VwGH 2007/10/0033

VwGH2007/10/003331.3.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner sowie die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Lukasser und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der Agrargemeinschaft S in D, vertreten durch Dr. Gernot Gasser und Dr. Sonja Schneeberger, Rechtsanwälte in 9900 Lienz, Beda-Weber-Gasse 1, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 22. Jänner 2007, Zl. IIIa1-F-10.029/1, betreffend Rodungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
ForstG 1975 §17 Abs1;
ForstG 1975 §17 Abs2;
ForstG 1975 §17 Abs3;
ForstG 1975 §17 Abs4;
ForstG 1975 §17;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2011:2007100033.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 22. Jänner 2007 wurde der beschwerdeführenden Partei unter näherer Bezeichnung der Grundstücke die forstrechtliche Bewilligung zur dauernden Rodung einer Grundfläche von 1.058 m2 und zur vorübergehenden Rodung einer Grundfläche von 4.003 m2 versagt.

Zur Begründung führte die belangte Behörde - nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften - im Wesentlichen aus, dem eingeholten Gutachten eines forsttechnischen Amtssachverständigen, der auf einen Waldentwicklungsplan gemäß § 9 Forstgesetz 1975 (ForstG) zurückgreifen habe können, sei zu entnehmen, dass der von der Rodung betroffene Wald im Waldentwicklungsplan mit hoher Schutzwirkung und der Kennziffer "S 3" ausgewiesen sei. Die Erstbehörde habe daher zu Recht ein besonderes Walderhaltungsinteresse im Sinn des § 17 Abs. 2 ForstG an der von der Rodung betroffenen Waldfläche angenommen.

Die beschwerdeführende Partei mache als öffentliche Interessen im Sinn des § 17 Abs. 4 ForstG im Fremdenverkehr begründete Interessen geltend und führe die mit dem Betrieb einer geplanten Kleinwasserkraftanlage verbundene Verbesserung des Angebotes touristischer Einrichtungen (Einrichtung eines Campingplatzes) bzw. nachhaltige Sicherung bereits bestehender touristischer Einrichtungen (zweier namentlich genannter Jausenstationen) ins Treffen. Mit dem Vorbringen der beschwerdeführenden Partei, die geplante Errichtung des gegenständlichen Kleinkraftwerkes sei unmittelbar mit der geplanten Errichtung des ersten Campingplatzes im D. Tal gekoppelt, räume diese selbst ein, dass es sich dabei um ein geplantes, bislang noch nicht verwirklichtes Projekt handle. Darüber hinaus sei die geplante Wasserkraftanlage nicht in der Lage, in Spitzenzeiten ausreichend Strom zu liefern; für den projektierten Campingplatz müsse daher auch anderweitig eine Stromversorgung sichergestellt werden.

Bei den Jausenstationen handle es sich nach dem Vorbringen der beschwerdeführenden Partei um bereits bestehende Betriebe, deren Energieversorgung offensichtlich auch bisher gewährleistet gewesen sei; in Hinblick auf diese touristischen Betriebe sei daher nicht von einem konkreten Bedarf auszugehen, der die Annahme eines öffentlichen Interesses begründe. Ein öffentliches Interesse an der Errichtung einer Kleinwasserkraftanlage wie der geplanten könne nur in der Energiewirtschaft begründet sein; ein konkreter, in der Energiewirtschaft begründeter Bedarf an dem geplanten Kraftwerk liege allerdings nicht vor. Der von der Verwirklichung des Kraftwerkes zu erwartende wirtschaftliche Mehrertrag wirke sich ausschließlich zu Gunsten der beschwerdeführenden Partei aus, sodass von einem mit dem Bau dieses Kraftwerkes verbundenen öffentlichen Interesse nicht auszugehen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 17 Abs. 1 ForstG ist die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) verboten.

Unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 1 kann die Behörde gemäß § 17 Abs. 2 ForstG eine Bewilligung zur Rodung erteilen, wenn ein besonderes öffentliches Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald nicht entgegensteht.

Kann eine Bewilligung nach Abs. 2 nicht erteilt werden, kann die Behörde gemäß § 17 Abs. 3 ForstG eine Bewilligung zur Rodung dann erteilen, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiegt.

Öffentliche Interessen an einer anderen Verwendung iSd Abs. 3 sind gemäß § 17 Abs. 4 ForstG insbesondere begründet in der umfassenden Landesverteidigung, im Eisenbahn-, Luft- oder öffentlichen Straßenverkehr, im Post- oder öffentlichen Fernmeldewesen, im Bergbau, im Wasserbau, in der Energiewirtschaft, in der Agrarstrukturverbesserung, im Siedlungswesen oder im Naturschutz.

Bei der Beurteilung des öffentlichen Interesses im Sinn des Abs. 2 oder bei der Abwägung der öffentlichen Interessen im Sinn des Abs. 3 hat die Behörde gemäß § 17 Abs. 5 ForstG insbesondere auf eine die erforderlichen Wirkungen des Waldes gewährleistende Waldausstattung Bedacht zu nehmen. Unter dieser Voraussetzung sind die Zielsetzungen der Raumordnung zu berücksichtigen.

In Hinblick auf § 17 Abs. 2 ForstG liegt dem angefochtenen Bescheid die Auffassung zu Grunde, die Erteilung einer Rodungsbewilligung nach dieser Bestimmung komme nicht in Betracht, weil es sich bei dem von der Rodung betroffenen Wald laut Waldentwicklungsplan um Wald mit hoher Schutzwirkung handle, der mit der Kennziffer "S 3" ausgewiesen sei.

Die beschwerdeführende Partei tritt diesen Ausführungen zur Schutzwaldeigenschaft (vgl. § 21 ForstG) des betroffenen Waldes nicht entgegen, wendet allerdings ein, der forsttechnische Amtssachverständige habe in seinem Gutachten selbst ein besonderes öffentliches Interesse an der Erhaltung der zu rodenden Fläche als Wald verneint.

Mit diesem Vorbringen wird jedoch eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht dargetan:

Die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 ForstG liegen im Allgemeinen dann nicht vor, wenn es sich um Waldflächen handelt, denen nach dem Waldentwicklungsplan mittlere oder hohe Schutzfunktion, mittlere oder hohe Wohlfahrtsfunktion oder hohe Erholungswirkung zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 2009, Zl. 2008/10/0063, mwN).

Dem Waldentwicklungsplan als einem grobflächigen Planungsinstrument kommt somit in diesem Zusammenhang eine wesentliche Indizwirkung zu; diese entbindet die Behörde allerdings nicht von ihrer Verpflichtung, die Frage des Walderhaltungsinteresses im Sinn des § 17 Abs. 2 ForstG anhand eines Gutachtens eines forstlichen Amtssachverständigen zu beurteilen (so auch die Erl. zur RV, 970 Blg. NR XXI. GP, 32).

Im vorliegenden Fall führte der beigezogene Amtssachverständige in seinem Gutachten zwar zusammenfassend aus, aufgrund der geringen Größe und der räumlichen Verteilung der beanspruchten Waldflächen könne "davon ausgegangen werden", dass alle Funktionen des Waldes durch die beantragte Rodung "keine offensichtlich erkennbaren Beeinträchtigungen" erfahren würden; er wies allerdings in seinen fachlichen Ausführungen in Hinblick auf die Schutzfunktion des betroffenen Waldes auf den steilen Grabeneinhangbereich des L.-Baches hin, wo nach Abschluss der Grabungsarbeiten keine offenen Bodenwunden verbleiben dürften, welche der "Ausgangspunkt von Bodenerosionen bzw. Hangrutschungen" sein könnten.

Der Amtssachverständige stellte im Übrigen nicht in Abrede, dass es sich bei dem von der Rodung betroffenen Wald - wie im Waldentwicklungsplan ausgewiesen - um Wald mit hoher Schutzwirkung handelt.

Wenn die belangte Behörde unter diesen Umständen des Falles davon ausgegangen ist, die Voraussetzungen für die beantragte Rodung lägen nicht gemäß § 17 Abs. 2 ForstG vor, so kann dem nicht entgegengetreten werden.

Eine Rodungsbewilligung kommt somit im vorliegenden Fall nur gemäß § 17 Abs. 3 ForstG in Betracht, d.h. nur unter der Voraussetzung, dass ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiegt.

Ein derartiges öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung kann nach der beispielhaften Aufzählung des § 17 Abs. 4 ForstG etwa "in der Energiewirtschaft" begründet sein; ein energiewirtschaftliches öffentliches Interesse behauptet die beschwerdeführende Partei in der Beschwerde allerdings gar nicht.

Vielmehr führt die Beschwerde im Zusammenhang mit der behördlichen Interessenabwägung nach § 17 Abs. 3 ForstG aus, die von der beschwerdeführenden Partei "geltend gemachten (insbesondere touristischen) Interessen" seien "ohne Errichtung der Kleinwasserkraftanlage nicht oder nur schwer realisierbar", diese Interessen seien daher "vorrangig, unmittelbar und eng mit der Errichtung der Kleinwasserkraftanlage verbunden" und die belangte Behörde übersehe das vorherrschende öffentliche touristische Interesse vor allem der "größten Anteilsnehmerin" der beschwerdeführenden Partei, der Gemeinde S.V., an der "Aufrechterhaltung zweier touristischer Leitbetriebe in ihrem Gemeindegebiet" und der Möglichkeit der Errichtung des ersten Campingplatzes im D. Tal.

Auch dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg:

Ein öffentliches Interesse an der Rodung unter dem Titel des Fremdenverkehrs ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann gegeben, wenn bei Nichterteilung der Rodungsbewilligung wesentliche Nachteile für den Fremdenverkehr zu besorgen wären oder durch die Rodung eine wesentliche Besserung für die Belange des Fremdenverkehrs erzielt werden könnte (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 29. Jänner 1996, Zl. 94/10/0121, und vom 27. Juli 1994, Zl. 94/10/0067). Zwar ist nach der auch im Rodungsverfahren geltenden Offizialmaxime das öffentliche Interesse an der Rodung von Amts wegen festzustellen, doch kommt im Rodungsverfahren die Mitwirkungspflicht der Partei insbesondere dann zum Tragen, wenn es um die Feststellung von Tatsachen geht, die im subjektiven Bereich der Partei gelegen sind; dazu zählt die Bekanntgabe der mit der Rodung verbundenen Interessen, soweit diese nicht offenkundig sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1994, Zl. 92/10/0390).

In ihrer Berufung gegen den abweisenden Bescheid erster Instanz hat die beschwerdeführende Partei allerdings mit Blick auf § 17 Abs. 3 ForstG lediglich vorgebracht, das durch den Bau der Wasserkraftanlage verwirklichbare Projekt der Errichtung des ersten Campingplatzes im D. Tal und die Aufrechterhaltung des Betriebes der beiden Jausenstationen seien "von besonderem touristischen Interesse für die Gemeinde S.V." - der größten Anteilsnehmerin der beschwerdeführenden Partei - und im Interesse des Tourismusverbandes H.; die nur durch entsprechende Rodung verwirklichbare Kraftwerks- und Campingplatzerrichtung und die Aufrechterhaltung der bestehenden Gastronomiebetriebe begründeten ein entsprechendes öffentliches Interesse "Fremdenverkehr".

Mit diesem Vorbringen hat die beschwerdeführende Partei im Verwaltungsverfahren allerdings nicht konkret dargelegt, weshalb die Errichtung des geplanten Campingplatzes von dem als einzigen Rodungszweck ins Treffen geführten Bau eines Kleinkraftwerkes abhänge und der weitere Betrieb der schon bestehenden Jausenstationen ohne jene zusätzliche Energiequelle gefährdet erscheine.

Aus dem weiteren Berufungsvorbringen, die erzielbaren Pachteinnahmen aus abzuschließenden Verträgen mit dem Betreiber des geplanten Campingplatzes seien für die beschwerdeführende Partei aus Wirtschaftlichkeitserwägungen unverzichtbar, ist für diese wiederum nichts zu gewinnen, kann doch die Erhöhung von Einnahmen für sich alleine bloß ein privates, aber kein öffentliches, bei der Interessenabwägung gemäß § 17 Abs. 3 ForstG zu berücksichtigendes Interesse begründen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. November 2001, Zl. 99/10/0262).

Die im angefochtenen Bescheid ausdrücklich getroffenen Feststellungen, dass die geplante Wasserkraftanlage nicht in der Lage sei, in Spitzenzeiten ausreichend Strom zu liefern, und für den projektierten Campingplatz daher auch anderweitig eine Stromversorgung sichergestellt werden müsse, werden in der Beschwerde nicht bestritten.

Aus diesen Gründen ist die Auffassung der belangten Behörde, die beschwerdeführende Partei habe ein überwiegendes öffentliches Interesse an einer waldfremden Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche nicht - im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht - dargelegt, nicht zu beanstanden.

Soweit die Beschwerde unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt, die belangte Behörde hätte weitere Ermittlungen - unter anderem zu einer geplanten Ökostromanlage im Sinn des Ökostromgesetzes - vornehmen müssen, zeigt sie nicht konkret auf, zu welchen Ergebnissen die belangte Behörde bei Durchführung solcher Erhebungen gelangt wäre, und legt somit die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dar.

Weiters vertritt die beschwerdeführende Partei unter Hinweis auf das - ein Verfahren vor dem unabhängigen Bundesasylsenat betreffende - hg. Erkenntnis vom 11. November 1998, Zl. 98/01/0308, die Auffassung, die belangte Behörde hätte eine Verhandlung durchführen müssen; dem ist schlicht zu erwidern, dass die in jenem Erkenntnis herangezogene Bestimmung des § 67d AVG auf das Verfahren vor der belangten Behörde nicht anzuwenden ist.

Der angefochtene Bescheid ist schließlich - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht - nicht mangelhaft begründet.

Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 31. März 2011

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