VwGH 2012/01/0096

VwGH2012/01/009621.11.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde des U in S, vertreten durch Dr. Wolfgang Zankl, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Nonntaler Hauptstraße 58, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 14. Mai 2012, Zl. 20052-STA/21486/31-2012, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

FSG 1997 §37 Abs3;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
StbG 1985 §11 idF 2006/I/037;
FSG 1997 §37 Abs3;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
StbG 1985 §11 idF 2006/I/037;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 20. September 2011, Zl. 2009/01/0051, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

Die belangte Behörde stützte die Abweisung des Verleihungsansuchens in dem damals angefochtenen Bescheid auf das Verleihungshindernis im ersten Satzteil des § 10 Abs. 2 Z. 2 StbG, weil der Beschwerdeführer zweimal wegen der Verwaltungsübertretung des § 37 Abs. 3 FSG rechtskräftig bestraft wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem genannten Erkenntnis Zl. 2009/01/0051 Folgendes ausgeführt:

"Die belangte Behörde meint, schon allein wegen dieser (beiden) Verwaltungsübertretungen sei das Verleihungshindernis vorgelegen. Damit hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt.

Dass die festgestellten Verwaltungsübertretungen nach § 37 Abs. 3 FSG schwerwiegende Übertretungen im Sinne des ersten Satzteiles des § 10 Abs. 2 Z. 2 StbG sind, trifft zu. Das Verleihungshindernis im Sinne dieser Bestimmung erfordert aber zusätzlich, dass diese Verwaltungsübertretungen auch einen besonderen Unrechtsgehalt aufweisen. Von einem besonderen Unrechtsgehalt wird dann auszugehen sein, wenn die Tat nicht nur das verbotene Tun verwirklicht, sondern erheblich überschreitet. Ebenso wird diese Voraussetzung vorliegen, wenn die Tat unter besonders gefährlichen Umständen - etwa mit einer abstrakten Gefährdung mehrerer Personen einhergehend - erfolgt. Ist lediglich Fahrlässigkeit gefordert, wird eine besondere Rücksichtslosigkeit für das Vorliegen der Voraussetzung sprechen, oder, wenn bedingter Vorsatz nötig ist, Absichtlichkeit. Daher ist (auch) eine nähere Prüfung und Auseinandersetzung mit den konkreten Verwaltungsübertretungen des Verleihungswerbers im Einzelfall notwendig. Diese Einzelfallprüfung hat die belangte Behörde jedoch unterlassen; sie hat sich mit dem besonderen Unrechtsgehalt der festgestellten Verwaltungsübertretungen gemäß § 37 Abs. 3 FSG nicht auseinandergesetzt.

Schon aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Für das fortgesetzte Verfahren ist anzumerken, dass Verwaltungsübertretungen mit einer Bestrafung im unteren Drittel des Strafrahmens - soweit im Einzelfall nicht besondere Umstände für das Vorliegen eines besonderen Unrechtsgehaltes festgestellt werden können - den für das Vorliegen des Verleihungshindernisses erforderlichen besonderen Unrechtsgehalt in der Regel nicht erreichen. Der im Beschwerdefall maßgebliche § 37 Abs. 3 FSG sieht einen Strafrahmen von mindestens EUR 363,-- bis EUR 2.180,-- vor. Über den Beschwerdeführer wurden aber nur Strafen in Höhe von einerseits EUR 365,-- (das sind EUR 2,-- über der Mindeststrafe) und andererseits EUR 700,-- (das ist etwa ein Drittel der möglichen Strafhöhe) verhängt, sodass zwei schwerwiegende Verwaltungsübertretungen, die einen besonderen Unrechtsgehalt aufweisen, nicht vorliegen."

Mit dem (im fortgesetzten Verfahren ergangenen) angefochtenen Bescheid vom 14. Mai 2012 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, vom 6. Februar 2009 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei seit August 1991 rechtmäßig und ununterbrochen in Österreich aufhältig; er sei ledig und seit Juli 2009 "gewerblich selbständig erwerbstätig". Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens seien insgesamt 23 - im einzelnen angeführte - Verwaltungsübertretungen des Beschwerdeführers nach der StVO, dem KFG, dem FSG und nach Art. IX Abs. 1 Z. 2 EGVG im Zeitraum von November 2006 bis Jänner 2012 erhoben worden. Seit der Erlassung des Bescheides vom 7. September 2009 (der dem genannten Erkenntnis zu Zl. 2009/01/0051 zu Grunde lag) seien acht Verwaltungsübertretungen wegen Übertretens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit (davon sechs im Ortsgebiet), zwei Übertretungen wegen Nichteinhaltens des Sicherheitsabstandes und zwei Übertretungen wegen Befahren eines gesperrten Fahrstreifens (Taxi- und Busspur) erhoben worden. Lenkererhebungen seien vom Beschwerdeführer grundsätzlich ignoriert worden. Auch sei er seinen Zahlungsverpflichtungen aus den verhängten Geldstrafen nur ungenügend nachgekommen.

Die Vielzahl und Art der Strafverfügungen sowie sein Umgang mit diesen lege nahe, dass der Beschwerdeführer nicht gewillt sei, sich den Normen der österreichischen Rechtsordnung zu unterwerfen. Sein Verhalten biete keine Gewähr dafür, dass er zur Republik Österreich und deren Rechtsordnung bejahend eingestellt sei, und lasse den Schluss zu, dass er auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die Sicherheit und die öffentliche Ruhe und Ordnung rechtsgültig erlassene Vorschriften missachten werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG; BGBl. Nr. 311/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011), darf einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, die Staatsbürgerschaft nur verliehen werden, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet.

Gemäß § 11 StbG (in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009) ist bei Entscheidungen nach diesem Bundesgesetz das Gesamtverhalten des Fremden im Hinblick auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Ausmaß seiner Integration zu berücksichtigen. Zu dieser zählt insbesondere die Orientierung des Fremden am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich sowie das Bekenntnis zu den Grundwerten eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft.

Bei der Prüfung der Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf das Gesamtverhalten des Verleihungswerbers, insbesondere auch von ihm begangene Straftaten, Bedacht zu nehmen. Maßgebend ist, ob es sich dabei um Rechtsbrüche handelt, die den Schluss rechtfertigen, der Verleihungswerber werde auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung - oder anderer in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannter Rechtsgüter - erlassene Vorschriften missachten. In der Art, der Schwere und der Häufigkeit solcher Verstöße kommt die - allenfalls negative - Einstellung des Betreffenden gegen die zur Hintanhaltung solcher Gefahren erlassenen Gesetze zum Ausdruck (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 15. März 2012, Zl. 2010/01/0013, mwN; und vom 24. Oktober 2013, Zl. 2013/01/0133).

Im Beschwerdefall kann der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden, wenn sie die wiederholten und erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitungen durch den Beschwerdeführer als gravierende Verstöße ansieht, die einer positiven Prognose im Hinblick auf die Verbundenheit des Beschwerdeführers mit den die öffentliche Ordnung und Sicherheit (hier: im Straßenverkehr) regelnden Bestimmungen entgegenstehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. September 2011, Zl. 2008/01/0382, mwN; sowie die hg. Erkenntnisse vom 18. Februar 2011, Zl. 2009/01/0029; und vom 15. März 2012, Zl. 2010/01/0013). Zudem waren, wie bereits im genannten Vorerkenntnis zu Zl. 2009/01/0051, ausgeführt, die Verwaltungsübertretungen nach § 37 Abs. 3 FSG als schwerwiegende Übertretungen anzusehen und als solche in die negative Zukunftsprognose einzubeziehen.

Insoweit der Beschwerdeführer gegen den angefochtenen Bescheid vorbringt, die angelasteten Verwaltungsübertretungen würden eine Abweisung seines Verleihungsantrages nicht rechtfertigen, weil sie "einem besonderen Unrechtsgehalt" nicht aufweisen, ist zu erwidern, dass - anders als im Bescheid vom 3. September 2009 - das Verleihungshindernis des § 10 Abs. 2 Z. 2 StbG von der belangten Behörde nicht herangezogen wurde. Das zum "besonderen Unrechtsgehalt" erstattete Beschwerdevorbringen geht zur Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG ins Leere.

Soweit die Beschwerde rügt, die Verleihungsvoraussetzungen seien gegeben, weil die belangte Behörde im Rahmen ihres gemäß § 11 StbG eingeräumten Ermessens - im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer integriert und in Österreich aufgewachsen sei, er österreichische Schulen besucht habe und seinen Lebensunterhalt als Unternehmer in Österreich erwirtschafte - zur Verleihung der Staatsbürgerschaft hätte gelangen müssen, ist zu entgegnen, dass die in § 11 StbG (in der durch die Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005 geänderten Fassung) normierte Orientierung des Fremden am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich sowie an den Grundwerten eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft im Falle des Vorliegens eines Verleihungshindernisses nach § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG zu verneinen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. September 2011, Zl. 2008/01/0382).

Dass die belangte Behörde im Zeitpunkt der Bescheiderlassung jedenfalls noch nicht von einem längeren Wohlverhalten des Beschwerdeführers ausgehen konnte, zieht die Beschwerde nicht in Zweifel.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 21. November 2013

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