VwGH 87/11/0066

VwGH87/11/006628.6.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde der SH in L, vertreten durch JS als Sachwalterin, diese vertreten durch Dr. Otto Schuhmeister, Rechtsanwalt in Schwechat, Bruck-Hainburgerstraße 7, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 18. Februar 1987, Zl. VII/1-F-4809/18-86, betreffend Kostenersatz nach dem NÖ Sozialhilfegesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §60;
AVG §62 Abs4;
AVG §67;
SHG NÖ 1974 §15 Abs5;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 litc Z2;
VwGG §42 Abs2 litc Z3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §42 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen sprach mit Bescheid vom 14. Februar 1986 aus, die Beschwerdeführerin sei verpflichtet, zu den Kosten der Sozialhilfe für ihre Unterbringung in einem näher genannten Heim einen Kostenersatz von S 2.400,-- monatlich beginnend ab 1. März 1986 zu leisten. Als Rechtsgrundlagen für diese Entscheidung nannte die Behörde § 41 des NÖ Sozialhilfegesetzes (NÖ SHG), LGBl. 9200-5, die Verordnung der NÖ Landesregierung über die Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen bei Gewährung von Sozialhilfen, LGBl. 9200/2-1, und die Verordnung der NÖ Landesregierung über Sozialhilfen, LGBl. 9200/1- 14. In der Begründung dieses Bescheides heißt es, der Empfänger von Sozialhilfe habe die Kosten zu ersetzen, wenn er zu hinreichendem Einkommen oder Vermögen gelange. Die Beschwerdeführerin beziehe eine erhöhte Familienbeihilfe von S 2.700,-- monatlich. Gemäß § 15 Abs. 5 NÖ SHG seien bei internen Unterbringungen jedenfalls Kostenbeiträge in Höhe der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages zu leisten. Vom Vermögen des Hilfesuchenden würden Barbeträge oder sonstige Sachwerte, die den Betrag von S 18.135,-- nicht übersteigen, unberücksichtigt bleiben.

In ihrer Berufung gegen diesen Bescheid brachte die Beschwerdeführerin vor, es sei ihr mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 3. November 1981 Hilfe zur beruflichen Eingliederung gemäß § 19 NÖ SHG gewährt worden. Trotz der im § 15 leg. cit. normierten Begrenzung würden 80 % ihrer Pension (samt Ausgleichszulage) einbehalten. Es sei nicht zu erkennen, welchen Umfang die von ihr verlangten Kostenbeiträge haben sollen. Die Beschwerdeführerin beantragte abschließend, den erstinstanzlichen Bescheid dahin abzuändern, daß der Kostenersatz ab 1. März 1986 mit insgesamt S 2.400,-- monatlich begrenzt werde und ein weiterer Kostenersatz nicht zu leisten sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung abgewiesen und die erstinstanzliche Entscheidung vollinhaltlich bestätigt.

In ihrer Beschwerde gegen diesen Bescheid macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend; sie beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorauszuschicken ist, daß laut den (im Verwaltungsakt erliegenden, von der Behörde nicht bestrittenen Äußerungen der Beschwerdeführerin 80 v.H. ihrer Waisenpension (samt Ausgleichszulage) im Wege der Legalzession für die Kosten ihrer Unterbringung im Caritasheim M einbehalten werden. Vor diesem Hintergrund ist der Berufungsantrag der Beschwerdeführerin als auf den Entfall des mit Bescheid der Erstbehörde vorgeschriebenen weiteren Kostenbeitrages gerichtet zu verstehen, da die Beschwerdeführerin zu den Kosten ihrer internen Unterbringung ohnedies bereits mehr als gesetzlich vorgesehen beitrage.

Die Beschwerdeführerin rügt, daß der angefochtene Bescheid "zwar unter der Rubrik 'Begründung' eine chronologische Darstellung der Situation" gebe, "ohne aber auf die rechtlichen Ausführungen der Berufung in irgendeiner Form einzugehen". Schon dieses Vorbringen erweist die Beschwerde als berechtigt.

Nach dem gemäß § 67 AVG 1950 auch von der Berufungsbehörde anzuwendenden § 60 leg. cit. sind in der Begründung des Berufungsbescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Demnach muß in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugänglichen Weise dargetan werden, welcher (für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebende) Sachverhalt der Entscheidung zugrundegelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zu der Ansicht gelangte, daß gerade dieser Sachverhalt vorliege, und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtete (vgl. unter anderem das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Mai 1985, Zl. 84/08/0047). Die belangte Behörde bestreitet in ihrer Gegenschrift das von der Beschwerde gerügte Fehlen einer Begründung nicht. Sie weist einleitend darauf hin, "daß bei der Reinschrift der Berufungsentscheidung ha. bedauerlicherweise ein Versehen unterlaufen ist und die ursprüngliche Seite 3 nicht geschrieben worden ist, sodaß der Berufungsbescheid unvollständig den Parteien zugestellt wurde". Zugleich legte die belangte Behörde die fehlende Seite in Abschrift vor. Damit steht einerseits das gänzliche Fehlen einer dem § 60 AVG 1950 entsprechenden Begründung außer Streit und andererseits fest, daß dieser (nach der Aktenlage offenkundig bei der Reinschrift des angefochtenen Bescheides unterlaufene) Fehler nicht im Wege eines Berichtigungsbescheides beseitigt wurde. Die Vorlage einer Kopie der fehlenden Seite des Bescheides kann nicht einer Berichtigung gemäß § 62 Abs. 4 AVG 1950 gleichgehalten werden. Infolge des gänzlichen Fehlens einer dem Gesetz entsprechenden Begründung ist der angefochtene Bescheid mit einem wesentlichen Mangel im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG behaftet und nach dieser Gesetzesstelle wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Damit erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen.

Für das fortzusetzende Verfahren sieht sich der Verwaltungsgerichtshof zu dem Hinweis veranlaßt, daß auch die nachträglich vorgelegte Begründung nicht den dargestellten Begründungserfordernissen entspricht, weil nicht erkennbar ist, welchen (welche) Tatbestand (Tatbestände) des § 41 NÖ SHG und aus welchen Erwägungen die belangte Behörde gerade diesen (diese) als gegeben annimmt.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 28. Juni 1988

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