VwGH 95/19/0778

VwGH95/19/077819.9.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler, Dr. Dolp und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der V in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. Juli 1995, Zl. 104.943/3-III/11/95, betreffend Antrag auf Akteneinsicht in Angelegenheit Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §17 Abs1;
AVG §17 Abs4;
AVG §56;
AVG §58 Abs2;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §17 Abs1;
AVG §17 Abs4;
AVG §56;
AVG §58 Abs2;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. Juli 1995 wurde dem Antrag der Beschwerdeführerin vom 26. Juni 1995 auf Akteneinsicht gemäß § 17 Abs. 1 und 3 AVG nicht stattgegeben. Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im wesentlichen damit, daß die Beschwerdeführerin am 11. Juli 1994 einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt habe, welcher mit rechtskräftigem Berufungsbescheid des Bundesministers für Inneres vom 23. Mai 1995 abgewiesen worden sei. Die Beschwerdeführerin habe am 26. Juni 1995 durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter ein Ersuchen auf Akteneinsicht bzw. auf Übermittlung von Aktenkopien eingebracht, welches als Antrag zu werten sei. Gemäß § 17 Abs. 1 AVG seien die Behörden, soweit die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, verpflichtet, den Parteien Einsicht in die ihre Sache betreffenden Akten oder Aktenteile zu gestatten. Gemäß § 17 Abs. 3 AVG erfahre das Recht auf Akteneinsicht gewisse Einschränkungen. Meldungen und Berichte von Behörden und dergleichen seien von der Akteneinsicht insoweit ausgenommen, als deren Einsichtnahme eine Gefährdung der Aufgaben der Behörden herbeiführe. Im gegenständlichen Fall sprächen "besondere Umstände für diese Annahme". Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 17 Abs. 1 AVG hat die Behörde, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, den Parteien Einsicht in die ihre Sache betreffenden Akten oder Aktenteile zu gestatten; die Parteien können sich davon an Ort und Stelle Abschriften selbst anfertigen oder nach Maßgabe der vorhandenen technischen Möglichkeiten auf ihre Kosten Kopien anfertigen lassen. Gemäß § 17 Abs. 3 AVG sind von der Akteneinsicht Aktenbestandteile ausgenommen, insoweit deren Einsichtnahme eine Schädigung berechtigter Interessen einer Partei oder dritter Personen oder eine Gefährdung der Aufgaben der Behörde herbeiführen oder den Zweck des Verfahrens beeinträchtigen würde.

Die Beschwerdeführerin bringt richtig vor, daß die bescheidmäßige Verweigerung der Akteneinsicht in einem sie betreffenden rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren einen selbständigen verfahrensrechtlichen Bescheid in der Verwaltungssache selbst darstellt, der nach Erschöpfung des Instanzenzuges durch Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochten werden kann (vgl. die in Ringhofer, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, 1987, Seite 273, zitierte hg. Rechtsprechung).

Das Recht auf Akteneinsicht stellt ein wesentliches prozessuales Recht der Partei des (abgeschlossenen) Verwaltungsverfahrens dar und erstreckt sich grundsätzlich auf alle Unterlagen, die sich auf ihre Sache beziehen. "Anderes", nämlich eine Beschränkung der Akteneinsicht, bestimmt im wesentlichen nur § 17 Abs. 3 AVG. Von anderen in materiell rechtlichen Vorschriften normierten weitergehenden "Einsichtsrechten" kommt im gegenständlichen Fall keine in Frage.

Nach dem gemäß § 67 AVG auch von der Berufungsbehörde anzuwendenden § 60 leg. cit. sind in der Begründung des Berufungsbescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Demnach muß in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes zugänglichen Weise dargetan werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zu der Ansicht gelangte, daß gerade dieser Sachverhalt vorliege und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl. ua die hg. Erkenntnisse vom 30. Mai 1985, Zl. 84/08/0047, vom 28. Juni 1988, Zl. 87/11/0066, und vom 26. Juli 1995, Zl. 94/20/0722).

Aus dem Inhalt der Begründung des angefochtenen Bescheides läßt sich - für sich allein genommen - nicht einmal ableiten, welche Teile der die Beschwerdeführerin betreffenden Akten von der belangten Behörde von der Akteneinsicht ausgenommen wurden. Welche Teile die belangte Behörde gemeint hat, läßt sich nur in Verbindung mit dem Wortlaut des Ansuchens der Beschwerdeführerin vom 26. Juni 1995, daß die Beschwerdeführerin im Verfahren keine eigenen Angaben gemacht habe, daß sie illegal der Prostitution nachgehe, um sich eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen - wie dies in dem den Antrag auf Aufenthaltsbewilligung abweisenden Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 23. Mai 1995 als wesentliche Begründung ausgeführt worden sei - in Verbindung mit der im Verwaltungsakt befindlichen Anfrage der Bundespolizeidirektion Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, an das Bundesministerium für Inneres vom 21. Juli 1995, und dem hierauf antwortenden Bericht des Bundesministeriums für Inneres vom 17. Mai 1995 erschließen. Die beiden letztgenannten Schriftstücke tragen nämlich den Vermerk "Von der Akteneinsicht ausgenommen".

Keinesfalls aber wird der angefochtene Bescheid den oben ausgeführten Anforderungen an eine rechtmäßige Begründung gerecht, als der Begründung nicht entnommen werden kann,

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