VwGH 88/18/0065

VwGH88/18/006527.5.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsidentin Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Degischer und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Böhler, über die Beschwerde des HW in W, vertreten durch Dr. Karl Muzik, Rechtsanwalt in Wien IV, Graf Starhemberggasse 39/17, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 28. Dezember 1987, Zl. MA 70-11/267/87/Str, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §48;
AVG §49;
AVG §50;
VStG §25 Abs2;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §48;
AVG §49;
AVG §50;
VStG §25 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Wiener Landesregierung vom 28. Dezember 1987 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, am 25. August 1986 um 18.25 Uhr in Wien 12., Wienerbergstraße 67, sich als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw geweigert zu haben, seine Atemluft von einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, obwohl habe vermutet werden können, daß er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO 1960 begangen, weshalb über ihn gemäß § 99 Abs. 1 lit. b leg. cit. eine Geldstrafe von S 12.000,-- (Ersatzarreststrafe 10 Tage) verhängt wurde. Zur Frage der Lenkereigenschaft des Beschwerdeführers führte die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides aus, der Beschwerdeführer habe erst mit Schriftsatz vom 10. Juni 1987 (also fast ein Jahr nach dem Tatzeitpunkt) den angeblichen Lenker bekanntgegeben, ohne auszuführen, wieso er den Namen erst jetzt habe ermitteln können. Der Beschwerdeführer habe zwar schon laut Anzeige bestritten, das Kraftfahrzeug gelenkt zu haben, habe aber keinerlei Angaben darüber gemacht, wohin sich der Lenker so schnell entfernt habe, obwohl der Meldungsleger ja unmittelbar nach der Abstellung des Kraftfahrzeuges eingeschritten sei. Zum Zeitpunkt der Anhaltung wäre es für den Beschwerdeführer ein leichtes gewesen, den Lenker, selbst wenn er sich entfernt haben sollte, noch zu erreichen. Es wäre daher für den Beschwerdeführer -

wenn sich der Sachverhalt tatsächlich so zugetragen habe, wie er behauptete - naheliegend gewesen, dem Polizeibeamten gegenüber gleich nähere Angaben zum Lenker zu machen und so auf ganz einfache Weise seine mangelnde Lenkereigenschaft zu beweisen. In der ersten schriftlichen Stellungnahme zur Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 2 StVO 1960 habe der Beschwerdeführer gar nichts davon erwähnt, daß er das Kraftfahrzeug nicht gelenkt habe. Im übrigen sei es für den inkriminierten Tatbestand nicht weiter von Belang, ob der Beschwerdeführer zuerst das Geschäft der Zeugin S betreten habe und dann erst die Polizeibeamten eingeschritten seien oder umgekehrt. Die diesbezüglichen Beweisanträge seien daher abzulehnen gewesen. Weder aus der Anzeige und den zeugenschaftlichen Aussagen der Polizeibeamten, noch aus der Aussage der Zeugin S ergebe sich irgendein Hinweis darauf, daß eine vom Beschwerdeführer verschiedene Person das Kraftfahrzeug gelenkt habe. Die Zeugin S, deren Aussage der Beschwerdeführer sogar teilweise für richtig halte, habe ausdrücklich angegeben, es habe sich bei der Person, die ihr Geschäft betreten habe (der Beschwerdeführer gebe zu, das Geschäft von Frau S aufgesucht zu haben), um den Lenker des in Rede stehenden Pkw gehandelt. Zu dem Beweisantrag, die Behörde solle den derzeitigen Aufenthaltsort des nur mit Vor- und Zunamen bezeichneten Lenkers in Großbritannien von Amts wegen ermitteln, sei auszuführen, daß dies der Behörde in Ermangelung einer Zugriffsmöglichkeit zu Adressen und Meldedaten Großbritanniens nicht möglich sei. Es liege aber am Beschwerdeführer, derart konkrete Angaben zu einem Entlastungszeugen zu machen, daß dessen Einvernahme ermöglicht werde. Die Berufungsbehörde gehe daher davon aus, daß der Beschwerdeführer das Kraftfahrzeug am Tatort gelenkt habe. Es folgen sodann Ausführungen zu den im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht mehr strittigen Fragen der Alkoholbeeinträchtigung des Beschwerdeführers und der Strafbemessung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Einen Verfahrensverstoß erblickt der Beschwerdeführer zunächst darin, daß es die belangte Behörde unterließ, Nachforschungen über den Aufenthaltsort des von ihm als den wahren Lenker des Pkw zur Tatzeit namhaft gemachten Zeugen PZ in Großbritannien anzustellen. In der diesbezüglichen Vorgangsweise der belangten Behörde vermag der Verwaltungsgerichtshof jedoch einen Verstoß gegen Verfahrensvorschriften nicht zu erkennen. Nachdem der Beschwerdeführer im Rahmen des gegen ihn geführten Verwaltungsstrafverfahrens zunächst zur Person des angeblichen Lenkers des Pkw zur Tatzeit keinerlei Angaben gemacht hatte, benannte er diesen erst in seinem Schriftsatz vom 10. Juni 1987 (bei der Erstbehörde eingelangt am 16. Juni 1987) mit einer Anschrift in München. Die belangte Behörde richtete daraufhin an diesen Zeugen an der angegebenen Anschrift ein Schreiben, mit dem Ersuchen, der Zeuge möge sich zum Vorbringen des Beschwerdeführers äußern. Nach dem darüber im Akt befindlichen "Zustellzeugnis" konnte dieses Schreiben nichtzugestellt werden, weil der Adressat im Melderegister nicht zu ermitteln war. Die belangte Behörde gab dem Beschwerdeführer dieses Ermittlungsergebnis bekannt, worauf dieser ein Telegramm einer EP aus München vorlegte, in welchem diese dem Beschwerdeführer mitteilte, der fragliche Zeuge sei vor etwa einem halben Jahr von berufswegen nach England übersiedelt, seine neue Adresse sei ihr nicht bekannt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hat, ist die Behörde nicht verpflichtet, aufwendige Ermittlungen über den Aufenthaltsort eines angeblich im Ausland lebenden Zeugen anzustellen. In einem solchen Fall ist es vielmehr Sache des Beschuldigten, im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht die erforderlichen Angaben beizubringen; allenfalls ist ihm Gelegenheit zu geben, eine entsprechende schriftliche Erklärung des Zeugen vorzulegen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 18. September 1985, Zl. 85/03/0074, und die dort zitierte Judikatur).

Es bildet daher keinen Verfahrensverstoß, wenn die belangte Behörde unter den gegebenen Umständen Nachforschungen zur Ermittlung der Anschrift des in Rede stehenden Zeugen in Großbritannien unterließ. Ein Auftrag an den Beschwerdeführer, eine schriftliche Stellungnahme dieses Zeugen beizubringen und die Einräumung einer entsprechenden Frist war überdies entbehrlich, weil sich aus dem Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 4. November 1987 ergibt, daß auch er keine Kenntnis vom näheren Aufenthalt dieses Zeugen hat, sodaß die Behörde nicht annehmen konnte, der Beschwerdeführer werde mit ihm in angemessener Frist in Kontakt treten können.

Mit seinem weiteren Vorbringen versucht der Beschwerdeführer Widersprüche zwischen den Aussagen der Meldungsleger einerseits und der Zeugin S andererseits über den Zeitpunkt des Einschreitens der Meldungsleger aufzuzeigen. Damit vermag der Beschwerdeführer schon deshalb eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun, weil diese Frage für die Tatbildmäßigkeit seines Verhaltens nicht bedeutsam ist. Entscheidend ist allein, daß alle drei Zeugen den Beschwerdeführer übereinstimmend als den Lenker des in Rede stehenden Pkw bezeichneten.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag somit im Rahmen der ihm diesbezüglich eingeräumten Prüfungsbefugnis (vgl. dazu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) die Beweiswürdigung der belangten Behörde, die zur Feststellung der Lenkereigenschaft des Beschwerdeführers zum Tatzeitpunkt führte, weder als auf mangelnder Sachverhaltsgrundlage beruhend noch als unschlüssig zu erkennen.

Schließlich geht das Vorbringen des Beschwerdeführers, für die Tatbildmäßigkeit eines Verhaltens nach § 5 Abs. 2 StVO 1960 genüge es nicht, daß bloß der Verdacht vorliege, der Beschuldigte habe ein Fahrzeug gelenkt, schon deshalb fehl, weil die belangte Behörde dieses Sachverhaltselement ausdrücklich als erwiesen angenommen hat.

Da sich die Beschwerde somit als nicht berechtigt erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 27. Mai 1988

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