VwGH 2004/04/0055

VwGH2004/04/005514.9.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Bayjones und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde des M in E, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 2. Oktober 2003, Zl. IIa-50024/1-03, betreffend Zurückweisung der Anzeige einer weiteren Betriebsstätte nach der GewO 1994, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
B-VG Art10 Abs1 Z8;
B-VG Art15 Abs1;
GewO 1859 §16 Abs1 litg;
GewO 1859 §16 Abs2;
GewO 1994 §2 Abs1 Z17 idF 2002/I/111;
GewO 1994 §340 Abs1 idF 2002/I/111;
GewO 1994 §345 Abs4 idF 2002/I/111;
GewO 1994 §46 Abs1 idF 2002/I/111;
GewO 1994 §46 Abs2 idF 2002/I/111;
GewO 1994 §5 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2005:2004040055.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren des Beschwerdeführers wird abgewiesen.

Begründung

Mit Schriftsatz vom 24. Juli 2003 zeigte der Beschwerdeführer bei der Bezirkshauptmannschaft Kufstein die Ausübung des im Standort Ischgl Nr. 7 ausgeübten Gewerbes "Halten von erlaubten Kartenspielen, bei denen der Spielerfolg nicht ausschließlich oder überwiegend vom Zufall abhängig ist, ohne Bankhalter, sowie die Durchführung von erlaubten Geschicklichkeitsspielen und Beobachtungsspielen" in der weiteren Betriebsstätte W, I Straße 60, an.

Diese Anzeige wurde von der Bezirkshauptmannschaft Kufstein mit Bescheid vom 21. August 2003 gemäß § 2 Abs. 1 Z. 17 und Z. 24 GewO 1994 zurückgewiesen. Begründend wurde nach Hinweis auf verwaltungsgerichtliche Judikatur (Erkenntnis vom 4. September 2002, Zl. 2002/04/0115) und einen Erlass des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit ausgeführt, Spiele könnten entweder Glücksspiele sein und solcherart unter das Glücksspielmonopol des Bundes fallen, oder Geschicklichkeitsspiele, die in die Kompetenz der Länder fielen. Eine Zuständigkeit der Gewerbebehörde komme nicht in Betracht, sodass auch "Anträge" betreffend die Errichtung weiterer Betriebsstätten wegen Unzuständigkeit der Gewerbebehörde zurückzuweisen seien.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung und brachte vor, er verfüge über eine aufrechte Gewerbeberechtigung für das erwähnte Gewerbe. Er habe seinen Gewerbeschein weder zurückgelegt, noch sei er "von seiner Berechtigung zurückgetreten". Es müsse seine Anzeige daher nach den "aktuellen Verfahrensvorschriften" behandelt werden, ohne die Gewerbeberechtigung anzutasten.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 2. Oktober 2003 wurde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen. Hiezu wurde im Wesentlichen ausgeführt, ein Gewerbewortlaut, der das Halten von Spielen, die vom Glücksspielmonopol ausgenommen seien, zum Inhalt habe, sei mangels Bundeskompetenz nicht zulässig. Derartige Anmeldungen - und das betreffe selbstverständlich auch Anzeigen über weitere Betriebsstätten - seien daher von der Gewerbebehörde mangels Zuständigkeit zurückzuweisen.

Die gegen diesen Bescheid an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde, nachdem der Verfassungsgerichtshof deren Behandlung mit Beschluss vom 23. Februar 2004, B 1569/03, abgelehnt hatte, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im Recht auf Ausübung seiner Gewerbeberechtigung in einer weiteren Betriebsstätte verletzt. Er bringt hiezu im Wesentlichen vor, er verfüge über eine Gewerbeberechtigung für das erwähnte Gewerbe, was durch den Gewerbeschein der Bezirkshauptmannschaft Landeck dokumentiert werde. Das von der belangten Behörde zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes befasse sich nicht ausreichend mit der kompetenzrechtlichen Frage und habe sich überdies auf die Anmeldung eines Gewerbes, nicht aber auf die Anzeige einer weiteren Betriebsstätte bezogen. Der Verweis auf einen Erlass stelle kein taugliches Begründungselement dar. Im Übrigen sei das oben erwähnte Gewerbe in der Verwaltungspraxis bisher als freies Gewerbe qualifiziert worden. Bei den "Geschicklichkeits- und Beobachtungsspielen" handle es sich weder um "Unternehmen von öffentlichen Belustigungen" noch um den Betrieb von dem Bund zustehenden Monopolen und Regalien. Der Spielerfolg sei nicht ausschließlich oder überwiegend vom Zufall abhängig.

Gemäß § 5 Abs. 1 GewO 1994 dürfen Gewerbe, soweit die GewO 1994 hinsichtlich einzelner Gewerbe nicht anderes bestimmt, bei Erfüllung der allgemeinen und der bei den einzelnen Gewerben vorgeschriebenen besonderen Voraussetzungen auf Grund der Anmeldung des betreffenden Gewerbes (§ 339) ausgeübt werden.

Gemäß § 339 Abs. 1 GewO 1994 hat, wer ein Gewerbe ausüben will, die Gewerbeanmeldung bei der Bezirksverwaltungsbehörde des Standortes zu erstatten..

Auf Grund der Anmeldung des Gewerbes (§ 339 Abs. 1) hat die Behörde gemäß § 340 Abs. 1 GewO 1994 zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des betreffenden Gewerbes durch den Anmelder in dem betreffenden Standort vorliegen.

Bis zur Gewerberechtsnovelle 2002 (BGBl. I Nr. 111/2002) hatte die Behörde über das Ergebnis ihrer Feststellungen einen Bescheid zu erlassen, soweit nicht § 340 Abs. 4 GewO 1994 anzuwenden war. Nach dieser Bestimmung hatte die Behörde, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorlagen und im Verfahren keinem Dritten ein Berufungsrecht zustand, eine Bescheinigung auszustellen, aus der der Anmelder, die genaue Bezeichnung des Gewerbes und der Standort der Gewerbeausübung, gegebenenfalls eine Beschränkung auf Grund einer etwa erteilten Nachsicht von der Erbringung des Befähigungsnachweises und das Datum der Gewerbeanmeldung ersichtlich sind (Gewerbeschein); in diesem Fall galt der Gewerbeschein als Bescheid.

Im Grunde des § 5 Abs. 1 GewO 1994 entstand (und entsteht) das Gewerberecht durch die Gewerbeanmeldung, vorausgesetzt allerdings, dass die "allgemeinen" und die "bei den einzelnen Gewerben vorgeschriebenen besonderen Voraussetzungen" erfüllt sind. Durch die Ausstellung des Gewerbescheins wurde daher behördlich darüber abgesprochen, dass zu Folge Erfüllung der geforderten Voraussetzungen das Gewerberecht durch die Anmeldung entstanden ist; der Gewerbeschein dokumentierte mit der Wirkung eines (Feststellungs‑)Bescheides, dass der Gewerbeinhaber im Besitz des durch die Anmeldung erworbenen Gewerberechtes ist.

Seit der Gewerberechtsnovelle 2002 ist die Ausstellung eines Gewerbescheins zwar nicht mehr vorgesehen, die bis dahin ausgestellten Gewerbescheine blieben allerdings in Kraft.

Nach seinem im Verwaltungsverfahren erstatteten und unwidersprochen gebliebenen Vorbringen hat der Beschwerdeführer das Gewerbe mit dem oben wiedergegebenem Wortlaut bei der Bezirksverwaltungsbehörde des Standortes, der Bezirkshauptmannschaft Landeck, angemeldet. Diese hat dem Beschwerdeführer einen Gewerbeschein ausgestellt, mit dem bescheinigt wird, dass das erwähnte Gewerbe mit Wirksamkeit vom 28. Dezember 2000 angemeldet wurde.

Anhaltspunkte für die Annahme, der Beschwerdeführer sei zur Ausübung des angemeldeten Gewerbes nicht (mehr) berechtigt, sind nicht ersichtlich.

Nun berechtigt eine Gewerbeberechtigung nicht nur zur Gewerbeausübung am angemeldeten Standort, sondern gemäß § 46 Abs. 1 GewO 1994 auch in weiteren Betriebsstätten. Die diesbezüglich im § 46 Abs. 2 GewO 1994 vorgesehene Anzeige über den Beginn der Ausübung des Gewerbes in einer weiteren Betriebsstätte bei der für diese Betriebsstätte zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde entfaltet keine rechtsbegründende Wirkung, sondern hat bloßen Mitteilungscharakter (vgl. RV, 1117 BlgNR, 21. GP , S. 79). Für die Anzeige gelten allerdings gemäß § 345 Abs. 4 GewO 1994 die Vorschriften des § 339 Abs. 2 sinngemäß, d.h. die Anzeige hat u.a. die genaue Bezeichnung des Gewerbes und des für die Ausübung in Aussicht genommenen Standortes zu enthalten.

Sind die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewerbeausübung in der weiteren Betriebsstätte nicht gegeben, so hat die Behörde, bei der die Anzeige erstattet wurde, gemäß § 345 Abs. 9 GewO 1994 dies mit Bescheid festzustellen und die angezeigte Tätigkeit zu untersagen. Im Übrigen hat die Behörde gemäß § 46 Abs. 4 Z. 1 GewO 1994 den Empfang der Anzeige zu bestätigen und die für den Standort der Gewerbeberechtigung zuständige Bezirksverwaltungsbehörde zu verständigen.

Bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die Ausübung des Gewerbes in einer weiteren Betriebsstätte gegeben sind, ist die Behörde an den als Bescheid geltenden Gewerbeschein und den solcherart enthaltenden normativen Abspruch gebunden. Es ist ihr daher verwehrt, entgegen dem Gewerbeschein die Gewerbeberechtigung des damit ausgewiesenen Gewerbeinhabers zu verneinen und - gestützt auf die Auffassung, der Gegenstand des angemeldeten Gewerbes unterliege gar nicht der Gewerbeordnung - die Anzeige zurückzuweisen.

Die belangte Behörde hat, indem sie dies verkannte, den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu seiner Aufhebung zu führen hatte.

Zur Klarstellung wird schließlich Folgendes bemerkt:

Im erwähnten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. September 2002 wurde ausschließlich darüber abgesprochen, ob die (damalige) Gewerbeanmeldung den Bestimmtheitsanforderungen betreffend die Art der beabsichtigten Gewerbeausübung entsprochen habe. Hingegen hat sich der Verwaltungsgerichtshof - im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde - in diesem Erkenntnis zur Frage, ob und inwieweit das "Halten von Spielen" in die Regelungskompetenz des Gewerberechtsgesetzgebers falle, nicht geäußert. Die Aussage, es sei die Auffassung der damals belangten Behörde, die Gewerbeanmeldung sei zufolge der gewählten Umschreibung zurückzuweisen, nicht als rechtswidrig zu beanstanden, ist unter dem Gesichtspunkt des (damals) geltend gemachten Beschwerdepunktes zu verstehen, in dem die (damals) beschwerdeführende Partei durch die Zurückweisung der das beabsichtigte Gewerbe nicht ausreichend bestimmt umschreibenden Gewerbeanmeldung nicht verletzt wurde. Dass die von der (damals) belangten Behörde zur Begründung der ausgesprochenen Zurückweisung vorgebrachten Argumente vom Verwaltungsgerichtshof geteilt würden, ist dem erwähnten Erkenntnis jedoch nicht zu entnehmen.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt im Übrigen nicht die Auffassung, das "Halten von erlaubten Spielen" sei vom Kompetenztatbestand des Art. 10 Abs. 1 Z. 8 B-VG ("Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie") nicht erfasst. Der Inhalt dieses Kompetenztatbestandes wird nämlich (entsprechend dem Inhalt der Rechtsordnung nach dem Stand vom 1. Oktober 1925) im Wesentlichen durch Versteinerung der GewO aus 1859 gewonnen (vgl. z.B. VfSlg 2500, 5573, 7074, 12996), und es regelte die GewO aus 1859 die "Haltung von erlaubten Spielen" als Teilberechtigung des Gast- und Schankgewerbes (§ 16 Abs. 1 lit. g). Die Teilberechtigungen des Gast- und Schankgewerbes konnten gemäß § 16 Abs. 2 GewO 1859 sowohl "einzeln oder in Verbindung unter sich" verliehen werden; die "Haltung von erlaubten Spielen" konnte demnach im Grunde der GewO 1859 gesondert als selbständiger Erwerbszweig ausgeübt werden (vgl. auch Laszky/Nathansky, Kommentar zur GewO I, (1937) S. 608 f.).

Das Halten erlaubter Spiele ist in diesem Umfang vom Kompetenztatbestand des Art. 10 Abs. 1 Z. 8 B-VG erfasst. Damit erweist sich die Annahme, es bestehe diesbezüglich eine Landeskompetenz, als unzutreffend, weil der Landeskompetenz Angelegenheiten nur insoweit unterliegen können, als sie nicht - kraft Versteinerungswirkung - in die Gesetzgebungs- oder auch Vollziehungskompetenz des Bundes fallen. Dass das Halten von Spielen nach der GewO 1994 nicht mehr als Teilberechtigung des Gastgewerbes geregelt ist, sondern als freies Gewerbe ausgeübt werden kann (dessen Ausübung Gastgewerbetreibenden als Nebenrecht zusteht), ändert an diesem Ergebnis freilich nichts.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Zuerkennung eines 60 % Einheitssatzes nicht vorgesehen und die USt im zuerkannten Pauschbetrag bereits enthalten ist.

Wien, am 14. September 2005

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