Normen
AVG §1;
AVG §68 Abs1;
AVG §71;
AVG §73 Abs1;
AVG §73 Abs2;
B-VG Art119a Abs5;
GdO NÖ 1973 §61 Abs4;
GdO NÖ 1973 §61 Abs5;
VwGG §27;
VwGG §42 Abs3;
VwGG §63 Abs1;
VwRallg;
AVG §1;
AVG §68 Abs1;
AVG §71;
AVG §73 Abs1;
AVG §73 Abs2;
B-VG Art119a Abs5;
GdO NÖ 1973 §61 Abs4;
GdO NÖ 1973 §61 Abs5;
VwGG §27;
VwGG §42 Abs3;
VwGG §63 Abs1;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und dem Zweitmitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 3. August 1973 wurde dem Zweitmitbeteiligten "über das Ansuchen vom 17. Juli 1973 und aufgrund des Ergebnisses der Bauverhandlung vom 1. August 1973 gemäß § 92 Abs. 1 Z. 2 NÖ Bauordnung die Bewilligung zum Neubau eines Wurftauben(Trap)schießstandes auf dem Grundstück in Altlengbach-Kienberg, Parzelle Nr. 3127, EZ 136,
KG Altlengbach" erteilt.
Mit Eingabe vom 16. Dezember 1994 beantragte der Beschwerdeführer als Eigentümer des Grundstückes Nr. 335/15, KG Altlengbach, die Zustellung des vorzitierten Bescheides mit der Behauptung, ihm komme im Hinblick auf die "räumliche Nähe" Parteistellung gemäß § 118 Abs. 9 der NÖ Bauordnung zu. Aufgrund der bei der Schießstätte entstehenden Lärmbelästigung sei von seiner Parteistellung auszugehen.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 20. März 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen.
In der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers wurde auch "lediglich vorsichtsweise und in eventu" die Bewilligung der "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der von der Marktgemeinde Altlengbach AZ: BA 60/1973 anberaumten mündlichen Bauverhandlung" beantragt. Die Berufung und dieser Wiedereinsetzungsantrag langten bei der mitbeteiligten Marktgemeinde am 5. April 1995 ein.
Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 21. Juni 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers "samt Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" als unbegründet abgewiesen.
Mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 1. April 1996 wurde der Vorstellung des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zustellung des Bescheides vom 3. August 1973 Folge gegeben, der angefochtene Bescheid insoweit aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen, im übrigen die Vorstellung jedoch als unbegründet abgewiesen.
Mit hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1996, Zl. 96/05/0150, wurde dieser Bescheid, insoweit die Vorstellung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen wurde (Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages), wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben; im übrigen (Aufhebung des Berufungsbescheides) wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird gemäß § 42 Abs. 3 VwGG auf dieses Erkenntnis verwiesen. Bezüglich der Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages wurde in diesem Erkenntnis ausgeführt, daß der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde für die sachliche Erledigung des Wiedereinsetzungsantrages deshalb funktionell unzuständig war, weil gemäß § 71 Abs. 4 AVG zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung die Behörde berufen ist, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war und die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat. Dies sei im vorliegenden Fall die Baubehörde erster Instanz gewesen. Eine Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde hätte die Vorstellungsbehörde von Amts wegen aufgreifen müssen.
Mit Eingabe vom 28. Mai 1996, beim Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde eingelangt am 30. Mai 1996, beantragte der Beschwerdeführer den "Übergang des Wiedereinsetzungsverfahrens und des Baubewilligungsverfahrens auf den Gemeinderat als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde (§ 73 AVG)", weil über seinen Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der von der Marktgemeinde Altlengbach zu AZ: BA 60/1973 anberaumten mündlichen Verhandlung vom Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde nicht fristgerecht entschieden worden sei.
Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 24. Oktober 1996 wurde "der Antrag auf Übergang der
Entscheidungspflicht vom 28. Mai 1996 ... als unzulässig
zurückgewiesen". Ein an den Bürgermeister gerichteter Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liege nicht vor.
Mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 5. März 1997 wurde der Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 21. Juni 1995 aufgehoben.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 12. Juni 1997 wurde die gegen den Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 24. Oktober 1996 erhobene Vorstellung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen. Über den seinerzeitigen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 3. April 1995 sei - zwar unzuständigerweise, aber zunächst rechtswirksam - vom Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde bescheidmäßig abgesprochen worden. Dieser Bescheid sei dem Beschwerdeführer nachweislich am 22. Juni 1996 zugestellt worden. Auch eine Entscheidung einer unzuständigen Behörde erzeuge - solange keine Aufhebung erfolge - Rechtswirkungen und führe zum Vorliegen einer entschiedenen Sache. Dies bedeute, daß ein (neuerlicher) Abspruch über den Wiedereinsetzungsantrag vom 3. April 1995, solange die Entscheidung des Gemeinderates vom 21. Juni 1995 noch nicht behoben gewesen sei, rechtswidrig gewesen wäre. Über ein und denselben Antrag könne seiner Natur nach nur einmal entschieden werden. Für die Prüfung im Rahmen des gegenständlichen Vorstellungsverfahrens sei die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des angefochtenen Gemeindesratsbescheides vom 24. Oktober 1996 maßgebend. Damals habe jedenfalls eine den Wiedereinsetzungsantrag betreffende Erledigung vom 21. Juni 1995 dem Rechtsbestand angehört; das spätere, während des anhängigen Vorstellungsverfahrens eingetretene Schicksal des entsprechenden Bescheidteiles sei für die verfahrensgegenständliche Prüfung durch die Aufsichtsbehörde nicht von Belang. Hätte der Gemeinderat mit seinem Bescheid aufgrund des Devolutionsantrages nochmals in der Sache selbst entschieden, hätte er diesen Bescheid jedenfalls mit Rechtswidrigkeit belastet. Derselbe Fehler wäre auch dem Bürgermeister unterlaufen, hätte er sich nach Erlassen der Entscheidung des Gemeinderates vom 21. Juni 1995 bescheidmäßig mit dem Wiedereinsetzungsantrag vom 3. April 1995 auseinandergesetzt. Der Devolutionsantrag vom 28. Mai 1996 sei daher - mangels eines zu diesem Zeitpunkt offenen Antrages - nicht zulässig gewesen. Da durch dessen Zurückweisung somit keine Rechte des Beschwerdeführers verletzt worden seien, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid "in meinem Recht auf meritorische Erledigung meines Devolutionsantrages vom 28.5.1996 gemäß § 73 Abs. 2 AVG verletzt". Außer Zweifel stehe, daß die Sechsmonatsfrist des § 73 AVG abgelaufen sei. Der Devolutionsantrag vom 28. Mai 1996 sei lange nach Ablauf der Sechsmonatsfrist gestellt worden. Durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Dezember 1996, Zl. 96/05/0150, stehe fest, daß der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde für die sachliche Erledigung des Wiedereinsetzungsantrages nicht zuständig gewesen sei. Die Aufsichtsbehörde habe in Befolgung des § 63 Abs. 2 VwGG mit Bescheid vom 5. März 1997, Zl. RU1-V-95119/00, den Bescheid des Gemeinderates vom 21. Juni 1995 aufgehoben. Bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des nunmehr angefochtenen Bescheides vom 21. Juni 1995 bedeute dies, daß die Wirkung der Vorstellungsentscheidung eintrete und demnach davon auszugehen sei, daß ein über die Wiedereinsetzung entscheidender Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Altlengbach nicht vorliege. Die Entscheidung der Vorstellungsbehörde wirke auf den Zeitpunkt der Bescheiderlassung durch den Gemeinderat, sohin ex tunc, zurück.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die zweitmitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Beschwerdeführer replizierte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im hg. Erkenntnis vom 26. September 1995, Zl. 93/04/0124, hat der Verwaltungsgerichtshof zur hier maßgeblichen Niederösterreichischen Gemeindeordnung 1973 ausgeführt, daß diese eine ausdrückliche Regelung über die Wirkung der Aufhebung eines gemeindebehördlichen Bescheides durch die Vorstellungsbehörde nicht enthalte. Zur Klärung dieser Wirkung sei im Hinblick auf die Vergleichbarkeit der Entscheidungsbefugnisse der Vorstellungsbehörde und des Verwaltungsgerichtshofes § 42 Abs. 3 VwGG als vergleichbare Regelung heranzuziehen. Diese Bestimmung normiert eine ex tunc-Wirkung des aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes. Dies bedeutet, daß der Rechtszustand zwischen Erlassung des Bescheides und seiner Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof im nachhinein so zu betrachten ist, als ob der aufgehobene Bescheid von Anfang an nicht erlassen worden wäre. Allen Rechtsakten, die während des Bestandes des dann vom Verwaltungsgerichtshof aufgehobenen Bescheides auf dessen Basis gesetzt wurden, wurde damit im nachhinein die Rechtsgrundlage entzogen (siehe auch das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 1997, Zl. 95/05/0145). Die mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 5. März 1997 erfolgte Aufhebung des Bescheides des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 21. Juni 1995 wirkte daher mit rückwirkender Kraft gegen jedermann (vgl. Oberndorfer, Verwaltungsgerichtsbarkeit, Seite 185). Gemeindebehördlichen Bescheiden, deren Rechtmäßigkeit von der Rechtskraft eines anderen Gemeindebescheides abhängig ist, wird demnach durch die Aufhebung des letzteren nachträglich die Rechtsgrundlage entzogen. Mangels ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung bedeutet dies nicht, daß der als abhängig anzusehende Bescheid mit der Behebung des die Abhängigkeit bewirkenden Bescheides gleichsam automatisch wegfällt, sondern gegebenenfalls aufzuheben ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1994, Zl. 94/06/0140, mwN). Im Hinblick auf die Frage der Entscheidungspflicht in bezug auf durch die Aufhebung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe die hg. Erkenntnisse vom 20. November 1952, Slg. Nr. 2740/A, vom 22. Februar 1962, Zl. 286/62, vom 18. Februar 1971, Zl. 209/71, und vom 8. März 1991, Zl. 90/11/0212) und betreffend die Aufhebung durch die Aufsichtsbehörde (siehe die hg. Erkenntnisse vom 18. Februar 1971, Zl. 209/71, und vom 27. Februar 1981, Zl. 3408/78) wieder offene Berufungen, Vorstellungen oder Anträge hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß die Entscheidungspflicht gemäß § 73 Abs. 1 AVG mit der Zustellung des Erkenntnisses an die belangte Behörde neu zu laufen beginnt. Die im vorliegenden Vorstellungsverfahren durch die Landesregierung erfolgte Aufhebung der Entscheidung des Gemeinderates über den Wiedereinsetzungsantrag hatte in bezug auf die Frage der Entscheidungspflicht über diesen nunmehr wieder offenen Antrag die Folge, daß die in § 27 VwGG bzw. in § 73 Abs. 1 AVG vorgesehene Frist zur Entscheidung neu zu laufen beginnt. Die angeführte ex tunc-Wirkung aufhebender Bescheide der Aufsichtsbehörde bzw. des aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes ist in dieser Hinsicht eingeschränkt und hat insofern keine Auswirkung auf die Überprüfung eines in der Berufungsinstanz zurückgewiesenen Devolutionsantrages.
Gemäß § 73 Abs. 1 AVG sind die Behörden oder der unabhängige Verwaltungssenat verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.
Wird der Bescheid der Partei nicht innerhalb dieser Frist zugestellt, so geht auf ihren schriftlichen Antrag die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, wenn aber gegen die ausständige Entscheidung die Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat vorgesehen ist, auf diesen über. Ein solcher Antrag ist unmittelbar bei der Oberbehörde (beim unabhängigen Verwaltungssenat) einzubringen. Der Antrag ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen ist (Abs. 2).
In ständiger Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß die Zulässigkeit eines Devolutionsantrages ausschließlich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner Einbringung zu beurteilen ist (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 26. März 1996, Zl. 95/19/1047, mwN). Der Sinn des § 73 AVG ist darin gelegen, im Bereich der Hoheitsverwaltung den Parteien rechtliche Abhilfe gegen Rechtsverweigerung zu gewährleisten (vgl. hiezu die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Seite 713, referierte hg. Rechtsprechung). Dies bedeutet, daß im Fall einer Entscheidung einer unzuständigen Behörde anstelle der angerufenen ein Devolutionsantrag unzulässig ist, weil ein solcher nicht der Abwehr von Zuständigkeitsverletzungen dient (vgl. hiezu Winkelhofer, Säumnis von Verwaltungsbehörden, Seite 198).
Die Zulässigkeit eines Devolutionsantrages nach § 73 Abs. 2 AVG setzt voraus, daß die Behörde über einen Antrag einer Partei innerhalb der im § 73 Abs. 1 AVG bestimmten Frist nicht entschieden hat. Wurde jedoch über diesen Antrag - sei es von der zuständigen oder unzuständigen - Behörde rechtskräftig entschieden, so bedeutet dies, daß kein Verwaltungsverfahren mehr anhängig ist. Das über den Antrag der Partei eingeleitete Verwaltungsverfahren wurde mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid beendet. Der Devolutionsantrag des Beschwerdeführers wurde demnach zu einem Zeitpunkt gestellt, als kein Antrag des Beschwerdeführers bei der Behörde offen war; das gemeindebehördliche Verfahren war zu diesem Zeitpunkt bereits beendet. Zum Zeitpunkt der Einbringung des Devolutionsantrages lag daher kein Antrag im Sinne des § 73 Abs. 1 AVG vor, welcher Voraussetzung für die weiteren, im § 73 Abs. 2 AVG genannten Tatbestandsvoraussetzungen hätte sein können.
Die Beschwerde war aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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