VwGH 2007/01/1276

VwGH2007/01/127616.12.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Jäger, über die Beschwerde der N S M in W, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 1. Oktober 2007, Zl. MA 35/IV - S 1974/2005, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §293 Abs1;
ASVG §293;
StbG 1985 §10 Abs1 Z7 idF 2006/I/037;
StbG 1985 §10 Abs5 idF 2006/I/037;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2009:2007011276.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin, einer Staatsangehörigen des Iran, vom 28. November 2005 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z. 7 in Verbindung mit § 10 Abs. 5 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 in der Fassung BGBl. Nr. 37/2006 (StbG) ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin lebe seit September 2000 im Bundesgebiet. Sie sei derzeit Studentin. Seit 5. April 2001 sei die Beschwerdeführerin mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet; ihr Ehegatte sei bei einem näher bezeichneten Unternehmen beschäftigt. Bezüglich der letzten drei Jahre (Berechnungszeitraum August 2004 bis Juli 2007) habe die Beschwerdeführerin einen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2004 und Bezugsbestätigungen des AMS Österreich über den Bezug von Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und Krankengeld für das Jahr 2005 vorgelegt; das Einkommen ihres Ehegatten sei durch die Vorlage eines Steuerbescheides für das Jahr 2004, Bezugsbestätigungen des Finanzamtes für die Jahre 2005 und 2006 und die Lohnzettel für das Jahr 2007 nachgewiesen worden. Die Berechnung der Einkünfte sei auf Grund der vorgelegten Einkommensnachweise erfolgt.

Da die Beschwerdeführerin verheiratet sei und mit ihrem Ehegatten im gemeinsamen Haushalt lebe, sei der Richtsatz gemäß § 293 ASVG für sie und ihren Ehegatten herangezogen worden. Das Einkommen der Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten habe für den Zeitraum August 2004 bis Dezember 2004 EUR 5.686,80 betragen; der erforderliche Richtsatz für diesen Zeitraum betrage EUR 5.075,--. Für das Jahr 2005 habe das Einkommen der Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten EUR 9.916,04 betragen; der Richtsatz gemäß § 293 ASVG für das Jahr 2005 betrage EUR 12.362,76. Das Einkommen der Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten für das Jahr 2006 habe EUR 8.903,34 betragen; der Richtsatz gemäß § 293 ASVG für das Jahr 2006 betrage EUR 12.671,88. Für den Zeitraum Jänner bis Juni 2007 habe die Beschwerdeführerin für sich selbst keine Einkünfte nachgewiesen, für ihren Ehegatten seien Lohnzettel über EUR 4.614,30 vorgelegt worden; der Richtsatz gemäß § 293 ASVG für Jänner bis Juli 2007 betrage EUR 7.637,98.

Im Berechnungszeitraum August 2004 bis Juli 2007 seien somit eigene Einkünfte der Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten von insgesamt EUR 29.120,48 nachgewiesen worden; die für diesen Zeitraum erforderlichen Richtsätze gemäß § 293 ASVG hätten insgesamt EUR 37.747,62 betragen.

Da die Gesamteinkünfte der Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten im angegebenen Berechnungszeitraum (drei Jahre) eindeutig unter den Richtsätzen gemäß § 293 ASVG lägen, sei der Lebensunterhalt der Beschwerdeführerin nicht hinreichend gesichert und bestehe daher das Einbürgerungshindernis gemäß § 10 Abs. 1 Z. 7 in Verbindung mit § 10 Abs. 5 StbG.

 

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 7 StbG darf die Staatsbürgerschaft einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen werden, wenn sein Lebensunterhalt hinreichend gesichert ist.

Gemäß § 10 Abs. 5 StbG ist der Lebensunterhalt (Abs. 1 Z. 7) dann hinreichend gesichert, wenn feste und regelmäßige eigene Einkünfte aus Erwerb, Einkommen, gesetzlichen Unterhaltsansprüchen oder Versicherungsleistungen zum Entscheidungszeitpunkt für die letzten drei Jahre nachgewiesen werden, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Der Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten dessen pfändungsfreies Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, nicht zu berücksichtigen.

Die Beschwerdeführerin räumt ein, dass "die Angaben im angefochtenen Berufungsbescheid im Wesentlichen richtig sind", sie bringt aber gegen diesen Bescheid vor, ihr Unterhalt könne als "hinreichend im Sinne des Gesetzes gelten", weil das von ihrem Ehegatten verdiente Einkommen für den gemeinsamen Lebensunterhalt (tatsächlich) ausreiche. Da sie studiere könne sie (zeitlich) nicht länger arbeiten, um ein Gesamtnettoeinkommen zu erzielen, wie dies im angefochtenen Bescheid als notwendig erachtet werde. Wenn als Voraussetzung zur Erlangung der Staatsbürgerschaft verlangt würde, dass sie auf ihr Studium verzichte, wäre dies diskriminierend bzw. unsachlich; sie wolle ihre Bildungschancen wahrnehmen. Die Gefahr, der öffentlichen Hand als Sozialfall zur Last zu fallen, sei bei gut ausgebildeten Personen wesentlich geringer.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Mit der zwingenden Verleihungsvoraussetzung eines hinreichend gesicherten Lebensunterhaltes gab der Gesetzgeber zu verstehen, dass er die Staatsbürgerschaft nur an Fremde verliehen wissen will, die ihren Lebensunterhalt in Österreich durch entsprechendes Einkommen (oder gleichzusetzende Leistungen) ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften hinreichend gesichert haben. Diese gesetzlichen Voraussetzungen müssen objektiv erfüllt sein; dass den Verleihungswerber am Fehlen eines hinreichend gesicherten Lebensunterhalts im Sinne der vorgenannten Bestimmungen kein Verschulden trifft, ist nicht von Belang (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. September 2008, Zl. 2008/01/0494, mwN).

Zur Vermeidung einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft hat der Gesetzgeber die Höhe der nachzuweisenden Einkünfte an die Richtsätze des § 293 ASVG angeknüpft. Diese Bestimmung legt die Höhe der Richtsätze derart fest, dass davon ausgegangen wird, dass bei Erreichen eines solchen Einkommens der notwendige Lebensunterhalt gesichert ist. Für eine Unterschreitung dieser vom Gesetzgeber herangezogenen Richtsätze besteht nach dem Wortlaut des Gesetzes keine Grundlage (arg.: "der Höhe nach den Richtsätzen ... entsprechen") und aus verfassungsrechtlicher Sicht auch kein Anlass (vgl. insoweit das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 2009, Zl. 2007/01/0295, mwN). Auch entspricht es dem Gesetz, bei einem gemeinsamen Haushalt unter Berücksichtigung der zu versorgenden Personen zu prüfen, ob das Haushaltseinkommen den "Haushaltsrichtsatz" nach § 293 Abs. 1 ASVG erreicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 2009, Zl. 2007/01/0944).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 16. Dezember 2009

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