VwGH 88/09/0108

VwGH88/09/01081.12.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Rat Dr. Novak, über die Beschwerde der D Gesellschaft m.b.H in W, vertreten durch Dr. Werner Zach, Rechtsanwalt in Wien IV, Brucknerstraße 4, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 5. Juli 1988, Zl. IIc/6702 B, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §21;
AuslBG §4 Abs1;
AVG §46;
AVG §48;
AVG §51;
AVG §55;
AVG §8;
WRG 1959 §102 Abs3;
WRG 1959 §102 Abs4;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1988:1988090108.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 9.780,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Gesellschaft m.b.H., die in Wien den Handel mit Obst und Gemüse betreibt, stellte am 3. Dezember 1987 beim Arbeitsamt Handel-Transport-Verkehr-Landwirtschaft den Antrag, ihr für den türkischen Staatsangehörigen BD eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, BGBl. Nr. 218/1975 (AuslBG) für die Tätigkeit als "Verkaufshilfe + Laden" zu erteilen. Der Antrag enthält die (später von anderer Hand vorgenommene) Ergänzung "20 bis 25h/Woche = S 6.300,--/Monat netto". Ein spezielles Bildungserfordernis wurde nicht geltend gemacht. Im Begleitschreiben zu diesem Antrag wies der Beschwerdeführer der beschwerdeführenden Partei unter Anschluß des Gesellschaftsvertrages vom 15. Jänner 1987 unter anderem darauf hin, daß der beantragte Ausländer ein Viertel des Stammkapitals der beschwerdeführenden Partei übernommen habe.

Diesen Antrag wies das Arbeitsamt mit seinem Bescheid vom 22. Dezember 1987 gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG ab; einerseits lasse - wie in der Begründung ausgeführt wurde - die Arbeitsmarktlage die Beschäftigung nicht zu, weil für die angebotene Tätigkeit genügend Arbeitskräfte, die Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezögen, vorgemerkt seien; anderseits stünden auch öffentliche Interessen entgegen, weil BD nicht dem Personenkreis der Leistungsbezieher bzw. Anspruchsberechtigten (nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz) angehöre und in erster Linie diesen Personen die Eingliederung in den Arbeitsprozeß zu ermöglichen sei.

In ihrer dagegen binnen offener Frist erhobenen Berufung brachte die beschwerdeführende Partei im wesentlichen vor, bisher seien bei ihr keine Ersatzkräfte erschienen, die für die Ausübung der beantragten Tätigkeit befähigt, geeignet und gewillt gewesen seien. Die beschwerdeführende Partei bekundete ihr Interesse an der Zuweisung derartiger Ersatzkräfte. Schließlich warf sie der Behörde erster Instanz vor, ihr das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nicht nachweislich und in vollem Umfang zur Kenntnis gebracht zu haben, weshalb sie nicht in der Lage gewesen sei, dazu Stellung zu nehmen. Erneut wurde auf die Eigenschaft von BD als (Minderheiten)Gesellschafter der beschwerdeführenden Partei hingewiesen.

In der Folge wies das Arbeitsamt der beschwerdeführenden Partei Ersatzkräfte zu; ein Dienstverhältnis kam jedoch nicht zustande.

Mit Schreiben vom 27. Jänner 1988 teilte vielmehr die beschwerdeführende Partei dem Arbeitsamt mit, daß die ihr am 26. Jänner 1988 zugewiesene, namentlich genannte Arbeitskraft, mit der die Aufnahme einer Tätigkeit als Obstverkäufer vereinbart gewesen sei, nicht zum Arbeitsantritt erschienen sei.

Mit sechs weiteren Schreiben (zweimal vom 1. Februar, jeweils ein Schreiben vom 8. Februar, 22. Februar, 3. März und 24. März 1988) gab die beschwerdeführende Partei dem Arbeitsamt bekannt, daß (insgesamt 11) jeweils namentlich genannte vom Arbeitsamt zugewiesene Ersatzkräfte zwar bei ihr erschienen seien, diese jedoch ausdrücklich erklärt hätten, bei der beschwerdeführenden Partei nicht beschäftigt werden zu wollen.

Das Arbeitsamt vernahm insgesamt fünf der von der beschwerdeführenden Partei namentlich genannten Ersatzkräfte formlos. Laut den über diese Einvernahmen errichteten Niederschriften erklärte die am 26. Jänner 1988 zugewiesene Ersatzkraft, sie hätte bei der beschwerdeführenden Partei nicht zu arbeiten begonnen, weil man ihr eine Bezahlung von S 600,-- pro Woche bei einer Arbeitszeit von täglich 6.00 Uhr morgens bis 18.00 Uhr abends angeboten habe.

Drei weitere einvernommene Ersatzkräfte begründeten das Nichtzustandekommen eines Dienstverhältnisses mit zu geringer Entlohnung für die geforderte Arbeitszeit (S 3.500,-- netto/ monatlich bzw. S 600,-- netto/wöchentlich für eine tägliche Arbeitszeit Montag bis Freitag von 6.00 Uhr bis 18.00 Uhr und Samstag 6.00 Uhr bis 12.00 Uhr) bzw. zu geringer Entlohnung schlechthin (S 600,--/pro Woche; S 3.000,-- netto/pro Monat).

Eine Ersatzkraft gab an, daß man sie nur zwei Tage pro Woche beschäftigt hätte. Über die Bezahlung sei nicht gesprochen worden.

Aus zwei von einem Organwalter des Arbeitsamtes unterfertigten Aktenvermerken vom 15. März bzw. 29. März 1988 geht hervor, daß die Kanzlei des Beschwerdevertreters (Frau K) telefonisch informiert worden sei, daß auf Grund der mit Bewerbern aufgenommenen Niederschriften die angebotene Entlohnung nicht den kollektivvertraglichen Bestimmungen entspreche (S 3.500,-- netto monatlich/bzw. S 600,-- wöchentlich). Ferner sei eine bis 22. März 1988 befristete Möglichkeit der Akteneinsicht gewährt worden.

Mit Schreiben vom 29. März 1988 nahm die beschwerdeführende Partei zum Anruf vom gleichen Tag Stellung. Sie gab dem Arbeitsamt bekannt, daß die bisher erschienenen Ersatzkräfte an einem Arbeitsverhältnis mit 40 Wochenstunden nicht interessiert gewesen seien. Über deren Anregung sei mit den zugewiesenen Ersatzkräften bloß über eine Arbeitszeit von nicht über 20 Stunden gesprochen worden. Dies sei die Ursache dafür, "daß von einer Entlohnung gesprochen wurde, welche bei 40 Arbeitsstunden nicht bezahlt wird".

Die belangte Behörde brachte in der Folge der beschwerdeführenden Partei mit Schreiben vom 5. Mai 1988 unter anderem zur Kenntnis, die beschwerdeführende Partei habe in ihrem Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung bei der Entlohnung von S 6.300,-- netto eine Wochenarbeitszeit von 20 bis 25 Stunden angegeben. Zugewiesene Ersatzkräfte hätten die Beschäftigung allein deshalb nicht angenommen, da ihnen eine Entlohnung von S 3.000,-- netto, S 600,-- pro Woche, eine zweitägige Beschäftigung je Woche, S 600,-- pro Woche bei einer Arbeitszeit von 6.00 Uhr bis 18.00 Uhr angeboten worden sei. Mit sämtlichen Zugewiesenen seien Niederschriften aufgenommen worden, die sich im Akt befänden. Trotz Zusage der Akteneinsicht und Bereithaltung des Verfahrensaktes hätte die beschwerdeführende Partei ihre Versprechungen gegenüber der Behörde erster Instanz nicht eingehalten. Die belangte Behörde räumte der beschwerdeführenden Partei die Gelegenheit ein, zu diesen Feststellungen innerhalb von vierzehn Tagen Stellung zu nehmen

Die namens der beschwerdeführenden Partei vom Beschwerdevertreter abgegebene Stellungnahme vom 6. Mai 1988 beschränkte sich auf folgende Feststellung:

"Die Behauptung in Ihrem Schreiben vom 5. Mai 1988, soweit diese mit dem bisherigen Vorbringen meiner Mandantin im Widerspruch stehen, werden von dieser als falsch zurückgewiesen."

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 5. Juli 1988 gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 AuslBG keine Folge und bestätigte den Bescheid der Behörde erster Instanz.

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des § 3 Abs. 1 und 2 und des § 4 Abs. 1 AuslBG allgemein jene Grundsätze aus, die ihrer Meinung nach bei der Beurteilung der Bewilligungsvoraussetzungen der zuletzt zitierten Norm zu beachten seien. Es sei festgestellt worden, daß BD noch keine entsprechenden Dienstverhältnisse in Österreich nachweisen könne, auf Grund deren er Ansprüche auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung habe. Derzeit sei eine Ersatzstellung durch inländische und ausländische Kräfte, die Arbeitslosengeld bezögen und beim Arbeitsamt in Vermittlungsvormerkung stünden, möglich. An der Vermittlung dieser Personen bestünde - im Hinblick auf die für einen Großteil dieser Personen aus öffentlichen Mitteln zu erbringenden Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung - ein dringendes öffentliches Interesse. Diesem Personenkreis sei primär die Eingliederung in den Arbeitsprozeß zu ermöglichen. Mit Schreiben vom 5. Mai 1988 sei der beschwerdeführenden Partei zur Kenntnis gebracht worden, daß es mit zahlreich zugewiesenen Ersatzkräften allein deshalb zu keiner Anstellung gekommen sei, weil es hinsichtlich der Arbeitszeit und der Entlohnung zu Angaben gekommen sei, die eine Arbeitsaufnahme nicht zugelassen hätten. Auf die in diesem Zusammenhang verfertigten Niederschriften sei unter Hinweis auf die Möglichkeit der Akteneinsicht hingewiesen worden. Mit Schreiben vom 6. Mai 1988 habe die beschwerdeführende Partei zu diesen Angaben keine Stellungnahme abgegeben. Ihr Schreiben enthalte lediglich die Zurückweisung der Angaben als falsch, soweit diese mit dem bisherigen Vorbringen in Widerspruch stünden. In freier Beweiswürdigung sei daher den mit zahlreichen Zugewiesenen niederschriftlich gemachten Angaben Glauben geschenkt worden. Im Hinblick auf die aufgezeigten Umstände werde daher die Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung unter Bedachtnahme auf § 4 Abs. 1 AuslBG nicht für vertretbar erachtet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Die beschwerdeführende Partei erachtet sich in ihrem Recht auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz verletzt. Sie macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG ist die Beschäftigungsbewilligung, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist, zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.

Nach dieser Gesetzesstelle ist die Beschäftigungsbewilligung - unbeschadet der weiteren, im § 4 Abs. 3 AuslBG aufgezählten Voraussetzungen - an zwei Voraussetzungen geknüpft, nämlich

1. daran, daß die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und

2. wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.

Bei Fehlen auch nur eines dieser beiden Tatbestandselemente ist den Arbeitsämtern die Erteilung einer Beschäftigungsbewillligung verwehrt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. unter Hinweis auf Art. 14 Abs. 4 die Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Oktober 1988, Zl. 88/09/0092, und die dort angeführte Vorjudikatur) darf bei der Auslegung des § 4 Abs. 1 AuslBG nicht außer acht gelassen werden, daß die vom Gesetzgeber angesprochenen wichtigen öffentlichen und gesamtwirtschaftlichen Interessen erst dann zum Tragen kommen, wenn feststeht, für welche Beschäftigung konkret die Bewilligung beantragt wurde und ob die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes diese konkrete Beschäftigung zuläßt. Dies wird immer dann der Fall sein, wenn nicht feststeht, daß für die Beschäftigung wenigstens ein bestimmter Inländer oder im gegebenen Zusammenhang ein einem Inländer gleichgestellter oder begünstigt zu behandelnder Ausländer zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, diese Beschäftigung zu den gestellten (gesetzlich zulässigen) Bedingungen auszuüben.

Gemäß § 58 Abs. 2 AVG 1950 sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkte der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird. Gemäß § 60 in Verbindung mit § 67 AVG 1950 sind in der Begründung eines Berufungsbescheides unter anderem auch die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens und die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen klar und übersichtlich zusammenzufassen. Ein Bescheid, der diesen Erfordernissen nicht entspricht, bedarf hinsichtlich des Sachverhaltes der Ergänzung und ist daher, sofern durch diesen Mangel die Parteien in der Verfolgung ihrer Rechte beeinträchtigt sind, mit einem wesentlichen Mangel im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG behaftet. Die Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG 1950, wonach die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen hat, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht (sogenannter Grundsatz der freien Beweiswürdigung), bedeutet nicht, daß dieser in der Begründung des Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die in Rede stehende Bestimmung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950 hat nur zur Folge, daß, sofern in den besonderen Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, die Würdigung der Beweise keinen anderen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Diese Regelung schließt aber keinesfalls eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung aus, ob der Sachverhalt genügend ermittelt ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind. Schlüssig sind aber solche Erwägungen nur dann, wenn sie unter anderem den Denkgesetzen, somit auch dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut, entsprechen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Mai 1974, Zl. 1579/73 = Slg. N.F. Nr. 8619/A).

Auf dem Boden dieser Rechtsprechung hält die Begründung des angefochtenen Bescheides einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof nicht stand.

Die beschwerdeführende Partei hat nämlich in ihrer Stellungnahme vom 6. Mai die Richtigkeit der ihr vorgehaltenen zusammengefaßten Ergebnisse der Aussagen der formlos einvernommenen, ihr zugewiesenen Ersatzkräfte als falsch zurückgewiesen, soweit diese mit ihrem bisherigen Vorbringen in Widerspruch stehen. Damit wird indirekt auf die Stellungnahme der beschwerdeführenden Partei vom 29. März 1988 verwiesen, in der sie zu den Angaben der Ersatzkräfte über die zu geringe Entlohnung erklärt hat, es sei mit diesem über deren Verlangen nur über eine 20 Wochenstunden nicht übersteigende Arbeitszeit gesprochen worden. Daß selbst bei Zutreffen dieses Vorbringens der beschwerdeführenden Partei über das Ausmaß der Arbeitszeit die für die angebotene Beschäftigung laut (unbestritten gebliebener) Aussage der Ersatzkräfte angebotene Entlohnung unter dem gesetzlich bzw. kollektivvertraglich festgesetzten Mindestlohn liegt, hat die Behörde nicht in einer der nachprüfenden Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes ermöglichenden Weise dargelegt. Dazu kommt noch, daß die am 3. Februar 1988 einvernommene Ersatzkraft - abweichend von allen anderen befragten Ersatzkräften - ausdrücklich erklärt hat, man habe sie nur zwei Tage pro Woche beschäftigen wollen. Die belangte Behörde konnte daher auf Grund dieser Sachlage im Rahmen der freien Beweiswürdigung weder davon ausgehen, daß die beschwerdeführende Partei ohne jedes konkrete Vorbringen die Angaben der befragten Ersatzkräfte als falsch bezeichnet hat, noch daß alle Aussagen der Ersatzkräfte ausschließlich als Stütze des von der Behörde eingenommenen Standpunktes herangezogen werden konnten.

In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, daß die in der Beschwerde vertretene Auffassung der beschwerdeführenden Partei, die niederschriftlich festgehaltenen Angaben der Ersatzkräfte könnten von der belangten Behörde deshalb nicht als Entscheidungsgrundlage herangezogen werden, weil mangels deren Vernehmung als Zeugen ihre Angaben rechtlich unbeachtlich seien, nicht zutrifft.

Unbestritten ist, daß im Beschwerdefall die von der Behörde erster Instanz befragten fünf Ersatzkräfte formell weder als Zeugen geladen noch laut den hierüber errichteten Niederschriften als Zeugen einvernommen wurden. Die beschwerdeführende Partei übersieht aber, daß gemäß § 46 AVG 1950 als Beweismittel alles in Betracht kommt, was zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist. Nach dem sich daraus ergebenden Grundsatz der Unbeschränktheit und der Gleichwertigkeit aller Beweismittel (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Juni 1951 = Slg. N.F. Nr. 2142/A) ist - in Verbindung mit § 55 Abs. 1 erster Satz AVG 1950 (mittelbare Beweisaufnahme und Erhebung), der die Ersetzung oder Ergänzung von (förmlichen) Beweisaufnahmen durch sonstige (formlose) Erhebungen zuläßt - daher die formlose behördliche Befragung von Personen zulässig.

Im übrigen hat die beschwerdeführende Partei selbst nicht einmal vorgebracht, daß in der Vorgangsweise der Behörde eine Umgehung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950 liege, weil die Ersatzkräfte nicht gemäß § 48 AVG 1950 als Zeugen hätten einvernommen werden dürfen. Derartige Bedenken sind auch beim Verwaltungsgerichtshof nicht entstanden.

Gleichfalls unzutreffend ist aber auch die von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift geäußerte Auffassung, die Ersatzkräfte hätten als Beteiligte des Verfahrens nur gemäß § 51 AVG 1950, nicht aber auch als Zeugen einvernommen werden dürfen.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes sind Beteiligte im Sinne des § 51 AVG 1950 diejenigen, die gemäß § 8 AVG 1950 eine Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder auf die sich die Tätigkeit der Behörde bezieht. Ohne Bedeutung ist es unter dem Blickwinkel des § 51 AVG 1950 demnach, ob es sich um eine Partei (qualifizierte Beteiligung vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses) oder einen (sonstigen) bloß Beteiligten d.h. jemanden handelt, der an der Verwaltungssache "weniger" als rechtlich geschützte Interessen hat (vgl. dazu Walter/Mayer, Grundriß des Österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes4, Rz 128, Seite 47).

Die Frage, ob eine Person an einem bestimmten Verfahren als Partei oder bloß Beteiligter teilnimmt, ist nach den maßgebenden Rechtsvorschriften zu prüfen. Dies gilt nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur für die (Innen‑)Abgrenzung "Partei": "bloß Beteiligter", der freilich im Hinblick auf die unterschiedlichen Verfahrensrechte besondere Bedeutung zukommt, sondern auch für die (Außen‑)Abgrenzung "bloß Beteiligter":

"Dritter", der entweder auf Grund der Verwaltungsvorschriften überhaupt nicht oder auf Grund verfahrensrechtlicher Vorschriften in einer anderen Eigenschaft (z.B. als Zeuge oder Sachverständiger) beizuziehen ist. Der Kreis der "bloß Beteiligten" kann in den Verwaltungsvorschriften entweder ausdrücklich (vgl. z.B. §§ 102 Abs. 3 und 4 WRG 1959 oder § 21 letzter Satz AuslBG) oder erkennbar (z.B. durch Einräumung von Anhörungsrechten, sofern auf Grund ihrer gesetzlichen Ausgestaltung damit nicht ein Anspruch auf Berücksichtigung und rechtliche Durchsetzbarkeit bestimmter Interessen verbunden ist - vgl. dazu Walter/Mayer, a.a.O.) umschrieben werden.

Gemessen an diesen Kriterien enthält das AuslBG (vgl. nochmals § 21 AuslBG) keinen Hinweis darauf, daß in einem im Rahmen der Hoheitsverwaltung durchzuführenden behördlichen Verfahren betreffend die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für einen namentlich genannten ausländischen Arbeitnehmer den dem Antragsteller vom Arbeitsamt im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung angebotenen Ersatzarbeitskräften im behördlichen Verfahren auch die Stellung als sonstige bloß Beteiligte zukommen soll. Es besteht daher kein Hindernis, Ersatzkräfte im Bewilligungsverfahren nach dem AuslBG als Zeugen darüber einzuvernehmen, aus welchem Grund kein Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber (Antragsteller) zustande gekommen ist.

Zu beachten ist allerdings, daß an die Form der Einvernahme (formlose Befragung als Auskunftsperson oder Zeugeneinvernahme nach §§ 47 ff AVG 1950) unterschiedliche Rechtsfolgen geknüpft sein können. So trifft z.B. nur den Zeugen eine durch Strafsanktion gesicherte Wahrheitspflicht. Die Einvernahme einer Ersatzkraft, auf deren Aussage sich die Behörde zur Begründung ihrer Entscheidung stützen will, als Zeuge könnte daher für den Fall, daß die Partei des Verwaltungsverfahrens sich nicht bloß darauf beschränkt, ohne Angabe von Gründen die ihr vorgehaltenen Ermittlungsergebnisse als unrichtig zu erklären, geboten sein, um die in der Aussage mitgeteilten Tatsachen im Rahmen der freien Beweiswürdigung zum maßgebenden Sachverhalt zu erheben.

Da nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Vermeidung der oben aufgezeigten Verfahrensmängel zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.

Wien, am 1. Dezember 1988

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