VwGH 2011/04/0017

VwGH2011/04/00172.2.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Dr. Greisberger, über die Beschwerde der

X GesmbH in Y, vertreten durch Mag. Marcus Essl, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 18/9, gegen den Bescheid des Vergabekontrollsenates Wien vom 4. November 2010, Zl. VKS - 10335/10, betreffend vergaberechtliche Nachprüfung (mitbeteiligte Parteien: 1. Stadt Wien - Wiener Krankenanstaltenverbund, Allgemeines Krankenhaus der Stadt Wien - Medizinischer Universitätscampus, vertreten durch schwartz hubermedek & partner rechsanwälte og in 1010 Wien, Stubenring 2;

2. A GmbH in W, vertreten durch Mag. Franz Kellner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Ring 14; weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

31989L0665 Rechtsmittel-RL;
61999CJ0470 Universale-Bau AG VORAB;
62000CJ0327 Santex VORAB;
62006CJ0241 Lämmerzahl VORAB;
62008CJ0456 Kommission / Irland;
62009CJ0314 Strabag VORAB;
AVG §13 Abs7;
AVG §63;
AVG §68 Abs1;
AVG §69 Abs1;
BVergG §332 Abs5;
LVergRG Wr 2007 §20;
LVergRG Wr 2007 §33 Abs1 Z1;
LVergRG Wr 2007 §35 Abs3 Z2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
31989L0665 Rechtsmittel-RL;
61999CJ0470 Universale-Bau AG VORAB;
62000CJ0327 Santex VORAB;
62006CJ0241 Lämmerzahl VORAB;
62008CJ0456 Kommission / Irland;
62009CJ0314 Strabag VORAB;
AVG §13 Abs7;
AVG §63;
AVG §68 Abs1;
AVG §69 Abs1;
BVergG §332 Abs5;
LVergRG Wr 2007 §20;
LVergRG Wr 2007 §33 Abs1 Z1;
LVergRG Wr 2007 §35 Abs3 Z2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt 2.a), soweit er den Eventualantrag der Beschwerdeführerin auf Feststellung gemäß § 33 Abs. 1 Z. 1 WVRG 2007 abweist, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und in seinem Spruchpunkt 3. (Auferlegung von Pauschalgebühren) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Stadt Wien - Krankenanstaltenverbund, Allgemeines Krankenhaus der Stadt Wien (Erstmitbeteiligte; im Folgenden:

Auftraggeberin) schrieb am 19. August 2009 in einem offenen Verfahren im Oberschwellenbereich den Dienstleistungsauftrag "Überlassung von Arbeitskräften und Erbringung von Managementdienstleistungen" aus. An diesem Verfahren beteiligten sich zunächst insgesamt acht Bieter; nach Ausscheidung von sechs Bietern verblieben zuletzt nur mehr die Beschwerdeführerin und die Zweitmitbeteiligte als Bieter im Vergabeverfahren.

Am 16. Februar 2010 traf die Auftraggeberin die Zuschlagsentscheidung zugunsten der Zweitmitbeteiligten.

Gegen diese Entscheidung brachte die Beschwerdeführerin am 2. März 2010 bei der belangten Behörde Anträge auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung und auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ein, die sie jedoch mit Schriftsatz vom 8. März 2010 ohne Begründung zurückzog, wobei sie um Rückerstattung der Pauschalgebühr ersuchte.

Mit Bescheid vom 9. März 2010 nahm die belangte Behörde die Zurückziehung der Anträge zur Kenntnis (Spruchpunkt 1.), erstattete der Beschwerdeführerin einen näher umschriebenen Teilbetrag der Pauschalgebühr zurück (Spruchpunkt 2.) und wies das Mehrbegehren auf Rückerstattung ab (Spruchpunkt 3.).

Am 10. Juni 2010 erteilte die Auftraggeberin (den Feststellungen des angefochtenen Bescheides zufolge) der Zweitmitbeteiligten den Zuschlag; das Annahmeschreiben wurde am 23. Juni 2010 versendet.

Mit Schriftsatz vom 13. September 2010, der bei der belangten Behörde am Folgetag einlangte, beantragte die Beschwerdeführerin die Wiederaufnahme des "durch den rechtskräftigen Bescheid (vom 9. März 2010) abgeschlossenen Verfahrens" (Zitat). Als Wiederaufnahmegrund machte die Beschwerdeführerin - zusammengefasst - geltend, sie habe den Nachprüfungsantrag nur deshalb zurückgezogen, weil sie vom zuständigen Sachbearbeiter (der Auftraggeberin) im gegenständlichen Vergabeverfahren zu dieser Vorgangsweise genötigt (bzw. erpresst) worden sei, und zwar mit der Drohung, es würden sonst sämtliche laufenden Verträge der Beschwerdeführerin mit dem AKH aufgekündigt werden und die Beschwerdeführerin würde auch zukünftig keine Aufträge vom AKH mehr bekommen. Außerdem würde man dafür sorgen, dass auch andere laufende Verträge der Beschwerdeführerin mit der Stadt Wien aufgekündigt würden und sie auch "außerhalb des AKH in der Stadt" keine Aufträge mehr bekäme. Diese Drohung sei geeignet gewesen, begründete Besorgnis auszulösen, weil dem betreffenden Mitarbeiter der Auftraggeberin auf Grund seiner Stellung ein gewichtiger Einfluss auf die Beschaffung und die Aufkündigung von Verträgen zuzutrauen gewesen sei. Im Falle einer Realisierung der Drohung hätten der Beschwerdeführerin die Einbuße eines Großteils ihres Umsatzes (ca. 80 %) und damit die Vernichtung ihrer wirtschaftlichen Existenz gedroht. Wegen des dadurch aufgebauten Zwanges sei die Beschwerdeführerin nicht in der Lage gewesen, das eingeleitete Nichtigerklärungsverfahren fortzusetzen und habe sich der Forderung nach Zurückziehung ihrer diesbezüglichen Anträge nicht widersetzen können. Mit Schreiben vom 18. August 2010 (bei der Beschwerdeführerin eingelangt am 6. September 2010) habe die Auftraggeberin ihre Drohung jedoch teilweise wahr gemacht und die beiden derzeit mit dem AKH laufenden Verträge tatsächlich aufgekündigt. Dieser Umstand und die ausdrückliche Bestätigung der (mittlerweile tätigen) Staatsanwaltschaft, dass Ermittlungsverfahren gegen den/die an der Drohung beteiligten Beamten der Stadt Wien eingeleitet worden seien, habe den Zwang beendet und die Beschwerdeführerin wieder in die Lage versetzt, den Wiederaufnahmegrund geltend zu machen. Hinzu komme, dass die Beschwerdeführerin mittlerweile in Kenntnis neuer Tatsachen und Beweismittel (betreffend diverse Gesetzesverstöße im Zusammenhang mit der Auftragsvergabe) gelangt sei, die sie im vorangegangenen Nichtigerklärungsverfahren ohne Verschulden nicht habe geltend machen können.

Da die Nötigung bzw. der Zwang nun weggefallen sei, erkläre die Beschwerdeführerin hiermit die Zurücknahme ihres Schriftsatzes vom 8. März 2010. Sämtliche Anträge des Schriftsatzes vom 2. März 2010 seien somit aufrecht.

Nach Wiederaufnahme und Zurücknahme der Antragsrückziehung vom 8. März 2010 sei das Verfahren zur Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung wieder offen. Ein rechtswirksamer Zuschlag sei nach Auffassung der Beschwerdeführerin in der Zwischenzeit auch noch nicht erteilt worden, weil er (aus näher dargestellten Gründen, darunter auch dem Umstand, dass die erforderliche Genehmigung durch den Wiener Gemeinderat nicht vorliege) nichtig sei.

Sollte die belangte Behörde jedoch zur Ansicht gelangen, dass das Nichtigerklärungsverfahren auf Grund rechtswirksamer Zuschlagserteilung beendet worden sei, beantragte die Beschwerdeführerin unter einem gemäß § 37 Abs. 3 WVRG 2007 die Feststellung, dass der Zuschlag im Vergabeverfahren wegen eines Verstoßes gegen das Bundesvergabegesetz 2006, die hierzu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht nicht gemäß den Angaben in der Ausschreibung dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt worden sei, hilfsweise, dass die im Nichtigerklärungsantrag vom 2. März 2010 und in ihrem nunmehrigen Schriftsatz behaupteten Rechtswidrigkeiten vorlägen. Im Anschluss an diese Feststellungen möge die Zuschlagserteilung vom 10. Juni 2010 und damit der Vertrag zwischen der Auftraggeberin und der Zweitmitbeteiligten für nichtig erklärt werden.

Für den Fall, dass die belangte Behörde dem Antrag auf Wiederaufnahme nicht stattgebe, beantragte die Beschwerdeführerin überdies die auf § 33 Abs. 1 Z. 1 WVRG 2007 gestützte Feststellung, dass der Zuschlag im Vergabeverfahren wegen eines Verstoßes gegen das Bundesvergabegesetz 2006, die hierzu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht nicht gemäß den Angaben in der Ausschreibung dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt worden sei. Im Anschluss an die Feststellungen möge die Zuschlagserteilung vom 10. Juni 2010 und damit der Vertrag zwischen der Auftraggeberin und der Zweitmitbeteiligten für nichtig erklärt werden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf Wiederaufnahme des Nichtigerklärungsverfahrens zurück (Spruchpunkt 1.) und die Eventualanträge auf Feststellung, dass der Zuschlag im Vergabeverfahren wegen eines Verstoßes gegen das Bundesvergabegesetz 2006, die hierzu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht nicht gemäß den Angaben in der Ausschreibung dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt worden sei (Spruchpunkt 2.a), und auf Nichtigerklärung der Zuschlagserteilung vom 10. Juni 2010 und damit des Vertrages zwischen der Auftraggeberin und der Zweitmitbeteiligten (Spruchpunkt 2.b) ab. Mit Spruchpunkt 3. des angefochtenen Bescheides erkannte sie die Beschwerdeführerin für schuldig, an Pauschalgebühren für Eventualanträge einen näher bestimmten Betrag an das Land Wien zu entrichten.

Begründend führte die belangte Behörde zu Spruchpunkt 1. (Zurückweisung des Antrages auf Wiederaufnahme) im Wesentlichen aus, das betreffende Verfahren sei nicht mit Bescheid, sondern durch die Zurückziehung der Anträge mit Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 8. März 2010 (unwiderruflich) abgeschlossen worden. Die belangte Behörde habe diese Prozesshandlung lediglich mit Bescheid zur Kenntnis genommen. Ein verfahrensabschließender Bescheid im Sinne des § 69 AVG liege aber nicht vor, weil die Zurückziehung des Antrags eine einseitige prozessuale Willenserklärung gewesen sei, die keiner Annahme durch die belangte Behörde bedurft hätte. Auf Grund dieser Rechtslage sei dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nicht stattzugeben gewesen. Inhaltlich habe sich die belangte Behörde daher mit den vorgebrachten Wiederaufnahmegründen und dem Vorbringen über die Rechtzeitigkeit des Antrags nicht mehr auseinanderzusetzen.

Zu Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides argumentierte die belangte Behörde, es stehe nach dem Inhalt der Vergabeakten fest, dass die Auftraggeberin den Zuschlag an die Zweitmitbeteiligte am 10. Juni 2010 erteilt habe. Das diesbezügliche Schreiben sei der Zweitmitbeteiligten aber erst am 23. Juni 2010 zugekommen; mit diesem Tag gelte der Leistungsvertrag als abgeschlossen. Davon sei die Beschwerdeführerin, wie sie durchaus glaubwürdig vorbringe, erst am 6. September 2010 in Kenntnis gesetzt worden, weshalb die belangte Behörde von der Rechtzeitigkeit der hilfsweise gestellten Feststellungsanträge ausgehe.

Dem Eventualantrag auf Feststellung gemäß § 37 Abs. 3 WVRG 2007 könne aber nicht stattgegeben werden, weil die Voraussetzungen dafür mangels Wiederaufnahme des zugrundeliegenden Verfahrens nicht vorlägen. Der Eventualantrag nach § 33 Abs. 1 Z. 1 WVRG 2007 auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Zuschlagserteilung der Auftraggeberin an die Zweitmitbeteiligte sei wegen entschiedener Sache nach § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen. Es handle sich um denselben Verfahrensgegenstand wie im Nichtigerklärungsverfahren, das durch Zurückziehung des Antrages seitens der Beschwerdeführerin am 8. März 2010 rechtskräftig beendet worden sei. Auf Grund dieses Sachverhaltes sei der Feststellungsantrag auch nach § 35 Abs. 3 Z. 2 WVRG 2007 unzulässig.

Soweit die Beschwerdeführerin letztlich begehre, den Vertrag zwischen der Auftraggeberin und der Zweitmitbeteiligten für nichtig zu erklären, sei auch diesem Begehren nicht stattzugeben, da die Voraussetzungen des § 36a Abs. 2 WVRG 2007 nicht vorlägen. Eine Nichtigerklärung dieses Vertrages wäre nur im Anschluss an eine Feststellung gemäß § 11 Abs. 3 Z. 3 bis 5 WVRG 2007 zulässig. Eine solche Feststellung könne auf Grund der Ergebnisse des Nichtigerklärungsverfahrens aber nicht getroffen werden.

Auch das Unionsrecht gebiete es - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin - nicht, "subsidiäre Feststellungsanträge", die nicht im WVRG 2007 geregelt seien, zuzulassen. Die Richtlinie 2007/66/EG enthalte eine abschließende Aufzählung jener Nachprüfungs- und Feststellungsmöglichkeiten, die den Bietern zwingend zur Verfügung stehen müssten. Diese Vorgabe habe der Landesgesetzgeber mit der Novelle LGBl. Nr. 18/2010 zum WVRG 2007 vollkommen umgesetzt und Feststellungsanträge in den §§ 33 bis 37 WVRG 2007 abschließend geregelt. Die belangte Behörde sehe keine Notwendigkeit, einen darüber hinausgehenden Rechtsschutz einzuräumen.

Spruchpunkt 3. des angefochtenen Bescheides begründete die belangte Behörde lediglich mit einem Hinweis auf § 19 Abs. 3 WVRG 2007; die in Abs. 1 genannten Voraussetzungen lägen nicht vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, hilfsweise wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor. Sie erstattete - wie auch die Auftraggeberin (Erstmitbeteiligte) und die Zuschlagsempfängerin (Zweitmitbeteiligte) - eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Wiener Vergaberechtsschutzgesetzes 2007 (WVRG 2007), LGBl. Nr. 65/2006 idF LGBl. Nr. 18/2010, lauten:

"Zuständigkeit

§ 11. (1) Der Vergabekontrollsenat ist auf Antrag zur Durchführung der Verfahren nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Abschnittes zuständig.

(2) Bis zur Zuschlagserteilung oder Widerrufserklärung ist der Vergabekontrollsenat zum Zwecke der Beseitigung von Verstößen gegen das Bundesvergabegesetz 2006 oder die hierzu ergangenen Verordnungen oder wegen eines Verstoßes gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht zuständig

  1. 1. zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie
  2. 2. zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen des Auftraggebers oder der Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller oder von der Antragstellerin innerhalb der Antragsfristen (§ 24) geltend gemachten Beschwerdepunkte.

(3) Nach Zuschlagserteilung ist der Vergabekontrollsenat zuständig

1. im Rahmen der vom Antragsteller oder von der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte zur Feststellung, ob wegen eines Verstoßes gegen das Bundesvergabegesetz 2006 oder gegen die hierzu ergangenen Verordnungen oder wegen eines Verstoßes gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht der Zuschlag nicht gemäß den Angaben in der Ausschreibung dem Angebot mit dem niedrigsten Preis oder dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt wurde;

2. auf Antrag des Auftraggebers oder der Auftraggeberin in einem Verfahren gemäß Z 1 zur Feststellung, ob der Antragsteller oder die Antragstellerin auch bei Einhaltung der entsprechenden Bestimmungen keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlages gehabt hätte;

3. zur Feststellung, ob ein Vergabeverfahren in rechtswidriger Weise ohne vorherige Bekanntmachung bzw. ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb durchgeführt wurde;

4. zur Feststellung, ob der Zuschlag in rechtswidriger Weise ohne Mitteilung der Zuschlagsentscheidung gemäß den §§ 131 bzw. 272 des Bundesvergabegesetzes 2006 erteilt wurde;

5. zur Feststellung, ob der Zuschlag bei der Vergabe einer Leistung auf Grund einer Rahmenvereinbarung oder eines dynamischen Beschaffungssystems wegen eines Verstoßes gegen § 152 Abs. 4 bis 6, § 158 Abs. 2 bis 5 oder § 290 Abs. 2 bis 5 des Bundesvergabegesetzes 2006 rechtswidrig war;

6. in einem Verfahren gemäß den Z 3 bis 5 zur Nichtigerklärung oder Aufhebung des Vertrages;

7. in einem Verfahren gemäß den Z 3 bis 5 betreffend die Vergabe einer Leistung, deren geschätzter Auftragswert zumindest die in den §§ 12 Abs. 1 bzw. 180 Abs. 1 des Bundesvergabegesetzes 2006 genannten Schwellenwerte erreicht, zur Verhängung von Sanktionen gemäß § 36a Abs. 6.

Gebühren § 18. (1) Für Anträge gemäß den §§ 20, 28 und 33 Abs. 1

und 2 hat der Antragsteller oder die Antragstellerin jeweils eine Pauschalgebühr zu entrichten.

(2) Die Pauschalgebühr ist gemäß den von der Landesregierung durch Verordnung festzusetzenden Gebührensätzen bei Antragstellung zu entrichten. …

(3) …

(4) Die Pauschalgebühr ist mit Antragstellung zu entrichten.

Gebührenersatz

§ 19. (1) Der oder die vor dem Vergabekontrollsenat, wenn auch nur teilweise, obsiegende Antragsteller oder Antragstellerin hat Anspruch auf Ersatz seiner oder ihrer gemäß § 18 entrichteten Gebühren durch den Auftraggeber oder die Auftraggeberin. Der Antragsteller oder die Antragstellerin hat ferner Anspruch auf Ersatz seiner oder ihrer gemäß § 18 entrichteten Gebühren durch den Auftraggeber oder die Auftraggeberin, wenn er oder sie während des anhängigen Verfahrens klaglos gestellt (§ 21 Abs. 4) wird.

(2) Ein Anspruch auf Ersatz der Gebühren für einen Antrag auf einstweilige Verfügung besteht nur dann, wenn

1. dem Nichtigerklärungsantrag (Hauptantrag) stattgegeben wird und

2. dem Antrag auf einstweilige Verfügung stattgegeben wurde oder der Antrag auf einstweilige Verfügung nur wegen einer Interessenabwägung abgewiesen wurde.

(3) Über den Gebührenersatz entscheidet der Vergabekontrollsenat.

Feststellungsverfahren

Antrag

§ 33. (1) Ein Unternehmer oder eine Unternehmerin, der oder die ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich des 2006 unterliegenden Vertrages hatte, kann, sofern ihm oder ihr durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht, die Feststellung beantragen, dass

1. der Zuschlag wegen eines Verstoßes gegen das Bundesvergabegesetz 2006, die hierzu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht nicht gemäß den Angaben in der Ausschreibung dem Angebot mit dem niedrigsten Preis oder dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt wurde, …

§ 35. (1) … Ein Antrag gemäß § 33 hat jedenfalls zu enthalten:

(2) …

(3) Der Antrag ist in folgenden Fällen unzulässig:

1. wenn er nicht innerhalb der im § 36 genannten Fristen gestellt wird,

2. wenn der behauptete Verstoß im Rahmen eines Nichtigerklärungsverfahrens gemäß § 20 hätte geltend gemacht werden können,

3. …

Antragsfristen

§ 36. (1) Anträge gemäß § 33 Abs. 1 Z 1 … sind binnen sechs Wochen ab dem Zeitpunkt einzubringen, in dem der Antragsteller oder die Antragstellerin vom Zuschlag bzw. vom Widerruf Kenntnis erlangt hat oder Kenntnis hätte erlangen können, längstens jedoch innerhalb eines Zeitraumes von sechs Monaten, nachdem der Zuschlag erteilt oder das Vergabeverfahren widerrufen wurde.

Feststellung von Rechtsverstößen, Nichtigerklärung, Verhängung von Sanktionen

§ 36a. (1) Der Vergabekontrollsenat hat eine Feststellung gemäß § 11 Abs. 3 Z 1 oder Abs. 4 Z 1 oder 3 nur dann zu treffen, wenn die Rechtswidrigkeit für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss war.

(2) Soweit in den Abs. 3 bis 5 nicht Anderes bestimmt ist, hat der Vergabekontrollsenat den Vertrag im Anschluss an eine Feststellung gemäß § 11 Abs. 3 Z 3 bis 5 für nichtig zu erklären.

Sekundäre Feststellungsverfahren

§ 37. (1) Wird während eines Nichtigerklärungsverfahrens gemäß dem 2. Abschnitt des 3. Hauptstückes in dem betreffenden Verfahren zur Vergabe von Aufträgen der Zuschlag rechtswirksam erteilt oder das Verfahren zur Vergabe von Aufträgen rechtswirksam widerrufen, so ist der Vergabekontrollsenat zuständig, auf Antrag jenes Unternehmers oder jener Unternehmerin, der oder die den Antrag gemäß § 20 gestellt hat, festzustellen, ob der behauptete Rechtsverstoß vorliegt. Ein Antrag auf Feststellung ist spätestens sechs Wochen ab dem Zeitpunkt der Kenntnis des Zuschlages, ab Kenntnis des Widerrufes der Ausschreibung oder ab dem Zeitpunkt, in dem man hiervon Kenntnis hätte haben können, längstens jedoch innerhalb eines Zeitraumes von sechs Monaten, nachdem der Zuschlag erteilt oder das Verfahren zur Vergabe von Aufträgen widerrufen wurde oder als widerrufen gilt, zulässig. Unabhängig davon kann ein Antrag auf Feststellung gemäß § 33 gestellt werden.

(2) Wird ein Bescheid des Vergabekontrollsenates vom Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshof aufgehoben und wurde vor der Entscheidung des Verfassungs- oder des Verwaltungsgerichtshofes der Zuschlag rechtswirksam erteilt oder das Verfahren zur Vergabe von Aufträgen rechtswirksam widerrufen, so ist der Vergabekontrollsenat zuständig, auf Antrag jenes Unternehmers oder jener Unternehmerin, der oder die den Antrag gemäß § 20 gestellt hat, unter Zugrundelegung der Rechtsanschauung des Verfassungs- oder des Verwaltungsgerichtshofes festzustellen, ob die angefochtene Entscheidung des Auftraggebers oder der Auftraggeberin rechtswidrig war. Ein Antrag auf Feststellung ist spätestens sechs Monate ab Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungs- oder des Verwaltungsgerichtshofes zulässig. Unabhängig davon kann ein Antrag auf Feststellung gemäß § 33 gestellt werden.

(3) Wird die Wiederaufnahme des Nichtigerklärungsverfahrens (§ 69 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 5/2008) in einem Zeitpunkt bewilligt oder verfügt, in dem das Vergabeverfahren durch rechtswirksame Zuschlagserteilung oder Widerrufserklärung beendet ist, hat der Vergabekontrollsenat über Antrag nur mehr festzustellen, ob die behaupteten Rechtswidrigkeiten vorliegen.

(4) Nach der rechtswirksamen Zuschlagserteilung oder der rechtswirksamen Widerrufserklärung der Ausschreibung nach Angebotsöffnung ist der Vergabekontrollsenat in Feststellungsverfahren nach den Abs. 1 bis 3 ferner zuständig, auf Antrag des Auftraggebers oder der Auftraggeberin oder des allfälligen Zuschlagsempfängers oder der allfälligen Zuschlagsempfängerin festzustellen, ob der antragstellende Bieter oder die antragstellende Bieterin auch bei Einhaltung der Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes 2006 und der hierzu ergangenen Verordnungen keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlages gehabt hätte."

2. Zur beantragten Wiederaufnahme des Nichtigerklärungsverfahrens nach Zurückziehung des Antrags auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung:

Gemäß § 69 Abs. 1 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid (rechtskräftig) abgeschlossenen Verfahrens unter den in dieser Gesetzesstelle erschöpfend aufgezählten Gründen stattzugeben.

Voraussetzung ist in jedem Fall, dass das Verfahren "durch Bescheid abgeschlossen" worden ist. Die Wiederaufnahme hat nämlich den Zweck, ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren, dem besondere Mängel anhaften, aus der Welt zu schaffen und die Rechtskraft des Bescheides zu beseitigen. Dementsprechend kommt die Wiederaufnahme nicht in Betracht, wenn das Verfahren ex lege beendet worden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2002, Zl. 2001/09/0200) oder wenn es durch einen anderen Akt als den Bescheid abgeschlossen worden ist (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG (2009), § 69 Rz 3).

Die Beschwerdeführerin macht in diesem Zusammenhang (neuerlich) geltend, das Nichtigerklärungsverfahren sei - nach Zurückziehung ihrer Anträge - durch Bescheid der belangten Behörde vom 9. März 2010 beendet worden, weshalb eine Wiederaufnahme dieses Verfahrens unter Berücksichtigung der oben wiedergegebenen Rechtsgrundsätze möglich sei. Dem ist zu erwidern, dass die Zurückziehung des Antrags im Sinne des § 13 Abs. 7 AVG als prozessuale Willenserklärung empfangs-, jedoch nicht annahmebedürftig war. Sie wurde mit Einlangen bei der belangten Behörde wirksam und damit auch unwiderruflich (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. Juli 2009, Zl. 2008/05/0241, mwN). Dadurch war das Nichtigerklärungsverfahren in der Hauptsache abgeschlossen. Einer weiteren (verfahrensbeendenden) behördlichen Entscheidung bedurfte es - mit Ausnahme der Entscheidung über die Gebühren - nicht.

Dass die belangte Behörde die Zurückziehung der Anträge mit Bescheid vom 9. März 2010 - ohne ersichtliche Rechtsgrundlage - "zur Kenntnis genommen" hat, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern, weil diese Entscheidung nur deklarative Wirkung hatte; der Verfahrensabschluss war bereits mit Einlangen des Zurückziehungsantrags bei der belangten Behörde erfolgt.

Ausgehend davon hat die belangte Behörde den Antrag auf Wiederaufnahme des Nichtigerklärungsverfahrens zu Recht zurückwiesen. Damit waren auch die für den Fall der Wiederaufnahme bzw. Fortführung des Nichtigerklärungsverfahrens gestellten weiteren Anträge (insbesondere jener auf Feststellung nach § 37 Abs. 3 WVRG 2007) hinfällig. Auch ein Widerruf der Antragszurückziehung durch die Beschwerdeführerin schied nach dem bisher Gesagten aus.

3. Unwirksamkeit der Zurückziehung des Nichtigerklärungsantrags mit Schriftsatz vom 8. März 2010 infolge Willensmangels?

Keine Erörterung findet sich im angefochtenen Bescheid zum Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie habe ihre Anträge vom 2. März 2010 nur deshalb zurückgezogen, weil ihr ein leitender Mitarbeiter der Auftraggeberin für den Fall der Fortführung des Verfahrens mit der Vernichtung ihrer wirtschaftlichen Existenz gedroht habe. Ohne diesen vorgebrachten Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht ausdrücklich dahingehend zu qualifizieren, machte die Beschwerdeführerin damit auch einen Willensmangel geltend, dessen Relevanz für die Wirksamkeit der Antragsrückziehung die belangte Behörde ungeprüft ließ.

In der hg. Rechtsprechung wurde anerkannt, dass öffentlichrechtliche Willenserklärungen frei von Willensmängeln sein müssen, um Rechtswirkungen zu entfalten. Auf die Absichten, Motive und Beweggründe, welche die Partei zur Abgabe der Zurückziehung ihres Antrags gegenüber der Behörde veranlasst haben, kommt es aber nicht an, solange keine Anhaltspunkte vorliegen, dass sie dazu von der Behörde durch Druck, Zwang oder Drohung bewogen wurde (vgl. dazu etwa die bei Hengstschläger/Leeb, AVG (2009), § 63 Rz 76, wiedergegebene hg. Rechtsprechung).

Dass - wie im gegenständlichen Verfahren behauptet wird - eine von der Auftraggeberin als Verfahrensgegnerin ausgehende Drohung, an der die Behörde (nach dem Vorbringen und der Aktenlage) nicht beteiligt war, die Rechtswirksamkeit der in Rede stehenden Prozesshandlung (Antragsrücknahme) in Frage stellen kann, findet in dieser Rechtsprechung keine Deckung. Schon deshalb kann von der Unwirksamkeit der Antragsrückziehung nicht ausgegangen werden.

4. Zum behaupteten Nichtzustandekommen des Vertrages zwischen Auftraggeberin und Zweitmitbeteiligter:

Die Beschwerdeführerin bringt vor, dass der Vertrag (zwischen der Auftraggeberin und der Zweitmitbeteiligten) nicht zustande gekommen sei, weil die erforderliche Zustimmung des Gemeinderats gefehlt habe. Aus dem angefochtenen Bescheid sei nicht ersichtlich, dass die belangte Behörde sich mit dieser Problematik auseinandergesetzt habe. Bei entsprechenden Ermittlungen hätte die belangte Behörde feststellen müssen, dass der Vertrag tatsächlich nicht zustande gekommen sei. Dies hätte jedenfalls zu einer anderen Entscheidung hinsichtlich des Nichtigerklärungsantrages führen müssen.

Wie eingangs (Seite 3 f) dargestellt, zielt dieses Vorbringen darauf ab, die Voraussetzungen für die Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung (welche die Behörde gemäß § 11 Abs. 2 WVRG 2007 nur bis zur Zuschlagserteilung aussprechen kann) darzutun. Da aber eine Wiederaufnahme des Nichtigerklärungsverfahrens (bzw. eine Fortsetzung desselben infolge behaupteter Unwirksamkeit der Zurückziehung) schon aus den soeben dargelegten Erwägungen nicht in Betracht kommt, kann die Frage der rechtsgültigen Zuschlagserteilung in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben.

Soweit die (rechtswirksame) Zuschlagserteilung für die Frage der Zulässigkeit des Feststellungsantrags nach § 33 Abs. 1 Z. 1 WVRG von Bedeutung ist (ein solcher ist gemäß § 11 Abs. 3 Z. 1 iVm § 33 Abs. 1 Z. 1 WVRG erst nach Zuschlagserteilung zulässig), wird sich die belangte Behörde damit im fortgesetzten Verfahren - zusätzlich zu den im Folgenden zu behandelnden Rechtsfragen (siehe Punkt 5. der Erwägungen) - auseinander zu setzen haben.

5. Zur Zulässigkeit des Feststellungsantrags nach § 33 Abs. 1 Z. 1 WVRG 2007:

Die belangte Behörde verneint die Zulässigkeit des hilfsweise gestellten Feststellungsantrags nach § 33 Abs. 1 Z. 1 WVRG vorrangig wegen entschiedener Sache nach § 68 Abs. 1 AVG (dass sie ausgehend davon den Eventualantrag nicht ab-, sondern zurückzuweisen gehabt hätte, sei an dieser Stelle nur angemerkt, weil die Beschwerdeführerin dadurch nicht in ihren Rechten verletzt wurde). Es handle sich ihrer Auffassung nach um denselben Verfahrensgegenstand wie im vorangegangenen Nichtigerklärungsverfahren, das durch Zurückziehung der Anträge seitens der Beschwerdeführerin am 8. März 2010 "rechtskräftig beendet" worden sei.

Diese Sichtweise ist, wie die Beschwerde im Ergebnis zu Recht einwendet, aus mehreren Gründen unzutreffend:

Die Anwendbarkeit des § 68 Abs. 1 AVG setzt das Vorliegen eines "der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides" voraus, durch den das (Erst‑)Verfahren beendet worden ist. Wie unter Punkt 2. der Erwägungen bereits ausgeführt wurde, liegt ein solcher im gegenständlichen Fall (Abschluss des Verfahrens durch die Zurückziehung der Anträge) nicht vor.

Ungeachtet dessen käme § 68 Abs. 1 AVG nur bei identen Prozessgegenständen in Betracht. Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch bereits erkannt, dass bei antragsbedürftigen Verwaltungsverfahren die Zurückziehung eines Antrags und die Stellung eines neuen Antrags die Identität der Verfahren über die beiden Anträge ausschließt (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 24. März 2004, Zl. 2001/04/0218, mwN).

Hilfsweise stützt die belangte Behörde die Annahme der Unzulässigkeit des Feststellungsantrags nach § 33 Abs. 1 Z. 1 WVRG 2007 auch auf § 35 Abs. 3 Z. 2 WVRG 2007, wonach der Antrag unzulässig ist, wenn der behauptete Verstoß im Rahmen eines Nichtigerklärungsverfahrens gemäß § 20 WVRG 2007 hätte geltend gemacht werden können. Der Feststellungsantrag nach § 33 Abs. 1 Z. 1 WVRG ist daher - wie auch jener nach § 332 Abs. 5 BVergG 2006 - als subsidiärer Rechtsbehelf konzipiert.

Der belangten Behörde ist zwar zuzugeben, dass im vorliegenden Verfahren die Geltendmachung der behaupteten Verstöße im Rahmen eines Nichtigerklärungsverfahrens grundsätzlich möglich war, zumal die Beschwerdeführerin ein solches auch tatsächlich eingeleitet hatte. Wenn die Beschwerdeführerin vorbringt, dass ihr einzelne Umstände, die ihrer Ansicht nach die Rechtswidrigkeit des Vergabeverfahrens belegen können, im Zeitpunkt der Einbringung des Nachprüfungsantrags noch gar nicht bekannt waren, zeigt sie die Unmöglichkeit der Geltendmachung in einem Nichtigerklärungsverfahren nicht auf, weil sie nicht gehindert gewesen wäre, dieses Vorbringen erst nach dem Bekanntwerden (etwa durch ergänzendes Vorbringen vor der Nachprüfungsbehörde) zu erstatten. Um diese Möglichkeit hat sie sich nur durch die (unwiderrufliche) Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrags gebracht, was im Regelfall zu ihren Lasten ginge.

Im gegenständlichen Fall kommt jedoch - ausnahmsweise - hinzu, dass die Beschwerdeführerin behauptet, an der Fortsetzung des Nichtigerklärungsverfahrens durch massive Drohungen seitens eines Mitarbeiters der Auftraggeberin gehindert worden zu sein.

Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (nunmehr:

Union; EuGH) hat in seinem Urteil vom 27. Februar 2003, Rs C- 327/00 (Santex), erkannt: Wenn feststehe, dass ein öffentlicher Auftraggeber durch sein Verhalten die Ausübung der Rechte, die die Gemeinschaftsrechtsordnung einem (durch eine Entscheidung dieses öffentlichen Auftraggebers geschädigten) Unionsbürger einräume, unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert habe, seien die zuständigen nationalen Gerichte verpflichtet, die diesbezüglichen "Rügen" zuzulassen, indem sie nationale Präklusionsvorschriften (die einer Geltendmachung dieser Rechte entgegen stehen) außer Anwendung lassen (RNr. 66).

Diesem Urteil lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem der öffentliche Auftraggeber ein "wechselhaftes Verhalten" in Bezug auf die Auslegung einer Klausel der Ausschreibung an den Tag gelegt hatte, weshalb der betroffene Bieter die (im nationalen Recht vorgesehene) Klage gegen die Ausschreibung verspätet eingebracht hatte. Dadurch habe der Auftraggeber - so der EuGH - dem geschädigten Bieter die Ausübung der Rechte, die ihm die Gemeinschaftsrechtsordnung verleihe, übermäßig erschwert (RNr. 61).

Im Urteil vom 11. Oktober 2007, Rs C-241/06 (Lämmerzahl), sprach der EuGH aus, es laufe der Rechtsmittel-RL zuwider, dass eine Ausschlussregelung des innerstaatlichen Rechts in der Weise angewandt wird, dass einem Bieter der Zugang zu einem (die Wahl des Vergabeverfahrens betreffenden nachprüfenden) Rechtsbehelf versagt werde, wenn der Auftraggeber gegenüber dem Bieter notwendige Angaben zum Auftrag (Gesamtmenge und Gesamtumfang des Auftrags) nicht klar angegeben hat. Im Einzelnen wiederholte der EuGH (unter Hinweis auf seine Urteile in den Rechtssachen Santex und Universale-Bau) zunächst, dass nationale Ausschlussfristen einschließlich der Art und Weise ihrer Anwendung nicht als solche die Ausübung der Rechte, die dem Betroffenen gegebenenfalls nach dem Gemeinschaftsrecht zustehen, praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen (RNr. 52). Im konkreten Fall erblickte er die übermäßige Erschwerung der Rechtsausübung für den Bieter darin, dass der Auftraggeber den Auftrag ohne Angabe des geschätzten Auftragswerts bekannt gegeben hatte und seine Antworten auf diesbezügliche Nachfragen des Bieters unklar, mehrdeutig und ausweichend gewesen seien (RNr. 53-54). Bei dieser Sachlage laufe es der Rechtsmittel-RL (und dem sich daraus ergebenden Effektivitätsgebot) zuwider, wenn eine Ausschlussregelung des innerstaatlichen Rechts in der Weise angewandt werde, dass einem Bieter der Zugang zu einem Rechtsbehelf, der die Wahl des Verfahrens über die Vergabe eines öffentlichen Auftrags oder die Schätzung des Auftragswerts betrifft, versagt werde (RNr. 56-57).

In weiteren - hier im Einzelnen nicht näher zu besprechenden -

Urteilen erkannte der EuGH (jeweils auch unter Bezugnahme auf die zuvor zitierte Vorjudikatur) in ständiger Rechtsprechung, dass die Anwendung nationaler Ausschlussfristen (bzw. Ausschlussregelungen) nicht dazu führen dürfe, dass die Ausübung des Rechts auf Nachprüfung von Entscheidungen zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen seiner praktischen Wirksamkeit beraubt werde (vgl. etwa das Urteil vom 28. Jänner 2010, Rs C-456/08 , Europäische Kommission gegen Irland, RNr. 56).

Aus der zitierten Rechtsprechung des EuGH lässt sich für den vorliegenden Fall Folgendes ableiten:

Wenn schon in den geschilderten Verhaltensweisen des öffentlichen Auftraggebers, die bloß irreführend wirken, eine (unzulässige) übermäßige Erschwernis für den geschädigten Bieter gesehen wird, seine durch das Unionsrecht gewährten Rechte im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren geltend zu machen, so muss dies umso mehr gelten, wenn der öffentliche Auftraggeber durch - ihm zuzurechnenden - Zwang (hier eine behauptete strafrechtlich relevante Nötigung oder Erpressung) den Bieter dazu veranlasst, auf die (weitere) Geltendmachung seiner Rechte im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens zu verzichten.

Ausgehend davon liegt der Unzulässigkeitstatbestand des § 35 Abs. 3 Z. 2 WVRG 2007 nicht vor, wenn die Behauptung der Beschwerdeführerin zutrifft, den Nichtigerklärungsantrag nur deshalb zurückgezogen zu haben, weil sie - für den Fall der Aufrechterhaltung des Antrags - von der Auftraggeberin widerrechtlich mit Konsequenzen bedroht worden sei, die ihre wirtschaftliche Existenz vernichtet hätten. In diesem Fall wäre der Beschwerdeführerin zugute zu halten, dass sie - im Sinne des bisher Gesagten - die behaupteten Verstöße gegen das Vergaberecht in einem Nichtigerklärungsverfahren nicht (weiter) geltend machen habe können, und es wäre vom Zurückweisungsgrund des § 35 Abs. 3 Z. 2 WVRG 2007 nicht Gebrauch zu machen.

Auf diese Art und Weise wird dem (auch unionsrechtlich) gebotenen Rechtsschutz im Sinne des Effektivitätsgebots nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes ausreichend Rechnung getragen. Der EuGH hat (unter Bezugnahme auf Art. 2 Abs. 6 Unterabs. 2 der Rechtsmittel-RL) erkannt, dass die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, nach dem Vertragsabschluss im Anschluss an die Zuschlagserteilung die Befugnisse der Nachprüfungsinstanz auf die Zuerkennung von Schadenersatz zu beschränken (vgl. das dg. Urteil vom 30. September 2010,Rs C-314/09 , Strabag AG, RNr. 38). Deshalb erscheint es unionsrechtlich ungeachtet des schweren Vorwurfes, den die Beschwerdeführerin gegen Mitarbeiter der Auftraggeberin erhebt, gerechtfertigt, ihre Rechtsschutzmöglichkeit auf die Erlangung der begehrten Feststellung (und in weiterer Folge auf Schadenersatz) einzuschränken.

Da es die belangte Behörde im Hinblick auf ihre vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilte Rechtsansicht (zur Zulässigkeit des Feststellungsantrags nach § 33 Abs. 1 Z. 1 WVRG 2007) unterlassen hat, die für die abschließende Beurteilung des Falles erforderlichen Feststellungen (insbesondere zur behaupteten Drohung) zu treffen, ist der angefochtene Bescheid in seinem Spruchpunkt 2.a) ("Abweisung" des Feststellungsantrags nach § 33 Abs. 1 Z. 1 WVRG 2007) mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

6. Zur Nichtigerklärung des Vertrages:

Gemäß § 36a Abs. 2 WVRG 2007 ist die Nichtigerklärung des Vertrags nur als Folge einer Feststellung gemäß § 11 Abs. 3 Z. 3 bis 5 WVRG 2007 vorgesehen. Keine der in der zuletzt genannten Bestimmung vorgesehenen Feststellungen wurde von der Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall aber beantragt, weshalb im fortgesetzten Verfahren selbst bei Stattgebung des unter Punkt 4. der Erwägungen angesprochenen Feststellungsantrags die Voraussetzungen für die begehrte Nichtigerklärung des Vertrags nicht vorlägen. Die belangte Behörde hat dem Eventualantrag auf Nichtigerklärung des Vertrags daher im Ergebnis zu Recht nicht stattgegeben (auch hier ist anzumerken, dass der Antrag richtigerweise zurück- statt abzuweisen gewesen wäre, wodurch die Beschwerdeführerin allerdings nicht in ihren Rechten verletzt wurde).

7. Zur Entscheidung über die Pauschalgebühr:

Mit Spruchpunkt 3. trug die belangte Behörde der Beschwerdeführerin auf, für ihre Eventualanträge einen ziffernmäßig bestimmten Betrag an Pauschalgebühren an das Land Wien zu entrichten. Dem Wortlaut nach wurde der Beschwerdeführerin damit die Entrichtung von offenbar ausständigen Pauschalgebühren vorgeschrieben, wozu sie gemäß § 18 WVRG 2007 - unbeschadet eines Anspruchs auf Gebührenersatz nach § 19 Abs. 1 WVRG 2007 im Falle eines auch nur teilweisen Obsiegens - verpflichtet ist. Die Beschwerdeführerin versteht diesen Spruchpunkt allerdings dahingehend, dass damit über ihren Antrag auf Ersatz der Pauschalgebühr durch die Auftraggeberin entschieden worden sei. Für diese Auslegung spricht die Begründung des angefochtenen Bescheides, wonach der Beschwerdeführerin mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 WVRG 2007 kein Kostenersatz zustehe. Da sich der mit Spruchpunkt 3. verfolgte behördliche Entscheidungswille somit nicht eindeutig erkennen lässt, leidet der angefochtene Bescheid insofern an einem (wesentlichen) Begründungsmangel, weshalb er schon deshalb keinen Bestand haben kann.

8. Der angefochtene Bescheid war daher im Umfang der Abweisung des Eventualantrags auf Feststellung nach § 33 Abs. 1 Z. 1 WVRG 2007 (Spruchpunkt 2.a) gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und im Umfang der Auferlegung von Pauschalgebühren (Spruchpunkt 3.) gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

9. Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden. Der Anforderung des Art. 6 Abs. 1 EMRK wurde durch die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde, einem Tribunal im Sinne der EMRK, Genüge getan.

10. Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Wien, am 2. Februar 2012

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