Normen
StbG 1985 §10 Abs1 Z6 idF 2006/I/037;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2014:2013010115.X00
Spruch:
Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen die Abweisung des Beschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft richtet, als unbegründet abgewiesen.
II. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen wird die Beschwerde, soweit sie sich gegen die Abweisung der Anträge auf Erstreckung der dem Beschwerdeführer zu verleihenden Staatsbürgerschaft auf seine Kinder richtet, als unzulässig zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines georgischen Staatsangehörigen, vom 3. Mai 2010 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG "in der geltenden Fassung" ab (Spruchpunkt 1.). Weiters wurden die Erstreckungsanträge der 2005 und 2007 geborenen minderjährigen Kinder des Beschwerdeführers gemäß § 18 StbG abgewiesen (Spruchpunkt 2.).
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei anerkannter Konventionsflüchtling und halte sich seit 2004 in Österreich auf. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens seien folgende verwaltungsstrafrechtliche und getilgte gerichtliche Vormerkungen hervorgekommen:
1. Rechtskräftiges Straferkenntnis der BPD W vom 5. Juni 2009 wegen Verweigerung der Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt am 13. März 2009 (Verwaltungsübertretung gemäß § 99 Abs. 1 lit. b iVm § 5 Abs. 2 StVO). In diesem Zusammenhang wurde dem Beschwerdeführer mit Bescheid der BPD W vom 25. März 2009 zudem die Lenkerberechtigung für die Zeit von vier Monaten ab Abnahme des Führerscheins entzogen.
2. Strafverfügung der BPD W vom 14. Mai 2009 wegen Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h durch eine Fahrgeschwindigkeit von 102 km/h am 14. März 2009 (Verwaltungsübertretung gemäß § 99 Abs. 3 lit. a. iVm § 52 Z. 10a StVO).
3. Strafverfügung der BPD W vom 26. Mai 2009 wegen Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h durch eine Fahrgeschwindigkeit von 89 km/h am 24. März 2009 (Verwaltungsübertretung gemäß § 99 Abs. 3 lit. a iVm § 52 Z. 10a StVO).
4. Strafverfügung der BPD W vom 28. Mai 2009 wegen Überschreitung der im Ortsgebiet zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h durch eine Fahrgeschwindigkeit von 77 km/h am 19. März 2009 (Verwaltungsübertretung gemäß § 99 Abs. 3 lit. a iVm § 20 Abs. 2 StVO).
5. Strafverfügung der BPD W vom 19. Jänner 2012 wegen Behinderung eines Fußgängers beim Überqueren der Fahrbahn auf einem Schutzweg infolge Nichtanhaltens vor dem Schutzweg am 23. November 2011 (Verwaltungsübertretung gemäß § 99 Abs. 2c Z. 3 iVm § 9 Abs. 2 StVO).
6. Strafverfügung der BPD W vom 27. Jänner 2012 wegen Nichtanbringens einer vorschriftsmäßigen Begutachtungsplakette (§ 57a Abs. 5 und 6 KFG) am 12. Jänner 2012, weil zu diesem Zeitpunkt der vierte für die wiederkehrende Begutachtung folgende Monat bereits abgelaufen war (Verwaltungsübertretung gemäß § 134 iVm § 36 lit. e und § 103 Abs. 1 KfG).
7. Strafverfügung der BPD W vom 3. August 2012 wegen Nichtbeachtung des Rotlichts der Verkehrslichtanlage am 8. Juni 2012 (Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 3 lit. a iVm § 38 Abs. 5 StVO).
Die genannten Strafverfügungen seien rechtskräftig bzw. erhobene Einsprüche als verspätet zurückgewiesen worden. Sämtliche zu Pkt. 1 bis 7. verhängten Geldstrafen seien entrichtet worden.
8. Eine gerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers vom 23. Jänner 2007 wegen § 83 StGB (Körperverletzung der Ehegattin im Jahr 2005) zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen sei seit 2012 getilgt.
In seiner Stellungnahme vom 28. Jänner 2013 habe der Beschwerdeführer zu Punkt 1. angeführt, dass er sich nicht in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden und zu keinem Zeitpunkt ein Fahrzeug in Betrieb genommen habe.
Dem sei entgegen zu halten, dass im Staatsbürgerschaftsverfahren Verwaltungsstrafverfahren nicht neu aufzurollen seien. Zudem sei aufgrund der Entziehung der Lenkberechtigung für vier Monate zu schließen, dass eine Verkehrszuverlässigkeit beim Antragsteller nicht gegeben gewesen sei. Die genannte Verwaltungsübertretung sei in die Gesamtbeurteilung gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG hinsichtlich einer negativen Zukunftsprognose einzubeziehen.
Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu Punkt 5. und 7. sei die Bestrafung nicht durch Anonymverfügungen gemäß § 49a VStG sondern durch Strafverfügungen gemäß § 47 VStG erfolgt. Es wäre dem Beschwerdeführer möglich gewesen, im Verwaltungsstrafverfahren Einspruch zu erheben. Die Staatsbürgerschaftsbehörde habe bei Ihrer Beurteilung von den rechtskräftigen Verwaltungsstrafen bzw. den hiezu festgestellten Sachverhalten auszugehen.
Insbesondere das Missachten von Rotlicht sowie das Überfahren eines Schutzweges sei in Zusammenhalt mit den genannten (sonstigen) Übertretungen und der Verweigerung der Atemluftmessung als Grundlage für eine derzeitige negative Zukunftsprognose im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG anzusehen. Weiters sei auch die getilgte gerichtliche Verurteilung wegen Körperverletzung in die Beurteilung einzubeziehen. Die Verwaltungsstrafen lägen noch nicht derart lange zurück, dass von einer längeren Phase des Wohlverhaltens ausgegangen werden könne.
Die Gesamtbetrachtung der "Vormerkungen" ließe den Schluss zu, dass der Beschwerdeführer wiederholt Rechtsvorschriften nicht eingehalten habe, die der Sicherheit Dritter und der Abwehr von Gefährdungen der körperlichen Unversehrtheit und Sicherheit dienten.
Es könne im Entscheidungszeitpunkt keine positive Zukunftsprognose erstellt werden, weshalb das Einbürgerungshindernis gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG vorliege.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Zu I.:
Vorauszuschicken ist, dass es sich vorliegend um keinen Übergangsfall nach dem VwGbk-ÜG handelt und somit gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 in der hier maßgeblichen Fassung der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 37/2006 (StbG), darf einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, die Staatsbürgerschaft nur verliehen werden, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Prüfung der Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG auf das Gesamtverhalten des Verleihungswerbers, insbesondere auch auf von ihm begangene Straftaten, Bedacht zu nehmen. Maßgebend ist, ob es sich dabei um Rechtsbrüche handelt, die den Schluss rechtfertigen, der Verleihungswerber werde auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung - oder andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte Rechtsgüter - erlassene Vorschriften missachten. In der Art, der Schwere und der Häufigkeit solcher Verstöße kommt die - allenfalls negative - Einstellung des Betreffenden gegenüber den zur Hintanhaltung solcher Gefahren erlassenen Gesetzen zum Ausdruck (vgl. aus jüngster Zeit etwa die hg. Erkenntnisse vom 24. April 2014, Zl. 2013/01/0172, und vom 18. Juni 2014, Zl. 2013/01/0120, jeweils mwN).
Zur Beurteilung der Zuverlässigkeit eines Einbürgerungswerbers nach dieser Bestimmung dürfen grundsätzlich auch getilgte Vorstrafen berücksichtigt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 2011, Zl. 2008/01/0778),
Fallbezogen hat die belangte Behörde die Abweisung des Verleihungsansuchens des Beschwerdeführers gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 StbG auf die in der Begründung des angefochtenen Bescheides näher bezeichneten Übertretungen der StVO sowie des KFG in einem Zeitraum von rund drei Jahren (März 2009 bis Juni 2012) sowie auf die getilgte strafgerichtliche Verurteilung wegen Körperverletzung gestützt.
Die Beschwerde wendet gegen den angefochtenen Bescheid im Wesentlichen ein, die vom Beschwerdeführer begangenen Delikte seien weder auf Grund ihrer Schwere noch ihrer Anzahl von einer maßgeblichen Intensität. Die Beweiswürdigung zu den unter Punkten 2. bis 4 angeführten Verwaltungsübertretungen sei mangelhaft; es sei nicht bewiesen, dass der Beschwerdeführer diese Übertretungen begangen habe, zumal zu den jeweiligen Tatzeitpunkten dem Beschwerdeführer aufgrund der im Punkt 1. genannten Übertretungen die Lenkerberechtigung entzogen gewesen sei. Zu den unter Pkt. 5 und 7. angeführten Verwaltungsübertretungen habe der Beschwerdeführer bereits in seiner Stellungnahme im Verwaltungsstrafverfahren angeführt, dass das Fahrzeug zum Tatzeitpunkt von einem näher genannten Bekannten gelenkt worden sei. Die belangte Behörde habe bei der Würdigung des Gesamtverhaltens die zugunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände nicht ermittelt, worin ein wesentlicher Begründungsmangel liege.
Zu diesem Vorbringen ist festzuhalten:
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass die unter den Punkten 1. bis 7. angeführten Bescheide (Straferkenntnis, Entziehung der Lenkerberechtigung, Strafverfügungen) gegen ihn ergangen bzw. rechtskräftig geworden sind. Das Beschwerdevorbringen zu den von der belangten Behörde unter den Punkten 2. bis 4 bzw. 5. und 7. festgestellten Verwaltungsübertretungen ist insofern nicht zielführend, als das Verfahren zur Verleihung der Staatsbürgerschaft keinen Raum bietet, ein rechtskräftig abgeschlossenes Strafverfahren neu aufzurollen (vgl. die erwähnten hg. Erkenntnisse vom 24. April und 18. Juni 2014, jeweils mwN).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind ua.
- sowohl das Lenken eines Kraftfahrzeuges in alkoholisiertem Zustand (vgl. zuletzt das erwähnte hg. Erkenntnis vom 18. Juni 2014, mwN) als auch die Verweigerung des Atemlufttest auf Alkoholgehalt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 2003, Zl. 2002/01/0091, mwN),
- die wiederholte erhebliche Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 14. Oktober 2013, Zl. 2013/01/0133, vom 21. November 2013, Zl. 2012/01/0096 und Zl. 2013/01/0002 , sowie zuletzt das erwähnte hg. Erkenntnis vom 18. Juni 2014, jeweils mwN),
- das Nichtanhalten vor einem Schutzweg, auf dem sich Personen (Fußgänger) befinden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 2004, Zl. 2002/01/0568),
- die Nichtanbringung einer den Vorschriften entsprechenden Begutachtungsplakette am Fahrzeug (vgl. das erwähnte hg. Erkenntnis vom 24. April 2014, mwN), sowie
- das Nichtbeachten des Rotlichts einer Verkehrslichtanlage (vgl. abermals das erwähnte hg. Erkenntnis vom 24. April 2014, mwN),
als gravierende Verstöße gegen Schutznormen, die der Ordnung Sicherheit des Verkehrs dienen, zu qualifizieren. Auf die nähere Begründung der zitierten Erkenntnisse wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen.
Verwaltungsübertretungen, wie sie in den Punkten 1. und 2. sowie 4. bis 7. des angefochtenen Bescheides angeführt sind, sind daher grundsätzlich geeignet, das Vorliegen eines Verleihungshindernisses nach § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG zu begründen.
Fallbezogen kommt erschwerend hinzu, dass der Beschwerdeführer die zu den Punkten 2. bis 4. genannten Verwaltungsübertretungen begangen hat, obwohl ihm zu den jeweiligen Tatzeitpunkten die Lenkerberechtigung entzogen war, worin sich eine besondere Gleichgültigkeit gegenüber dem Schutz anderer Verkehrsteilnehmer existierenden Normen manifestiert (vgl. das erwähnte hg. Erkenntnis vom 25. Mai 2004).
Es kann daher der belangten Behörde im gegenständlichen Fall keinesfalls entgegen getreten werden, wenn sie die, über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren erfolgten, massiven Fehlverhaltensweisen in ihrer Gesamtheit als derart gravierend ansah, dass sie einer positiven Prognose im Hinblick auf die Verbundenheit des Beschwerdeführers mit den die öffentliche Ordnung und Sicherheit (hier: im Straßenverkehr) regelnden Bestimmungen entgegen standen, zumal die letzte maßgebliche Übertretung (Punkt 7.) relativ kurz (ca. ein Jahr) vor Erlassung des angefochtenen Bescheides erfolgte (vgl. abermals das erwähnte hg. Erkenntnis vom 24. April 2014).
Im Übrigen hat die belangte Behörde auch die getilgte gerichtliche Vorstrafe (Punkt 8.) zu Recht in die Beurteilung der Zuverlässigkeit des Beschwerdeführers gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG einbezogen (vgl. das erwähnte hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 2011, Zl. 2008/01/0778).
Welche "Sachverhaltselemente" bei der Beurteilung des Gesamtverhaltens des Beschwerdeführers zu dessen Gunsten zu berücksichtigen gewesen wären, legt die Beschwerde nicht ansatzweise konkret dar.
Die Beschwerde war insofern gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als
unbegründet abzuweisen.
Zu II.:
Da die Beschwerde ausschließlich vom Beschwerdeführer im eigenen Namen erhoben wurde - die Kinder sind nicht Beschwerdeführer - und Anhaltspunkte, dass der Beschwerdeführer im Namen der Kinder auftritt, nicht bestehen, kann der Beschwerdeführer, der nicht Adressat der Erstreckungsbescheide ist, diesbezüglich nicht in seinen Rechten verletzt sein (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 29. Mai 2013, Zl. 2011/01/0183, mwN, auf dessen nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz iVm Abs. 9 VwGG verwiesen wird).
Die Beschwerde war daher insoweit gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen des Mangels der Berechtigung zur ihrer Erhebung mit Beschluss zurückzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht (gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG sowie § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014) auf den §§ 47 ff VwGG iVm § 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 16. Juli 2014
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