VwGH 2012/04/0022

VwGH2012/04/002213.11.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Zirm, über 1. die (zur hg. Zl. 2012/04/0022 protokollierte) Beschwerde der X-GmbH in Y, vertreten durch BLS Rechtsanwälte Boller Langhammer Schubert KG in 1010 Wien, Kärntner Straße 10, und 2. die (zur hg. Zl. 2012/04/0023 protokollierte) Beschwerde des Landes Vorarlberg in Bregenz, vertreten durch Estermann Pock Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Heinrichsgasse 4/Top 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 23. Jänner 2012, Zl. UVS-314-005/K3-2011, betreffend vergaberechtliche Nachprüfung (jeweils mitbeteiligte Partei: A GmbH in B, vertreten durch Gerscha RechtsanwaltsGmbH in 1010 Wien, Tuchlauben 8; jeweils weitere Partei: Vorarlberger Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

31992L0050 Vergabekoordinierungs-RL Dienstleistungsaufträge;
32004L0017 Vergabekoordinierungs-RL Wasser Energie Verkehr;
62006CJ0454 Pressetext Nachrichtenagentur VORAB;
62008CJ0091 Wall VORAB;
62010CJ0348 Norma-A und Dekom VORAB;
62010CJ0576 Kommission / Niederlande;
BVergG 2006 §6;
BVergG 2006 §8;
B-VG Art14b;
LVergabenachprüfungsG Vlbg 2003 §1 Abs1;
LVergabenachprüfungsG Vlbg 2003 §1 Abs2;
LVergabenachprüfungsG Vlbg 2003 §2 Abs1;

 

Spruch:

Die (nur insoweit angefochtenen) Spruchpunkte 1 und 3 des angefochtenen Bescheides werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat der Erstbeschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde - soweit beschwerderelevant - betreffend das Vergabeverfahren "Kraftfahrtechnische Überprüfungen" des zweitbeschwerdeführenden Landes Vorarlberg als öffentlicher Auftraggeber (im Folgenden: Auftraggeber) dem Antrag der mitbeteiligten Partei auf Nichtigerklärung Folge gegeben und die Entscheidung des Auftraggebers, dass die von der mitbeteiligten Partei bis 31. Dezember 2011 erbrachten Dienstleistungen ab 1. Jänner 2012 von der Erstbeschwerdeführerin erbracht werden, gemäß den §§ 3, 4 Abs. 2 und 12 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 des Vorarlberger Vergabenachprüfungsgesetzes für nichtig erklärt (Spruchpunkt 1).

Weiters wurde der Auftraggeber gemäß § 24 Abs. 4 des Vorarlberger Vergabenachprüfungsgesetzes verpflichtet, der mitbeteiligten Partei die Hälfte der Gebühr für den Nachprüfungsantrag zu ersetzen (Spruchpunkt 3).

2. Begründend stellte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Nachprüfungsantrages der mitbeteiligten Partei sowie des Verfahrensganges folgenden Sachverhalt fest (kursive Änderungen und Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof):

"4.2. Der Auftraggeber hat im Jahre 1997 die Dienstleistung 'Kraftfahrtechnische Überprüfung' europaweit in einem Verhandlungsverfahren ausgeschrieben. Gegenstand der Ausschreibung war die Durchführung von kraftfahrtechnischen Überprüfungen (Gutachten für Genehmigungen und Prüfungen gemäß Kraftfahrgesetz 1967, Gefahrgutbeförderungsgesetz-Straße ua) in Vorarlberg. In der Bekanntmachung wurde darauf hingewiesen, dass die Vergabe an mindestens zwei Vertragspartner für unterschiedliche Standorte erfolgen soll.

In der Folge wurde dann am 25.02.1998 einerseits mit der mitbeteiligten Partei und andererseits mit der Erstbeschwerdeführerin jeweils eine Vereinbarung betreffend das Kfz-Prüfwesen abgeschlossen.

In diesen Verträgen verpflichteten sich die mitbeteiligte Partei sowie die Erstbeschwerdeführerin alle im Vertrag genannten Leistungen allen Kunden anzubieten und ihnen gegenüber zu erbringen (Kontrahierungszwang). Eine ausdrückliche Gebietsaufteilung oder einen Anspruch auf einen bestimmten Mindestumfang an zu erbringenden Leistungen sehen diese Verträge nicht vor. Die tatsächliche Leistungserbringung wurde von der mitbeteiligten Partei vom Standort R aus, von der Erstbeschwerdeführerin einerseits von L (ca 85 Prozent des Leistungsumfanges) und andererseits von B (ca 15 Prozent des Leistungsumfanges) aus erbracht. Die Nettohonorarsumme der mitbeteiligten Partei betrug in den Jahren 2009 und 2010 jeweils ca 600.000 Euro, wobei die Kostenbeiträge und Abgaben der Kunden jeweils ca 28 Prozent der Nettohonorarsumme betrugen. Die Nettohonorarsumme der Erstbeschwerdeführerin betrug in den Jahren 2008 und 2009 je ca 800.000 Euro; die Kostenbeiträge und Abgaben betragen nach den Angaben der Erstbeschwerdeführerin ca zwei Drittel der Nettohonorarsumme.

In den Verträgen wurden die Preise festgelegt, die der Auftraggeber an die mitbeteiligte Partei bzw die Erstbeschwerdeführerin für ihre zu erbringenden Leistungen leisten muss.

Hinsichtlich der von Kunden zu entrichtenden Kostenbeiträgen ist in den Verträgen unter Punkt 1.2.1 wie folgt festgehalten:

'1.2.1 Derzeitige Kostenbeiträge und Abgaben:

4.3. Mit Schriftsatz vom 16.12.2010 hat der Auftraggeber gegenüber der mitbeteiligten Partei die Vereinbarung vom 25.02.1998 unter Einhaltung der vereinbarten einjährigen Kündigungsfrist auf den 31.12.2011 gekündigt. Im Kündigungsschreiben ist u.a. wie folgt ausgeführt:

'Die Weiterführung des Vertrages mit zwei Vertragspartnern stößt - wie die jüngsten Erfahrungen in der 48. KW gezeigt haben (Krankenstand von Ing E) - bereits dann auf Schwierigkeiten, wenn ein Landesbediensteter ausfällt. Bereits am 2. Tag wurde eine Entsendung des kfz-technischen Amtssachverständigen Ihrerseits eingefordert. In Anbetracht des Aufgabenumfanges des Amtssachverständigen können langfristig solche Vertretungsaufgaben von diesem nicht dauerhaft geleistet werden.

Es ist daher erforderlich, dass die beiden für die Auslagerung des Genehmigungswesens abgestellten Landesbediensteten demselben Vertragspartner zur Verfügung stehen und auf diese Weise eine gegenseitige Vertretung stattfinden kann. Das Land ist daher gezwungen, die Auslagerung des KFZ-Prüfwesens auf einen Vertragspartner zu konzentrieren. DI H. L. hat diesbezüglich auch grundsätzlich Verständnis gezeigt und die angesprochenen Probleme nicht in Abrede gestellt.

Vom L. V. wurden aus diesem Anlass mehrere Alternativen bzw Vorschläge (zB Kooperation der beiden Vertragspartner, Trennung im Gutachtenerstellung und behördliche Genehmigung) geprüft. Sie mussten aber letztlich verworfen werden, weil sie nicht realisierbar bzw mit der bestehenden Vertragskonstruktion in Einklang zu bringen sind und daher eine Neuvergabe erfordern würden.'

Mit Schreiben vom 09.05.2011 ersuchte die mitbeteiligte Partei den Auftraggeber u.a. um Mitteilung, ob seitens des Auftraggebers beabsichtigt sei, jene Leistungen, die bis dahin durch die mitbeteiligte Partei erbracht worden seien, freihändig an die Erstbeschwerdeführerin zu vergeben oder auszuschreiben.

Der Auftraggeber führte in seinem Antwortschreiben vom 21.05.2011 diesbezüglich Folgendes aus:

'Nachdem zum gegenwärtigen Zeitpunkt die künftige Ausrichtung des KFZ-Prüfwesens in Vorarlberg noch nicht abgeschätzt werden kann (beispielsweise ist u.a. auch eine Rücknahme der Privatisierung zu prüfen), können wir zu den vergaberechtlichen Fragen derzeit leider noch keine Angaben machen.'

Am 10.11.2011 kontaktierte ein Bediensteter des Auftraggebers telefonisch den Geschäftsführer der mitbeteiligten Partei betreffend die Übergabe der Daten und des Archivs der mitbeteiligten Partei an die Erstbeschwerdeführerin. Dabei wurde dem Geschäftsführer der mitbeteiligten Partei auch mitgeteilt, dass der Auftraggeber das Vertragsverhältnis mit der Erstbeschwerdeführerin ohne Durchführung eines Ausschreibungsverfahrens fortzusetzen beabsichtige."

3. Sodann führte die belangte Behörde in rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen aus, das dem Nachprüfungsantrag zugrunde liegende Vergabeverfahren falle gemäß Art. 14b Abs. 2 B-VG in den Vollziehungsbereich des Landes. Der gegenständliche Auftrag stelle einen Dienstleistungsauftrag dar und falle in den Oberschwellenbereich. Die belangte Behörde sei daher für die Behandlung des vorliegenden Nachprüfungsantrages sachlich und örtlich zuständig.

Unter Eingehen auf die vom Auftraggeber geltend gemachten näheren Umstände der Leistungserbringung und die Art der Vergütung gelangte die belangte Behörde zur Auffassung, dass bei Gewichtung dieser Umstände im Beschwerdefall keine Dienstleistungskonzession, sondern ein Dienstleistungsauftrag vorliege, da der Auftragnehmer des vorliegenden Vertrages nicht das Betriebsrisiko übernehme.

Zum Vorbringen des Auftraggebers, seit dem Vertragsabschluss im Jahre 1998 habe es kein Vergabeverfahren und keine anfechtbare Entscheidung im Sinne des Vorarlberger Vergabenachprüfungsgesetzes, insbesondere auch keine Direktvergabe, gegeben, führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, nach dem Konzept des BVergG 2006 könnten nach Außen in Erscheinung tretende Willenserklärungen Entscheidungen des Auftraggebers und damit tauglicher Gegenstand eines Nichtigerklärungsantrages vor der belangten Behörde sein. Unter Verweis auf Rechtsprechung des EuGH (in der Rechtssache C-91/08 "Wall AG") führte die belangte Behörde aus, wesentliche Änderungen der wesentlichen Bestimmungen eines Vertrages erforderten in bestimmten Fällen die Vergabe eines neuen Vertrages.

Es sei dem Auftraggeber zuzustimmen, dass in der Kündigung der mitbeteiligten Partei durch den Auftraggeber keine anfechtbare Entscheidung erblickt werden könne. Es wäre nämlich dem Auftraggeber auch nach der Kündigung freigestanden, den frei werdenden Dienstleistungsumfang auch auszuschreiben. Aus diesem Grund sei ein (weiterer) auf die Unwirksamerklärung der Kündigung des Vertrages vom 25. Februar 1998 abzielender Antrag der mitbeteiligten Partei als unzulässig zurückzuweisen gewesen (Anmerkung: diese in Spruchpunkt 2 des angefochtenen Bescheides getroffene Entscheidung ist vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht in Beschwerde gezogen worden).

Allerdings habe die vom Auftraggeber "auf den 31.12.2011" vorgenommene Aufkündigung des Vertragsverhältnisses mit der mitbeteiligten Partei infolge des nach wie vor bestehenden Vertragsverhältnisses zwischen dem Auftraggeber und der Erstbeschwerdeführerin und zufolge des Umstandes, dass der Auftraggeber den von der mitbeteiligten Partei erbrachten Leistungsanteil weder selbst erbringen mochte noch ausgeschrieben habe, zwangsläufig zur Folge, dass jene Leistungen, die die mitbeteiligte Partei bis zum 31. Dezember 2011 erbracht habe, "automatisch und ohne weiteres Zutun" des Auftraggebers ab dem 1. Jänner 2012 der Erstbeschwerdeführerin zuwachsen würden. Die bis 31. Dezember 2011 durch die mitbeteiligte Partei erbrachten Leistungen mussten somit hinkünftig von der Erstbeschwerdeführerin erbracht werden. Dieser Umstand basiere letztlich auf einer Entscheidung des Auftraggebers, den aufgekündigten Leistungsteil nicht selbst zu erbringen oder auszuschreiben. Diese Entscheidung des Auftraggebers sei durch das im Sachverhalt erwähnte Telefonat eines Mitarbeiters des Auftraggebers mit dem Geschäftsführer der mitbeteiligten Partei nach Außen in Erscheinung getreten. Auf Grund dieses Telefonates ergebe sich somit eindeutig, dass der Auftraggeber nicht die Absicht gehabt habe, den frei werdenden Leistungsteil selbst zu erbringen oder auch auszuschreiben. Es liege somit eine Entscheidung des Auftraggebers vor.

Nach Verweis auf § 41 Abs. 2 Z. 1 BVergG 2006 führte die belangte Behörde weiter aus, mit seiner Entscheidung, das Vertragsverhältnis mit der Erstbeschwerdeführerin ohne Durchführung einer Ausschreibung (eines Dienstleistungsauftrages über ca. EUR 600.000,--) fortzusetzen, habe der Auftraggeber zum Ausdruck gebracht, dass er eine "freihändige" (Direkt)Vergabe beabsichtige, die gemäß § 41 Abs. 2 Z. 1 BVergG 2006 aber nur bis zu einem Betrag von EUR 100.000,-- zulässig sei.

Nach Verweis auf § 7 Abs. 1 lit. c Vorarlberger Vergabenachprüfungsgesetz führte die belangte Behörde weiter aus, der Auftraggeber habe geltend gemacht, der vorliegende Nachprüfungsantrag sei verfristet, da bereits mit dem Kündigungsschreiben vom 16. Dezember 2010 festgestanden sei, dass das Vertragsverhältnis ende. Insbesondere sei in diesem Schreiben darauf hingewiesen worden, dass das Kfz-Prüfwesen künftig nur mehr von einem Auftragnehmer zu erbringen sein werde. Dem sei entgegenzuhalten, dass das Kündigungsschreiben alleine keine Entscheidung des Auftraggebers darstelle. Aus dessen Inhalt lasse sich nicht ableiten, dass jener Leistungsteil, der von der mitbeteiligten Partei erbracht worden sei, ab 1. Jänner 2012 "quasi automatisch" an die Erstbeschwerdeführerin übergehen solle. Demgegenüber sei in der telefonischen Mitteilung des Auftraggebers an die mitbeteiligte Partei die diesbezügliche Entscheidung des Auftraggebers, eine freihändige Vergabe der frei werdenden Leistungen an die Erstbeschwerdeführerin durchzuführen, "klar nach außen" in Erscheinung getreten. Der Nachprüfungsantrag sei daher fristgerecht eingebracht worden.

Da die Entscheidung des Auftraggebers im Widerspruch zu den Bestimmungen des BVergG 2006 stünde und diese Entscheidung zwangsläufig wesentlichen Einfluss auf den Ausgang des Vergabeverfahrens habe, sei diese Entscheidung (mit Spruchpunkt 1) für nichtig zu erklären gewesen.

Den Gebührenersatz (in Spruchpunkt 3) stützte die belangte Behörde auf § 24 Abs. 4 Vorarlberger Vergabenachprüfungsgesetz, wonach die Hälfte der Gebühr zu ersetzen sei, wenn der Antragsteller auch nur teilweise obsiege.

4. Gegen den Spruchpunkt 1 dieses Bescheides richtet sich die zur hg. Zl. 2012/04/0022 protokollierte Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin.

Die zur hg. Zl. 2012/04/0023 protokollierte Beschwerde des Auftraggebers richtet sich gegen die Spruchpunkte 1 und 3 dieses Bescheides.

Die belangte Behörde legte (einfach) die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Die mitbeteiligte Partei erstattete in beiden Verfahren jeweils eine Gegenschrift.

II.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die beiden Beschwerdeverfahren wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhangs zu verbinden. Er hat sodann erwogen:

1. Rechtslage:

1.1. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Vorarlberger Vergabenachprüfungsgesetzes, LGBl. Nr. 1/2003 in der Fassung LGBl. Nr. 17/2010, lauten:

"§ 1

Geltungsbereich und Zuständigkeiten

(1) Entscheidungen eines Auftraggebers in einem Vergabeverfahren nach dem Bundesvergabegesetz, das gemäß Art. 14b Abs. 2 B-VG in den Vollziehungsbereich des Landes fällt, unterliegen der Nachprüfung durch den Unabhängigen Verwaltungssenat.

(2) Dieses Gesetz gilt nicht in Verfahren zur Vergabe von Dienstleistungskonzessionen.

§ 2

Gesondert anfechtbare Entscheidungen

(1) Die in der Anlage angeführten Entscheidungen eines Auftraggebers sind gesondert anfechtbar. Alle anderen Entscheidungen können nur gemeinsam mit der zeitlich nächst folgenden gesondert anfechtbaren Entscheidung mit einem Antrag auf Nichtigerklärung bekämpft werden.

(2) In einem Verfahren zur Vergabe von nicht prioritären Dienstleistungen sind jene Entscheidungen des Auftraggebers gesondert anfechtbar, die der Auftraggeber veröffentlicht oder den Bietern, Bewerbern oder sonstigen Unternehmern mitteilt; ausgenommen sind Ersuchen um Aufklärung oder um Erläuterung von Angeboten, es sei denn, der Auftraggeber legt ausdrücklich etwas anderes fest.

§ 7

Fristen bei Nichtigerklärungsverfahren

(1) Anträge auf Nichtigerklärung einer Entscheidung sind beim Unabhängigen Verwaltungssenat innerhalb der folgenden Fristen einzubringen:

a) bei Entscheidungen, die dem Unternehmer persönlich mitgeteilt werden: binnen 15 Tagen, bei elektronischer Mitteilung der Entscheidung oder Mitteilung per Telefax binnen zehn Tagen; im Unterschwellenbereich binnen sieben Tagen; die Frist beginnt an dem Tag, an dem die Mitteilung abgesendet wird;

b) bei Entscheidungen, die dem Unternehmer durch Veröffentlichung bekanntgemacht werden: binnen zehn Tagen, im Unterschwellenbereich binnen sieben Tagen; die Frist beginnt am Tag der Veröffentlichung;

c) bei der Wahl eines Vergabeverfahrens ohne Bekanntmachung:

bis zur Zuschlagserteilung; wenn die Entscheidung, welchem Bieter der Zuschlag erteilt werden soll, entsprechend den Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes veröffentlicht wird: bis zehn Tage, im Unterschwellenbereich bis sieben Tage nach der Veröffentlichung.

§ 10

Unzulässigkeit von Anträgen

(1) Ein Antrag auf Nichtigerklärung einer Entscheidung ist jedenfalls unzulässig,

a) wenn er sich nicht gegen eine gesondert anfechtbare Entscheidung richtet;

§ 12

Entscheidung vor dem Zuschlag oder Widerruf

(1) Bis zum Zuschlag oder Widerruf ist der Unabhängige Verwaltungssenat zuständig,

b) Entscheidungen des Auftraggebers für nichtig zu erklären;

Anlage

(Zu § 2)

Gesondert anfechtbare Entscheidungen

Direktvergabe Wahl des Vergabeverfahrens

Alle Verfahrensarten Wahl eines Vergabeverfahrens ohne

gesetzlich

vorgeschriebene

 

Vergabebekanntmachung"

1.2. Art. 14b B-VG lautet auszugsweise:

"Artikel 14b. (1) Bundessache ist die Gesetzgebung in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens, soweit diese nicht unter Abs. 3 fallen.

(2) Die Vollziehung in den Angelegenheiten des Abs. 1 ist

2. Landessache hinsichtlich

a) der Vergabe von Aufträgen durch das Land, …

(3) Landessache ist die Gesetzgebung und die Vollziehung in den Angelegenheiten der Nachprüfung im Rahmen der Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Sinne des Abs. 2 Z 2."

1.3. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes 2006, BGBl. I Nr. 17 in der Fassung BGBl. I Nr. 15/2010 (BVergG 2006), lauten:

"Dienstleistungsaufträge

§ 6. Dienstleistungsaufträge sind entgeltliche Aufträge, die keine Bau- oder Lieferaufträge sind und deren Vertragsgegenstand Dienstleistungen im Sinne der Anhänge III (prioritäre Dienstleistungsaufträge) oder IV (nicht prioritäre Dienstleistungsaufträge) sind.

Dienstleistungskonzessionsverträge

§ 8. Dienstleistungskonzessionsverträge sind Verträge, deren Vertragsgegenstand von Dienstleistungsaufträgen nur insoweit abweicht, als die Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistungen ausschließlich in dem Recht zur Nutzung der Dienstleistung oder in diesem Recht zuzüglich der Zahlung eines Preises besteht."

2. Zur Zuständigkeit der belangten Behörde:

2.1. Auftragsvergabe durch das Land:

Das Land Vorarlberg als Auftraggeber wendet in diesem Zusammenhang gegen den angefochtenen Bescheid ein, der verfahrensgegenständliche Auftragsgegenstand sei die Durchführung von kraftfahrtechnischen Überprüfungen (Gutachten für Genehmigungen und Prüfungen gemäß Kraftfahrgesetz 1967, Gefahrgutbeförderungsgesetz-Straße u.a.) gewesen. Die maßgeblichen Rechtsgrundlagen beträfen bundesgesetzliche Vorschriften, die der Landeshauptmann von Vorarlberg im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung zu erbringen habe. Die verfahrensgegenständlichen Leistungen, auf die sich der angefochtene Bescheid beziehe, seien also jeweils zur Vollziehung der mittelbaren Bundesverwaltung nach Art. 103 Abs. 1 B-VG erforderlich. Daher komme ausschließlich der Bund, vertreten durch den Landeshauptmann von Vorarlberg, "für diese Entscheidung" in Betracht und wäre von der belangten Behörde als alleiniger Antragsgegner heranzuziehen gewesen. Dem stehe auch nicht entgegen, dass die beiden seinerzeitigen Verträge vom Land Vorarlberg ausgeschrieben und abgeschlossen worden seien, da dieses Verfahren bereits im Jahre 1997 eingeleitet worden sei und die völlige Neu-Konzeption der Kompetenzverteilung in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens in Art. 14b B-VG erst mit 1. Jänner 2003 in Kraft getreten sei. Die Vergabe von Aufträgen durch den Bund sei gemäß Art. 14b Abs. 2 Z. 1 lit. a B-VG Bundessache. Bei den verfahrensgegenständlichen Leistungen handle es sich um solche, die für die Vollziehung der mittelbaren Bundesverwaltung benötigt würden, sodass für die vorliegende Angelegenheit nicht die belangte Behörde, sondern das Bundesvergabeamt zuständig sei.

Zu diesem Vorbringen ist festzuhalten, dass die Zuständigkeit in einem Vergabeverfahren vor dem Hintergrund der Kompetenzverteilung in Art. 14b B-VG davon abhängt, wer öffentlicher Auftraggeber ist. Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens sind Entscheidungen des öffentlichen Auftraggebers. Für die Zuständigkeit ist daher alleine maßgebend, von wem die im Nachprüfungsverfahren zu überprüfende Entscheidung stammt, nicht aber, ob in einem anderen Stadium des Verfahrens eine andere Person als öffentlicher Auftraggeber bezeichnet wurde (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 13. Oktober 2005, K I-2/05 u.a.; B 574/05 u.a. = VfSlg 17.678, und das hg. Erkenntnis vom 29. März 2006, Zl. 2005/04/0108, beide betreffend den "Stadionneubau Klagenfurt für EURO 2008").

In gleicher Weise ist für die Beurteilung der Zuständigkeit der belangten Behörde nach § 1 Abs. 1 des Vorarlberger Vergabenachprüfungsgesetzes vor dem Hintergrund der Kompetenzverteilung nach Art. 14b B-VG alleine entscheidend, von welchem Auftraggeber die im Nachprüfungsverfahren angefochtene Entscheidung stammt und nicht etwa - wie vom Land Vorarlberg als Auftraggeber eingewendet - in welchem Vollziehungsbereich die zu beschaffenden oder beschafften Leistungen benötigt werden.

Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass die im vorliegenden Nachprüfungsverfahren zu überprüfende Entscheidung vom Land Vorarlberg (dem Auftraggeber) stammt und liegt ausgehend davon keine Unzuständigkeit der belangten Behörde nach § 1 Abs. 1 Vorarlberger Vergabenachprüfungsgesetz vor.

2.2. Vergaberechtlich relevanter Vorgang (Vorliegen einer anfechtbaren Entscheidung):

Die Erstbeschwerdeführerin bringt gegen den angefochtenen Bescheid vor, es liege überhaupt keine Entscheidung eines Auftraggebers im Sinne des § 2 Abs. 1 Vorarlberger Vergabenachprüfungsgesetz vor. Der Auftraggeber habe der mitbeteiligten Partei lediglich bekanntgegeben, nach der Kündigung des Vertrages mit der mitbeteiligten Partei nicht auch den Vertrag mit der Erstbeschwerdeführerin zu kündigen. Eine spätere Auftrags- bzw. Direktvergabe an die Erstbeschwerdeführerin sei vom Auftraggeber nie erfolgt. Daran ändere auch nichts, dass bereits in der Bekanntmachung (der Vergabe der beiden Verträge) der Hinweis enthalten gewesen sei, dass die Vergabe an mindestens zwei Vertragspartner für unterschiedliche Standorte erfolgen solle. Damit handle es sich vielmehr um eine rechtlich unverbindliche Absichtserklärung. Keinesfalls stelle die Kündigung des Vertrages mit der mitbeteiligten Partei eine wesentliche Änderung der wesentlichen Bestimmungen des Vertrages dar, da die Erstbeschwerdeführerin nach wie vor den unveränderten Inhalt ihres Vertrages zu erbringen habe. Die Kündigung des Vertrages mit der mitbeteiligten Partei berühre daher in keiner Weise den Inhalt der Vereinbarung zwischen dem Auftraggeber und der Erstbeschwerdeführerin.

Auch der Auftraggeber bringt in diesem Zusammenhang vor, die zivilrechtliche Kündigung des Vertrages vom 16. Dezember 2010 gegenüber der mitbeteiligten Partei habe keinerlei vergaberechtliche Bedeutung, zumal die Vertragskündigung gegenüber der mitbeteiligten Partei keinerlei Änderung des Vertrages mit der Erstbeschwerdeführerin erforderlich gemacht habe. Die Erstbeschwerdeführerin sei vielmehr im Rahmen des im Vertrag bedungenen "Kontrahierungszwangs" verpflichtet, alle Leistungen des Vertrages allen Kunden anzubieten und ihnen gegenüber zu erbringen. Aus diesen Gründen bestehe überhaupt kein vergaberechtlicher Konnex. Durch die zivilrechtliche Vertragskündigung vom 16. Dezember 2010 sei weder ein neues Vergabeverfahren eingeleitet noch eine Zuschlagsentscheidung mitgeteilt oder ein Zuschlag erteilt worden.

Die Zweitbeschwerdeführerin bezieht sich auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2003, Zl. 2001/04/0146, wonach die nach erfolgter Auftragsvergabe vom öffentlichen Auftraggeber getroffene Entscheidung, an bestehenden Verträgen festzuhalten oder diese aber - nach Maßgabe der bestehenden Auflösungsmöglichkeiten - aufzulösen, nicht der Nachprüfungskompetenz der Vergabebehörde unterliegt. Jedoch hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis auch auf allfällig bestehende gemeinschaftsrechtliche Verpflichtungen hingewiesen.

In dieser Hinsicht hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in seiner Rechtsprechung im Urteil vom 19. Juni 2008 in der Rechtssache C-454/06 , pressetext Nachrichtenagentur GmbH, Slg. 2008, I-04401, festgehalten, dass "Änderungen der Bestimmungen eines öffentlichen Auftrags während seiner Geltungsdauer als Neuvergabe des Auftrags im Sinne der Richtlinie 92/50 anzusehen" sind, "wenn sie wesentlich andere Merkmale aufweisen als der ursprüngliche Auftrag und damit den Willen der Parteien zur Neuverhandlung wesentlicher Bestimmungen dieses Vertrags erkennen lassen" (Randnr. 34, mwN). Nach dieser Rechtsprechung kann eine Änderung auch als wesentlich angesehen werden, "wenn sie das wirtschaftliche Gleichgewicht des Vertrags in einer im ursprünglichen Auftrag nicht vorgesehenen Weise zugunsten des Auftragnehmers ändert" (Randnr. 37). Nach dieser Rechtsprechung ist es daher unionsrechtlich geboten, auch nachträgliche Änderungen eines bereits abgeschlossenen Vertrages als Neuvergabe eines Auftrages anzusehen, wenn sie - im Sinne der angeführten Rechtsprechung des EuGH - wesentlich andere Merkmale aufweisen als der ursprüngliche Auftrag.

Diese Rechtsprechung hat der EuGH in dem - von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid für ihre Auffassung angeführten -

Urteil vom 13. April 2010 in der Rechtssache C-91/08 , Wall AG, Slg. 2010, I-02815, für Dienstleistungskonzessionsverträge fortgeführt. Dort hat der EuGH festgehalten, dass, "wesentliche Änderungen der wesentlichen Bestimmungen eines Dienstleistungskonzessionsvertrags in bestimmten Fällen die Vergabe eines neuen Konzessionsvertrags erfordern" könnten, "wenn sie wesentlich andere Merkmale aufweisen als der ursprüngliche Konzessionsvertrag und damit dem Willen der Partei zur Neuverhandlung wesentlicher Bestimmungen dieses Vertrags erkennen lassen" (Randnr. 37 mit Verweis u.a. auf das Urteil vom 19. Juni 2008, "pressetext Nachrichtenagentur"). In diesem Urteil führte der EuGH auch aus: "Ein Wechsel des Nachunternehmers kann, auch wenn diese Möglichkeit im Vertrag vorgesehen ist, in Ausnahmefällen eine solche Änderung eines der wesentlichen Bestandteile des Konzessionsvertrags darstellen, wenn die Heranziehung eines Nachunternehmers anstelle eines anderen unter Berücksichtigung der besonderen Merkmale der betreffenden Leistung ein ausschlaggebendes Element für den Abschluss des Vertrages war" (Randnr. 39).

Diese in der Rechtsprechung des EuGH aufgestellten Voraussetzungen, "nämlich dass sich wesentliche Vertragsbestimmungen geändert haben und dass infolge dessen ein neuer Vertrag abgeschlossen werden muss" hat der EuGH jüngst im Urteil vom 11. Juli 2013 in der Rechtssache C-576/10 , Europäische Kommission gegen Königreich der Niederlande, Randnr. 62, bestätigt.

Übertragen auf den vorliegenden Beschwerdefall bedeutet das Folgendes:

Nach der dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Aktenlage wurde in den vom angefochtenen Bescheid angeführten Verträgen in Punkt 2. (Allgemeine Vorbemerkungen zur Leistungsbeschreibung) Folgendes vereinbart:

"Zielsetzung der Auslagerung des Kfz-Prüfwesens

Als generelle Zielsetzung des Landes gilt, dass Leistungen, die Private anbieten können, auch von Privaten ausgeführt werden sollten.

Dem AN ist bekannt, dass der AG einen Vertrag über die vertragsgegenständlichen Leistungen (insbesondere Abschnitt A des Leistungsverzeichnisses) mindestens mit einem zweiten AN abzuschließen beabsichtigt, damit auch im Bereich des Genehmigungswesens nicht ein 'staatliches Monopol' durch ein 'privates Monopol' abgelöst wird."

Damit ist als ein wesentliches Element für den Abschluss beider Verträge (im Sinne der oben angeführten Rechtsprechung des EuGH im Urteil "Wall AG") die Übertragung des Kfz-Prüfwesens an zwei Auftragnehmer festgelegt worden, um - wie ausdrücklich angeführt - ein "privates Monopol" zu vermeiden.

Genau von diesem wesentlichen Vertragsinhalt (betreffend den Vertrag mit der Erstbeschwerdeführerin) soll aber durch die Kündigung (des Vertrages mit der mitbeteiligten Partei) seitens des Auftraggebers vom 16. Dezember 2010 abgegangen werden. Dort führte der Auftraggeber ausdrücklich aus, dass die Weiterführung des Vertrages mit zwei Vertragspartnern auf Schwierigkeiten stoße und das Land daher gezwungen sei, die Auslagerung des Kfz-Prüfwesens auf einen Vertragspartner zu konzentrieren. Alternativen müssten letztlich verworfen werden, da sie - so das Kündigungsschreiben ausdrücklich - "eine Neuvergabe erfordern würden".

Damit ist diese beabsichtigte Änderung des Vertrages mit der Erstbeschwerdeführerin aber vor dem Hintergrund der oben angeführten Rechtsprechung des EuGH als wesentlich anzusehen, da das wirtschaftliche Gleichgewicht des Vertrages in einer im ursprünglichen Auftrag nicht vorgesehenen Weise zugunsten des verbleibenden Auftragnehmers, eben der Erstbeschwerdeführerin, geändert wurde und von einem ausschlaggebenden Element des Vertrages abgegangen werden soll. Das wirtschaftliche Gleichgewicht gegenüber der Erstbeschwerdeführerin als Auftragnehmerin sollte durch die Kündigung schon deshalb geändert werden, als dieser nunmehr entgegen der ursprünglichen Zielsetzung der Auslagerung des Kfz-Prüfwesens ein "private Monopol" zukommen sollte.

Diese mit der Kündigung des Vertrages (mit der mitbeteiligten Partei) beabsichtigte Änderung des ursprünglichen Vertrages (mit der Erstbeschwerdeführerin) ist daher im Sinne der oben angeführten Rechtsprechung des EuGH als Neuvergabe des ursprünglichen Auftrages anzusehen.

Bereits an dieser Stelle ist festzuhalten, dass damit auch die Auffassung der belangten Behörde, bei der Kündigung habe es sich nicht um die im Nachprüfungsverfahren angefochtene Entscheidung gehandelt, angesichts der vorliegenden Umstände des Beschwerdefalls nicht zutrifft:

Das von der belangten Behörde in diesem Zusammenhang angeführte Argument, es wäre dem Auftraggeber nach der Kündigung freigestanden, den frei werdenden Dienstleistungsumfang auch auszuschreiben, wird durch den Inhalt der Kündigung selbst widerlegt, in der es ausdrücklich heißt, dass die Auslagerung des Kfz-Prüfwesens auf einen Vertragspartner konzentriert werden soll und Alternativen wegen des Erfordernisses einer Neuvergabe verworfen wurden. Damit ist der Inhalt dieser Entscheidung des Auftraggebers, keine Neuvergabe durchführen und den ursprünglichen Vertrag mit der Erstbeschwerdeführerin wesentlich ändern zu wollen, nach ihrem objektiven Erklärungswert eindeutig feststellbar.

2.3. Dienstleistungskonzession oder Dienstleistungsauftrag:

Ausgehend vom Vorgesagten ist im Hinblick auf die Zuständigkeit der belangten Behörde weiter strittig, ob es sich beim vorliegenden Auftrag um einen dem Vorarlberger Vergabenachprüfungsgesetz unterliegenden Dienstleistungsauftrag oder eine gemäß § 1 Abs. 2 leg. cit. nicht der Nachprüfung durch die belangte Behörde unterliegende Dienstleistungskonzession gehandelt habe.

Nach der auch für die unionsrechtskonforme Auslegung des maßgeblichen § 8 BVergG 2006 maßgeblichen Rechtsprechung des EuGH ist die "Frage, ob ein Vorgang als Dienstleistungskonzession oder als öffentlicher Dienstleistungsauftrag einzustufen ist, ausschließlich anhand des Unionsrechts zu beurteilen" (vgl. das Urteil des EuGH vom 10. November 2011 in der Rechtssache C-348/10 , Norma-A SIA und andere, Slg. 2011, Randnr. 40, mwN). Aus den einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 2004/17 geht hervor, "dass der Unterschied zwischen einem Dienstleistungsauftrag und einer Dienstleistungskonzession in der Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistungen liegt. Der Dienstleistungsauftrag umfasst eine Gegenleistung, die vom öffentlichen Auftraggeber unmittelbar an den Dienstleistungserbringer gezahlt wird, während im Falle einer Dienstleistungskonzession die Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistungen in dem Recht zur Nutzung der Dienstleistung besteht, sei es ohne oder zuzüglich der Zahlung eines Preises" (vgl. das Urteil "Norma-A SIA", Randnr. 41, mwN). Aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich, "dass bei einer Dienstleistungskonzession der Konzessionär das Betriebsrisiko der in Rede stehenden Dienstleistungen übernimmt. Die fehlende Übertragung des mit der Erbringung der Dienstleistungen verbundenen Risikos auf den Dienstleistungserbringer weist darauf hin, dass es sich bei den betreffenden Vorgaben um einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag handelt und nicht um eine Dienstleistungskonzession" (Randnr. 44, mwN). Für die Einordnung als Dienstleistungskonzession ist es erforderlich, "dass der öffentliche Auftraggeber das auf ihm lastende Betriebsrisiko vollständig oder zumindest zu einem wesentlichen Teil auf den Konzessionär überträgt" (Randnr. 50; vgl. auch die Randnr. 48, in dem das Betriebsrisiko näher erläutert wird).

In den gegenständlichen Verträgen über die Übertragung des Kfz-Prüfwesens wurde vereinbart, dass mit den vereinbarten Preisen sämtliche nach dem Vertrag bis zu seiner Erfüllung zu erbringenden Leistungen einschließlich der Nebenleistungen sowie der Kosten abgegolten sind (Punkt 3.15.1 des Vertrages). Alle vertragsmäßig erbrachten Leistungen sind zu den vereinbarten Preisen abzurechnen (Punkt 3.15.5). Die belangte Behörde stellte im angefochtenen Bescheid hiezu fest, dass die Nettohonorarsumme der mitbeteiligten Partei nur zu 28 % durch Kostenbeiträge und Abgaben der Kunden gedeckt wurden. Weiters stellte die belangte Behörde fest, dass nach den Angaben der Erstbeschwerdeführerin die Kostenbeiträge und Abgaben der Kunden ca. zwei Drittel der Nettohonorarsumme ausmachten. Die belangte Behörde führt hiezu in ihrer Gegenschrift aus, bei diesen zwei Dritteln handle es sich jedoch nicht nur um eine Zuzahlung des Auftraggebers. Vielmehr nehme der Auftraggeber bzw. der Bund die anfallenden Verwaltungsabgaben bzw. Gebühren ein, welche die Erstbeschwerdeführerin lediglich für den Auftraggeber eingehoben habe und dieser bezahle unabhängig davon einen Betrag an die Erstbeschwerdeführerin. Diese Ausführungen werden durch den (im angefochtenen Bescheid auch festgestellten) Punkt 1.2.1 der Vereinbarung bestätigt, wonach die dort angeführten Kostenbeiträge und Abgaben zum Teil dem Bund zu Gute kommen und ansonsten an das Land bzw. den Produzenten abzuführen sind.

Insgesamt lässt sich aus dieser Ausgestaltung der Vergütung für die zu erbringende Leistung auch angesichts des in der Vereinbarung enthaltenen Kontrahierungszwanges nicht entnehmen, dass der Auftraggeber das ihn belastende Betriebsrisiko vollständig oder zumindest zu einem wesentlichen Teil auf die Erstbeschwerdeführerin übertragen habe.

Auf Grund dessen kann der von der belangten Behörde im vorliegenden Einzelfall beweiswürdigend vorgenommenen Einordnung der vorliegenden Verträge als Dienstleistungsaufträge nicht entgegen getreten werden.

3. Verfristung des Nachprüfungsantrages:

Ausgehend von der Zuständigkeit der belangten Behörde ist weiter entscheidend, ob die im Beschwerdefall maßgebliche Entscheidung des Auftraggebers fristgerecht bei der belangten Behörde angefochten wurde.

In diesem Zusammenhang rügt die Erstbeschwerdeführerin unter anderem, die mitbeteiligte Partei habe in ihrem Nachprüfungsantrag keine genaue Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung gemäß § 5 lit. a Vorarlberger Vergabenachprüfungsgesetz vorgenommen. Die Erstbeschwerdeführerin bringt in ihrer Beschwerde vor, als einzig gesondert anfechtbare Entscheidung käme gemäß § 2 Abs. 1 und der Anlage des Vorarlberger Vergabenachprüfungsgesetzes ausschließlich die "Wahl des Vergabeverfahrens" in Betracht. Jedoch habe die belangte Behörde eine "vermeintliche Zuschlagsentscheidung" zugunsten der Erstbeschwerdeführerin für nichtig erklärt. Dieser Nichtigerklärung fehle auch die ausreichende Bestimmung, da unklar sei, welche konkrete Entscheidung dadurch für nichtig erklärt worden sei.

Der Auftraggeber wendet in diesem Zusammenhang ein, die Vereinbarung mit der mitbeteiligten Partei sei bereits mit Schreiben vom 16. Dezember 2010 gekündigt worden. In diesem Kündigungsschreiben seien ausführlich die Hintergründe für die erforderlich gewordene Kündigung erläutert worden, weshalb der mitbeteiligten Partei bereits ab diesem Zeitpunkt klar gewesen sein müsse, dass ab 1. Jänner 2012 das relevante Kfz-Prüfwesen nur mehr von der Erstbeschwerdeführerin erbracht werden solle. Die vermeintliche Direktvergabe wäre damit bereits mit Zugang des Kündigungsschreibens vom 16. Dezember 2010 unmissverständlich festgestanden, sodass der vorliegende Nachprüfungsantrag der mitbeteiligten Partei gemäß § 7 Abs. 1 lit. c Vorarlberger Vergabenachprüfungsgesetz jedenfalls verfristet gewesen wäre.

Mit diesem Vorbringen zeigt der Auftraggeber eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:

Entscheidend ist nach dem Obgesagten, dass bereits mit dem Kündigungsschreiben vom 16. Dezember 2010 die nach außen in Erscheinung tretende Entscheidung des Auftraggebers erfolgte, eine im Sinne der Rechtsprechung des EuGH wesentliche Änderung des ursprünglichen Vertrages mit der Erstbeschwerdeführerin und somit eine Neuvergabe des Auftrages (ab dem in diesem Kündigungsschreiben genannten Zeitpunkt) vornehmen zu wollen.

Weiters ist im Beschwerdefall unstrittig, dass ein neuerliches Vergabeverfahren für diesen in Aussicht genommenen, wesentlich geänderten Auftrag nicht durchgeführt wurde.

Ausgehend davon kommen als gesondert anfechtbare Entscheidungen gemäß § 2 Abs. 1 sowie der Anlage des Vorarlberger Vergabenachprüfungsgesetzes die Wahl des Vergabeverfahrens (bei der Direktvergabe) oder die Wahl eines Vergabeverfahrens ohne gesetzlich vorgeschriebene Vergabebekanntmachung (bei allen Verfahrensarten) in Frage.

Es kann im Beschwerdefall dahin stehen, ob die von der mitbeteiligten Partei in ihrem Nachprüfungsantrag vorgenommene Umschreibung dieser gesondert anfechtbaren Entscheidung bzw. ob die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gewählte Umschreibung dieser gesondert anfechtbaren Entscheidung der Rechtslage entsprochen hat, weil der im angefochtenen Bescheid behandelte Nachprüfungsantrag (Antrag auf Nichtigerklärung einer Entscheidung) jedenfalls als verfristet anzusehen ist:

Ausgehend davon, dass das vergaberechtlich relevante Kündigungsschreiben vom 16. Dezember 2010 der mitbeteiligten Partei persönlich mitgeteilt wurde, kommt vorliegend die Frist des § 7 Abs. 1 lit. a des Vorarlberger Vergabenachprüfungsgesetzes zum Tragen. Danach sind bei Entscheidungen, die dem Unternehmer persönlich mitgeteilt werden, Anträge auf Nichtigerklärung dieser Entscheidung binnen 15 Tagen, bei elektronischer Mitteilung der Entscheidung oder Mitteilung per Telefax binnen 10 Tagen bei der belangten Behörde einzubringen.

Durch die Einbringung des Nachprüfungsantrages bei der belangten Behörde erst am 21. November 2011 (und somit nahezu ein Jahr nach Zugang des Kündigungsschreibens vom 16. Dezember 2010) wurde diese Frist durch die mitbeteiligte Partei jedenfalls nicht eingehalten.

Der Nachprüfungsantrag der mitbeteiligten Partei hätte daher von der belangten Behörde wegen Verfristung nach § 7 Abs. 1 lit. a Vorarlberger Vergabenachprüfungsgesetz zurückgewiesen werden müssen.

Der Spruchpunkt 1 des angefochtenen Bescheides ist daher bereits aus diesem Grund mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.

4. Da die Kostenentscheidung auf Spruchpunkt 1 aufbaut, ist auch Spruchpunkt 3 des angefochtenen Bescheides als inhaltlich rechtswidrig zu erkennen.

5. Aus diesen Erwägungen waren die im Spruch angeführten Spruchpunkte 1 und 3 des angefochtenen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.

6. Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden. Der Anforderung des Art. 6 Abs. 1 EMRK wurde durch die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde, einem Tribunal im Sinne der EMRK, Genüge getan (vgl. aus der ständigen hg. Rechtsprechung betreffend Vergabekontrollbehörden etwa das hg. Erkenntnis vom 9. April 2013, Zl. 2011/04/0042).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Das Mehrbegehren der Erstbeschwerdeführerin war abzuweisen, da die Umsatzsteuer in den nach der genannten Verordnung pauschalierten Beträgen bereits enthalten ist.

Wien, am 13. November 2013

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