VwGH 2010/01/0013

VwGH2010/01/001315.3.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des H I G in I, vertreten durch Gratl & Anker Rechtsanwaltspartnerschaft in 6020 Innsbruck, Südtiroler Platz 4, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 18. Jänner 2010, Zl. Ia-24.584/52-2010, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

StbG 1985 §10 Abs1 Z6 idF 2006/I/037;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6 idF 2006/I/037;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft "gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG 1985" ab.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer, von Beruf Busfahrer, habe am 4. April 2007 die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft beantragt. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens seien zahlreiche - im Einzelnen angeführte - Verwaltungsdelikte (insbesondere nach der StVO und dem KFG) des Beschwerdeführers erhoben worden. Unter anderem habe der Beschwerdeführer am 7. April 2006 die Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h um 11 km/h, am 12. April 2006 die Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 21 km/h, am 27. September 2009 die Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 11 km/h, am 25. Oktober 2006 die Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 20 km/h sowie am 9. November 2006 die Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 23 km/h überschritten.

Aufgrund der Vielzahl der vom Beschwerdeführer bis dahin begangenen Verwaltungsübertretungen habe die belangte Behörde dem Beschwerdeführer am 17. Juli 2007 die Ruhendstellung des Verfahrens bis zum 31. August 2008 vorgeschlagen, weil für eine positive Entscheidung ein längerer Zeitraum des Wohlverhaltens des Beschwerdeführers erforderlich sei. Dies habe der Beschwerdeführer niederschriftlich akzeptiert und zur Kenntnis genommen, dass er keine weiteren gravierenden Verwaltungsübertretungen - insbesondere im Straßenverkehr oder nach dem Fremdengesetz - begehen dürfe.

Ab August 2008 sei das Verfahren fortgeführt worden. Im Zuge der Erhebungen seien folgende weitere vom Beschwerdeführer begangene Verwaltungsübertretungen zu Tage getreten:

Vorrangzeichen "Halt" nicht beachtet (§ 52 lit c Z. 24 StVO), Sicherheitsgurt nicht verwendet (§ 134 Abs. 3d Z. 1 iVm § 106 Abs. 2 KFG), Kinder nicht den Vorschriften entsprechend gesichert (§ 106 Abs. 5 Z. 2 KFG), Führerschein nicht mitgeführt (§ 37 Abs. 1 iVm § 14 Abs. 1 Z. 1 FSG), am 25. Juni 2008.

Außerdem sei der Beschwerdeführer im Jahr 2008 weitere zwei Mal wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit bestraft worden.

Der Beschwerdeführer habe somit seit dem Jahr 2001 zahlreiche Verwaltungsübertretungen begangen, darunter auch solche, die eine erhebliche Gefährdung für andere Verkehrsteilnehmer mit sich gebracht hätten, wie z.B. das Lenken eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (2001), das Fahren mit einem nicht für den Straßenverkehr zugelassenen Fahrzeug (2002), die mangelnde Sicherung der Ladung bei Transport von Gefahrengut (2005) sowie mehrmalige, zum Teil nicht unerhebliche Geschwindigkeitsübertretungen "in den Folgejahren". Trotz des ausdrücklichen Hinweises, keine weiteren gravierenden Verwaltungsübertretungen begehen zu dürfen und unbeschadet des Umstandes, dass der Beschwerdeführer genau gewusst habe, dass sein Verhalten von August 2007 bis August 2008 besonders genau beobachtet werde, habe er am 25. Juni 2008 weitere schwerwiegende Verwaltungsübertretungen begangen. Das Unterlassen der Verwendung geeigneter Rückhaltevorrichtungen für Kinder sei ein Verkehrsdelikt, welches vom Gesetzgeber als so gravierend eingestuft werde, dass es sich um ein so genanntes "Vormerkdelikt" handle. Im gegenständlichen Fall sei dem Beschwerdeführer besonders anzulasten, dass er sogar zwei Kinder (seine Neffen) im Fahrzeug ungesichert befördert und zusätzlich noch das Vorrangzeichen "Halt" missachtet habe. Beide Vorschriften würden der Hintanhaltung von Gefahren für das Leben und die Gesundheit von Menschen dienen.

Im Übrigen habe der Beschwerdeführer während des angeführten "Beobachtungszeitraums" im Jahr 2008 zusätzlich zwei Geschwindigkeitsüberschreitungen begangen.

Ergänzend komme dazu, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von Berufskraftfahrern grundsätzlich zu verlangen sei, dass sie bei Einhaltung der Straßenverkehrsvorschriften eine besondere Sorgfalt an den Tag legten.

Es könne daher insgesamt aufgrund des bisherigen Verhaltens des Beschwerdeführers und aufgrund des Umstandes, dass die letzten gravierenden Delikte (Unterlassung der Verwendung geeigneter Rückhaltevorrichtungen bei Kindern, Missachtung des Vorrangzeichens "Halt") erst rund eineinhalb Jahre zurück lägen, nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle, sodass keine positive Prognose im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG abgegeben werden könne und der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft ein zwingender Ausschlussgrund entgegen stehe.

Gegen diesen - dem Beschwerdeführer am 1. Februar 2010 zugestellten - Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 in der hier maßgeblichen Fassung der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 37/2006 (StbG), darf einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anders bestimmt ist, die Staatsbürgerschaft nur verliehen werden, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet.

2. Bei der Prüfung dieser Verleihungsvoraussetzung ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf das Gesamtverhalten des Verleihungswerbers, insbesondere auch von ihm begangene Straftaten, Bedacht zu nehmen. Maßgebend ist, ob es sich dabei um Rechtsbrüche handelt, die den Schluss rechtfertigen, der Verleihungswerber werde auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung - oder andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannter Rechtsgüter - erlassene Vorschriften missachten. In der Art, der Schwere und der Häufigkeit solcher Verstöße kommt die - allenfalls negative - Einstellung des Betreffenden gegen den zur Hintanhaltung solcher Gefahren erlassenen Gesetzen zum Ausdruck (vgl. zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom 20. September 2011, Zl. 2009/01/0034, mwN).

3. Im Beschwerdefall stützte die belangte Behörde ihre Prognose auf die zahlreichen (insgesamt: 39) Verwaltungsübertretungen des Beschwerdeführers im Zeitraum 2001 bis 2007 sowie insbesondere auf die - während des erwähnten "Beobachtungszeitraums" - am 25. Juni 2008 begangenen Verstöße gegen die StVO und das KFG (Vorrangzeichen "Halt" nicht beachtet, Kinder nicht gesichert).

4. Unbeschadet des Umstandes, dass die belangte Behörde jedenfalls die im Zeitraum 2001 bis einschließlich 1. Februar 2005 begangenen Verwaltungsübertretungen des Beschwerdeführers schon deshalb zu Unrecht berücksichtigt hat, weil diese Delikte im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides gemäß § 55 Abs. 1 VStG als getilgt galten, kann ihr im Ergebnis nicht entgegen getreten werden, wenn sie fallbezogen eine positive Prognose im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG für nicht vertretbar hielt.

5. Ausgehend von der Erwägung, dass bei der Prüfung der Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG auf das Gesamtverhalten des Verleihungswerbers und die Schwere der von ihm begangenen Übertretungen Bedacht zu nehmen ist, vermögen nämlich bereits

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