VwGH 2009/05/0255

VwGH2009/05/025513.12.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde 1. des J. M. und 2. der G. M., beide in L., beide vertreten durch Mag. Gernot Steier, Rechtsanwalt in 3040 Neulengbach, Rathausplatz 108, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 30. Juni 2009, Zl. IKD(BauR)-158072/2-2009-Ren/Wel, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. J. F., in G., und

2. Gemeinde L., vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauO OÖ 1976 §46 Abs3;
BauO OÖ 1994 §31 Abs4;
BauRallg;
BauTG OÖ 1994 §2 Z36;
BauTG OÖ 1994 §3 Z4;
ROG OÖ 1994 §22 Abs1;
ROG OÖ 1994 §22 Abs2;
ROG OÖ 1994 §22;
AVG §8;
BauO OÖ 1976 §46 Abs3;
BauO OÖ 1994 §31 Abs4;
BauRallg;
BauTG OÖ 1994 §2 Z36;
BauTG OÖ 1994 §3 Z4;
ROG OÖ 1994 §22 Abs1;
ROG OÖ 1994 §22 Abs2;
ROG OÖ 1994 §22;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Die erstmitbeteiligte Partei (im Folgenden: Bauwerber) ist Eigentümer eines mit einem Wohnhaus und einem Schuppen bebauten Grundstückes in L., das im rechtwirksamen Flächenwidmungsplan der mitbeteiligten Gemeinde als "Dorfgebiet" ausgewiesen ist. Die Beschwerdeführer sind gemeinsam Eigentümer eines unmittelbar an dieses Baugrundstück angrenzenden bebauten Grundstückes.

Mit Schreiben vom 12. September 2008 suchte der Bauwerber um die Erteilung der Baubewilligung für das in den angeschlossenen beiden Bauplänen vom 26. Juli 2007 und 12. September 2008 dargestellte und näher beschriebene Bauvorhaben "Errichtung eines Taubenschlages" auf seinem Grundstück an. Im beigeschlossenen Bauplan vom 26. Juli 2007 ist der Taubenschlag im nordwestlichen Bereich des Grundstückes des Bauwerbers in einem Abstand von 3,00 m von der (nördlichen) Grenze zur Liegenschaft der Beschwerdeführer situiert. Im weiteren Bauplan vom 12. September 2008 ist ein zweiter Taubenschlag im südöstlichen Bereich dieses Grundstückes dargestellt.

In der für den 21. Oktober 2008 anberaumten Bauverhandlung wurde vom Verhandlungsleiter eingangs bekanntgegeben, dass bisher Einwendungen (gegen das Bauvorhaben) nicht vorgebracht worden seien. Sodann erstattete der bautechnische Amtssachverständige das folgende Gutachten:

"Nach der Planung (…) vom 12.09.2008 beabsichtigt der (Bauwerber) im südöstlichen Teil der Parzelle (…) die Errichtung eines Taubenschlages mit einem Ausmaß von 5,0 x 3,0 Meter vorzunehmen. Weiters wird entsprechend der Planung vom 26.07.2007 ein weiterer Taubenschlag in einem Ausmaß von 9,5 x 4,3 Meter aufgebaut (nachträgliche Genehmigung), wobei dieses Objekt bereits durch Bauanzeigen als Geräteschuppen genehmigt wurde. Bei dieser Genehmigung handelt es sich um die Änderung des Verwendungszweckes. Zum Grundabstand zur westlichen Grundgrenze wird bemerkt, dass vom Gesamtobjekt lediglich 12 m3 (Taubenfreigehege) in den seitlichen Bauwich ragen.

(…)"

Ferner wurde auf die schriftlichen amtsärztlichen Stellungnahmen vom 18. September 2007 (diese Stellungnahme war von der Baubehörde aufgrund eines früheren Bauansuchens des Bauwerbers zur Errichtung eines Taubenschlages eingeholt worden, das in der Folge zurückgezogen worden war) und vom 21. Oktober 2008 hingewiesen.

Dem weiteren Verhandlungsprotokoll zufolge gab der Bauführer über Befragen an, seit 2000 im Geräteschuppen Brieftauben und seit drei Jahren dort Hochzeitstauben, und zwar anfänglich zehn Stück und nunmehr 100 Stück, zu halten. Wenn jemand bei ihm die Tauben für einen "Hochzeitsflug" abhole, verlange er EUR 50,- pro Flug, bei Lieferung zum Hochzeitsort verlange er EUR 120,- plus Kilometergeld, und er nehme pro Jahr ca. EUR 2.500,- bis EUR 3.000,- aus diesen "Hochzeitsflügen" ein.

Die Beschwerdeführer erhoben hierauf durch ihren Rechtsvertreter gegen das Bauvorhaben in der Verhandlung Einwendungen und brachten vor, dass beide beantragten Objekte im Widmungsbereich "Dorfgebiet" unzulässig seien, weil die Taubenschläge keine der in § 22 Abs. 2 Oö. ROG normierten Ausnahmen erfüllten. Die vorgelegten Stellungnahmen des Amtsarztes seien inhaltlich unrichtig, und es erfülle insbesondere dessen Stellungnahme vom 21. Oktober 2008 nicht die für ein ordentliches Ermittlungsverfahren verlangten Mindestkriterien. Die Beschwerdeführer hätten sich auf eine gesundheitliche und hygienische Gefährdung und nicht auf Lärmimmissionen berufen. Das amtsärztliche Gutachten zum Taubenkot ignoriere die erfahrungsgemäß starke bakterielle und viröse sowie Pilz- und parasitäre Kontaminierung von Taubenkot. Der Verweis auf die Stadt Venedig gehe ins Leere, weil dort die Stadtverwaltung seit Jahrzehnten aus gesundheitspolizeilichen Gründen teure Beseitigungskampagnen durchführen und Reinigungsaktionen an verkoteten Gebäuden finanzieren müsse. Die Hochzeitstauben seien nicht Gegenstand einer landwirtschaftlichen Tätigkeit im Sinn des § 22 Abs. 2 Oö. ROG, weil keine landwirtschaftlichen Produkte unter Zuhilfenahme der Kräfte der Natur erzeugt würden, sondern lediglich gegen Entgelt eine Dienstleistung zur Belustigung von Hochzeitsgästen angeboten werde. Dies habe mit der gewerblichen Tätigkeit eines Schaustellers zu tun, und es fehle dieser Dienstleistung das erforderliche Element der Nachhaltigkeit. Diesbezüglich werde der Beweisantrag gestellt, ein landwirtschaftliches Gutachten der LWK (Landwirtschaftskammer) OÖ einzuholen. Zum Beweis der Verkotung ihrer Liegenschaft und ihres Autos durch die Tauben des Bauwerbers sowie dafür, dass sich die Tauben auf dem Dach und weiteren Bereichen ihres Hauses niederließen, was nicht nur hygienische Implikationen habe, sondern auch eine wesentliche Störung der Umgebung, legten die Beschwerdeführer mehrere Fotos vor.

Im weiteren Verlauf der Verhandlung erklärte der Bauwerber, dass er mit der die Errichtung des zweiten Taubenschlages beabsichtige, die Stückzahl der Tauben im ersten Verschlag von 180 auf 100 zu reduzieren, wobei er den Rest der Tauben (80 Stück) im neuen Schlag unterbringen wolle. Es handle sich dabei künftig nur mehr um Hochzeitstauben, und er wolle diese Tätigkeit in Zukunft gewerblich betreiben.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 11. Februar 2009 wurde dem Bauwerber gemäß § 35 Abs. 1 der Oö. Bauordnung 1994 (im Folgenden: BO) die Baubewilligung für das Vorhaben "Errichtung eines Taubenschlages" auf dessen Grundstück "entsprechend dem bei der mündlichen Bauverhandlung aufgelegenen und als solchen gekennzeichneten Bauplan (…) vom 26.07.2007 und vom 12.09.2008" unter Vorschreibung von Bedingungen und Auflagen für die Ausführung des Bauvorhabens sowie für die Erhaltung und Benützung dieses Baues erteilt. U.a. wurde dem Bauführer vorgeschrieben, dass (Auflagenpunkt 5.) im nordwestlich gelegenen Taubenschlag (Plan vom 26. Juli 2007) max. 50 Tauben zur Zucht gehalten werden dürften, wobei Ausflugsöffnungen in Richtung Norden (zum Grundstück der Beschwerdeführer) nicht gestattet seien, und dass (Auflagenpunkt 6.) im südöstlichen Taubenschlag (Plan vom 12. September 2008) max. 90 Tauben gehalten werden dürften.

Die Beschwerdeführer erhoben dagegen Berufung.

Auf Grund des Beschlusses des Gemeinderates vom 2. April 2009 wurde mit Bescheid vom 11. Mai 2009 die Berufung abgewiesen.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid der belangten Behörde vom 30. Juni 2009 wurde der Vorstellung der Beschwerdeführer gegen den genannten Berufungsbescheid gemäß §§ 59 und 102 Oö. Gemeindeordnung 1990, §§ 24 und 31 BO sowie § 22 Oö. Raumordnungsgesetz 1994 (im Folgenden: ROG) keine Folge gegeben und festgestellt, dass die Beschwerdeführer durch den Berufungsbescheid in ihren Rechten nicht verletzt würden. Dazu führte die belangte Behörde im Rahmen der Darstellung des vorangegangenen Verwaltungsverfahrens u.a. aus, dass der Amtsarzt in seiner mit Schreiben vom 21. Oktober 2008 an die Baubehörde übermittelten Stellungnahme Folgendes dargelegt habe:

"Die (…) vorgebrachten hygienischen Bedenken bezüglich Federverlust der Tauben bzw. der jährlichen Mauser stellen aus amtsärztlicher Sicht keine hygienische Problematik dar. Dies würde ja sonst bedeuten, dass Passanten oder gar Anwohner auch auf dem Domplatz in Venedig nur noch mit Schutzmasken unterwegs sein könnten. Dies ist aber nach mehrmaligem eigenen Lokalaugenschein in keiner Weise der Fall.

Das Verkoten von Dächern oder von Terrassen durch Tauben ist ebenfalls ein Problem, das nicht überbewertet werden soll. Hygienisch bedenklicher ist dagegen eine Anhäufung von Taubenkot bodendeckend über einige Zentimeter, da es hier tatsächlich zu einer Vermehrung von krankheitserregenden Keimen kommen kann. Eine solche Anhäufung von Taubenkot ist aber im gegenständlichen Fall auf fremden Grundstücken mit Sicherheit nicht zu erwarten.

Zusammenfassend kann aus amtsärztlicher Sicht nach Durchsicht der vorgelegten Unterlagen und der Pläne bestätigt werden, dass damit die im Schreiben vom 18.09.2007 vorgeschlagenen Auflagen erfüllt werden und daher keine hygienischen oder gesundheitlichen Bedenken gegen die Errichtung und Genehmigung der Taubenschläge bestehen."

In seiner Stellungnahme am 18.09.2007 habe der Amtsarzt zur Frage einer möglichen Gesundheitsgefährdung für die Grundstücksnachbarn durch die Errichtung eines Taubenschlages Folgendes ausgeführt:

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 31 Abs. 3 BO, LGBl. Nr. 66/1994, können Nachbarn gegen die Erteilung der Baubewilligung mit der Begründung Einwendungen erheben, dass sie durch das Bauvorhaben in subjektiven Rechten verletzt werden, die entweder in der Privatrechtsordnung (privatrechtliche Einwendungen) oder im öffentlichen Recht (öffentlich-rechtliche Einwendungen) begründet sind.

Öffentlich-rechtliche Einwendungen der Nachbarn werden in § 31 Abs. 4 BO (in der für die vorliegende Beurteilung maßgeblichen Fassung LGBl. Nr. 70/1998) wie folgt umschrieben:

"(4) Öffentlich-rechtliche Einwendungen der Nachbarn sind im Baubewilligungsverfahren nur zu berücksichtigen, wenn sie sich auf solche Bestimmungen des Baurechts oder eines Flächenwidmungsplans oder Bebauungsplans stützen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen. Dazu gehören insbesondere alle Bestimmungen über die Bauweise, die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes, die Lage des Bauvorhabens, die Abstände von den Nachbargrenzen und Nachbargebäuden, die Gebäudehöhe, die Belichtung und Belüftung sowie jene Bestimmungen, die gesundheitlichen Belangen oder dem Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen dienen. Ein Schutz gegen Immissionen besteht jedoch insoweit nicht, als die Nachbargrundstücke oder die darauf allenfalls errichteten Bauten nicht für einen längeren Aufenthalt von Menschen bestimmt oder geeignet sind und die Errichtung solcher Bauten auf Grund faktischer oder rechtlicher Umstände auch in Hinkunft nicht zu erwarten ist. Als längerer Aufenthalt gilt dabei jedenfalls nicht ein wenn auch mehrmaliger oder öfterer, jeweils aber nur kurzzeitiger vorübergehender Aufenthalt von Menschen. Überdies kann der Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen nicht dazu führen, dass die Baubewilligung für ein Bauvorhaben, das nach der für das Baugrundstück geltenden Flächenwidmung zulässig ist, grundsätzlich versagt wird."

Von den Parteien des Beschwerdeverfahrens wird nicht in Zweifel gezogen, dass die Beschwerdeführer Nachbarn im Sinn des § 31 Abs. 3 BO sind. Ebenso ist im Beschwerdeverfahren nicht strittig, dass die Beschwerdeführer - wie in der Beschwerde von ihnen vorgebracht - ihr Einfamilienhaus auf ihrer Liegenschaft ganzjährig als Wohnsitz benutzen.

Nach der hg. Judikatur ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektivöffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 15. Februar 2011, Zl. 2009/05/0017, mwN).

2. Die Beschwerde vertritt die Ansicht, dass mit den von den Baubehörden erlassenen Bescheiden nur die Errichtung eines Taubenschlages (und nicht zweier Taubenschläge) bewilligt worden sei. Mit diesem Vorbringen zeigt sie keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist es zulässig, im Spruch eines Bescheides auf außerhalb des Bescheides gelegene Schriftstücke oder Pläne Bezug zu nehmen, deren Aussagen und Darstellungen rechtlich in den normativen Bescheid zu integrieren und solcherart zum Inhalt des rechtserzeugenden oder rechtsfeststellenden Bescheides zu machen, sofern der Bescheidspruch den Integrationsakt unzweifelhaft klargestellt hat und die im Spruch genannten Unterlagen, Beilagen, Pläne, Befundausführungen oder Erklärungen in Verhandlungsschriften ihrerseits das für den jeweiligen Abspruch nötige Bestimmtheitserfordernis erfüllen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 11. September 2003, Zl. 2002/07/0141, mwN).

Im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides vom 11. Februar 2009 wurde die Baubewilligung für das Vorhaben "Errichtung eines Taubenschlages" entsprechend den beiden Bauplänen vom 26.07.2007 und 12.09.2008 erteilt. Aus beiden Bauplänen ergibt sich unmissverständlich, dass die Genehmigung von zwei Taubenschlägen beantragt wurde. Dies war auch den Beschwerdeführern in der Bauverhandlung am 21. Oktober 2008 bewusst, bezogen sie sich doch in ihrem Vorbringen in dieser Verhandlung auf "die beantragten Taubenschläge" (und nicht bloß auf "einen" Taubenschlag). Mit dem Berufungsbescheid vom 11. Mai 2009 wurde die von den Beschwerdeführern gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobene Berufung abgewiesen.

Im Hinblick darauf kann - entgegen der Beschwerdemeinung - von einer Ausweitung des Antrags- und Bewilligungsgegenstandes durch die belangte Behörde keine Rede sein.

3. Die Beschwerde bringt vor, dass die Errichtung und der Betrieb von Taubenschlägen für eine Brieftaubenhaltung zu Sportzwecken und zum Zwecke der Schaustellerei im Widerspruch zu § 22 Abs. 2 ROG stehe, weil in einem "Dorfgebiet" nur solche Gebäude errichtet werden dürften, die land- und forstwirtschaftlichen oder berufsgärtnerischen Zwecken dienten, und im Übrigen jedoch nur Bauten und Anlagen, die gemäß § 22 Abs. 1 leg. cit. im Wohngebiet errichtet werden dürften. Die verba legalia des § 22 Abs. 1 und 2 leg. cit. ließen für die Behörde kein weiteres Ermessen zu, andere Bauten und Anlagen zu erlauben. Die belangte Behörde habe aus dem oben genannten Erkenntnis, Zl. 2005/05/0008, den unzulässigen Schluss gezogen, dass im Bereich der Widmungskategorie "Dorfgebiet" grundsätzlich jede Tierhaltung zulässig sei, was im Widerspruch zu diesem Erkenntnis stehe, in dem der Verwaltungsgerichtshof wegen der traditionell zur Landwirtschaft gehörigen Pferdehaltung zutreffenderweise einen Wertungswiderspruch erblickt und die Errichtung eines Pferdestalles zur Haltung von zwei Ponys im "Dorfgebiet" für zulässig erklärt habe. Die Errichtung und der Betrieb von Brieftaubenschlägen für Sportzwecke und Zwecke der Schaustellerei bei sogenannten "Hochzeitsflügen" hätten jedoch nicht das Geringste mit einer land- und forstwirtschaftlichen oder berufsgärtnerischen Tätigkeit zu tun. Die belangte Behörde hätte die zentrale Frage, ob eine land- und forstwirtschaftliche oder berufsgärtnerische Tätigkeit vorliege, durch ein agrarfachliches Gutachten klären müssen, wobei die Beschwerdeführer wiederholt die Einholung einer agrarfachlichen Beurteilung zu dieser Frage urgiert hätten. Dass die beschriebene Brieftaubenhaltung auch keinem vorliegenden wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Bedürfnis der ansässigen Wohnbevölkerung im Sinn des § 22 Abs. 1 ROG diene, könne als unbestritten angenommen werden. Der Erteilung der Baubewilligung hätte zur Folge, dass die Beschwerdeführer die nachweisbaren Verkotungen auf ihrer Liegenschaft, vor allem des Daches, des Balkons und der Terrasse, sowie die Belästigung durch Federstaub und Federabwurf zur Zeit der jährlichen Federmauser dulden müssten, welche Belästigungen unabhängig von der Zumutbarkeit oder gesundheitlichen Bedenklichkeit auch dann einen unzulässigen Eingriff in ihre Nachbarrechte bewirkten, wenn die Anlage gesetzlich "gar nicht" zulässig wäre.

4. Dazu ist Folgendes auszuführen:

4.1. Wie sich aus § 31 Abs. 4 BO ergibt, gewährt dieses Gesetz dem Nachbarn nicht schlechthin einen Anspruch auf widmungsgemäße Verwendung des Baugrundstückes. Allerdings hat der Nachbar dann ein Mitspracherecht, wenn die Festlegungen des Flächenwidmungsplanes auch seinem Interesse dienen, insbesondere wenn sie einen Immissionsschutz gewähren (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 29. April 1997, Zl. 96/05/0210, und vom 26. April 2000, Zl. 96/05/0051, mwN).

§ 22 Abs. 2 ROG hat - soweit im Beschwerdefall von Interesse -

folgenden Wortlaut:

"(2) Als Dorfgebiete sind solche Flächen vorzusehen, die vorrangig für Gebäude land- und forstwirtschaftlicher sowie berufsgärtnerischer Betriebe, im übrigen aber nur für Bauten und Anlagen bestimmt sind, die auch im Wohngebiet (Abs. 1) errichtet werden dürfen, wobei jedoch als Wohngebäude nur Kleinhausbauten und nur insoweit zulässig sind, als die dörfliche Struktur des Gebietes sichergestellt ist. (…)"

Die Wohngebietswidmung ist in § 22 Abs. 1 leg. cit. (auszugsweise) wie folgt definiert:

"(1) Als Wohngebiete sind solche Flächen vorzusehen, die für Wohngebäude bestimmt sind, die einem dauernden Wohnbedarf dienen; andere Bauten und sonstige Anlagen dürfen in Wohngebieten nur errichtet werden, wenn sie wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Bedürfnissen vorwiegend der Bewöhner dienen und ihre ordnungsgemäße Benützung keine Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Bewohner mit sich bringt; (…)"

Nach der hg. Judikatur normiert § 22 Abs. 2 ROG einen konkreten Immissionsschutz nicht in Bezug auf land- und forstwirtschaftliche sowie berufsgärtnerische Betriebe, sondern (lediglich) hinsichtlich jener Bauten und Anlagen, die darüber hinaus im Dorfgebiet zulässig sind, was sich aus der Verknüpfung der Zulässigkeit dieser Bauten mit der Zulässigkeit im Wohngebiet (§ 22 Abs. 1 leg. cit.) ergibt. Für die Widmung "Dorfgebiet" ist das Ausmaß der zumutbaren Immissionen grundsätzlich höher anzusetzen als im "Wohngebiet" (vgl. zum Ganzen etwa das Erkenntnis vom 4. September 2001, Zl. 2000/05/0074, mwN).

In dem genannten hg. Erkenntnis, Zl. 2005/05/0008, hatte der Verwaltungsgerichtshof die Frage der Widmungskonformität der Errichtung eines Ponystalls mit zwei Einstellboxen auf einem Baugrundstück mit der Widmung "Dorfgebiet" im Sinn des § 22 Abs. 2 ROG zu beurteilen, wobei der Bauwerber keinen land- oder forstwirtschaftlichen oder berufsgärtnerischen Betrieb hatte. Entscheidend für die Beurteilung der Widmungskonformität war, dass die Pferdezucht (einschließlich der Grundausbildung von Pferden) als landwirtschaftlicher Betriebszweig anzusehen ist. Es würde jedoch einen Wertungswiderspruch bedeuten, wenn im "Bauland-Dorfgebiet" zwar Bauten für eine Pferdehaltung im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes gestattet wären, hingegen Bauten für die nicht betriebsgemäße Haltung zweier Ponys unzulässig wären. Um einen Wertungswiderspruch und unsachliche Differenzierungen zu vermeiden, war deshalb in dem diesem Erkenntnis zugrunde liegenden Beschwerdefall von der grundsätzlichen Zulässigkeit der Pferdehaltung im begehrten Umfang (bzw. der Errichtung von Gebäuden, die einer solchen dienen) im "Dorfgebiet" auch außerhalb eines landwirtschaftlichen Betriebes auszugehen.

Es besteht nun kein Zweifel daran, dass ebenso, wie die Pferde- oder Geflügelzucht einen landwirtschaftlichen Betriebszweig darstellt, traditionell auch die Taubenzucht zum Kreis landwirtschaftlicher Produktionstätigkeiten zu zählen ist, kann doch als allgemein bekannt vorausgesetzt werden, dass vor allem in älteren Gehöften und Hofstellen - wenn auch in regional unterschiedlicher Häufigkeit - Taubenkobel bzw. Taubenschläge als bauliche Einrichtungen anzutreffen sind. Wenn die Abteilung Land- und Forstwirtschaft des Amtes der Oö. Landesregierung in ihrer Stellungnahme vom 24. November 2008 ausgeführt hat, dass "durch die Haltung von Tauben keine landwirtschaftlich betriebliche Tätigkeit vorliegt, aus der die Errichtung von Zweckbauten im Grünland abzuleiten wäre", so war damit gemeint, dass die Errichtung eines Taubenschlages im Grünland nicht zulässig ist, weil offenkundig die im ROG normierten Voraussetzungen hiefür nicht erfüllt sind. So bestimmt nämlich § 30 Abs. 5 ROG, dass im "Grünland" nur Bauten und Anlagen errichtet werden dürfen, die nötig sind, um dieses bestimmungsgemäß zu nutzen. Dass nun Bauten und Anlagen zur Haltung von Tauben nicht notwendig sind, um solche land- oder forstwirtschaftliche Flächen bestimmungsgemäß zu nutzen, ist wohl einsichtig und bedarf keiner weiteren Erörterung. Hingegen kann aus der zitierten Stellungnahme der genannten Abteilung des Amtes der Oö. Landesregierung bei verständiger Würdigung nicht abgeleitet werden, dass es sich bei einer Taubenzucht grundsätzlich um keine landwirtschaftliche Produktionstätigkeit handelt.

Dass die mit der Haltung von Brieftauben verbundene Immissionsbelastung von jener bei Haltung anderer Tauben im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes erheblich abweicht, ist nicht erkennbar und wird in der Beschwerde auch nicht behauptet. Ist jedoch die Taubenhaltung - wie oben dargestellt - als ein landwirtschaftlicher Betriebszweig anzusehen, so wäre es aus denselben Wertungskriterien, die bereits für das zitierte Erkenntnis, Zl. 2005/05/0008, maßgeblich waren, unsachlich, wenn die Errichtung und der Betrieb eines Schuppens für eine Taubenzucht oder Taubenhaltung zwar im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes gestattet, hingegen für die nicht betriebsmäßige Haltung von Tauben - und sei es auch zu Hobbyzwecken oder zu gewerblichen Zwecken - unzulässig wäre. Daraus folgt, dass auch im gegenständlichen Beschwerdefall die Widmung "Dorfgebiet" dem von den Baubehörden bewilligten Projekt nicht entgegensteht. Die von der belangten Behörde vertretene Auffassung, dass die Widmungskategorie "Dorfgebiet" den Beschwerdeführern somit keinen Immissionsschutz gewährt, ist daher im Ergebnis nicht zu beanstanden.

4.2. Aus dem Zusammenhalt des § 3 Z 4 Oö. Bautechnikgesetz, LGBl. Nr. 67/1994, in der für die vorliegende Beurteilung maßgeblichen Fassung LGBl. Nr. 103/1998 (im Folgenden: BTG) mit § 2 Z 36 BTG ergibt sich, dass die Nachbarn ein subjektives Recht auf Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen auch dort haben, wo die Widmungskategorie - wie im vorliegenden Beschwerdefall - keinen Immissionsschutz gewährt. Es kommt dabei darauf an, dass keine Gefahren, erheblichen Nachteile oder Belästigungen für die Nachbarschaft durch ein Bauvorhaben herbeigeführt werden (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 27. Jänner 2004, Zl. 2001/05/1062, und vom 21. Juli 2005, Zl. 2004/05/0156, mwN). So normiert § 3 Z 4 leg. cit., dass bauliche Anlagen in all ihren Teilen nach dem jeweiligen Stand der Technik so geplant und errichtet werden müssen, dass durch ihren Bestand und ihre Benützung schädliche Umwelteinwirkungen möglichst vermieden werden. § 2 Z 36 leg. cit. definiert "schädliche Umwelteinwirkungen" als Einwirkungen, die geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und im Besonderen für die Benützer der baulichen Anlagen und die Nachbarschaft herbeizuführen, wie durch Luftverunreinigung, Lärm oder Erschütterungen.

Diese Aufzählung in § 2 Z. 36 BTG ist lediglich demonstrativ. Auf die Einhaltung § 3 Z 4 iVm § 2 Z. 36 leg. cit. steht den Nachbarn ein gemäß § 31 Abs. 4 BO durchsetzbares subjektivöffentliches Recht zu, was aber, wie sich aus dem letzten Satz dieser Bestimmung ergibt, nicht zu einer Versagung der Baubewilligung führen kann; die Baubehörde kann jedoch - soweit dies erforderlich ist - die Bewilligung durch Erteilung von Auflagen und Bedingungen einschränken (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 22. November 2005, Zl. 2003/05/0156).

Die von den Beschwerdeführern im Verwaltungsverfahren ins Treffen geführten gesundheitlichen und hygienischen Bedenken sind durch die von den Baubehörden eingeholten gutachterlichen Stellungnahmen des Amtsarztes entkräftet. Die Beschwerdeführer legen in der Beschwerde keine Unschlüssigkeit dieser gutachterlichen Ausführungen dar und sind diesen im Verwaltungsverfahren auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, sodass sie die Beweiskraft des Amtssachverständigengutachtens insoweit nicht widerlegt haben (vgl. dazu etwa die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2, zu § 52 AVG E 247, 248 zitierte hg. Judikatur).

Anders verhält es sich jedoch mit den von den Beschwerdeführern behaupteten und befürchteten Verschmutzungen ihrer Liegenschaft, insbesondere ihres Gebäudes, mit Taubenkot. Es kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass eine permanente und massive Verunreinigung einer Nachbarliegenschaft auf Grund von Einwirkungen, die mit der Verwendung einer baulichen Anlage zur Haltung einer großen Zahl von Tauben in ursächlichem Zusammenhang stehen, auch in einem "Dorfgebiet" erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Nachbarschaft im Sinne des § 2 Z. 36 BTG bewirkt.

Auch bei der Beurteilung des hier maßgeblichen Tatbestandsmerkmales "erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Nachbarschaft" (§ 2 Z. 36 BTG) kommt es auf das ortsübliche Ausmaß der Emissionen an und muss ein solcher erheblicher Nachteil oder eine solche erhebliche Belästigung dann angenommen werden, wenn die durch ein Bauvorhaben hervorgerufenen Nachteile oder Belästigungen dieses ortsübliche Ausmaß erheblich übersteigen.

Der von den Baubehörden beigezogene Amtsarzt hat zu den behaupteten Verschmutzungen ausgeführt, dass das Verkoten von Dächern oder von Terrassen ein Problem sei, das nicht überbewertet werden solle, weil keine hygienischen oder gesundheitlichen Bedenken gegen die Errichtung und Genehmigung der Taubenschläge bestünden. Die Baubehörden und mit ihnen die belangte Behörde haben sich dieser Beurteilung angeschlossen.

Bei dieser Beurteilung hat die belangte Behörde jedoch den Kreis der gemäß § 3 Z. 4 BTG iVm § 2 Z. 36 leg. cit. hintanzuhaltenden Nachteile und Belästigungen auf den Blickwinkel der Hygiene und des Gesundheitsschutzes beschränkt, ohne darauf abzustellen, ob die von den Beschwerdeführern behaupteten Verschmutzungen ihrer Liegenschaft nicht das ortsübliche Ausmaß überschreiten und im Hinblick darauf erhebliche Nachteile oder Belästigungen für sie darstellen. Damit hat die belangte Behörde den Schutzbereich des § 3 Z. 4 BTG iVm § 2 Z. 36 leg. cit. zu einschränkend ausgelegt, zumal - wie bereits erwähnt - die in § 2 Z. 36 leg. cit. getroffene Aufzählung nicht taxativ ist, und keine Feststellungen darüber für erforderlich gehalten, ob aufgrund der Taubenhaltung in den beschwerdegegenständlichen Taubenschlägen eine erhebliche Verschmutzung der Liegenschaft der Beschwerdeführer durch Taubenkot in einem das ortsübliche Ausmaß wesentlich überschreitenden Maß zu erwarten ist.

5. Da somit die belangte Behörde zu dieser Frage in Verkennung der Rechtslage keine ausreichenden Feststellungen getroffen hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Im weiteren Verfahren wird sich daher die Behörde - allenfalls unter Zuhilfenahme eines geeigneten (z.B. veterinärmedizinischen) Sachverständigen - mit der Frage auseinanderzusetzen haben, ob und zutreffendenfalls in welchem Ausmaß Verschmutzungen der Liegenschaft der Beschwerdeführer durch Taubenkot zu erwarten sind und ob dadurch das ortsübliche Ausmaß von Immissionen erheblich überschritten wird.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 13. Dezember 2011

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