Normen
BVergG §312;
LVergRG Wr 2007 §11;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
BVergG §312;
LVergRG Wr 2007 §11;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt 3. (Zurückweisung des Feststellungsantrags, dass der Zuschlag im gegenständlichen Vergabeverfahren wegen eines Verstoßes gegen das Bundesvergabegesetz 2006 oder gegen die hierzu ergangenen Verordnungen oder wegen eines Verstoßes gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht nicht dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt wurde) wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Das Land Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der vorliegende Beschwerdefall betrifft ein Vergabeverfahren, das die Stadt W (erstmitbeteiligte Partei; im Folgenden:
Auftraggeberin) ab August 2009 durchgeführt hat, und zu dem bereits das hg. Erkenntnis vom 2. Februar 2012, Zl. 2011/04/0017 (im Folgenden: Vorerkenntnis) ergangen ist.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde "die kumulativ gestellten Anträge" der Beschwerdeführerin vom 5. November 2010, die belangte Behörde möge
1. die mit Telefax vom 16. Februar 2010 bekannt gegebene Zuschlagsentscheidung der Auftraggeberin zugunsten der zweitmitbeteiligten Partei für nichtig erklären; und
2. die Auftragserteilung vom 10. Juni 2010 der Auftraggeberin an die zweitmitbeteiligte Partei für nichtig erklären, und
3. feststellen, dass wegen eines Verstoßes gegen das Bundesvergabegesetz 2006 oder gegen die hiezu ergangenen Verordnungen oder wegen eines Verstoßes gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht der Zuschlag im gegenständlichen Vergabeverfahren nicht dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt wurde; und
4. den Vertrag zwischen der Auftraggeberin und der zweitmitbeteiligten Partei über die "Überlassung von Arbeitskräften und Erbringung von Managementleistungen" für nichtig erklären; und
5. feststellen, dass die Bewertung der Angebote im gegenständlichen Vergabeverfahren rechtswidrig erfolgt ist; und
6. feststellen, dass die zweitmitbeteiligte Partei im gegenständlichen Vergabeverfahren mangels Zuverlässigkeit nicht die in der Ausschreibung des gegenständlichen Vergabeverfahrens geforderte Eignung vorweisen kann; und
7. feststellen, dass die Auftraggeberin im gegenständlichen Vergabeverfahren durch Formulierung der Eignungs- und/oder Zuschlagskriterien gegen den Gleichbehandlungs- und Wettbewerbsgrundsatz verstoßen hat; und
8. feststellen, dass die Auftraggeberin im gegenständlichen Vergabeverfahren durch Formulierung der Eignungs- und/oder Zuschlagskriterien die zweitmitbeteiligte Partei unsachlich bevorzugt hat; und
9. feststellen, dass die Auftraggeberin die Ausschreibungen im hier gegenständlichen Vergabeverfahren so formuliert hat, dass auf Grund der Formulierung der Eignungs- und/oder Zuschlagskriterien der Kreis der für eine Zuschlagserteilung in Betracht kommenden Bieter so eingeschränkt wurde, dass kein echter Wettbewerb mehr gegeben war, und
10. feststellen, dass das Angebot der zweitmitbeteiligten Partei im hier gegenständlichen Vergabeverfahren rechtswidriger Weise nicht ausgeschieden worden ist; und
11. feststellen, dass Mitarbeiter der Auftraggeberin die Beschwerdeführerin als Antragstellerin im Nichtigerklärungsverfahren VKS-2761/10 durch rechtswidrige Drohung gezwungen haben, den Nichtigerklärungsantrag zurückzuziehen,
als unzulässig zurück.
Begründend führte die belangte Behörde - nach Darstellung des Verfahrensganges - aus, der Zuschlag sei im gegenständlichen Vergabeverfahren bereits am 10. Juni 2010 an die zweitmitbeteiligte Partei erteilt worden. Auf Grund der Zuschlagserteilung sei die belangte Behörde gemäß § 11 Abs. 3 WVRG 2007 nur mehr zur Durchführung eines Feststellungsverfahrens zuständig. Zu den einzelnen Anträgen der Beschwerdeführerin sei Folgendes festzuhalten:
Mit Antragspunkt 1. begehre die Beschwerdeführerin die Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung. Diese Zuschlagsentscheidung sei seinerzeit von der Beschwerdeführerin mit Nichtigerklärungsantrag angefochten worden. Sie habe jedoch ihre Anfechtung mit Schriftsatz vom 8. März 2010 zurückgezogen, womit die Zuschlagsentscheidung bestandsfest geworden sei. Die Versuche der Beschwerdeführerin, die Rückziehung ihrer Anfechtung rückgängig zu machen, seien im Verfahren VKS-10335/10 aus der dort angeführten Begründung fehlgeschlagen. Abgesehen davon, dass - wie die Beschwerdeführerin selbst erkenne - die gesetzliche Anfechtungsfrist des § 24 Abs. 1 WVRG 2007 längst abgelaufen sei, sei das von ihr zunächst eingeleitete Nachprüfungsverfahren infolge der Antragsrückziehung längst rechtskräftig abgeschlossen. Insoweit liege res judicata vor. Der Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung sei daher als unzulässig zurückzuweisen gewesen.
Unter Antragspunkt 2. begehre die Beschwerdeführerin, die Auftragserteilung an die zweitmitbeteiligte Partei für nichtig zu erklären. Hiefür existiere jedoch nach dem Gesetz keine Zuständigkeit der belangten Behörde. Der diesbezügliche Antrag sei daher unzulässig.
Unter Antragspunkt 3. verlange die Beschwerdeführerin festzustellen, dass wegen eines Verstoßes gegen das BVergG 2006 oder gegen die hierzu ergangenen Verordnungen oder wegen eines Verstoßes gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht der Zuschlag im gegenständlichen Vergabeverfahren nicht dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt worden sei. Nach § 35 Abs. 3 Z. 2 WVRG 2007 sei ein Feststellungsantrag aber unzulässig, wenn der behauptete Verstoß im Rahmen eines Nichtigerklärungsverfahrens gemäß § 20 leg. cit. hätte geltend gemacht werden können. Die Beschwerdeführerin habe die Zuschlagsentscheidung zunächst angefochten, in der Folge ihren Anfechtungsantrag aber zurückgezogen. Damit erweise sich der gegenständliche Antrag jedenfalls als unzulässig, weshalb er bereits aus diesem Grund zurückzuweisen gewesen sei. Dazu komme, dass die Beschwerdeführerin dieses Feststellungsbegehren bereits in den Verfahren VKS-10335/10 und VKS-10336/10 gestellt habe, worüber der angerufene Senat mit Bescheiden vom 21. Oktober 2010 bzw. 4. November 2010 abschließend entschieden habe. Diese Bescheide seien in Rechtskraft erwachsen. Damit liege jedenfalls eine rechtskräftige und erledigte Sache vor, sodass es dem angerufenen Senat untersagt sei, über diese Frage noch einmal ein Verfahren durchzuführen und eine (weitere) Entscheidung zu fällen.
Unter Antragspunkt 4. begehre die Beschwerdeführerin, den Vertrag zwischen der Auftraggeberin und der zweitmitbeteiligten Partei über die Zulassung von Arbeitskräften und Erbringung von Managementdienstleistungen für nichtig zu erklären. Dieser Antrag decke sich mit dem unter Punkt 2. gestellten Antrag. Weder das BVergG 2006 noch das WVRG 2007 würden eine - mit Ausnahme der Bestimmung des § 36a WVRG 2007, dessen Voraussetzungen gegenständlich nicht gegeben seien - von der Beschwerdeführerin verlangte Nichtigerklärung des Leistungsvertrages kennen.
Hinsichtlich der unter den Antragspunkten 5., 6., 7., 8., 9., 10. und 11. begehrten Feststellungen fehle es an einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage im WVRG 2007.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts, hilfsweise wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, erstattete (wie auch die zweitmitbeteiligte Partei) eine Gegenschrift und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Zunächst ist gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Begründung des Vorerkenntnisses zu verweisen. Danach hat die belangte Behörde - zusammengefasst - über den im dortigen Verfahren fristgerecht gestellten Antrag auf Feststellung gemäß § 33 Abs. 1 Z. 1 WVRG 2007 unter Zugrundelegung der im Vorerkenntnis näher dargestellten rechtlichen Überlegungen neuerlich zu entscheiden.
2. Die im gegenständlichen Verfahren gestellten Anträge decken sich zum Teil mit jenen, die dem Vorerkenntnis zu Grunde lagen (Antragspunkte 1. bis 4.).
Insbesondere wurde neuerlich ein Antrag gemäß § 33 Abs. 1 Z. 1 WVRG 2007 gestellt (Antragspunkt 3.). Diesbezüglich erweist sich die Begründung des angefochtenen Bescheides - auf der Grundlage der Erwägungen des Vorerkenntnisses - als unrichtig. Es lässt sich somit nicht aufrechterhalten, dass der Antrag infolge Zurückziehung des ursprünglichen Anfechtungsantrages nach § 35 Abs. 3 Z. 2 WVRG 2007 jedenfalls nicht mehr zulässig gewesen sei. Aufgrund der Rückwirkung des aufhebenden Vorerkenntnisses (betreffend das Verfahren der belangten Behörde zu VKS-10335/10) trifft es auch nicht zu, dass der gegenständliche Antrag wegen Verstoßes gegen die Rechtskraft des Bescheides der belangten Behörde vom 4. November 2010 zurückzuweisen wäre. Im (weiteren) von der belangten Behörde zitierten Verfahren VKS 10336/10 wurde im Übrigen der in Rede stehende Antrag nicht gestellt, darüber somit auch nicht entschieden und es steht daher die Rechtskraft des in diesem Verfahren ergangenen Bescheides der belangten Behörde vom 21. Oktober 2010 einer Sachentscheidung über den vorliegenden Antrag nicht entgegen. Aus diesen Gründen erweist sich die Beschwerde hinsichtlich des Antragspunktes 3. als berechtigt.
3. Die Zurückweisung der übrigen Anträge erfolgte jedoch zu Recht:
Dazu ist zum einen neuerlich auf die Begründung des Vorerkenntnisses zu verweisen (und zwar zu den Antragspunkten 1., 2. und 4.). Zum anderen hat die belangte Behörde richtig erkannt, dass die Aufzählung ihrer in § 11 WVRG 2007 genannten Zuständigkeiten abschließend ist (vgl. dazu etwa die zu den burgenländischen und zu den oberösterreichischen Vergaberechtschutzgesetzen ergangenen hg. Erkenntnisse vom 14. März 2012, Zl. 2008/04/0228, und vom 25. September 2012, Zl. 2008/04/0045, jeweils mit Hinweisen auf die Gesetzesmaterialien zum BVergG 2006; die diesbezüglichen Erwägungen sind auch auf das WVRG 2007 übertragbar, weil die Feststellungskompetenz der belangten Behörde - mit wenigen expliziten Ausnahmen - ebenfalls nach dem Vorbild des BVergG 2006 konzipiert worden ist (vgl. dazu Beilage Nr. 16/2006, LG- 01684- 2006/0001). Eine Zuständigkeit der belangten Behörde für die von der Beschwerdeführerin begehrten Aussprüche findet sich in § 11 WVRG 2007 nicht.
4. Der angefochtene Bescheid war daher insoweit, als damit der unter Punkt 3. des Nachprüfungsantrags der Beschwerdeführerin gestellte Feststellungsantrag zurückgewiesen worden ist, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben. Im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 1 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden, weil es im vorliegenden Fall nicht um Fragen der Beweiswürdigung oder strittige Tatsachenfeststellungen geht, sondern Verfahrensgegenstand nur die Lösung von Rechtsfragen ist, weshalb Art. 6 EMRK dem Unterbleiben der mündlichen Verhandlung nicht entgegensteht (vgl. dazu etwa jüngst das Urteil des EGMR vom 18. Juli 2013, Nr. 56422/09, Schädler-Eberle gegen Liechtenstein, mwN).
5. Der Ausspruch über den Aufwandersatz geründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 13. November 2013
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)