Rotlichts einer Verkehrslichtsignalanlage auch auf eine Verwaltungsübertretung nach § 103 Abs. 1 Z 1 iVm § 36 lit. e KFG wegen der Nichtanbringung einer den Vorschriften entsprechenden Begutachtungsplakette gestützt.

Zu dieser Verwaltungsübertretung hat der Verwaltungsgerichtshof - im Zusammenhang mit der Ausstellung eines Ausweises für Schülertransporte - nach der Betriebsordnung für den nicht linienmäßigen Personenverkehr (BO 1994) ausgeführt, dass diese geeignet sei, die Vollziehung der kraftfahrrechtlichen oder straßenpolizeilichen Vorschriften in einer den Schutz der öffentlichen Verkehrssicherheit gefährdenden Weise zu beeinträchtigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. März 2005, Zl. 2001/03/0139).

4.3. Der belangten Behörde kann daher insgesamt nicht entgegengetreten werden, wenn sie auf Grund der genannten Übertretungen unter Berücksichtigung insbesondere des Zeitraumes, in dem die genannten Verwaltungsübertretungen begangen wurden und andererseits des relativ kurzen Zeitraumes von nicht einmal einem Jahr seit der letzten Übertretung keine positive Prognose zukünftigen Wohlverhaltens des Beschwerdeführers erstellt hat.

5. Die sich aus diesen Erwägungen somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Da der entscheidungsrelevante Sachverhalt im vorliegenden Fall geklärt ist und Verfahrensgegenstand nur die Lösung von Rechtsfragen ist, konnte von der beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 1 Z. 6 VwGG abgesehen werden (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 13. November 2013, Zl. 2011/04/0034, mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 18. Juli 2013, Nr. 56422/09, Schädler-Eberle gegen Liechtenstein, mwN).

6. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht (gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG sowie § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014) auf den §§ 47 ff VwGG iVm § 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 24. April 2014

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