Normen
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z12;
FrPolG 2005 §86 Abs3;
FrPolG 2005 §87;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z12;
FrPolG 2005 §86 Abs3;
FrPolG 2005 §87;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird in seinem bekämpften dritten Spruchpunkt (Versagung eines Durchsetzungsaufschubes) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der am 5. Dezember 1989 geborene, seit 2004 in Österreich aufhältige Beschwerdeführer ist ein nicht verheirateter serbischer Staatsangehöriger, dessen Mutter mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet ist.
Mit Bescheid vom 16. März 2007 erließ die Bundespolizeidirektion Wien (die belangte Behörde) gegen den Beschwerdeführer gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG ein mit zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot (erster Spruchpunkt) und verband dies mit der Belehrung, der Beschwerdeführer habe nach Eintritt der Durchsetzbarkeit "dieses Bescheides" unverzüglich aus dem Bundesgebiet auszureisen. Weiters wurde einer Berufung gegen diesen Bescheid gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt (zweiter Spruchpunkt). Im angefochtenen dritten Spruchpunkt sprach die belangte Behörde schließlich aus, gemäß § 86 Abs. 3 FPG werde dem Beschwerdeführer von Amts wegen kein Durchsetzungsaufschub erteilt.
Das Aufenthaltsverbot stützte die belangte Behörde auf eine rechtskräftige gerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers vom 3. Mai 2006 wegen § 142 Abs. 1 StGB (Raub) sowie wegen §§ 15, 142 Abs. 1; 127 StGB (versuchter Raub, Diebstahl) zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe. Derzeit befinde sich der Beschwerdeführer nach seiner Festnahme am 18. Jänner 2007 neuerlich wegen des Verdachtes des schweren Raubes in Untersuchungshaft. Der Beschwerdeführer sei nach dem Schulabschluss in Österreich ohne Beschäftigung und lebe von der Unterstützung seiner (geschiedenen) leiblichen Eltern. Vor der Inhaftierung habe er gemeinsam mit seinen beiden Brüdern bei seiner Mutter gewohnt. Sowohl sein Vater als auch seine Großeltern seien in Wien wohnhaft. Zu Österreich bestünden daher - so formulierte die belangte Behörde - "nicht unwesentliche familiäre Bindungen", jedoch seien die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit wesentlich höher zu bewerten als die privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich.
Die Versagung des Durchsetzungsaufschubes begründete die belangte Behörde folgendermaßen:
"EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen, zu denen gemäß § 87 iVm. § 86 Abs. 1 FPG Familienangehörige von Österreicher zählen, ist bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise des Fremden wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder nationalen Sicherheit erforderlich. Nach Ansicht der Behörde würde bei Ihrem weiteren Verbleib im Bundesgebiet die Gefahr bestehen, dass Sie weiterhin ihren Lebensunterhalt durch Raub bestreiten. Im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung war Ihnen daher kein Durchsetzungsaufschub zu erteilen."
Gegen das Aufenthaltsverbot und gegen den Ausschluss ihrer aufschiebenden Wirkung erhob der Beschwerdeführer nach der Aktenlage keine Berufung, gegen die Versagung eines Durchsetzungsaufschubes richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Der Beschwerdeführer ist als unverheiratetes minderjähriges Stiefkind Familienangehöriger (§ 2 Abs. 4 Z 12 FPG) eines Österreichers. Gemäß § 87 zweiter Satz FPG gelten für diese Personengruppe die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach den §§ 85 Abs. 2 und 86. Der im vorliegenden Zusammenhang maßgebliche § 86 Abs. 3 FPG lautet:
"(3) EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen ist bei Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise des Fremden wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich."
Ein der genannten Personengruppe angehörender Fremder hat nach der zitierten Bestimmung grundsätzlich einen Anspruch auf Einräumung eines einmonatigen Durchsetzungsaufschubes, welcher der Vorbereitung und Organisation der Ausreise dient.
An diesen Zweck knüpfen die Ausführungen in der Beschwerde an, der Durchsetzungsaufschub von einem Monat nach der Haftentlassung des Beschwerdeführers - er sei mittlerweile mit weiterem strafgerichtlichen Urteil zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden - sei für ihn aber auch für seine gesamte Familie notwendig, um das Leben des Jugendlichen in seinem Heimatland zu organisieren und seine Übersiedlung von Österreich nach Serbien durchzuführen. Der Beschwerdeführer hege die Hoffnung, nach Ablauf des Aufenthaltsverbotes nach Österreich zurückkehren zu können, und wisse (nunmehr), dass jede kleinste Verfehlung die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes zur Folge hätte. Deshalb und aufgrund des Vollzugs der langjährigen Haftstrafe sei es somit ausgeschlossen, dass der Beschwerdeführer nach seiner Haftentlassung eine weitere Straftat begehe. Die belangte Behörde habe zum angefochtenen Spruchpunkt nur Erwägungen angestellt, die schon für das Aufenthaltsverbot notwendig gewesen seien, und die Annahme, der Beschwerdeführer werde nach der Verbüßung der Haft seinen Lebensunterhalt durch Raub bestreiten, sei aufgrund seiner sozialen Integration unrichtig und komme einer Vorverurteilung gleich.
Damit zeigt die Beschwerde im Ergebnis einen relevanten Begründungsmangel auf:
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach betont, dass die ausnahmsweise Nichtgewährung des einem Fremden nach § 86 Abs. 3 FPG zustehenden Durchsetzungsaufschubes einer besonderen, über die schon für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Erwägungen hinausgehenden Begründung bedarf (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. November 2006, Zl. 2006/21/0171, mit dem Hinweis auf das bereits zum FPG ergangene Erkenntnis vom 31. August 2006, Zl. 2006/21/0088), verlangt doch die Versagung des Durchsetzungsaufschubes die nachvollziehbare Prognose, der Aufenthalt des Fremden für ein (weiteres) Monat gefährde die öffentliche Ordnung und Sicherheit.
Im vorliegenden Fall bleibt die belangte Behörde begründete Ausführungen schuldig, weshalb der Beschwerdeführer - trotz Vollzugs der Haftstrafe - während des ersten Monats nach seiner Enthaftung wieder einschlägig rückfällig werden sollte. Zu Recht hat die Beschwerde in diesem Zusammenhang auch auf die im angefochtenen Bescheid festgestellten familiären Bindungen des erst siebzehnjährigen Beschwerdeführers hingewiesen, aus denen sich auch eine Wohnmöglichkeit und eine Unterhaltsgewährung durch seine leiblichen Eltern ergibt. Darauf hätte die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung auch Bedacht nehmen müssen.
Angesichts dieser Begründungsmängel war der angefochtene Bescheid - im Umfang der Anfechtung - gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 26. September 2007
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