Normen
AVG §56;
AVG §68 Abs1;
FrG 1993 §36 Abs2;
VwGG §13 Abs1 Z1;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §56;
VwGG §58;
VwRallg;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1997:1996210377.X00
Spruch:
Die Beschwerde wird als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt.
Ein Zuspruch von Aufwandersatz findet nicht statt.
Begründung
1. Mit - in Rechtskraft erwachsenem - Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 6. Juni 1995 wurde der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, gemäß § 17 Abs. 2 Z. 4 und 6 FrG ausgewiesen. Am 14. August 1995 langte sein Antrag vom 11. August 1995, ihm einen Abschiebungsaufschub gemäß § 36 Abs. 2 FrG im längstmöglichen Ausmaß zu erteilen, bei der Bundespolizeidirektion Wien (der belangten Behörde) ein.
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 3. Jänner 1996 wurde dieser Antrag gemäß § 36 Abs. 2 FrG abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet; eine Gegenschrift wurde nicht erstattet.
2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es nicht dessen Aufgabe, in einer Beschwerdesache zu entscheiden, wenn der Entscheidung nach der Sachlage keine Bedeutung mehr zukommt. Wird eine Beschwerde gegenstandslos, ohne daß der angefochtene Bescheid durch einen formellen Akt beseitigt wurde, so führt dies zur Einstellung des Verfahrens. Gegenstandslosigkeit wird immer dann angenommen werden können, wenn der Beschwerdeführer durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides durch ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes nicht günstiger gestellt würde, als dies ohne meritorische Entscheidung über die Beschwerde infolge der nach ihrer Erhebung eingetretenen Umstände der Fall ist. Zur Verfahrenseinstellung führende Gegenstandslosigkeit der Beschwerde kann somit auch dann eintreten, wenn durch Änderungen maßgebender Umstände zeitlicher, sachlicher oder prozessualer Art das rechtliche Interesse des Beschwerdeführers an der Entscheidung wegfällt (siehe dazu die hg. Beschlüsse vom 9. April 1980, Slg. Nr. 10.092/A, und vom 10. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.322/A).
3. In seinem Beschluß vom 23. März 1995, Zl. 94/18/1000, lehnte der Verwaltungsgerichtshof unter Bezugnahme auf diese Rechtsprechung die meritorische Behandlung einer Beschwerde, die sich gegen die Abweisung eines Antrages gemäß § 36 Abs. 2 FrG richtete, in einem Fall ab, in dem seit der Stellung des Antrages auf Erteilung eines Abschiebungsaufschubes ein Zeitraum von mehr als einem Jahr vergangen war. Begründet wurde dies im genannten Beschluß wie folgt:
"Die im Beschwerdefall mit dem Antrag angestrebte "bestimmte Zeit" des Abschiebungsaufschubes betrug ein Jahr, und zwar - mangels anderer Anknüpfungspunkte - gerechnet ab dem Einlangen des Antrages bei der Behörde.
Da dieser Zeitraum bereits abgelaufen ist und sich die Rechtsstellung des Beschwerdeführers durch eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides nicht ändern würde, liegen die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung des
Verwaltungsgerichtshofes über die vorliegende ... Beschwerde
nicht vor, weshalb das Verfahren gemäß § 33 Abs. 1 VwGG ohne Zuspruch von Aufwandersatz wegen Gegenstandslosigkeit einzustellen war (vgl. den hg. Beschluß vom 27. Juni 1990, Slg. Nr. 13 239/A)."
Dieser Begründung folgte der Verwaltungsgerichtshof im wesentlichen in den Beschlüssen vom 28. April 1995, Zl. 94/18/0068, vom 30. Mai 1995, Zl. 94/18/0799, vom 7. September 1995, Zl. 94/18/0024, vom 30. November 1995, Zl. 94/18/1065, vom 21. Dezember 1995, Zlen. 95/18/0405 - 0408, vom 17. April 1996, Zlen. 95/21/1114 und 95/21/1123, und vom 22. Mai 1996, Zlen. 95/21/0265 und 0266, in gleichgelagerten Beschwerdefällen, in denen seit der Stellung von Anträgen gemäß § 36 Abs. 2 FrG ebenfalls mehr als ein Jahr vergangen war. Bei gleichgelagertem Sachverhalt wurde eine Beschwerde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 22. November 1995, Zl. 95/21/0903, mit derselben Begründung abgewiesen.
4. Auf Grund des vorliegenden Beschwerdefalles sah sich der Verwaltungsgerichtshof veranlaßt, in einem gemäß § 13 Abs. 1 Z. 1 VwGG gebildeten Senat, diese Rechtsprechung auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Der Verwaltungsgerichtshof hatte keine Bedenken daran festzuhalten, daß eine Beschwerde in solchen Fällen gemäß § 33 Abs. 1 VwGG für gegenstandslos zu erklären und das verwaltungsgerichtliche Verfahren einzustellen ist, in denen die Aufhebung des angefochtenen Bescheides an der Rechtsstellung des Beschwerdeführers nichts ändern würde, daher eine Rechtsverletzungsmöglichkeit im Sinne des Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG nicht mehr gegeben ist und damit ein Rechtsschutzbedürfnis fehlt (vgl. dazu die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage 1987, 306 ff wiedergegebene hg. Rechtsprechung und Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1983, 161 f sowie Mayer, Das österreichische Bundesverfassungsrecht, 1994, 310 ff und 545 ff). Es stellte sich aber die wesentliche Frage, ob dies im Falle der Abweisung eines Antrages gemäß § 36 Abs. 2 FrG immer schon dann gesagt werden kann, wenn seit der Stellung des Antrages mehr als ein Jahr vergangen ist, zumal der Beschwerdeführer aus seinem Antrag auf Gewährung eines Abschiebungsaufschubes oder aus einer Beschwerde an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes gegen eine Abweisung eines solchen Antrages kein Recht zum Aufenthalt in Österreich herleiten kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Juni 1996, Zl. 96/18/0230).
5. Der Verwaltungsgerichtshof hält aus nachangeführten Erwägungen im Sinne der bisherigen Rechtsprechung daran fest, daß die Frist des § 36 Abs. 2 FrG jedenfalls mit dem Zeitpunkt des Einlangens eines solchen Antrages auf Erteilung eines Abschiebungsaufschubes bei der zuständigen Behörde zu laufen beginnt:
§ 36 FrG hat folgenden Wortlaut:
" § 36.(1) Fremde, gegen die ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung durchsetzbar ist, können von der Behörde zur Ausreise verhalten werden (Abschiebung), wenn
- 1. ...
- 2. ...
- 3. ...
- 4. ...
(2) Die Abschiebung eines Fremden ist auf Antrag oder von Amts wegen auf bestimmte, jeweils ein Jahr nicht übersteigende Zeit aufzuschieben (Abschiebungsaufschub), wenn sie unzulässig ist (§ 37) oder aus tatsächlichen Gründen unmöglich scheint. Für die Festsetzung von Auflagen und für den Widerruf gelten die §§ 24 und 25 Abs. 1."
In den Erläuterungen der Regierungsvorlage betreffend ein Fremdengesetz "zu § 36" wird folgendes ausgeführt:
"Immer wieder kommt es zur Verhängung aufenthaltsbeendender Maßnahmen, die dann deshalb nicht unmittelbar durchgesetzt werden können, weil der betroffene Fremde aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht abgeschoben werden kann. Diese Fälle hat der "Abschiebungsaufschub" des Abs. 2 im Auge. In solchen Fällen soll dem Fremden ein gewisses Maß an Rechtssicherheit dadurch geschaffen werden, daß ihm in einer der Rechtskraft fähigen Form der Aufenthalt für einen bestimmten Zeitraum gestattet wird und daß erst nach Ablauf dieses Zeitraumes neuerlich zu prüfen ist, ob nunmehr eine Abschiebung möglich ist. Da freilich in diesen Fällen davon auszugehen ist, daß die für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes maßgebliche Gefahr nicht beseitigt werden kann, bedarf es der Möglichkeit, in diesen Fällen Auflagen festzusetzen. Analog zum Durchsetzungsaufschub bedarf es auch beim Abschiebungsaufschub der Möglichkeit des Widerrufes. Für beide Rechtsinstitute sollen im wesentlichen die für Auflagen und Widerruf im Bereich des Durchsetzungsaufschubes und der Wiedereinreisebewilligung getroffenen Regelungen sinngemäß gelten." (692 Blg. Nr. 18. GP, 47 f)
§ 36 Abs. 2 FrG knüpft an die eingetretene Durchsetzbarkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme (Aufenthaltsverbot oder Ausweisung) an, somit an den an die Behörde gerichteten gesetzlichen Auftrag der Außerlandesschaffung des unberechtigt im Bundesgebiet verweilenden Fremden. Anders als bei einem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung, der im Falle seiner Stattgebung zu einem rechtmäßigen Aufenthalt ab dem Zeitpunkt und für die ausgesprochene Dauer der Bewilligung führt, soll § 36 Abs. 2 FrG dem Fremden in Form eines der Rechtskraft fähigen Bescheides (lediglich) die Rechtssicherheit verschaffen, daß die (faktische) Durchsetzung seiner schon vor seiner Antragstellung eingetretenen Verpflichtung zur Ausreise (vorläufig) für eine bestimmte Zeit hinausgeschoben wird. § 36 Abs. 2 FrG knüpft somit von der gesetzlichen Systematik her an den vor der Antragstellung gelegenen (Anfangs‑)Termin der Ausreiseverpflichtung des Beschwerdeführers an, läßt jedoch die auf Antrag des Beschwerdeführers von der Behörde bis zur Höchstdauer eines Jahres in konstitutiver Weise festzusetzende Frist (erst) mit dem Zeitpunkt des Einlangens des Antrages bei der Behörde beginnen. Dies ergibt sich auch daraus, daß der Beschwerdeführer selbst die "bestimmte Zeit" im Rahmen der gesetzlichen Höchstfrist im Antrag anzugeben hat und zudem mit dem Antrag gemäß § 36 Abs. 2 FrG ein rechtliches Interesse an einer sofortigen Entscheidung infolge der unmittelbar drohenden Abschiebung verbunden ist.
Auch ist davon auszugehen, daß der Antragsteller das Vorliegen der Gründe, die seiner Abschiebung entgegenstehen, zum Zeitpunkt der Antragstellung behauptet, und daß - im Falle einer stattgebenden Erledigung - das allfällige Fortbestehen dieser Gründe, dem erklärten Willen des Gesetzgebers zufolge, spätestens nach Ablauf eines Jahres von der Behörde neuerlich geprüft werden soll. Gegen ein solches Verständnis des § 36 Abs. 2 FrG, welches das darin eingeräumte subjektive Recht des Beschwerdeführers in zeitlicher Hinsicht mehr begrenzt als dies bei Annahme eines Beginnes des Fristenlaufes (erst) mit Bewilligung des Antrages der Fall wäre, bestehen insbesondere auch deshalb keine Bedenken, weil nach Ablauf der Frist eines Jahres nach Antragstellung einem neuerlichen gleichgerichteten Antrag die allfällige Rechtskraft eines den früheren Antrag abweisenden Bescheides infolge der gesetzlich fixierten Zeitraumbezogenheit eines Antrages gemäß § 36 Abs. 2 leg. cit. nicht entgegengehalten werden kann.
6. Da der Beschwerdeführer mit der Erteilung eines Abschiebungsaufschubes gemäß § 36 Abs. 2 FrG eine seinem Rechtssicherheitsbedürfnis entsprechende Feststellung somit nur für eine ein Jahr nicht übersteigende Zeit ab Antragstellung erreichen konnte, der vorliegende Antrag "auf Bewilligung in der längstmöglichen Dauer" in diesem Sinne (somit im gesetzlichen Höchstausmaß von einem Jahr ab Antragstellung) verstanden werden muß, dieser Zeitraum jedoch bereits abgelaufen ist und sich die Rechtsstellung des Beschwerdeführers daher durch eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides nicht ändern würde, liegen die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung des Verwaltungsgerichtshofes nicht vor. Das Verfahren war gemäß § 33 Abs. 1 VwGG ohne Zuspruch von Aufwandersatz wegen Gegenstandslosigkeit einzustellen.
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