VwGH 2007/21/0401

VwGH2007/21/040120.12.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, in der Beschwerdesache des J, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schwedenplatz 2/74, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 25. August 2007, Zl. III-1145532/FrB/07, betreffend behauptete Nichtzuerkennung eines Durchsetzungsaufschubes, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §73 Abs1;
AVG §73 Abs2;
AVG §73;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z12;
FrPolG 2005 §67 Abs1;
FrPolG 2005 §86 Abs3;
FrPolG 2005 §87;
VwGG §30 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
AVG §73 Abs1;
AVG §73 Abs2;
AVG §73;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z12;
FrPolG 2005 §67 Abs1;
FrPolG 2005 §86 Abs3;
FrPolG 2005 §87;
VwGG §30 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien wurde der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG (aus dem österreichischen Bundesgebiet) ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer ist mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet und demzufolge "Familienangehöriger" im Sinne der Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 4 Z 12 FPG. Für Familienangehörige von Österreichern gelten jedenfalls - und zwar gemäß § 87 zweiter Satz FPG auch dann, wenn der österreichische Angehörige sein (gemeinschaftsrechtlich begründetes) Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen hat - die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach § 86 FPG. Gemäß § 86 Abs. 3 FPG ist (auch) begünstigten Drittstaatsangehörigen (u.a.) bei der Erlassung einer Ausweisung von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise des Fremden wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich. Demnach hat ein der genannten Personengruppe angehörender Fremder grundsätzlich einen Anspruch auf Einräumung eines einmonatigen Durchsetzungsaufschubes, welcher der Vorbereitung und Organisation der Ausreise dient (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. September 2007, Zl. 2007/21/0149)

Gegen die Ausweisung erhob der Beschwerdeführer eine Berufung an die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien, während sich die vorliegende Beschwerde gegen die Nichtgewährung eines Durchsetzungsaufschubes nach § 86 Abs. 3 FPG richtet (zur Unzulässigkeit einer Berufung u.a. gegen die Versagung eines Durchsetzungsaufschubes siehe § 9 Abs. 2 erster Satz FPG). Der Beschwerde liegt die Auffassung zugrunde, mit dem angefochtenen Bescheid sei der für den Regelfall zwingend vorgesehene und spätestens zeitgleich mit der Erlassung der Ausweisung zu gewährende Durchsetzungsaufschub zumindest implizit versagt worden, ohne dass die Voraussetzungen hiefür vorlägen und ohne dass sich dem angefochtenen Bescheid dafür eine nachvollziehbare Begründung entnehmen lasse. Insoweit sei der bekämpfte Bescheid "aus dem Rechtsbestand zu eliminieren".

Sowohl der Spruch des angefochtenen Bescheides als auch dessen Begründung beziehen sich nur auf die mit dem unrechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers begründete und demzufolge auf § 53 Abs. 1 FPG gestützte Ausweisung des Beschwerdeführers. Auch die Beschwerde räumt ein, dass der Bescheid keine "explizite Bezugnahme auf § 86 Abs. 3 FPG" enthalte. Dem bekämpften Bescheid lässt sich tatsächlich kein Hinweis darauf entnehmen, dass die belangte Behörde vom Vorliegen der Voraussetzungen für die Versagung eines Durchsetzungsaufschubes - Erforderlichkeit der sofortigen Ausreise des Beschwerdeführers im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit - ausgegangen wäre. Auch das erkennt die (insoweit einen Begründungsmangel geltend machende) Beschwerde. Es bestehen somit keine Anhaltspunkte dafür, die belangte Behörde hätte im angefochtenen Bescheid ihren Willen zur Versagung des Durchsetzungsaufschubes zum Ausdruck gebracht. Das ergibt sich aber auch nicht aus dem Umstand, dass die belangte Behörde ihrer gesetzlich auferlegten Verpflichtung, bei der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme ausdrücklich einen Durchsetzungsaufschub nach § 86 Abs. 3 FPG zu gewähren oder dessen Versagung spruchmäßig zum Ausdruck zu bringen und nachvollziehbar zu begründen, nicht entsprochen hat. Vielmehr liegt insoweit Säumigkeit der belangten Behörde vor.

Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers enthält der angefochtene Bescheid somit keinen (negativen) Abspruch hinsichtlich des Durchsetzungsaufschubes, der mit einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 131 Abs. 1 Z 1 B-VG bekämpft werden könnte und - im Falle eines Beschwerdeerfolges - einer Kassation zugänglich wäre. Die Beschwerde erweist sich damit als unzulässig.

Soweit der Beschwerdeführer demgegenüber versucht, die Zulässigkeit der Beschwerde mit Rechtsschutzüberlegungen zu rechtfertigen, ist dem Folgendes entgegen zu halten:

Nach § 40 Abs. 1 dritter Satz des (bis 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen) Fremdengesetzes 1997 konnte die Behörde bei der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme den Eintritt der Durchsetzbarkeit auf Antrag des Fremden auf höchstens drei Monate hinausschieben. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes leitete aus der Wortfolge "bei der Erlassung" ab, ein Ausspruch über einen Durchsetzungsaufschub könne nur gleichzeitig mit der Erlassung der Maßnahme getroffen werden und auch das Antragsrecht des Fremden sei insoweit zeitlich eingeschränkt (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 22. Juni 2006, Zl. 2005/21/0417; siehe auch das hg. Erkenntnis vom 9. September 1999, Zl. 99/21/0243, mit dem Hinweis auf Judikate zur inhaltsgleichen Vorgängerbestimmung des § 22 Abs. 1 des Fremdengesetzes BGBl. Nr. 838/1992). Daran knüpft die Beschwerde offenbar an, wenn sie aus derselben Wendung in § 86 Abs. 3 FPG folgert, der Durchsetzungsaufschub sei als Teil der Ausweisungsentscheidung oder aber in einem gesonderten, spätestens mit der Ausweisungsentscheidung zu erlassenden Bescheid zu gewähren. Dem würde die nach Ansicht des Beschwerdeführers auch "denkmögliche" Variante widersprechen, einen zunächst unterlassenen Ausspruch zum Durchsetzungsaufschub während der Berufungsfrist bzw. im Falle der Erhebung einer Berufung bis zu deren Erledigung vorzunehmen. Intention des Gesetzgebers sei es wohl auch, den Anspruch nach § 86 Abs. 3 FPG nicht bloß jenen Fremden zuteil werden zu lassen, die gegen die Ausweisung eine Berufung ergreifen. Nach Ansicht des Beschwerdeführers sei daher - bei sonst drohender willkürlicher Vorenthaltung des in § 86 Abs. 3 FPG gewährleisteten Anspruches - ein Bescheid wie der vorliegende "denknotwendig" dahin auszulegen, dass er "implizit eine Versagung dieses Durchsetzungsaufschubes mit enthalte und insoweit auch vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes bekämpfbar" sei.

Dem ist insoweit beizupflichten, als auch der Verwaltungsgerichtshof davon ausgeht, in § 86 Abs. 3 FPG ist die Pflicht der Behörde normiert, zeitgleich mit der Erlassung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme auch über den Durchsetzungsaufschub bescheidmäßig abzusprechen. Das ergibt sich auch aus dem erwähnten Zweck der Bestimmung, die Durchsetzbarkeit der Entscheidung für einen Monat zur Ermöglichung der Vorbereitung der Ausreise aufzuschieben. Daraus folgt aber - anders als die Beschwerde meint - noch kein Verbot, die entgegen der genannten Verpflichtung zunächst unterlassene Entscheidung über den Durchsetzungsaufschub noch später nachzuholen. Eine zeitliche Schranke besteht nur insoweit, als der Durchsetzungsaufschub iSd § 86 Abs. 3 FPG ein Monat nach Eintritt der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme faktisch ins Leere ginge (vgl. in diesem Zusammenhang auch das zu § 67 Abs. 1 dritter Satz FPG ergangene hg. Erkenntnis vom 24. April 2007, Zl. 2007/21/0089).

Vor diesem Hintergrund bleibt dem Fremden in einem Fall wie dem vorliegenden daher die Möglichkeit, einen Antrag auf Erteilung des (eigentlich von Amts wegen zu gewährenden) Durchsetzungsaufschubes zu stellen und im Falle weiterer Säumnis die gegen die Untätigkeit von Behörden zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe (Devolutionsantrag, Säumnisbeschwerde) in Anspruch zu nehmen. Für die Begründung der Entscheidungspflicht kommt es nämlich nicht darauf an, ob das Verfahren, in welchem ein Antrag gestellt wurde, von Amts wegen einzuleiten oder fortzuführen ist. Jedenfalls kann aber eine Entscheidungspflicht gemäß § 73 AVG nur durch einen Antrag (oder eine Berufung) von Parteien ausgelöst werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 1995, Zl. 93/07/0123; in diesem Sinne auch Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht8, Rz 635, Punkt 4.).

Es wird dabei vom Verwaltungsgerichtshof nicht verkannt, dass diesem Weg der Rechtsdurchsetzung im Hinblick auf die - schon erwähnte - längstmögliche Befristung des Durchsetzungsaufschubes nach § 86 Abs. 3 FPG mit einem Monat beginnend mit der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme faktische Grenzen gesetzt sind. Dem kann aber nicht dadurch begegnet werden, dass durch die Annahme eines "impliziten" negativen Abspruchs über den Durchsetzungsaufschub die Zulässigkeit einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof konstruiert wird, bewirkte doch ein Beschwerdeerfolg nur die Kassation dieses "impliziten", den Durchsetzungsaufschub versagenden Spruchteiles. Damit wäre aber im Wesentlichen nur dieselbe Situation wie vor der Beschwerdeführung - allerdings zeitlich später - gegeben, wobei in diesem Zusammenhang anzumerken ist, dass einer Beschwerde gegen die Versagung des Durchsetzungsaufschubes nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine aufschiebende Wirkung nicht zuzuerkennen ist (vgl. etwa zuletzt den in dieser Sache ergangenen Beschluss vom 24. Oktober 2007, Zl. AW 2007/21/0184). Rechtsschutzüberlegungen sprechen also sogar dagegen, den Fremden in mit dem vorliegenden vergleichbaren Fällen dazu zu zwingen, zunächst die (in Wahrheit gar nicht vorgenommene) "implizite" Versagung des Durchsetzungsaufschubes im Beschwerdeweg zu beseitigen, und ihm erst dann die Möglichkeit einzuräumen, noch zeitgerecht eine Entscheidung über den Durchsetzungsaufschub herbeizuführen.

Die Beschwerde war daher - in einem nach § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat - gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 20. Dezember 2007

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