Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen indischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 8 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.
Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer am 24. Mai 2005 illegal eingereist sei und einen Asylantrag gestellt habe. Dieser sei zweitinstanzlich am 26. November 2009 rechtskräftig abgewiesen worden.
Am 27. Februar 2010 sei der Beschwerdeführer von Organen der Finanzbehörden im Zuge einer Kontrolle einer Pizzeria in Wien 3 betreten worden, als er Geldbeträge in eine Einkaufsliste eingetragen und dann zusammengerechnet habe. Die "Lokalchefin" habe den Beamten gegenüber angegeben, der Beschwerdeführer wäre für das Lokal einkaufen gefahren, jedoch nicht zur Sozialversicherung angemeldet.
In seiner Stellungnahme vom 9. August 2010 habe der Beschwerdeführer angegeben, dass ihn die Chefin des Lokals gebeten hätte, hilfsweise und nur einmalige Einkäufe zu erledigen, weil ihr Mann krankheitsbedingt verhindert gewesen wäre. Er hätte keine Pizza ausgeführt oder zugestellt und es wäre auch kein Beschäftigungsverhältnis geplant gewesen, vielmehr wäre er als Zeitungszusteller selbständig erwerbstätig.
"Solcherart" - so die weitere Bescheidbegründung - habe die Erstbehörde zu Recht festgestellt, dass der Beschwerdeführer der Schwarzarbeit, das heißt einer Beschäftigung nachgegangen sei, die er mangels Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) nicht hätte ausüben dürfen. Ein nicht dem AuslBG unterliegender Gefälligkeitsdienst sei hingegen "nicht zu argumentieren" gewesen, lege doch der Beschwerdeführer nicht einmal ansatzweise dar, auf Grund welchen persönlichen Naheverhältnisses eine derartige Annahme gerechtfertigt sein könnte. Auch die Beschäftigung als Zeitungszusteller wäre zumindest aus fremdenrechtlicher Sicht unrechtmäßig. Weiters habe der Beschwerdeführer eine Vielzahl verwaltungsrechtlicher Bestrafungen aufzuweisen. "Solcherart" sei der in § 60 Abs. 2 Z 8 FPG normierte Sachverhalt verwirklicht.
In der Folge gelangte die belangte Behörde auch anhand einer Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK zur Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage samt Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Eingangs ist festzuhalten, dass angesichts der Zustellung des angefochtenen Bescheides im September 2010 die Bestimmungen des FPG in der Fassung BGBl. I Nr. 135/2009 anzuwenden sind und sich nachfolgende Zitierungen auf diese Rechtslage beziehen.
Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Als besondere Tatsache im Sinn des § 60 Abs. 1 FPG hat gemäß § 60 Abs. 2 Z 8 leg. cit. insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder von einem Organ der Abgabenbehörde nach Maßgabe der Bestimmungen des AVOG, der regionalen Geschäftsstelle oder der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht hätte ausüben dürfen.
In der Stellungnahme vom 9. August 2010 hat der Beschwerdeführer vorgebracht, dass er nicht als "Schwarzarbeiter" gearbeitet habe, sondern ca. zehn Minuten vor der Kontrolle am 27. Februar 2010 im Lokal eingetroffen sei und ihn die Chefin des Lokals gebeten habe, hilfsweise und nur einmalig Einkäufe zu erledigen, weil deren Mann krankheitsbedingt verhindert gewesen sei. Dieses Vorbringen wurde in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Aufenthaltsverbotsbescheid wiederholt und es wurde die Vernehmung der "Firmeninhaberin" zum Beweis dafür beantragt, dass ein Beschäftigungsverhältnis nicht beabsichtigt gewesen sei, sondern der Beschwerdeführer lediglich auf Grund der Erkrankung des Ehemannes der Unternehmerin habe einspringen wollen. Die belangte Behörde unterließ im angefochtenen Bescheid jegliche Begründung, warum sie diesem Beweisantrag nicht nachgekommen ist.
Erst in der Gegenschrift meinte die belangte Behörde, dass in keiner Weise ein persönliches Naheverhältnis zur Geschäftsinhaberin, das zumindest ansatzweise einen Freundschaftsdienst nach dem AuslBG hätte begründen können, erkennbar gewesen sei. Da der Beschwerdeführer selbst nicht einmal einen Gefälligkeitsdienst und ein persönliches Naheverhältnis zu den Firmeninhabern geltend gemacht habe, habe keine Veranlassung bestanden, die genannte Zeugin einzuvernehmen.
Grundsätzlich hat die Behörde Beweisanträgen zu entsprechen, wenn die Aufnahme des darin begehrten Beweises im Interesse der Wahrheitsfindung notwendig erscheint. Dementsprechend dürfen Beweisanträge nur dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel an sich ungeeignet ist, über den Gegenstand der Beweisaufnahme einen Beweis zu liefern und damit zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts beizutragen (vgl. die bei Hengstschläger/Leeb, AVG § 39 Rz. 22 angeführte hg. Rechtsprechung).
Entgegen der behördlichen Ansicht ist nicht davon auszugehen, dass die Vernehmung der - der belangten Behörde bekannten - Geschäftsinhaberin ungeeignet gewesen wäre, einen bloßen Gefälligkeitsdienst nachzuweisen und somit die Annahme einer dem AuslBG unterliegenden Beschäftigung zu widerlegen. Wenn in der Bescheidbegründung darauf abgestellt wird, dass nicht einmal ansatzweise dargelegt worden sei, auf Grund welchen persönlichen Naheverhältnisses eine derartige Annahme gerechtfertigt sein könnte, übersieht die belangte Behörde den Inhalt des Strafantrages vom 9. März 2010 gegen die angebliche Beschäftigerin. In dieser Anzeige wird nämlich der Beschwerdeführer als Lebensgefährte einer Frau bezeichnet, die in der Pizzeria als Kellnerin beschäftigt ist. Somit liegen zumindest Anhaltspunkte für die Annahme eines Gefälligkeitsdienstes vor und es kann ein solcher bloßer Gefälligkeitsdienst nicht von vornherein ausgeschlossen werden, weshalb die belangte Behörde von der beantragten Vernehmung der Zeugin nicht hätte Abstand nehmen dürfen.
Da der angefochtene Bescheid somit mit einem relevanten Verfahrensmangel belastet ist, war er gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 29. Jänner 2013
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