VwGH 2005/05/0007

VwGH2005/05/000727.6.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde der KOOP Lebensraum Beteiligungs-AG in Ried im Innkreis, vertreten durch Sattlegger, Dorninger, Steiner & Partner, Rechtsanwaltssozietät in 4020 Linz, Harracherstraße 6, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 16. November 2004, Zl. BauR-013377/1-2004-Ka/Vi, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Parteien: 1. Mag. Christine Hofmann, 4910 Ried im Innkreis, Ufergasse 15, 2. Mag. Max Hofmann, 4910 Ried im Innkreis, Ufergasse 15, 3. Elvira Hölzl, 4910 Ried im Innkreis, Ufergasse 11, 4. Johann Nagl, 3400 Klosterneuburg, Franz-Horst-Gasse 3, 5. Karoline Nagl, 4910 Ried im Innkreis, Ufergasse 9, 6. Franz Kirchgatterer, 4910 Ried im Innkreis, Wildfellnerstraße 15, 7. Pauline Riegler, 4910 Ried im Innkreis, Ufergasse 8, 8. Josef Erlacher jun., 4910 Ried im Innkreis, Wildfellnerstraße 22, 9. Elfriede Hütter-Fürthauer, 4910 Ried im Innkreis, Wildfellnerstraße 16, 10. Bettina Lusk, 4910 Neuhofen, Langstraße 83, 11. Berta Zechmeister, 4910 Ried im Innkreis,

Ufergasse 17, 12. Gerhard Zechmeister, 4910 Ried im Innkreis,

Ufergasse 17, 13. Ingrid Heitzinger, 4910 Ried im Innkreis, Ufergasse 15, 14. Karl Heitzinger, 4910 Ried im Innkreis, Ufergasse 15, 15. Josef Erlacher sen., 4910 Ried im Innkreis, Wildfellnerstraße 22, 16. Maria Luger, 4910 Ried im Innkreis, Ufergasse 19, 17. Dipl. Ing. Norbert Estermann, 18. Katharina Estermann, beide in 4910 Ried im Innkreis, die beiden Letzteren vertreten durch Berger & Aichlreiter Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Sterneckstraße 55/1), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §42 idF 1998/I/158;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
BauO OÖ 1994 §31 Abs3;
BauO OÖ 1994 §31 Abs4;
BauRallg;
B-VG Art119a Abs5;
GdO OÖ 1965;
GdO OÖ 1990 §102;
ROG OÖ 1994 §22 Abs4;
ROG OÖ 1994 §23 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid, der im Übrigen als unangefochten unberührt bleibt, wird in seinem Spruchpunkt II. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin hat mit der am 7. Oktober 2003 bei der Baubehörde eingelangten Eingabe um die Erteilung der Baubewilligung für den "Abbruch Best. Feuerwehr und Buswartebereich sowie Neubau Marktplatzcenter mit Tiefgarage-, Büro-, Geschäfts- und Kinogebäude" auf näher bezeichneten Grundstücken der KG Ried im Innkreis, welche zum Teil im Eigentum der Stadtgemeinde Ried im Innkreis und zum Teil im Eigentum der Beschwerdeführerin stehen, angesucht.

Die Baugrundstücke sind im bestehenden Flächenwidmungsplan als "Kerngebiet" ausgewiesen.

Plangemäß ist im Bereich des vorgesehenen Kinogebäudes auch die Errichtung von zwei Geschäftseinheiten mit einer Verkaufsfläche von 460 m2 und einer Verkaufsfläche von 376,5 m2 und von Gaststättenräumlichkeiten vorgesehen. Bezüglich der tatsächlichen Nutzung der in den Einreichplänen im Rahmen eines einheitlichen Bauvorhabens mit dem Kinogebäude ausgewiesenen Geschäfts- und Gaststättenräumlichkeiten wurde von der Beschwerdeführerin keine Projektsplanung (insbesondere Betriebsbeschreibung) vorgenommen.

Die Baubehörde führte am 2. Februar 2004 über das eingereichte Bauvorhaben der Beschwerdeführerin eine Bauverhandlung durch. In der Niederschrift zu dieser Verhandlung wurde festgehalten, dass Gegenstand der Bauverhandlung "die Tiefgarage inklusive Lüftungsanlagen und die davon ausgehenden Emissionen (Lärm), das Kino inklusive Lüftungsanlagen und die davon ausgehenden Emissionen (Lärm) und das Bürogebäude" seien. Nicht Gegenstand der Verhandlung seien "die beiden im Erdgeschoss des Kinogebäudes liegenden Geschäftseinheiten, der Restaurant- und Cafe-Betrieb und die dazu gehörigen Lüftungsanlagen, der neue Steg über die Breitsach und der Abbruch des alten Steges". Für diese Anlagen seien nach anderen Materiengesetzen gesonderte Bewilligungen erforderlich (Gewerberecht, Wasserrecht). Sollte sich für diese Gebäudeteile auf Grund gesetzlicher Bestimmungen keine Genehmigungspflicht ergeben, so sei für diese Bereiche auch gesondert um baurechtliche Bewilligung anzusuchen. "Grundsätzlich beurteilt werden jedoch die Fluchtwegsituation allgemein und die Brandabschnittsbildung auch aus diesen Bereichen sowie die Bemessung der erforderlichen Stellplätze, da sich hier Anhaltsgrößen auf Grund der Größen der Anlagen ergeben (Cafe-Bar, Restaurant, Geschäfte)."

Nach der von der Baubehörde erster Instanz abgefassten Niederschrift über die Verhandlung vom 2. Februar 2004 umfasst die Tiefgarage zur Gänze das "Marktplatz-Projekt" mit einer Gesamtfläche von 4.612 m2. Vorgesehen sind insgesamt 170 Pkw-Abstellplätze. Der für den Kinobereich vorgesehene Gebäudeteil wird wie folgt beschrieben:

"Erdgeschoss:

Im Kinokomplex werden erdgeschossig zwei Geschäftseinheiten (Geschäftseinheit 1 mit 460,5 m2 und Geschäftseinheit 2 mit 376,5 m2) ausgeführt. Die Nutzung dieser Geschäftseinheiten ist nicht bekannt und es wird für die Inneneinbauten, die erforderlichen Sanitäreinheiten, etc. gesondert um Bewilligung angesucht. Jedes Geschäft wird als eigener Brandabschnitt mit

jeweils separater Lagerfläche vorgesehen. ... Das gesamte

Erdgeschoss wird mit einer automatischen Brandmeldeanlage ausgestattet. Zur sanitären Versorgung der Restaurant-, Bar- und Kinobesucher, wobei hier auf Grund der möglichen Bestuhlung und Fläche von rund 110 Plätzen auszugehen ist, werden Sanitäreinheiten für Damen und Herren und ein Behinderten-WC eingerichtet. Die Fluchtweglängen betragen jeweils unter 40 m ins Freie, über den Windfang des Kino-Foyers bzw. in einen anderen Brandabschnitt (Erschließungsausgang Ladehof im rückwärtigen Bereich).

Die Erschließung der Obergeschosse erfolgt über eine freitragende, gewendelte, einläufige Stiege, wobei für flüchtende Personen ein zusätzliches Sicherheitsstiegenhaus zur Verfügung steht. Sämtliche Verglasungen in diesem Bereich erfolgen bis zu einer Mindesthöhe von 1 m in Sicherheitsglas- bzw. bei Fluchttüren anschließender Verglasung bis in 2 m Höhe.

Die vor dem Kinogebäude liegende Abfahrtsrampe der Tiefgarage wird mit einer 1 m hohen Brüstung gehaust.

Die Brandrauchentlüftungsschächte aus der Tiefgarage werden brandbeständig durch das Erdgeschoss geführt.

1. Obergeschoss:

Im 1. OG befinden sich die Hauptzugänge zu den Kinosälen 1 bis 6. In diesen sechs Kinosälen finden insgesamt 756 Personen Platz. Saal 1: 210 Sitzplätze, Saal 2: 241 Sitzplätze, Saal 3:

129 Sitzplätze, Saal 4: 96 Sitzplätze, Saal 5: 96 Sitzplätze, Saal 6: 96 Sitzplätze. Sämtliche Kinosäle sind mit einem zweiten Fluchtweg ausgestattet. Der zweite Fluchtweg führt über das Dach des Erdgeschosses über gesicherte Fluchtwege im Bereich das Ladehofes über die Sicherheitsstiegenhäuser im Bereich der neu geplanten Brücke im Freien in die Erdgeschossebene. Diese Stiege wird entgegen den Einreichunterlagen zur Gänze auf eigenem Grund errichtet und die Stiege im EG wird entsprechend weiter in den Restaurantbereich eingerückt. ...

2. Obergeschoss:

Im 2. OG ist zusätzlich zu den Kinosälen eine Büroeinheit für den Kinobetrieb mit Umkleide-, Sanitär- und Sozialräumen untergebracht, wobei hier die Sicherheitsstiegenhäuser durch F-30- Verglasungen vom Luftraum über dem Foyer getrennt sind. ...

3. Obergeschoss:

Ein 3. OG ist im Kino nicht vorgesehen. Es kommen in diesem Bereich nur die Lüftungsanlagen für die Kinosäle auf den Dächern zu liegen. ...

Schalltechnischer Befund und Gutachten Lüftungslagen Kino (Ing. Sch.):

... Im Konkreten ist die Errichtung eines Marktplatzcenters

mit Tiefgarage, Büro-, Geschäfts- und Kinogebäude geplant. Verhandlungsgegenstand in lärmtechnischer Hinsicht sind die geplanten Kühlanlagen und Lüftungsanlagen der Kinosäle und der Tiefgarage. ...

Auf Grund der bestehenden Flächenwidmung betragen die Planungsrichtwerte für zulässige Schallimmissionen nach der ÖNORM S 5021 sowohl für die zu bebauenden Liegenschaften als auch für die Nachbarliegenschaften zur Tageszeit (6.00 bis 22.00 Uhr) 60 dB und in den Nachtstunden (22.00 bis 6.00 Uhr) 50 dB. Die Dimensionierung der Schalldämpfer bzw. Schallschutzeinrichtungen und die Situierung der einzelnen Anlagen wurde so durchgeführt, dass auf der Grundgrenze des Bauplatzes der Immissionsgrenzwert von 50 dB eingehalten wird. ...

Aus schalltechnischer Sicht ist zusammenfassend festzustellen, dass durch den Betrieb der geplanten Lüftungsanlagen und Klimaanlagen für die Tiefgarage und die Kinosäle, die für die bestehende Flächenwidmung nach der ÖNORM S 5021 abgeleiteten Planungsrichtwerte (Immissionsgrenzwerte) eingehalten werden. ...

Bürogebäude:

Entlang der Friedrich-Thurner-Straße wird ein viergeschossiges Bürogebäude in Massivbauweise errichtet und durch ein zentrales Sicherheitsstiegenhaus erschlossen. Das Bürogebäude wird zusammen mit dem Kinokomplex mit einer vollautomatischen Brandmeldeanlage im 'Vollschutz' ausgestattet.

Erdgeschoss:

Das EG wird durchgängig gestaltet, wobei hier nur das Stiegenhaus zu den oberen Geschossen, ein in Leichtkonstruktion gehaustes Geschäft im Ausmaß von 90,5 m2, ein Fahrkarten-Shop im Ausmaß von 35,5 m2 und der Bus-Wartebereich untergebracht werden. Die Sanitärräume für diese Bereiche befinden sich im Kellergeschoss (= Tiefgarage). Die darüber liegenden Geschosse stehen auf massiven, brandbeständigen Betonstützen. ...

In den drei Obergeschossen werden Büroräumlichkeiten untergebracht, wobei verschiedene Betriebseinheiten oder eine gemeinsame Betriebseinheit pro Geschoss möglich ist. Die sanitäre Versorgung erfolgt über zentrale WC-Einheiten. ...

Infrastruktur:

Verkehrstechnische Erschließung

Für die verkehrstechnische Erschließung des Marktplatzcenters

liegt ein Verkehrsgutachten ... vor. ...

Stellplatzsituation:

Gemäß Projektsunterlagen (auch Verkehrsgutachten) wird das Kino wochentags von 18.00 bis 1.00 Uhr und an den Wochenenden und Feiertagen zusätzlich auch nachmittags betrieben.

Gemäß Flächenaufstellung und Sitzplätzen werden folgende Stellplätze gemäß § 45 O.ö. BauTV zur Verfügung gestellt:

Restaurant Kino: 80 Sitzplätze 16 Pkw Stellplätze

Cafe-Bar: 30 Sitzplätze 6 Pkw-Stellplätze

Geschäft 1 und 2: 836,5 m2 28 Pkw-Stellplätze

Kino: 756 Sitzplätze 152 Pkw-Stellplätze

Fahrkarten-Shop ÖBB: 1 Pkw-Stellplatz

Geschäft Bürogebäude: 3 Pkw-Stellplätze

Bürogebäude: 28 Pkw Stellplätze.

Somit ergeben sich in Summe 234 Pkw-Stellplätze, wobei der eine Stellplatz für den Fahrkarten-Shop den acht ÖBB-Stellplätzen zuzuordnen ist und die 22 Stellplätze für das Restaurant und die Cafe-Bar dem Kinobetrieb zuzuordnen sind. Weiters kann man davon ausgehen, dass auf Grund der Nutzungssituation (Time-Sharing) Betriebszeiten des Kinos ab 18.00 Uhr während der Woche 28 Stellplätze zeitlich doppelt genutzt werden können. Zudem stehen kurz nach 18.00 Uhr die Busparkplätze auch für Pkw zur Verfügung (ca. 50 Stellplätze). Somit verbleiben 183 erforderliche Stellplätze, wovon 170 in der Tiefgarage vorhanden sind. Es sind daher weitere 13 Stellplätze im Umkreis von 300 m privatrechtlich sicher zu stellen. Diese stehen laut Projektant Fa. Koop in der Mühlbachgasse zur Verfügung, was im 300 Meter-Bereich liegt. ..."

Die mitbeteiligten Parteien erhoben Einwendungen. Insbesondere wurde eine gesundheitsgefährdende Verkehrssituation behauptet und unzumutbare Lärmbelästigung geltend gemacht.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Ried im Innkreis wurde der Beschwerdeführerin die "Baubewilligung für das Bauvorhaben Abbruch Feuerwehrgebäude und Buswartebereich, Neubau Marktplatz-Center mit Tiefgarage, Büro-, Geschäfts- und Kinogebäude" entsprechend den bei der mündlichen Bauverhandlung aufgelegenen und als solchen gekennzeichneten Bauplänen unter Vorschreibung von Nebenbestimmungen erteilt.

Mit Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Ried im Innkreis vom 13. Juli 2004 wurde den dagegen erhobenen Berufungen der mitbeteiligten Parteien keine Folge gegeben. Begründend führte die Berufungsbehörde im Wesentlichen aus, dass die Baubehörde erster Instanz zu Recht von der Zulässigkeit des Bauprojektes in der Widmungskategorie Kerngebiet ausgegangen sei. Beim gegenständlichen Projekt handle es sich um ein typisches, dem Kerngebiet zuordenbares Konglomerat aus den im § 22 O.ö. ROG 1994 angeführten Gebäuden und Betrieben. Die Größe des Kinos sei auf Grund der Besucherzahl kein Großkino; die dafür vorgesehene Sonderwidmung sei nicht erforderlich. Die Geschäftsflächen betrügen unter 1.000 m2 und seien zudem in zwei Geschäftseinheiten gegliedert; eine Sonderwidmung sei daher ebenfalls nicht erforderlich. Ein viergeschossiges Bürogebäude in der geplanten Größe benötige ebenfalls keine Sonderwidmung. Beim Bauvorhaben Marktplatz-Center handle es sich um ein Konglomerat an Gebäuden mit verschiedenen Nutzungen, das eindeutig der Widmungskategorie Kerngebiet zuzuordnen sei, da eine entsprechende Umschreibung in einer Sonderwidmungsnutzung überhaupt nicht sachlich festgeschrieben werden könne und zudem die einzelnen Nutzungsteile eine strikte Trennung mit Ausnahme der Tiefgarage und der dazugehörigen Stellplätze, aufwiesen. Im Sinne einer überörtlichen Raumordnung hätte höchstens der Busbahnhof festgeschrieben werden können. Zudem könnte ein Kino in der geplanten Größenordnung in jedem bestehenden Kerngebiet mit angrenzenden Handels- und Gastronomiebetrieben errichtet werden, in dem eine Widmungseinschränkung nicht erfolgt sei. Folge man der Argumentation der mitbeteiligten Partei auf Kumulierung der Besucher, so sei das Erreichen der 1.000-Personen-Grenze auf Grund der zeitlichen Nutzungsverschiebung in der Realität nicht gegeben. Dies würde voraussetzen, dass sämtliche Kinosäle zur selben Zeit voll besetzt seien, die gesamten Gastronomiebereiche komplett belegt seien, die zwei Geschäftslokale geöffnet und besucht seien und noch dazu das Bürogebäude voll im Betrieb sei. Eine solche Konstellation sei unwahrscheinlich, da die größte Kinofrequenz aus den Erfahrungen in anderen ähnlichen Kinos erst um ca. 20 Uhr beginne, zu einer Zeit, in der Geschäftslokale entsprechend den derzeitigen Ladenöffnungszeiten geschlossen seien und auch das Bürogebäude nur sporadisch besetzt sein werde. Dass sämtliche Kinosäle voll belegt seien, sei nach den Erfahrungen der Branche nicht gegeben bzw. durch die zeitlichen Verschiebungen mehr als unwahrscheinlich. Im Bauverfahren seien nur die widmungskonforme Lärmemissionen an der Grundgrenze sicher zu stellen, diese sei durch den bei der Bauverhandlung anwesenden Lärmtechniker festgestellt worden. Zum Einwand der Hochwasserbeeinträchtigung als einer Verschlechterung der Emissionssituation sei auszuführen, dass nach der Stellungnahme der Wasserrechtsbehörde das Projekt außerhalb der HQ-30-Zone liege und damit die Einschränkungen hinsichtlich der Bebaubarkeit nach den Bestimmungen des O.ö. ROG 1994 nicht gegeben seien.

Die mitbeteiligten Parteien erhoben dagegen Vorstellung.

Mit Spruchpunkt II. des nunmehr angefochtenen Bescheides wurde der Vorstellung der mitbeteiligten Parteien mit der Feststellung Folge gegeben, dass die Mitbeteiligten durch die Berufungsbescheide in ihren Rechten verletzt würden. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass es zwar richtig sei, dass im "Kerngebiet" Gebäude für Versammlungs- und Vergnügungsstätten zulässig seien, diese Begriffe seien aber aus dem O.ö. ROG 1972 übernommen und könnten daher für Großkinos nicht gelten; nicht zuletzt deshalb, weil in § 23 Abs. 4 letzter Satz O.ö. ROG 1994 selbst von "Großkinos" die Rede sei. Bei sechs Kinosälen überlappten sich erfahrungsgemäß die Besucherwechsel in den einzelnen Sälen und es könne daher allein schon in diesem Zusammenhang zu einem Aufenthalt von mehr als 1.000 Personen in dem verfahrensgegenständlichen Kinogebäude kommen. Dabei sei es für die bau- und raumordnungsrechtliche Beurteilung irrelevant, ob die Kinoanlage vom Publikum stark frequentiert werde oder nicht. Der Gesetzgeber spreche schließlich auch von der abstrakten Möglichkeit, dass es sich dann um Großkinos handle, wenn sich bestimmungsgemäß mehr als 1.000 Personen aufhalten könnten. Verfehlt sei die Annahme der Baubehörde, dass allein die Kinobesucher für die Beurteilung als Großkino heranzuziehen wären, nicht aber auch andere Nutzer der jeweils zu beurteilenden baulichen Anlage. Abgesehen davon, dass bei Berücksichtigung des Besucherwechsels in zehn Kinosälen allein bereits bei bestimmungsgemäßer Verwendung der Schwellenwert von 1.000 Personen überschritten werden könne, fehle auch jeder Anhaltspunkt, wonach Personen, die sich in einer solchen Kinoanlage aufhielten, aber nicht die Absicht hätten, das Kino zu besuchen, bei raumordnerischer Beurteilung außer Acht gelassen werden könnten.

§ 23 Abs. 4 O.ö. ROG 1994 knüpfe in diesem Zusammenhang an Veranstaltungsgebäude und Freizeiteinrichtungen an. Zu Freizeiteinrichtungen gehöre auch eine entsprechende gastronomische Versorgung, womit von vornherein feststehe, dass die Besucher der Gastgewerbebetriebe mit zu berücksichtigen seien. Ebenso gehörten zur Freizeiteinrichtung auf Grund der gegebenen Strukturen jeweils auch Handelsbetriebe, sodass auch deren Kunden bei der zu berücksichtigenden Personenzahl nicht außer Betracht bleiben dürften. Das Gleiche gelte für Büros, da Freizeitanlagen ebenso wie Großkinos immer auch eines verwaltungstechnischen Hintergrundes bedürften. Da Nachbarrechte im Zusammenhang der entsprechenden Vorschriften der O.ö. Bauordnung und des O.ö. Raumordnungsgesetzes immer dann bestünden, wenn sie sich auf Bestimmungen des Flächenwidmungsplanes stützten, die auch einen nachbarschützenden Gehalt hätten, sich also aus der Widmung des Baugrundstückes ergeben, habe die Baubehörde das Gesetz schon deshalb denkunmöglich angewendet, "weil sie das subjektivöffentliche Rechte der Nachbarn nicht aus der Widmung des Grundstückes sondern vom geplanten Bauwerk her abgeleitet" habe. Beim gegenständlichen Vorhaben handle es sich in jedem Fall um ein solches, das mit der Kerngebietswidmung nicht im Einklang stehe, da hiefür gemäß § 23 Abs. 4 letzter Satz O.ö. ROG 1994 eine Sondergebietswidmung erforderlich sei. Dabei werde im Zuge einer solchen Widmung auch auf die für die Nachbarn zu erwartenden Immissionen Bedacht zu nehmen sein. Daher seien die Vorstellungswerber zumindest in ihren subjektiven Rechten auf widmungskonforme Bebauung der im Kerngebiet liegenden verfahrensgegenständlichen Grundstücke verletzt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin führt aus:

Die belangte Behörde sei von der abstrakten Möglichkeit des Aufenthalts von mehr als 1.000 Personen ausgegangen. Sie habe diese Auffassung darauf gestützt, dass § 23 Abs. 4 O.ö. ROG in diesem Zusammenhang an Veranstaltungsgebäude und Freizeiteinrichtungen anknüpfe, weshalb also die Zahl der Besucher des Gastgewerbebetriebes mit zu berücksichtigen seien. Auf Grund der vorgelegten Flächenaufstellung und den der Bauverhandlung zu Grunde gelegten Angaben sei davon auszugehen, dass für das Kino 756 Sitzplätze, für das Kinorestaurant 80 Sitzplätze und für die Cafe-Bar 30 Sitzplätze, also insgesamt 866 Sitzplätze vorgesehen seien. Selbst wenn im Restaurant und in der Cafe-Bar noch weitere 50 Personen herumstünden, ergebe dies nicht einmal 920 Personen, die sich in diesem Bereich aufhielten. Auch der im angefochtenen Bescheid erwähnte "Besucherwechsel" führe selbst bei voller Besetzung nicht zu einem Aufenthalt von mehr als 1.000 Personen im Kino-, Restaurant- und im Cafe-Bar-Bereich. Einerseits sei darauf Bedacht zu nehmen, dass die sechs Kinosäle verschiedene Beginnzeiten hätten, andererseits hielten sich jene Besucher, die Kinosäle verlassen, und jene, die diese betreten, nicht gleichzeitig im Kino auf. Der Aufenthalt von Personen setze eine gewisse Verweildauer voraus, sodass hinsichtlich der Ermittlung des Aufenthalts von Personen nicht die das Kino verlassenden und die das Kino betretenden Personen zusammengezählt werden könnten. Bei dieser Berechnungsweise wäre nämlich immer von einem Großkino auszugehen, wenn ein Kino mehr als 500 Sitzplätze aufweise. Verfehlt sei jedenfalls bei Beurteilung der Frage, ob ein Veranstaltungsgebäude oder eine Freizeiteinrichtung im Sinne des § 23 Abs. 4 O.ö. ROG 1994 vorläge, die Besucher des Kinos, die Kunden der Handelsbetriebe und die Benützer der Büros zusammenzuzählen. Handelsbetriebe und Dienstleistungsbetriebe zählten nicht zu Freizeiteinrichtungen, in solchen Betrieben fänden auch keine Veranstaltungen statt. § 22 Abs. 4 O.ö. ROG 1994 erwähne bei der Darstellung des Begriffes Kerngebiet neben Gebäuden für Handels- und Dienstleistungsbetriebe ausdrücklich Versammlungs- und Vergnügungsstätten. Es seien daher auch Gebäude und Gebäudeteile, in welchen sich Handels- und Dienstleistungsbetriebe befänden, nicht Veranstaltungsgebäude oder Freizeiteinrichtungen und auch nicht Teile von solchen. Bei den im gegenständlichen Objekt geplanten Räumen für Handels- und Dienstleistungsbetriebe handle es sich auch nicht um einen Bau oder eine Anlage für ein überörtliches Einzugsgebiet, das im genannten Ausschussbericht des O.ö. Landtages zur O.ö. ROG-Novelle 1999 erwähnt werde. Die Benützer des Bürogebäudes entlang der Friedrich-Thurner Straße hätten jedenfalls bei der erwähnten Berechnung der sich im Objekt aufhaltenden Personen außer Betracht zu bleiben, da es sich bei diesem Bürogebäude um einen separaten Bau handle, für dessen Errichtung auch eine separate Baubewilligung beantragt hätte werden können. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass die Annahme einer 1.000 Personen-Grenze nicht auf Grund einer wörtlichen Interpretation des Gesetzes erfolge, sondern diese sich aus einem hinsichtlich der Personenzahl nicht zwingend vorgeschriebenen Hinweis im Ausschussbericht zur O.ö. ROG-Novelle 1999 ergebe. Selbst wenn man die Personen, die sich in Handelsbetrieben aufhielten, mitberücksichtige, werde die erwähnte Personengrenze nicht überschritten. Auf Grund der Betriebs- und Öffnungszeiten der Handelsbetriebe seien diese nicht mehr geöffnet; es seien daher im Zeitraum des Kinobetriebes dort nur ausnahmsweise Personen aufhältig.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Die mitbeteiligten Parteien erstatteten ebenfalls Gegenschriften.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der angefochtene Bescheid wurde auf Grund einer gegen einen im gemeindebehördlichen Instanzenzug ergangenen Baubewilligungsbescheid erhobenen Vorstellung im Grunde des § 102 der O.ö. Gemeindeordnung 1990 erlassen. Nach Abs. 1 dieser Gesetzesstelle kann, wer durch den Bescheid eines Gemeindeorgans in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges dagegen Vorstellung erheben.

Die belangte Behörde hat der Vorstellung der mitbeteiligten Nachbarn deshalb Folge gegeben, weil sie durch die mit dem Berufungsbescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Ried vom 8. Juli 2004 der beschwerdeführenden Partei erteilte Baubewilligung in ihren durch die O.ö. Bauordnung 1994 gewährleisteten subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt worden seien. Die Rechtsverletzung erblickte die belangte Behörde darin, dass das Bauvorhaben auf Grundstücken errichtet werden soll, die gemäß § 22 Abs. 4 O.ö. Raumordnungsgesetz 1994 (in der Folge: O.ö. ROG 1994) als Kerngebiet gewidmet sind, für das bewilligte Bauvorhaben wäre jedoch eine Sonderwidmung gemäß § 23 Abs. 4 letzter Satz O.ö. ROG 1994 erforderlich gewesen.

Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen übereinstimmend davon aus, dass die mitbeteiligten Parteien Nachbarn im Sinne des § 31 Abs. 1 O.ö. Bauordnung 1994 (in weiterer Folge: BO) sind.

Gemäß § 31 Abs. 3 leg. cit. können Nachbarn gegen die Erteilung der Baubewilligung mit der Begründung Einwendungen erheben, dass sie durch das Bauvorhaben in subjektiven Rechten verletzt werden, die entweder in der Privatrechtsordnung (privatrechtliche Einwendungen) oder im öffentlichen Recht (öffentlich-rechtliche Einwendungen) begründet sind. Öffentlichrechtliche Einwendungen der Nachbarn, die im Baubewilligungsverfahren zu berücksichtigen sind, stehen der Erteilung einer Baubewilligung entgegen, wenn sie sachlich gerechtfertigt sind; andernfalls sind sie abzuweisen (§ 37 Abs. 3 BO).

Öffentlich-rechtliche Einwendungen der Nachbarn werden in § 31 Abs. 4 BO wie folgt umschrieben:

"(4) Öffentlich-rechtliche Einwendungen der Nachbarn sind im Baubewilligungsverfahren nur zu berücksichtigen, wenn sie sich auf solche Bestimmungen des Baurechts oder eines Flächenwidmungsplans oder eines Bebauungsplanes stützen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen. Dazu gehören insbesondere alle Bestimmungen über die Bauweise, die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes, die Lage des Bauvorhabens, die Abstände von den Nachbargrenzen und Nachbargebäuden, die Gebäudehöhe, die Belichtung und Belüftung sowie jene Bestimmungen, die gesundheitlichen Belangen oder zum Schutz der Nachbarschaft vor Immissionen dienen. Ein Schutz gegen Immissionen besteht jedoch insoweit nicht, als die Nachbargrundstücke oder die darauf allenfalls errichteten Bauten nicht für einen längeren Aufenthalt von Menschen bestimmt oder geeignet sind und die Errichtung solcher Bauten auf Grund faktischer oder rechtlicher Umstände auch in Hinkunft nicht zu erwarten ist. Als längerer Aufenthalt gilt dabei jedenfalls nicht ein, wenn auch mehrmaliger oder öfterer, jeweils aber nur kurzzeitiger vorübergehender Aufenthalt von Menschen. Überdies kann der Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen nicht dazu führen, dass die Baubewilligung für ein Bauvorhaben, das nach der für das Baugrundstück geltenden Flächenwidmung zulässig ist, grundsätzlich versagt wird.

...

(6) Bei baulichen Anlagen, die auch einer gewerbebehördlichen Genehmigung bedürfen, sind Einwendungen der Nachbarn, mit denen der Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen geltend gemacht wird, nur zu berücksichtigen, soweit sie die Frage der Zulässigkeit der Betriebstype in der gegebenen Widmungskategorie betreffen."

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - auch zu der oben wiedergegebenen Rechtslage der O.ö. Bauordnung 1994 - ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat; das gilt auch für den Nachbarn, der gemäß § 42 AVG idF BGBl. I Nr. 158/1998 die Parteistellung behalten hat (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 2005, Zl. 2004/05/0323, mit weiteren Nachweisen).

Daraus folgt, dass die Prüfungsbefugnis der Berufungsbehörde sowie der Aufsichtsbehörde und auch der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts im Falle des Rechtsmittels einer Partei des Verwaltungsverfahrens mit beschränktem Mitspracherecht, wie dies auf Nachbarn nach der O.ö. Bauordnung 1994 im Baubewilligungsverfahren zutrifft, auf jene Fragen beschränkt ist, hinsichtlich derer dieses Mitspracherecht als subjektivöffentliches Recht besteht und soweit rechtzeitig im Verfahren derartige Einwendungen erhoben wurden (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 20. Juli 2004, Zl. 2001/05/1083, und vom 25. Jänner 2005, Zl. 2004/06/0137).

Die mitbeteiligten Nachbarn können daher durch die von der Berufungsbehörde erteilte Baubewilligung nur dann in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt sein, wenn ihre öffentlichrechtlichen Einwendungen von den Baubehörden rechtswidriger Weise nicht berücksichtigt worden sind.

Aufgabe der Aufsichtsbehörde im Vorstellungsverfahren gemäß § 102 O.ö. Gemeindeordnung ist es zu prüfen, ob subjektive Rechte der Einschreiter durch die angefochtene Entscheidung verletzt werden (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 2001, Zl. 2001/05/0096). Die Parteienrechte der Nachbarn sind im Vorstellungsverfahren nach der O.ö. Gemeindeordnung auf die Mitsprache in jenen Punkten beschränkt, in denen ihnen im vorausgegangenen Verwaltungsverfahren Parteistellung zukam (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1971, VwSlg. 7.982/A, zu der mit der hier zu beurteilenden Rechtslage übereinstimmenden O.ö. Gemeindeordnung 1965).

Auf Grund der Vorstellung der mitbeteiligten Nachbarn durfte die belangte Behörde den von ihr als tragend bezeichneten Aufhebungsgrund (zur bindenden Wirkung des aufhebenden aufsichtsbehördlichen Bescheides siehe die hg. Erkenntnisse vom 22. November 2005, Zl. 2003/05/0156, und vom 16. Februar 1988, Zl. 87/05/0151), das bewilligte Bauvorhaben der Beschwerdeführerin widerspreche der Kerngebietswidmung des § 22 Abs. 4 O.ö. ROG 1994, weil für dieses eine Sonderwidmung im Sinne des § 23 Abs. 4 letzter Satz O.ö. ROG 1994 erforderlich gewesen wäre, nur dann zum Anlass einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides nehmen, wenn die mitbeteiligten Parteien ein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung der widmungsgemäßen Verwendung des Baugrundstückes schlechthin hatten.

Die im Beschwerdefall relevanten Widmungsbestimmungen des O.ö. ROG 1994, in der hier anzuwendenden Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 115/2005, haben folgenden Wortlaut:

"§ 22

Widmung im Bauland

...

(4) Als Kerngebiete sind solche Flächen mit überwiegend städtischer Struktur vorzusehen, die vorrangig für öffentliche Bauten, Verwaltungsgebäude, Gebäude für Handels- und Dienstleistungsbetriebe, für Versammlungs- und Vergnügungsstätten sowie für Wohngebäude einschließlich der dazugehörigen Bauten und Anlagen bestimmt sind. Bauten und Anlagen, die erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die im Kerngebiet wohnhafte oder anwesende Bevölkerung bedingen, dürfen im Kerngebiet nicht errichtet werden. Solche Bauten und Anlagen können im Zuge der Widmung näher umschrieben werden.

...

§ 23

Sonderwidmungen im Bauland

...

(4) Als Sondergebiete des Baulands sind solche Flächen vorzusehen, die für Bauten und Anlagen bestimmt sind, die besonders zu schützen oder deren Standorte besonders zu sichern sind oder denen sonst aus der Sicht der Raumordnung eine besondere Bedeutung zukommt. Dazu gehören insbesondere Krankenanstalten, Schulen, Kirchen und Klöster, Burgen und Schlösser, Kasernen, Sportstätten und Tourismusbetriebe einschließlich der dazugehörigen, ständig bestehenden Anlagen sowie Ver- und Entsorgungsanlagen. Andere Bauten und Anlagen dürfen in diesen Gebieten nur errichtet werden, wenn sie mit dem Zweck der Widmung zu vereinbaren sind. Bauten und Anlagen, denen aus der Sicht der überörtlichen Raumordnung eine besondere Bedeutung zukommt, wie insbesondere größere Veranstaltungsgebäude und Freizeiteinrichtungen (Großkinos, Großdiscotheken) dürfen neu nur in Sondergebieten des Baulands errichtet werden, die dafür vorgesehen sind."

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Zusammenhang mit der Widmung von Baugrundstücken und den subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten im Sinne des § 31 BO bereits mehrfach festgehalten, dass aus der Anordnung der Widmungskategorien in Flächenwidmungsplänen grundsätzlich insoweit Nachbarrechte auf Beachtung derselben erfließen, als die in diesen generellen Normen enthaltenen Regelungen unter Gesichtspunkten getroffen worden sind, die nicht nur öffentliche Interessen, sondern auch Interessen der Nachbarn in sich schließen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2005, Zl. 2003/05/0091). Widmungskategorien kommen als eine subjektiv-öffentliche Nachbarrechte gewährleistende Norm somit insoweit in Betracht, als durch die bestimmte Widmungskategorie ein Immissionsschutz gewährt wird (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1998, Zl. 98/05/0075). Die BO gewährt dem Nachbarn somit nicht schlechthin einen Anspruch auf widmungsgemäße Verwendung des Baugrundstückes (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 29. April 1997, Zl. 96/05/0210); sie enthält nämlich keine Bestimmung, die ausdrücklich ein Recht auf Einhaltung der Flächenwidmung einräumt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 1998, Zl. 97/05/0132).

Im hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 2004, Zl. 2004/05/0089, hat der Verwaltungsgerichtshof zur Widmungskategorie Kerngebiet ausgeführt, dass der Vorschrift des zweiten Satzes des § 22 Abs. 4 O.ö. ROG 1994 auch Nachbarn schützende Wirkung im Sinne des § 31 Abs. 4 BO zukommt. Diese Bestimmung legt nämlich den Maßstab für die Beurteilung der Immissionen (und damit der Zulässigkeit der Vorhaben) fest. Auf die Einhaltung dieser Bestimmung kann sich daher der Parteistellung im Baubewilligungsverfahren genießende Nachbar berufen.

Im hg. Erkenntnis vom 18. November 2003, Zl. 2001/05/0339, hingegen hat der Verwaltungsgerichtshof zur Flächenwidmung "Sondergebiet des Baulandes-Großkino" im Sinne des § 23 Abs. 4 O.ö. ROG 1994, in der damals anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 83/1997, festgehalten, dass diese Widmung keinen Immissionsschutz nach raumordnungsrechtlichen Vorschriften gewährt. Daran hat auch die Novellierung des § 23 Abs. 4 O.ö. ROG 1994 mit der O.ö. Raumordnungsgesetz-Novelle 1999, LGBl. 32/1999, nichts geändert, weil mit dieser Novelle dem § 23 Abs. 4 O.ö. ROG 1994 nur der letzte Satz angefügt wurde.

Im Ausschussbericht zu dieser Novelle wird hiezu ausgeführt (siehe hiezu die Wiedergabe des Ausschussberichtes in Neuhofer, O.ö. Baurecht 2000, 5. Auflage, S. 711):

"Mit der Ergänzung im Abs. 4 wird klar gestellt, dass der Neubau oder die Neuerrichtung von Anlagen, denen im Hinblick auf Belange der überörtlichen Raumordnung eine besondere Bedeutung zukommt, in Zukunft nur mehr auf Flächen zulässig ist, die dafür besonders gewidmet sind. Eine solche Bedeutung wird insbesondere dann anzunehmen sein, wenn der Bau oder die Anlage für ein überörtliches Einzugsgebiet projektiert ist und z.B. mit einem durch den Neubau wesentlich erhöhten Verkehrsaufkommen gerechnet werden muss. In der Praxis wird dies etwa Großkinos oder sonstige Veranstaltungsgebäude und Freizeiteinrichtungen betreffen, in denen sich bestimmungsgemäß mehr als 1.000 Personen aufhalten können."

Im zitierten Ausschussbericht wird also die schon aus dem Gesetzeswortlaut hervorleuchtende Absicht des Gesetzgebers ausdrücklich bestätigt, dass die mit der erwähnten O.ö. Raumordnungsgesetz-Novelle 1999 erfolgte Ergänzung des § 23 Abs. 4 O.ö. ROG 1994 - wie auch die übrigen Festlegungen in dieser Bestimmung - aus dem Gesichtspunkt der überörtlichen Raumordnung und somit nur im öffentlichen Interesse erfolgt sind. Die Bestimmung hat raumordnungspolitische Ziele zum Inhalt, aus welcher sich kein Anhaltspunkt ergibt, dass durch sie spezielle Interessen der Nachbarschaft geschützt werden sollen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 23. September 1986, Zl. 84/05/0221, betreffend Geschäftsbauten für den überörtlichen Bedarf zur Rechtslage des O.ö. Raumordnungsgesetzes 1972 sowie das hg. Erkenntnis vom 16. September 2003, Zl. 2001/05/0372, zur Sonderwidmung Bauland-Museum).

Ausgehend von dieser Rechtslage hätte daher die belangte Behörde nicht aus dem von ihr als tragend beurteilten Aufhebungsgrund zur Annahme einer Rechtsverletzung der Vorstellungswerber gelangen dürfen, weil den Nachbarn hinsichtlich der bloßen Einhaltung der Kerngebietwidmungen im Bauland kein subjektiv-öffentliches Recht zukommt.

Auf Grund dieser Erwägungen war daher der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Aus Gründen der Verfahrensökonomie sieht sich der Verwaltungsgerichtshof allerdings zu der Bemerkung veranlasst, dass sich die Erteilung der Baubewilligung auf den "Neubau Marktplatz-Center mit Tiefgarage, Büro-, Geschäfts- und Kinogebäude" erstreckt und ausdrücklich auf die von der Beschwerdeführerin eingereichten Baupläne bezieht, in welchen als Gegenstand des Ansuchens neben dem Kino jedenfalls auch die Geschäftsräumlichkeiten und ein Restaurant sowie eine Bar/Cafe mitbewilligt worden sind. Für den Verwaltungsgerichtshof ist auf Grund der vorliegenden Verwaltungsakten und Ermittlungsergebnisse nicht erkennbar, warum das eingereichte und als solches bewilligte Bauvorhaben nicht als einheitliches Vorhaben zu beurteilen ist, das insgesamt auf seine Widmungskonformität zu prüfen ist. Liegt aber ein einheitliches Vorhaben vor, ist unter dem Gesichtspunkt des § 22 Abs. 4 zweiter Satz O.ö. ROG 1994 jedenfalls zu prüfen, ob das Bauvorhaben mit erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen für die im Kerngebiet wohnhafte oder anwesende Bevölkerung verbunden ist.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 27. Juni 2006

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