European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2011:2010110018.X00
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von € 1.211,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bundessozialamtes Steiermark (BSA) vom 14. November 2001 (ABl. 14) wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 31. August 2001 auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten gemäß §§ 2 Abs. 1, 3, 14 Abs. 2 und 27 Abs. 1 des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG) abgewiesen. Diese Entscheidung erfolgte auf der Basis eines Sachverständigengutachtens vom 3. Oktober 2001, in dem ein Gesamtgrad der Behinderung von 30 % angenommen und zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers Folgendes ausgeführt wurde:
„chronisches Lendenwirbelsäulensyndrom bei geringgradigen Veränderungen und Funktionsstörungen I/f 190 30 % oberer RSW, bei Sacroiliacalgelenksirritation rechts mit pseudoradikulärer Ausstrahlung und Dysästhesien L4und S1 Dermatom rechts“
Am 16. Jänner 2008 (ABl. 70) stellte der Beschwerdeführer mit der Begründung „allgemeine Verschlechterung des Kreuzes und einer Knieverletzung“ einen neuerlichen Antrag, und führte in dem am 15. Mai 2008 an das Bundessozialamt übermittelten Formularantrag (ABl. 74) unter der Rubrik „Gesundheitsschädigungen“ Folgendes aus: „Hoher Blutdruckkein Befund WS Knie, Gastritis, Dysthymie“.
Aus den Verwaltungsakten ergibt sich, dass der Beschwerdeführer am 30. August 2006 einenmit Bescheid der AUVA vom 7. Mai 2007 (ABl. 103) als Arbeitsunfall anerkanntenUnfall erlitten hatte, bei dem sein rechtes Knie verletzt und dauerhaft geschädigt wurde.
Das BSA bestellte Dr. Renate Wiesler, Ärztin für Allgemeinmedizin, zur Sachverständigen. Deren Gutachten vom 16. Juni 2008 (ABl. 86) beinhaltet folgende „Einschätzung“:
„GS 1: degenerative Wirbelsäulenerkrankung
I/f/190 30 v.H.
(oberer RSW entsprechend der Funktionseinschränkung und der Sensibilitätsstörung)
Keine Änderung zum Vorgutachten
GS 2: Entwicklung körperlichen Symptome aus psychischen Gründen, Depression
V/e/58540 v.H.
(vier Stufen über unteren RSW entsprechend Befundausmaß)
GS 3: Knieschädigung rechts
I/d/122 10 v.H.
(GZunterer RSW entsprechend Befundausmaß)
GS 4: Gastritis
III/d/347 10 v.H.
(eine Stufe unter oberen RSW entsprechend Befundausmaß)
GS 5: arterieller Bluthochdruck
III/c/323 20 v.H.
(unterer RSW entsprechend der Druckregulationsstörung)
Grad der Gesamtbehinderung 50 v.H.
Gebildet im Zusammenwirken aller Leiden, wobei der Grad der Behinderung von GS 2 durch den Grad der Behinderung von GS 1 um eine Stufe angehoben wird. Durch GS 3 bis GS 5 erfolgt wegen Geringfügigkeit keine Anhebung der Gesamtbehinderung.
Gegenüber Vorgutachten: Verschlimmerung, da zusätzliche Erkrankungen.“
Im Akt findet sich einehandschriftliche„Korrektur“ dieser Beurteilung durch den ärztlichen Dienst des BSA („Dr. Gschiel“).
Danach werde die Gesundheitsschädigung 2 mit 20 v.H. bewertet; dies mit folgender Begründung: „2 Stufen über unteren RSW entsprechend der erforderlichen medikamentösen Behandlung mit fehlendem Nachweis einer Psychotherapie“.
Die Gesundheitsschädigung 5 (arterieller Bluthochdruck) wurde gestrichen mit folgender Begründung: „keine Einschätzung bei fehlender zumutbarer medikamentöser Behandlung“. Als Gesamtgrad der Behinderung wird 40 v.H. angenommen mit folgender Begründung:
„Gebildet im Zusammenwirken aller Leiden, wobei der Grad der Behinderung von GS 1 durch den Grad der Behinderung von GS 2 um eine Stufe angehoben wird. Durch GS 3 und GS 4 erfolgt wegen Geringfügigkeit keine Anhebung der Gesamtbehinderung.“
Im Rahmen des Parteiengehörs wurde dem Beschwerdeführer folgendes Beiblatt übermittelt:
„Beiblatt betr. [den Beschwerdeführer], Zl. 1885/01
Nach dem eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten vom 10.6.2008 das als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt wird, ergibt sich nach den gemäß § 27 Abs. 1 BEinstG anzuwendenden mit Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 9. Juni 1965, BGBl. Nr. 150/1965, festgesetzten Richtsätzen folgende Einschätzung Ihrer Gesundheitsschädigungen:
Lfd. Nr. Art der Gesundheitsschädigung Position in den Richtsätzen Grad der Behinderung
1 Degenerative Wirbelsäulenerkrankung (oberer RSW, entsprechend der Funktionseinschränkung und der Sensibilitätsstörung 190 30 v.H.
2 Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen, Depression (2 Stufen über dem unteren RSW, entsprechend der erforderlichen medikamentösen Behandlung mit fehlendem Nachweis einer Psychotherapie) 585 20 v.H.
Folgende Gesundheitsschädigungen verursachen auch im Zusammenhang mit anderen Gesundheitsschädigungen keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung:
Bluthochdruck, da dzt. nicht in Behandlung
Die im Zusammenwirken der oben angeführten Gesundheitsschädigungen verursachte Funktionsbeeinträchtigung beträgt vierzig vom Hundert (40 v.H.), weil der Grad der Behinderung (GdB) der Gesundheitsschädigung (GS) 1 durch den GdB der GS 2 um 1 Stufe angehoben wird. GS 3 und GS 4 heben nicht weiter an.
Gegenüber dem Vorgutachten wurde der Gesamt GdB aufgrund der neu hinzugetretenen GS 24 von 30 v.H. auf 40 v.H. angehoben.
Gemäß § 3 der oben zitierten Richtsatzverordnung ist bei der Gesamteinschätzung mehrerer Leiden zunächst von der Gesundheitsschädigung auszugehen, die den höchsten Grad der Behinderung verursacht. Sodann ist zu prüfen, ob und inwieweit der durch die Gesamteinschätzung zu erfassende Gesamtleidenszustand infolge des Zusammenwirkens aller Gesundheitsschädigungen eine höhere Einschätzung des GdB rechtfertigt. Dabei dürfen die Prozentsätze der einzelnen Leiden nicht addiert werden und auch eine Ermittlung des GsB im Wege einer schematischen Subtraktion ist nicht zulässig.
Folgende Gesundheitsschädigungen werden gemäß § 3 BEinstG bei der Einschätzung des Grades der Behinderung nicht berücksichtigt:
Gesundheitsschädigungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 20 v.H., die auch im Zusammenwirken mit anderen Gesundheitsschädigungen keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursachen:
Lfd. Nr. Art der Gesundheitsschädigung Position in den Richtsätzen Grad der Behinderung
3 Knieschädigung rechts (unterer RSW, entsprechend dem Befundausmaß) 122 10 v.H.
4 Gastritis (1 Stufe unter dem oberen RSW, entsprechend dem Befundausmaß).“ 347 10 v.H.
Der Beschwerdeführer wandte dagegen mit Stellungnahme vom 1. Juli 2008 (ABl. 96) im Wesentlichen Folgendes ein:
Die Knieschädigung rechts, nämlich ein Riss des inneren Meniskus des rechten Kniegelenks, sei als Arbeitsunfall anerkannt worden, wobei seitens der Unfallversicherungsanstalt zunächst eine vorläufige Rente entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 %, in der Folge von 10 % festgesetzt worden sei. Im Verfahren sei unberücksichtigt geblieben, dass nahezu sämtliche nicht unbeträchtlichen Krankenstände des Beschwerdeführers im Jahr 2007, aber auch im Jahr 2008, ausschließlich wegen seiner Verletzung am Knie und im Zusammenhang mit seinen Kniebeschwerden, zustande gekommen seien. Die Knieverletzung sei mit einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung verbunden. Auch hinsichtlich der Gastritis habe das BSA übersehen, dass die chronische Gastritis des Beschwerdeführers zu entsprechenden schweren Belastungen in der Vergangenheit geführt habe. Auch die vorliegende Depression sei zu gering bewertet worden; die bestehenden Symptome rechtfertigten eine höhere Einstufung. Der Beschwerdeführer verwies dazu auf gleichzeitig vorgelegte Befunde und beantragte eine ergänzende Begutachtung durch einen Orthopäden sowie einen Psychiater.
Das BSA veranlasste daraufhin eine Befundaufnahme und Gutachtenserstattung durch Dr. Ronald Weiß, Arzt für Allgemeinmedizin, Arbeitsmedizin und Sportmedizin.
Dieser kommt in seinem Gutachten vom 13. August 2008 (ABl. 108 ff) zu folgender Einschätzung:
„...
GS 1) Degenerative Wirbelsäulenveränderungen mit chronischer Lumboischialgie.
I/f 190 30 %
Pos. mit oberen Richtsatzwert auf Grund der chronifizierten Schmerzproblematik mit Bewegungseinschränkungen u. Sensibilitätsstörung am rechten Bein ohne periphere motorische Ausfälle.
GS 2) Degenerative Kniegelenksveränderungen mit Meniskusschaden rechts.
I/d 122 20 %
Pos. mit oberen Richtsatzwert bei geringfügiger Bewegungseinschränkung, deutlicher Belastungseinschränkung und ausgeprägter Belastungsschmerzhaftigkeit.
GS 3) Agitierte Depressio mit ausgeprägter Somatisierungsneigung.
V/e 585 30 %
Pos. mit 3 Stufen über dem unteren Richtsatzwert bei einfacher medikamentöser Therapie, jedoch massiver Überlagerung der körperlichen Schmerzproblematik und Hinweisen für histrionische Persönlichkeitsstörung.
GS 4) Gastritis.
III/d 347 10 %
Pos. mit 1 Stufe über dem unteren Richtsatzwert bei notwendiger medikamentöser Therapie und persönlichem Leidensdruck.
Gesamtgrad der Behinderung 40 %, ergibt sich aus der führenden GS 3, die durch GS 1 und 2 gemeinsam um 1 weitere Stufe angehoben wird.
GS 1 und 2 können nur gemeinsam anheben, da hier eine ausgeprägte Überschneidung mit der führenden GS 3 besteht und daher nur ein teilweiser maßgeblicher zusätzlicher Behinderungswert im Alltag resultiert.
GS 4 kann nicht weiter anheben, da hier kein maßgeblicher zusätzlicher Behinderungswert besteht.
Im Vergleich zum VGA wurde GS 1 unverändert beibehalten, da die Pos. 191 nicht gerechtfertigt ist, zumal weder die Funktionseinschränkungen hochgradiger Natur sind noch periphere motorische Ausfälle vorhanden sind.
GS 2 wurde um 1 Stufe über der Vorbegutachtung eingeschätzt, wobei die radiologischen Befunde zwar nur eine beginnende deg. Kniegelenksveränderung, jedoch eine deutliche Meniskusschädigung aufweisen, welche die Belastungsproblematik relevant einschränkt.
GS 3 um 1 Stufe über dem VGA, wobei lediglich eine niedrige medikamentöse Therapie (1/2 Tablette Mirtaron) eingenommen wird, die psychische Problematik jedoch die körperlichen Leidenszustände deutlich überlagert und zum erheblichen Teil auch mitbestimmt. Aus diesem Grund wurde auch GS 3 nun als führende GS herangezogen, da sie den tatsächlichen Behinderungswert im Alltag dominiert; GS 1 und 2 können jedoch auf Grund dieser ausgeprägten Dominanz und Überschneidung bei erheblicher Somatisierungsneigung nur gemeinsam um 1 weitere Stufe anheben.
In GS 3 ist auch die gesamte vegetative Problematik mit Blutdruckveränderungen (dzt. ohne medikamentöse Therapienotwendigkeit) Schlafstörungen, den Problemen am Arbeitsplatz und der agitierten psychischen Problematik inkludiert. ...“
Auf dieser Basis wies das BSA mit Bescheid vom 3. September 2008 (ABl. 115 ff) den Antrag des Beschwerdeführers auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten ab; der Grad der Behinderung betrage nur 40 %.
In der Berufung gegen diesen Bescheid machte der Beschwerdeführer im Wesentlichen Folgendes geltend:
Durch Nichtübermittlung des Gutachtens Dris. Weiß sei sein Recht auf Parteiengehör verletzt und ihm unmöglich gemacht worden, dieses Gutachten durch ein Privatgutachten zu entkräften bzw. zusätzliche Beweise beizubringen. So sei es dazu gekommen, dass die degenerative Kniegelenksveränderung mit Meniskusschaden rechts mit 20 % wesentlich zu gering eingeschätzt wurde. Tatsächlich sei der Beschwerdeführer auf Grund seiner schweren Knieverletzung gezwungen gewesen, wochenlang im Krankenstand zu bleiben. Die Behörde wäre verpflichtet gewesen, die verschiedenartigen Gesundheitsschäden auch von verschiedenen Fachärzten begutachten zu lassen. Eine beim Beschwerdeführer vorliegende agitierte Depression mit ausgeprägter Somatisierungsneigung, vegetativer Problematik mit Blutdruckveränderungen und Schlafstörungen und Hinweisen auf histrionische Persönlichkeitsstörung könne in ihrer Wertigkeit nur von einem Facharzt aus dem Bereich der Psychiatrie beurteilt werden. Ein solcher Sachverständiger hätte auch beurteilen können, inwieweit auf Grund der Depressionen mit multiplen psychosomatischen Störungen die nervliche Belastbarkeit des Beschwerdeführers auf ein Minimum herabgesunken wäre. Die Gesundheitsschädigungen Positionen 1 und 2 (Wirbelsäule und Knie) beträfen durchwegs den Bewegungsapparat, sodass unter Hinzutreten der Position 3 die Annahme eines lediglich 40 %igen Behinderungsgrads nicht schlüssig begründet sei. Die Wahl der Position 190 bei Beurteilung der Schäden an der Wirbelsäule verkenne, dass von dieser Position lediglich geringgradige Funktionseinschränkungen erfasst seien, während nach dem Gutachten beim Beschwerdeführer chronische Schmerzproblematik mit Bewegungseinschränkungen und Sensibilitätsstörungen am rechten Bein vorliege. Allein dies hätte eine höhere Einstufung als 30 % erfordert. In jedem Fall hätte aber das Zusammenwirken der Grade der Behinderungen verbunden mit den zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen zu einer mindestens 50 %igen Einschätzung der Behinderung führen müssen. Zudem hätte die Position im Richtsatz 585 im Hinblick auf die histrionische Persönlichkeitsstörung und die festgehaltene ausgeprägte Somatisierungsneigung und die vegetative Problematik mit Blutdruckveränderungen und Schlafstörungen mit vier Stufen über dem unteren Richtsatzwert angenommen werden müssen.
Im Berufungsverfahren veranlasste die belangte Behörde die Befundaufnahme und Gutachtenserstattung durch Dr. Dieter Krametter, Facharzt für Neurologie und Arzt für Allgemeinmedizin (ABl. 124/28 ff). Dessen Einschätzung der Gesundheitsschädigungen des Beschwerdeführers lautet:
„...
Gesundheitsschädigungen Richtsatzposition GdB
GS 1 Degenerative Wirbelsäulenveränderungen mit chronifizierter Lumboischialgie
Oberer RSW entsprechend der chronischen Schmerzsymptomatik mit mäßiggradigen Bewegungseinschränkungen 190 30 v.H.
GS 2 Knieschädigung rechts
Oberer RSW entsprechend dem Befundausmaß bei degenerativen Kniegelenksveränderungen mit Meniskusschaden rechts 122 20 v.H.
GS 3 Depression mit deutlicher Somatisierung
3 Stufen über dem unteren RSW entsprechend der ambulanten Therapieerfordernis, bei massiver Überlagerung der körperlichen Schmerzproblematik unter Hinweisen auf histrionische Persönlichkeitszüge 585 30 v.H.
GS 4 Gastritis
Eine Stufe über dem unteren RSW bei notwendiger medikamentöser Therapie 347 10 v.H.
Gesamt GdB 40 v.H.
Der GdB der führenden GS3 wird durch den GdB der GS1 und GS2 wegen zusätzlicher Beeinträchtigung im Allgemeinbefinden gemeinsam um eine Stufe angehoben.
GS4 hebt bei einem GdB von 10 nicht an.“
Es bestehe eine ausgeprägte Überschneidung der Gesundheitsschädigungen 1 und 2 mit der Gesundheitsschädigung 3 in ihren Auswirkungen, was sich auch im aktuellen körperlich psychischen Status bestätige, weil die körperliche Symptomatik psychogen massiv verstärkt wahrgenommen und insbesondere auch nach außen demonstriert werde.
Zum Einwand des Beschwerdeführers, die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule seien zu gering eingeschätzt und es bestünden Sensibilitätsstörungen, sei festzustellen, dass es sich um geringe bis mäßige Funktionseinschränkungen handle, die durch Somatisierungstendenzen und eine evidente Begehrenshaltung massiv überlagert und verstärkt erschienen. Die angegebene Sensibilitätsstörung sei in sich inkonsistent und anatomisch keinem sicheren Dermatom zuordenbar, und auch inkonsistent in Bezug auf die aus Vorbefunden ersichtlichen angegebenen Gefühlsstörungen (laut Vorbefunden Dris. Krenn werde das Dermatom L4 rechts genannt, nunmehr diffuse Gefühlsstörungen in Bereichen des Dermatoms L5 rechts angegeben, jedoch auch darüber hinausgehend ohne sichere segmentale Zuordenbarkeit, in erster Linie im Sinne einer Somatisierung und Aggravation interpretierbar). Der Reflexstatus sei unauffällig, was eine relevante Wurzelirritation nicht bestätige. Im MRT der Lendenwirbelsäule vom 11. Dezember 2008 ergebe sich ein Bandscheibenprolaps L5/Sl links mediolateral, der klinisch keine spezifische Schmerzprojektion oder insbesondere Wurzelaffektion nach sich ziehe, weil sich die angegebenen Beschwerden auf die rechte untere Extremität bezögen. In den weiteren lumbalen Segmenten würden geringbis mäßiggradige degenerative Veränderungen beschrieben. Die Einschätzung der Position 585 mit 30 % entspreche der aktuellen klinischen Ausprägung im Alltag, unter Berücksichtigung der medikamentösen Therapie und einzelner psychotherapeutischer Sitzungen.
In der im Rahmen des Parteiengehörs dazu erhobenen Stellungnahme machte der Beschwerdeführer im Wesentlichen geltend, die belangte Behörde habe es weiterhin unterlassen, einen Sachverständigen aus dem Fachgebiet Orthopädie und dem Fachgebiet Psychiatrie beizuziehen. Zudem legte er weitere Befunde vor, darunter einen der Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie Dr. Margit Kortschak vom 27. März 2009 (ABl. 124/37 f), in dem es unter „psychiatrischer Status (27.3.2009)“ heißt:
„... Der Patient hat offensichtlich auf Grund seiner langdauernden schwierigen Lebenssituation eine Depression mittelschwerer Ausprägung entwickelt. Mit der Therapie mit Cipralex 10 mg 1 0 0 wurde mit heutigem Datum begonnen. Zyprexa 10 mg abends wurde beibehalten. Wegen seiner seelischen Beeinträchtigung ist der Patient seit 2006 ein bis zweimal wöchentlich im psychosozialen Zentrum in Weiz in Gesprächstherapie. Aus fachärztlicher Sicht ist der Patient auf Grund seiner Depression derzeit nur sehr eingeschränkt belastbar.
Medikation:
Voltaren ret. 50/1 0 1/OP 1
Zyprexa 10 mg 28 Stk. Tab./0 0 1/OP 1
Cipralex 10 mg 28 Tab./1 0 0/OP 1
Losec 20 mg Kps. 14/1 0 0/OP 1“.
Der Sachverständige Dr. Krametter nahm zu den Einwänden des Beschwerdeführers und den vorgelegten Befunden am 17. Juli 2009 (ABl. 124/69ff) und am 16. Oktober 2009 (ABl. 124/83 ff) Stellung, wobei erzusammengefasstausführte, aus den neu vorgelegten Befunden ergebe sich keine „Erweiterung“.
Mit dem nun angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. In der Begründung gab die belangte Behörde zunächst den wesentlichen Inhalt der Berufung und dann das Gutachten des Sachverständigen Dr. Krametter vom 8. Jänner 2009 wieder. Im Weiteren legte sie dar, dass der Beschwerdeführer dagegen mit Schriftsätzen vom 2. März 2009, 31. März 2009 und 3. April 2009 sowie 15. Juli 2009 Einwendungen erhoben und weitere Befunde vorgelegt habe. Dazu wurden vollinhaltlich die Stellungnahmen des Sachverständigen Dr. Krametter vom 17. Juli 2009 und 20. Oktober 2009 wiedergegeben, wonach sich keine Änderung des Gesamtgrads der Behinderung ergeben.
Von der Einräumung eines weiteren Parteiengehörs zu diesen Stellungnahmen sei abzusehen gewesen, weil darin die bis dato eingeholte ärztliche Beurteilung bestätigt worden sei und keine neuen Sachverhaltselemente hervorgekommen seien.
Im Weiteren führte die belangte Behördenach einer Darlegung der maßgebenden Bestimmungen des Behinderteneinstellungsgesetzes und der Grundsätze für die Beurteilung des Grads der Behinderungim Wesentlichen aus, das Gutachten des Sachverständigen Dr. Krametter und dessen Ergänzungen seien schlüssig, nachvollziehbar und wiesen keine Widersprüche auf. Darin sei auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen worden. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchung erhobenen klinischen Befund, entsprächen den festgestellten Funktionseinschränkungen. Davon ausgehend sei der Gesamtgrad der Behinderung mit 40 % gerechtfertigt. Führend sei das Leiden 3, wobei die Leiden 1 und 2 nur gemeinsam um eine Stufe anheben könnten, weil hier eine ausgeprägte Überschneidung mit der führenden Gesundheitsschädigung bestehe und die Leiden 1 und 2 im Zusammenwirken eine relevante zusätzliche Beeinträchtigung im Alltag bewirkten.
Zur Klärung medizinischer Fachfragen betreffend Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten sei zwar ein ärztliches Sachverständigengutachten einzuholen, es bestehe aber kein Anspruch auf die Beiziehung von Fachärzten bestimmter Richtung. Vielmehr komme es auf die Schlüssigkeit des eingeholten Gutachtens an. Dem Einwand des Beschwerdeführers, es sei die Beiziehung von Sachverständigen aus den Fachgebieten Orthopädie, innere Medizin und Psychiatrie nicht erfolgt, sei zu entgegnen, dass die Begutachtung durch einen Neurologen und gleichzeitig auch Allgemeinmediziner nicht offensichtlich sachwidrig erfolgt sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behördeder Beschwerdeführer legte im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zudem weitere Befunde vorerwogen:
1.1. Die maßgebenden Bestimmungen des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970 idF. BGBl. I Nr. 67/2008 (BEinstG) lauteten (auszugsweise):
„Begünstigte Behinderte
§ 2. (1) Begünstigte Behinderte im Sinne dieses Bundesgesetzes sind österreichische Staatsbürger mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 vH. . ...
...
Behinderung
§ 3. Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen, die geeignet ist, die Teilhabe am Arbeitsleben zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
...
Feststellung der Begünstigung
§ 14. (1) Als Nachweis für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten gilt der letzte rechtskräftige Bescheid über die Einschätzung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit mit mindestens 50 vH
a) eines Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (der Schiedskommission) bzw. des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen oder der Bundesberufungskommission im Sinne des Bundesberufungskommissionsgesetzes, BGBl. I Nr. 150/2002;
...
Die Feststellung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit im Nachweis gilt zugleich als Feststellung des Grades der Behinderung. ... .
(2) Liegt ein Nachweis im Sinne des Abs. 1 nicht vor, hat auf Antrag des Behinderten das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen den Grad der Behinderung einzuschätzen und bei Zutreffen der im § 2 Abs. 1 angeführten sonstigen Voraussetzungen die Zugehörigkeit zum Kreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Behinderten (§ 2) sowie den Grad der Behinderung (Abs. 3) festzustellen. Hinsichtlich der ärztlichen Sachverständigen ist § 90 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, anzuwenden. Die Begünstigungen nach diesem Bundesgesetz werden mit dem Zutreffen der Voraussetzungen, frühestens mit dem Tag des Einlangens des Antrages beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen wirksam. Sie werden jedoch mit dem Ersten des Monates wirksam, in dem der Antrag eingelangt ist, wenn dieser unverzüglich nach dem Eintritt der Behinderung (Abs. 3) gestellt wird. Die Begünstigungen erlöschen mit Ablauf des Monates, der auf die Zustellung des Bescheides folgt, mit dem der Wegfall der Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten rechtskräftig ausgesprochen wird.
(3) Der Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales ist ermächtigt, nach Anhörung des Bundesbehindertenbeirates gemäß § 8 BBG durch Verordnung nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung festzulegen. Diese Bestimmungen haben die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf das allgemeine Erwerbsleben zu berücksichtigen und auf den Stand der medizinischen Wissenschaft Bedacht zu nehmen.
...
Übergangsbestimmungen
§ 27. (1) Bis zum Inkrafttreten der Verordnung gemäß § 14 Abs. 3 sind für die Einschätzung des Grades der Behinderung die Vorschriften der §§ 7 und 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, daß Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH außer Betracht zu lassen sind, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.
...“
1.2. Da eine Verordnung gemäß § 14 Abs. 3 BEinstG im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht erlassen war, hat die belangte Behörde zu Recht die auf Grund des § 7 Abs. 2 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 ergangene Verordnung des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom 9. Juni 1965, BGBl. Nr. 150, über die Richtsätze für die Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit nach den Vorschriften des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 und die in der Anlage zu dieser Verordnung genannten Richtsätze herangezogen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. März 2009, Zl. 2009/11/0034, mwN).
Im Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen dieser Verordnung von Interesse:
„§ 1. (1) Die Minderung der Erwerbsfähigkeit im Sinne des § 7 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 ist nach den Richtsätzen einzuschätzen, die nach Art und Schwere des Leidenszustandes in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage festgesetzt sind. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.
(2) Bei Leiden, für die Richtsätze nicht festgesetzt sind, ist die Minderung der Erwerbsfähigkeit unter Bedachtnahme auf die Richtsätze für solche Leiden einzuschätzen, die in ihrer Art und Intensität eine zumindest annähernd gleiche körperliche Beeinträchtigung in Hinsicht auf das allgemeine Erwerbsleben bewirken.
§ 2. (1) Bei der Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit dürfen weder die festen Sätze noch die Rahmensätze unterschritten oder überschritten werden. Soweit in der Anlage nicht anderes bestimmt ist, hat sich die Festsetzung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit innerhalb eines Rahmensatzes nach der Schwere des Leidenszustandes zu richten, für den der Rahmensatz aufgestellt ist. Das Ergebnis einer Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist im Bescheid über den Anspruch auf Beschädigtenrente jedenfalls auch in medizinischer Hinsicht zu begründen.
(2) Sofern für ein Leiden mehrere nach dessen Schwere abgestufte Richtsätze festgesetzt sind, kann die Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit auch in einem Hundertsatze festgesetzt werden, der zwischen diesen Stufen liegt. Diesfalls ist das Ergebnis der Einschätzung im Bescheid über den Anspruch auf Beschädigtenrente jedenfalls auch in medizinischer Hinsicht zu begründen.
§ 3. Treffen mehrere Leiden zusammen, dann ist bei der Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit zunächst von der Gesundheitsschädigung auszugehen, die die höchste Minderung der Erwerbsfähigkeit verursacht. Sodann ist zu prüfen, ob und inwieweit der durch die Gesamteinschätzung zu erfassende Gesamtleidenszustand infolge des Zusammenwirkens aller gemäß § 4 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen eine höhere Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit rechtfertigt. Fällt die Einschätzung der durch ein Leiden bewirkten Minderung der Erwerbsfähigkeit in mehrere Fachgebiete der ärztlichen Wissenschaft, ist sinngemäß in gleicher Weise zu verfahren.
...
Anhang:
...
Kniegelenk:
...
122. Sonstige Bewegungseinschränkungen 10 20
...
Nachsatz zu 121 126: Freie Gelenkskörper oder unoperierte Meniscusläsionen sind je nach Funktionsausfall zu beurteilen.
...
f) Wirbelsäule:
...
190. Veränderungen der Wirbelsäule (posttraumatisch, entzündlich, degenerativ) mit röntgenologisch nachweisbaren geringgradigen Veränderungen und geringgradiger Funktionseinschränkung 20 30
191. Versteifungen oder höhergradige Veränderungen der Wirbelsäule (posttraumatisch, entzündlich, degenerativ) je nach röntgenologisch nachweisbarem Ausmaß, Funktionseinschränkung und Reizzustand 40 100
...
d) Magen und Darmtrakt:
Gastritis:
347. Leichte Form bei gutem Ernährungszustand 0 20
348. Schwerere Form bei herabgesetztem Ernährungszustand 30 40
...
e) Psychosen des manisch deressiven und schizophrenen Formenkreises einschließlich der Paranoia sowie der in den letzten Jahren vorläufig als 'bionegativer Persönlichkeitswandel', 'Entwurzelungsdepression' usw. bezeichneten Zustandsbilder:
585. Defektzustände nach akuten Schüben 0 100
...“
1.3. Wie die belangte Behörde zutreffend ausführt, hat die Gesamteinschätzung mehrerer Leidenszustände nicht im Wege der Addition der aus den Richtsatzpositionen sich ergebenden Hundertsätze zu erfolgen, vielmehr ist bei Zusammentreffen mehrerer Leiden zunächst von der Gesundheitsschädigung auszugehen, die die höchste Minderung der Erwerbsfähigkeit verursacht, und dann zu prüfen, ob und inwieweit durch das Zusammenwirken aller zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen eine höhere Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit gerechtfertigt ist (vgl. etwa das zitierte Erkenntnis Zl. 2009/11/0034). Bei der derart vorzunehmenden Beurteilung haben die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigung auf die Erwerbsfähigkeit im Vordergrund zu stehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. März 2001, Zl. 2000/11/0321).
1.4. Grundsätzlich steht es dem Antragstellerwie der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat, vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2000, Zl. 2000/11/0093,frei, zu versuchen, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften. Voraussetzung für eine derartige Vorgangsweise ist allerdings, dass das Gutachten des Sachverständigen (sein gesamter Inhalt) dem Beschwerdeführer im Verfahren zur Kenntnis gebracht wird.
2. Die Beschwerde macht unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend, die belangte Behörde habe zu Unrecht die beantragte Beiziehung von Sachverständigen aus den Fachgebieten Psychiatrie und Orthopädie unterlassen. Dies wäre aber geboten gewesen, um die beim Beschwerdeführer bestehenden Gesundheitsschädigungen zutreffend zu bewerten. Die belangte Behörde habe auch gar nicht dargelegt, warum sie der Auffassung sei, dass der von ihr beigezogene Sachverständige über die notwendigen Fachkenntnisse in den relevanten Fachgebieten verfüge.
Hinzu trete eine Verletzung des Parteiengehörs dadurch, dass die belangte Behörde es unterlassen habe, dem Beschwerdeführer die auf Grund seiner Einwendungen und dazu vorgelegten Befunde erstatteten Stellungnahmen des Sachverständigen Dr. Krametter vom 17. Juli 2009 und 20. Oktober 2009 vorzuhalten. Von diesen Stellungnahmen habe der Beschwerdeführer erst mit Zustellung des angefochtenen Bescheids Kenntnis erlangt. Es sei dem Beschwerdeführer deshalb unmöglich gemacht worden, etwa auf den Umstand zu verweisen, dass eine bei ihm vorhandene unoperierte Meniskusläsion entsprechend dem Nachsatz zu den Richtsatzpositionen 121 bis 126 in der Verordnung BGBl. Nr. 150/1965 eine Erhöhung der Bewertung des Grades der Gesundheitsschädigung bewirkt hätte, aber auch, selbst fachärztliche Gutachten über das Ausmaß der bestehenden Gesundheitsschädigungen beizubringen.
3. Dieses Vorbringen ist im Ergebnis zielführend.
3.1. Klarzustellen ist zunächst, dass bei der Beurteilung des zur Einschätzung des Grades der Behinderung zu Grunde zu legenden Leidens des Beschwerdeführers für die belangte Behörde die im Zeitpunkt ihrer Entscheidung geltende Sachlage maßgebend war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. November 2002, Zl. 2001/11/0404, mwN).
Voranzustellen ist weiters, dass auch die Stellungnahmen des Sachverständigen Dr. Krametter vom 17. Juli 2009 und 20. Oktober 2009, auf die sich die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides maßgeblich gestützt hat, ein Gutachten darstellen und damit ein Beweismittel, das gemäß § 45 Abs. 3 AVG dem Parteiengehör zu unterziehen gewesen wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. September 2008, Zl. 2006/03/0078). Daran ändert die Auffassung der belangten Behörde, in diesen Stellungnahmen sei die bisherige Beurteilung bestätigt worden, ohne dass neue Sachverhaltselemente hervorgekommen seien, nichts, zumal sich die belangte Behörde entscheidend auf dieses Beweismittel gestützt hat. Da die belangte Behörde entgegen ihrer Verpflichtung nach § 45 Abs. 3 AVG dem Beschwerdeführer dazu nicht Parteiengehör einräumte, hat sie den angefochtenen Bescheid mit einem Verfahrensmangel belastet. Diesem kommt auch Relevanz zu:
3.2. Der Beschwerdefall ist dadurch gekennzeichnet, dass zu der beim Beschwerdeführer jedenfalls schon seit dem Jahr 2001 bestehenden, mit einem Grad der Gesundheitsschädigung von 30% bewerteten Gesundheitsschädigung an der Wirbelsäule weitere Gesundheitsschäden hinzugetreten sind, nämlichim Gefolge des Arbeitsunfalls vom 30. August 2006eine Dauerschädigung am rechten Knie, weiters eine psychische Störung sowie eine Gastritis. Dass dienoch im Gutachten der Sachverständigen Dr. Wiesler vom 10. Juni 2008 als „führend“ bewerteteSchädigung an der Wirbelsäule sich bis zum Zeitpunkt der Entscheidung durch die belangte Behörde verbessert hätte, wurde nicht festgestellt (der Beschwerdeführer hat eine Verschlechterung behauptet). Der Aktenlage nach (ABl. 124/56) wurde der Beschwerdeführer, der zuletzt Dienstnehmer des Landes Steiermark war, seitens des Dienstgebers zum 31. Oktober 2008 gekündigt, dem Vorbringen des Beschwerdeführers nach wegen seiner langen Krankenstände. Aus dem Akteninhalt ergeben sich deutliche Hinweise auf eine Verschlechterung des Leidenszustands des Beschwerdeführers gegenüber dem Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheids (so wird etwa im Gutachten des Sachverständigen Dr. Weiß [ABl. 108] die Bewertung des Grads der Gesundheitsschädigung durch die Depression mit 30 v.H. u.a. mit „einfacher medikamentöser Therapie“ begründet, während die vom Beschwerdeführer im Berufungsverfahren zur Widerlegung der Annahmen Dris. Krametter vorgelegten Befunde Dres. Kortschak und Luze (ABl. 124/38 bzw. 124/42) nicht nur eine verstärkte medikamentöse Therapie, sondern auch eine regelmäßige Psychotherapie darlegen.
3.3. Vor dem dargestellten Hintergrund kann nicht ausgeschlossen werden, dass die belangte Behörde bei Vermeidung des Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid gelangt wäre. So ist insbesondere nicht auszuschließen, dassanders als vom Sachverständigen Dr. Krametter angenommendoch „GS 1“ das führende, mit 40 v.H. zu bewertende Leiden ist und im Zusammenwirken mit den weiteren Gesundheitsschädigungen eine Anhebung auf 50 v.H. zu erfolgen hat.
3.4. Im Übrigen sieht sich der Verwaltungsgerichtshof vor dem Hintergrund des Beschwerdefalls zu folgender Klarstellung veranlasst:
Die Vorgangsweise der Erstbehörde, im Rahmen des Parteiengehörs dem Beschwerdeführer lediglich ein Beiblatt zu übermitteln, das die seitens des „Ärztlichen Dienstes“ geänderte Beurteilung des Gutachtens einer Sachverständigen (Dr. Wiesler) widerspiegelt, ohne diese Änderung des ursprünglichen Gutachtens klarzustellen, widerspricht der Verpflichtung nach § 45 Abs. 3 AVG, Parteiengehör zu sämtlichen Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens zu gewähren. Selbst wenn nämlich einer Behörde Mitglieder angehören, denen die Qualifikation als Sachverständiger auf ihrem Fachgebiet zukommt, sodass Fachwissen dieser Person zur Beantwortung einschlägiger Fragen einbezogen werden darf, besteht die Verpflichtung nach § 45 Abs. 3 AVGG, den Parteien dazu Parteiengehör zu gewähren (vgl. die in Walter/Thienel, Die Österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I², unter E 338 ff zu § 45 dargestellte hg. Judikatur).
Umso mehr besteht diese Verpflichtung, wenn ein der Behörde beigeordneter „ärztlicher Dienst“ Stellungnahmen zu dem Gutachten eines Sachverständigen abgibt und seine abweichende Einschätzung von der Behörde übernommen wird.
Zudem umfasst die Pflicht zur Gewährung des Parteiengehörs betreffend Sachverständigengutachten auch die Bekanntgabe der Namen der Sachverständigen an die Partei, damit diese gegebenenfalls in die Lage versetzt wird, allfällige Einwendungen gegen die Person des Sachverständigen oder seine Eignung vorzubringen (vgl. die in Walter/Thienel, aaO, unter E 4 zu § 52 dargestellte hg. Judikatur).
4. Der angefochtene Bescheid war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sichim Rahmen des gestellten Begehrensauf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, 30. September 2011
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