VwGH 2010/08/0012

VwGH2010/08/001217.10.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer und MMag. Maislinger als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde des D T in M, vertreten durch Ing. Dr. Joachim Stock, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Sillgasse 12, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 24. November 2009, Zl. uvs- 2009/28/1631-7, betreffend Übertretung des § 111 ASVG (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §111;
ASVG §33 idF 2007/I/031;
ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs2;
ASVG §41;
Richtlinien Datenfernübertragung 2005;
VStG §27 Abs1;
ASVG §111;
ASVG §33 idF 2007/I/031;
ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs2;
ASVG §41;
Richtlinien Datenfernübertragung 2005;
VStG §27 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Finanzamt I erstattete am 2. April 2008 Anzeige gegen den Beschwerdeführer an die Bezirkshauptmannschaft I. Am 25. Februar 2008 um 9.15 Uhr hätten Organe des Finanzamtes I auf der Baustelle in R eine Beschäftigungskontrolle durchgeführt. Dabei sei der polnische Staatsangehörige S bei Spachtelarbeiten angetroffen worden. S habe Spachtel- und Schleifarbeiten auch auf anderen Baustellen für den Beschwerdeführer erbracht. Aus dem Gesamtbild des Sachverhaltes gehe hervor, dass kein Werkvertrag vorliege, sondern S wie ein Dienstnehmer seine Arbeitskraft schulde.

Mit Schreiben vom 6. Juni 2008 forderte die Bezirkshauptmannschaft I den Beschwerdeführer zur Rechtfertigung auf.

Der Beschwerdeführer gab am 3. Juli 2008 niederschriftlich vernommen an, S sei als Subunternehmer mit dem Gewerk Spachtelarbeiten beauftragt worden und habe auftragsgemäß seine Arbeit durchgeführt.

Das Finanzamt I erklärte zu diesen Angaben, es liege "Scheinselbständigkeit" vor. S habe durchgehende Stundenaufzeichnungen geführt; er habe auch eine tägliche Arbeitszeit von 8.00 Uhr bis 16.00 Uhr angegeben; als Unterkunftgeber des S scheine der Beschwerdeführer auf. S sei ausschließlich für den Beschwerdeführer tätig. S sei daher als Dienstnehmer anzusehen.

Am 10. September 2008 trat die Bezirkshauptmannschaft I das Verfahren "zuständigkeitshalber gemäß § 27 Abs. 1 VStG" an den Stadtmagistrat I ab.

Der Bürgermeister der Stadt I forderte am 14. Oktober 2008 den Beschwerdeführer (neuerlich) zur Rechtfertigung auf.

Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt I vom 27. April 2009 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er sei als Dienstgeber seiner Verpflichtung, einen nach dem ASVG von ihm in der Krankenversicherung (Vollversicherung) pflichtversicherten beschäftigten Dienstnehmer vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden, insofern nicht nachgekommen, als er als Dienstgeber in der Zeit vom 7. bis 25. Februar 2008 S auf der damaligen Baustelle in R als Bauhilfsarbeiter mit der Durchführung von Spachtelarbeiten und somit in persönlicher und auch wirtschaftlicher Abhängigkeit vollversichert beschäftigt habe, ohne diesen Dienstnehmer vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger, nämlich der Tiroler Gebietskrankenkasse mit Sitz in I angemeldet zu haben. Er habe dadurch die Verwaltungsübertretung nach § 111 Abs. 1 Z 1 (erster Fall) iVm § 33 Abs. 1 ASVG begangen. Es wurde eine Geldstrafe von EUR 730,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen) verhängt.

Begründend führte der Bürgermeister aus, bei der vorliegenden Beschäftigung mit einfachen manuellen Tätigkeiten handle es sich in aller Regel und typischer Weise um ein vollversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis. Dieser Annahme im vorliegenden Fall entgegenstehende Umstände habe der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung. Er habe S "als eigenständige Firma mit Gewerbeberechtigung für Spachtelarbeiten" in R beauftragt. Wenn S interne Stundenaufzeichnungen gemacht habe, so sei dies "nicht unrecht"; in der Regel führe jedes Unternehmen Stundenaufzeichnungen, um entsprechende Kalkulationen oder auch Berechnungen durchführen zu können. S sei auch berechtigt gewesen, grenzüberschreitende Aufträge anzunehmen.

Mit Stellungnahme vom 9. September 2009 wandte der Beschwerdeführer - nunmehr anwaltlich vertreten - ein, der Beschwerdeführer habe zum Zeitpunkt der behaupteten Übertretungen seinen Sitz in M gehabt. Bei Übertretungen durch Unterlassung sei der Tatort dort anzunehmen, wo der Beschuldigte hätte handeln sollen; wenn eine solche Unterlassung im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Unternehmens erfolge, falle dieser Ort mit dem Sitz des Unternehmens zusammen. Der Bürgermeister der Stadt I sei daher örtlich unzuständig gewesen. Das Straferkenntnis enthalte auch keine Ausführungen zum Tatort.

Zur mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde erschien der Beschwerdeführer nicht; sein Vertreter teilte mit, der Beschwerdeführer könne über die gegenständliche Angelegenheit nichts aussagen, zumal er mit diesem Auftrag nicht betraut gewesen sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, aus der Anzeige des Finanzamtes gehe hervor, dass am 25. Februar 2008 durch Organe des Finanzamtes I auf der Baustelle in R eine Beschäftigungskontrolle durchgeführt worden sei. Bei dieser Kontrolle sei der polnische Staatsangehörige S bei "Spachtelarbeiten" für das Unternehmen des Beschwerdeführers angetroffen worden. Der Auftrag und die Rechnungslegung (Gipskartonwände, Spachteln und Schleifen) seien zwischen dem Beschwerdeführer und dem Bauherrn erfolgt. Vom polnischen Staatsangehörigen S seien Tagesauflistungen mit Stundenaufzeichnungen für den Beschwerdeführer geführt worden. Als Unterkunftgeber des polnischen Staatsangehörigen scheine seit 7. Februar 2007 der Beschwerdeführer auf. Spachtel- und Schleifarbeiten seien von S auf verschiedenen Baustellen für den Beschwerdeführer getätigt worden. Die Auftragsvergabe laut "Werkvertrag" sei am 2. Jänner 2008 erfolgt. Aus diesem Gesamtbild gehe nach Ansicht des Finanzamtes I eindeutig hervor, dass S nicht für ein Werk, sondern wie ein Dienstnehmer seine Arbeitskraft schulde.

Der Beschwerdeführer habe im erstinstanzlichen Verfahren eine übersetzte Kopie über die Bescheinigung für die Eintragung des Gewerbes ins Handelsregister in Polen für S vorgelegt. Daraus gehe als Tätigkeitsklassifizierung hervor: Putzen, Bautischlereimontage, Fußbodenverlegung, Tapezieren und Wändeverblendung, Ausführung von sonstigen abschließenden Bauarbeiten. Aus dem Personenblatt gehe hervor, dass S als "Spachtler" tätig gewesen sei und einen Lohn von EUR 500,-- erhalten habe. Die tägliche Arbeitszeit sei mit 8 Uhr bis 16 Uhr angegeben worden. Aus den Arbeitsaufzeichnungen des S, welche den Kontrollbeamten vor Ort vorgelegt worden seien, gingen die Daten vom 7. bis 29. Februar 2008 hervor; darin seien täglich Stundenaufzeichnungen vorgenommen worden.

Aus den handschriftlichen Aufzeichnungen lasse sich entnehmen, dass die Abrechnung nach Stunden erfolgt sei. S sei wie ein normaler Bauarbeiter tätig gewesen und habe lediglich seine Arbeitskraft zur Verfügung gestellt. S sei mit zahlreichen Bauvorhaben befasst gewesen, sodass eine wirtschaftliche Abhängigkeit gegeben gewesen sei. Es seien Stundenaufzeichnungen vorgenommen worden, das Material sei vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt worden. S sei bei Spachtelarbeiten angetroffen worden. Insgesamt ergebe sich, dass die gewerblichen Anmeldungen nur das Ziel verfolgten, die Bestimmungen des ASVG zu umgehen.

Die im "Werkvertrag" angeführte Leistung "Spachtel und Schleifarbeiten an bestehenden GK-Wänden und Decken" stelle kein Werk dar und könne keine Grundlage einer Gewährleistung sein. Es handle sich um Hilfsarbeiten bzw. um einfache Tätigkeiten. Werde jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen arbeitend unter solchen Umständen angetroffen, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuteten (wie dies bei Hilfsarbeiten auf einer Baustelle der Fall sei), sei die Behörde berechtigt, von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinn auszugehen, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden könnten, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegen stünden. Derartige einfache Hilfsarbeiten könnten in der Regel kein selbständiges Werk darstellen.

Über den Betrieb des Beschwerdeführers sei am 13. Juni 2008 der Konkurs eröffnet worden. Die über den Beschwerdeführer verhängte Geldstrafe sei aufgrund des Schuld- und Unrechtsgehaltes der Tat nicht als überhöht anzusehen, sondern stelle die Mindeststrafe dar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen und beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe seinen Unternehmenssitz in M gehabt; Tatort der behaupteten Übertretung sei sohin die Gemeinde M gewesen. Der Bürgermeister der Stadt I sei demnach örtlich unzuständig gewesen. Auch liege kein Arbeitsverhältnis oder arbeitnehmerähnliches Verhältnis, sondern ein Werkvertrag vor. Die zu erbringenden Tätigkeiten seien im Werkvertrag genau umrissen und stellten auch einen gewährleistungsfähigen Erfolg dar. Es werde ein Erfolg und nicht ein dauerndes Bemühen geschuldet. Im Werkvertrag sei im Vorhinein ein Werklohn von EUR 1.000,-- vereinbart worden; dieser Betrag sei vom Subunternehmer nach Fertigstellung des Werks auch in Rechnung gestellt und bar bezahlt worden. Die vorgelegten Stundenaufzeichnungen seien nicht Basis der Entlohnung gewesen. Es sei nicht unüblich, dass ein selbständig tätiger Handwerker auch Stundenaufzeichnungen führe, um seinen fiktiven Stundensatz zu ermitteln. Das vorgelegte Personenblatt sei offensichtlich für die Beschreibung unselbständiger Tätigkeiten konzipiert; dennoch habe der Subunternehmer bei der Frage "ich arbeite für" seinen Namen und die Bezeichnung seines Unternehmens angegeben. Der Subunternehmer habe auch - obwohl er schlecht deutsch gesprochen habe - angegeben, er sei selbständig tätig.

2. Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG (in der Fassung BGBl. I Nr. 31/2007) haben die Dienstgeber u.a. jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden. Die Anmeldung kann in zwei Schritten erfolgen (vgl. § 33 Abs. 1a ASVG).

Gemäß § 41 Abs. 1 ASVG sind die Meldungen nach § 33 Abs. 1 ASVG mittels elektronischer Datenfernübertragung in den vom Hauptverband festgelegten einheitlichen Datensätzen zu erstatten. Das Einlangen der Meldungen ist mittels elektronischer Datenfernübertragung zu bestätigen (§ 41 Abs. 2 ASVG). Außerhalb elektronischer Datenfernübertragung dürfen Meldungen nur dann erstattet werden, soweit dies in Richtlinien des Hauptverbandes vorgesehen ist, wobei für die Mindestangaben-Anmeldung nach § 33 Abs. 1a Z 1 ASVG auch die telefonische Meldung und die Meldung mit Telefax vorzusehen sind (§ 41 Abs. 4 ASVG).

Die Richtlinien über Ausnahmen von der Meldungserstattung mittels Datenfernübertragung 2005 (RMDFÜ 2005; www.avs.at , Nr. 145/2005, abgeändert mit Nr. 181/2005 und 124/2007) sehen vor, dass Meldungen, wenn die Meldung über Datenfernübertragung unzumutbar ist oder wenn die Datenfernübertragung für längere Zeit ausgefallen ist, auch mittels Datenträger (Diskette, Magnetband, Magnetbandkassette), mit Telefax (auf einem Formular, das beim Versicherungsträger für Meldungen aufliegt) oder schriftlich (mit dem Formular, das beim Versicherungsträger für Meldungen aufliegt) erfolgen kann (§ 5 Abs. 1 RFDÜ 2005). Mindestangaben-Anmeldungen (§ 33 Abs. 1a ASVG) können außerhalb der elektronischen Datenfernübertragung mit Telefax, telefonisch oder schriftlich erstattet werden (§ 9 RMDFÜ 2005).

Gemäß § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG (in der Fassung BGBl. I Nr. 31/2007) handelt (u.a.) ordnungswidrig, wer als Dienstgeber entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet. Die Ordnungswidrigkeit ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen (§ 111 Abs. 2 ASVG).

3. Gemäß § 27 Abs. 1 VStG ist die Behörde örtlich zuständig, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich demnach danach, wo der Täter gehandelt hat oder hätte handeln sollen (§ 2 Abs. 2 VStG).

Zunächst ist darauf zu verweisen, dass die mit BGBl. I Nr. 150/2009 (ausgegeben am 30. Dezember 2009) - ohne Übergangsregelung (vgl. dazu 490 BlgNR 24. GP, 5) - eingefügte Bestimmung des § 111 Abs. 5 ASVG, wonach die Verwaltungsübertretung als in dem Sprengel der Bezirksverwaltungsbehörde begangen gilt, in dem der Sitz des Betriebes des Dienstgebers liegt, im vorliegenden Fall noch nicht anzuwenden ist.

Bei Prüfung der Frage, wo der Täter gehandelt hat oder hätte handeln sollen, ist stets auf das betreffende Tatbild Bedacht zu nehmen (vgl. etwa Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2 § 27 VStG E 28).

Tatbildlich nach § 111 ASVG ist u.a. die Unterlassung der Erstattung von (rechtzeitigen) Meldungen. § 41 ASVG sieht - im Zusammenhalt mit den dazu erlassenen Richtlinien - verschiedene Möglichkeiten vor, wie der Meldepflicht nachgekommen werden kann. Auch wenn primär die Anmeldung mittels elektronischer Datenfernübertragung erfolgen soll, stehen dem Dienstgeber damit verschiedene Handlungsalternativen zur Verfügung. Entscheidend für die Erfüllung der Anmeldepflicht ist, dass die Anmeldung beim Versicherungsträger einlangt; die Meldung ist dann verspätet, wenn sie verspätet beim Versicherungsträger einlangt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. November 2002, Zl. 2000/08/0047).

Erfüllungsort der Anmeldung nach § 33 ASVG ist demnach der Sitz des zuständigen Versicherungsträgers, der damit der Tatort der Unterlassung einer (rechtzeitigen) Meldung ist (vgl. - zu § 103 Abs. 2 KFG - das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 31. Jänner 1996, Zl. 93/03/0156, VwSlg. 14.398 A/1996; vgl. allgemein zu Verstößen gegen Melde-, Anzeige-, Auskunfts- oder Ablieferungspflichten N. Raschauer in Raschauer/Wessely, Kommentar zum Verwaltungsstrafgesetz, § 27 VStG, Rz 3).

Damit war im vorliegenden Fall der Bürgermeister der Stadt I - als Bezirksverwaltungsbehörde am Sitz des zuständigen Versicherungsträgers - in erster Instanz örtlich zuständig.

4. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es für die Abgrenzung des Dienstvertrages vom freien Dienstvertrag einerseits und vom Werkvertrag andererseits darauf an, ob sich jemand auf gewisse Zeit zur Dienstleistung für einen anderen (den Dienstgeber) verpflichtet (diesfalls liegt ein Dienstvertrag vor) oder ob er die Herstellung eines Werkes gegen Entgelt übernimmt (in diesem Fall läge ein Werkvertrag vor), wobei es sich im zuletzt genannten Fall um eine im Vertrag individualisierte und konkretisierte Leistung, also eine in sich geschlossene Einheit handelt, während es im Dienstvertrag primär auf die rechtlich begründete Verfügungsmacht des Dienstgebers über die Arbeitskraft des Dienstnehmers, also auf seine Bereitschaft zu Dienstleistungen für eine bestimmte Zeit (in Eingliederung in den Betrieb des Leistungsempfängers sowie in persönlicher und regelmäßig damit verbundener wirtschaftlicher Abhängigkeit von ihm) ankommt. Vom Dienstvertrag ist jedoch überdies der "freie Dienstvertrag" zu unterscheiden, bei dem es auf die geschuldete Mehrheit gattungsmäßig umschriebener Leistungen, die von Seiten des Bestellers laufend konkretisiert werden, ohne persönliche Abhängigkeit ankommt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2011, Zl. 2010/08/0129, mwN).

Für die Beurteilung der Frage, ob ein auf einem Vertrag beruhendes Beschäftigungsverhältnis in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit besteht, kommt dem Vertrag zunächst die Vermutung seiner Richtigkeit zu, d.h. es ist davon auszugehen, dass er den wahren Sachverhalt widerspiegelt. Soweit ein Vertrag von den tatsächlichen Gegebenheiten nicht abweicht, ist er als Teilelement der vorzunehmenden Gesamtbeurteilung in diese einzubeziehen, weil er die von den Parteien in Aussicht genommenen Konturen des Beschäftigungsverhältnisses sichtbar werden lässt. Weicht die tatsächliche Ausübung der Beschäftigung aber vom Vertrag ab, ist nicht primär der Vertrag maßgebend, sondern dann sind die wahren Verhältnisse entscheidend, d.h. ob bei der tatsächlichen und nicht bloß vereinbarten Art der Beschäftigung die Kriterien persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit überwiegen (vgl. neuerlich das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2011, mwN).

Ob bei der Beschäftigung die Merkmale persönlicher Abhängigkeit des Beschäftigten vom Empfänger der Arbeitsleistung gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit überwiegen und somit persönliche Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG gegeben ist, hängt davon ab, ob nach dem Gesamtbild der konkret zu beurteilenden Beschäftigung die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch diese und während dieser Beschäftigung weitgehend ausgeschaltet oder (wie bei anderen Formen der Gestaltung einer Beschäftigung) nur beschränkt ist. Für das Vorliegen der persönlichen Abhängigkeit sind als Ausdruck der weitgehenden Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch seine Beschäftigung nur seine Bindung an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit, das arbeitsbezogene Verhalten sowie die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse und die damit eng verbundene grundsätzlich persönliche Arbeitspflicht unterscheidungskräftige Kriterien zur Abgrenzung von anderen Formen der Gestaltung einer Beschäftigung (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2011, mwN).

Es ist keineswegs ausgeschlossen, dass ein Dienstverhältnis vorliegt, wenn der Dienstnehmer zusätzlich über einen Gewerbeschein verfügt. Ebenso steht die Gewährung eines leistungsbezogenen Entgeltes einem Dienstverhältnis nicht entgegen. Die für die persönliche Abhängigkeit charakteristische weitgehende Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch die Tätigkeit kann unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles auch dann vorliegen, wenn der Beschäftigte aufgrund einer Vereinbarung oder der Betriebsübung oder der Art seiner Beschäftigung Beginn und Dauer der täglichen Arbeitszeit weithin selbst bestimmen kann. Hat aber die allfällige Ungebundenheit des Beschäftigten hinsichtlich Arbeitsablauf und Arbeitszeit ihre Grenze in der unterschiedlichen Dringlichkeit der zu besorgenden Angelegenheiten und den betrieblichen Erfordernissen, sodass die Arbeitserbringung letztlich doch im Kern an den Bedürfnissen des Dienstgebers orientiert sein muss, so spricht dies für ein Verhältnis persönlicher Abhängigkeit (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2011, mwN).

Bei einfachen manuellen Tätigkeiten oder Hilfstätigkeiten, wozu zweifelsohne auch die vorliegenden Bauhilfstätigkeiten zählen, die in Bezug auf die Art der Arbeitsausführung und auf die Verwertbarkeit keinen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum des Dienstnehmers erlauben, kann bei einer Integration des Beschäftigten in den Betrieb des Beschäftigers - in Ermangelung gegenläufiger Anhaltspunkte - das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher Abhängigkeit ohne weitwendige Untersuchungen vorausgesetzt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2011, Zl. 2010/08/0089, mwN).

Im vorliegenden Fall begegnet es keinen Bedenken, wenn die belangte Behörde das Vorliegen eines Werkvertrages verneint hat. S war bei einfachen manuellen Tätigkeiten angetroffen worden. Er war ausschließlich für den Beschwerdeführer an mehreren Baustellen für diesen tätig. Das Material für seine Tätigkeiten (Spachtelmasse und Eckschutzschienen) wurde ihm vom Beschwerdeführer zur Verfügung gestellt. S war regelmäßig von 8 Uhr bis 16 Uhr tätig und führte dazu Aufzeichnungen über seine Arbeitszeit, welche eine Kontrolle durch den Beschwerdeführer ermöglichten. Der Beschwerdeführer war überdies auch Unterkunftgeber des S, woraus sich ebenfalls ergänzende Kontrollmöglichkeiten für den Beschwerdeführer ergaben.

Wenn die belangte Behörde unter Berücksichtigung dieser Umstände davon ausgegangen ist, dass es sich beim "Werkvertrag" um eine Scheinvereinbarung gehandelt hat, so kann dieser Beurteilung nicht entgegengetreten werden.

5. Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 17. Oktober 2012

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