VwGH 88/04/0121

VwGH88/04/012122.11.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Füszl, über die Beschwerde des ME in G, vertreten durch Dr. Daniel Charim, Rechtsanwalt in Wien IX, Wasagasse 4, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 24. März 1988, Zl. IIa- 16.446/16, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1973, zu Recht erkannt:

Normen

GewO 1973 §367 Z26;
VStG §27 Abs1;
VStG §44a lita;
VStG §44a litb;
VStG §44a Z1;
VStG §44a Z2;
VStG §5 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 8. Oktober 1987 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, als gewerberechtlicher Geschäftsführer der H-GesmbH dafür verantwortlich zu sein, daß die Betriebsanlage in Rum, Bundesstraße 2, bis zum 6. Juli 1987 betrieben worden sei, obwohl die - im weiteren im Spruch des Straferkenntnisses zu 1. und 2. bezeichneten - bescheidmäßigen Auflagen nicht eingehalten worden seien. Der Beschwerdeführer habe dadurch Verwaltungsübertretungen zu 1) und 2) nach § 367 Z. 26 GewO 1973 begangen. Hiefür wurden über ihn nach § 367 Einleitungssatz GewO 1973 Geldstrafen von zu

1) S 1.000,-- (Ersatzarreststrafe zwei Tage) und zu 2) S 1.000,-- (Ersatzarreststrafe zwei Tage) verhängt. Zur Begründung wurde ausgeführt, die im Spruch angeführten Verwaltungsübertretungen seien auf Grund der von der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck durchgeführten Erhebungen am 10. März 1987 und am 6. Juli 1987 als erwiesen anzusehen. Die angeführten Auflagen aus den Betriebsbewilligungsbescheiden seien in Rechtskraft erwachsen und es bestehe daher kein Zweifel, daß sie beim Betrieb der Anlage zu beachten seien. Anläßlich der ersten Überprüfung am 10. März 1987 habe festgestellt werden müssen, daß die Türöffnung der Einhausung für das Kühlaggregat nicht gehörig verschlossen gewesen sei und daß außerdem an den Lüftungsöffnungen keine Vorsatzblenden angebracht gewesen seien. Dasselbe sei bei einer nachträglichen Überprüfung am 6. Juli 1987 um 17.10 Uhr festgestellt worden. Darüber seien auch Fotografien angefertigt worden. Der Beschwerdeführer habe trotz entsprechender Aufforderung weder in seinem Einspruch noch sonst nach Eröffnung des ordentlichen Verfahrens eine Stellungnahme zum Schuldvorwurf abgegeben, woraus geschlossen werden müsse, daß er die Übertretungen als solche nicht in Abrede stelle. Der Beschwerdeführer sei seit 3. Oktober 1986 gewerberechtlicher Geschäftsführer der Holland Blumenmarkt GesmbH und als solcher für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften verantwortlich. Die Gewerbeordnung sehe diesbezüglich keine Ausnahmebestimmung vor und räume es dem Geschäftsführer auch nicht ein, diese seine Verantwortung zu delegieren.

Eine gegen diesen Bescheid erhobene Berufung des Beschwerdeführers wies der Landeshauptmann von Tirol mit Bescheid vom 24. März 1988 ab und sprach gleichzeitig aus, daß das erstbehördliche Straferkenntnis im Spruch wie folgt abgeändert werde:

"Der Beschuldigte, ME, geb. am 9. 11. xxxx, ist als gewerberechtlicher Geschäftsführer der H Ges.m.b.H. dafür verantwortlich, daß die Betriebsanlage in R, zwischen dem 10. 3. 1987 (gegen 14.30 Uhr) und dem 6. 7. 1987 (17.10 Uhr) betrieben wurde, obwohl folgende Auflagen des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 2. 11. 1984, Zl. 3-8023/4-A, bzw. des Landeshauptmannes von Tirol vom 25. 10. 1985, Zl. IIa- 16.446/7, mit dem die Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb dieser Betriebsanlage unter bestimmten Auflagen erteilt wurde, folgendermaßen nicht eingehalten wurden:

1. Auflage I/1: 'Das Kühlaggregat ist allseitig geschlossen einzuhausen mit Ausnahme der notwendigen Lüftungsöffnungen. Die Umfassungsbauteile sind bis mindestens 70-mm-Trittschutzplatten auszustatten. Die Umhausung ist einschließlich einer eventuellen Kühl- oder Besichtigungsöffnung stets geschlossen zu halten.'

Die Tür war nicht geschlossen.

2. Auflage I/2: 'An den Lüftungsöffnungen sind Vorsatzblenden anzubringen, die seitlich und oben geschlossen sind und einen direkten Schallaustritt aus dem Aggregateraum verhindern.'

Diese Vorsatzblenden waren nicht angebracht.

Der Beschuldigte hat dadurch zu 1 und 2 Verwaltungsübertretungen nach § 367 Zif. 26 in Verbindung mit § 370 Abs. 2 Gewerbeordnung 1973 begangen, weswegen über ihn nach § 367 Einleitungssatz in Verbindung mit § 370 Abs. 2 leg. cit. Gewerbeordnung 1973 Geldstrafen in der Höhe von 1. S 1.000,--, 2.

S 1.000,-- verhängt werden, im Falle der Uneinbringlichkeit Ersatzarreststrafen in der Dauer von 1. 2 Tagen, 2. 2 Tagen und seine Beitragspflicht zu den Kosten des erstinstanzlichen Strafverfahrens gemäß § 64 Abs. 2 Verwaltungsstrafgesetz 1950 zu

1. mit S 100,--, zu 2. mit S 100,-- bestimmt wird."

Zur Begründung wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe in seiner Berufung die von der Behörde angenommene Eigenschaft als gewerberechtlicher Geschäftsführer bestritten bzw. den Spruch des erstbehördlichen Strafverfahrens als ungenau gerügt. Ebenso sei gerügt worden, daß die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschwerdeführers nicht ermittelt worden wären. Im Rahmen des Berufungsverfahrens sei der Erhebungsbeamte P der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck zu seinen Wahrnehmungen vom 10. März 1987 und vom 6. Juli 1987 befragt worden, worauf er wiederholt habe, daß die Türe der Einhausung des Kompressors nicht geschlossen gewesen sei und daß bei den Lüftungsöffnungen keine Vorsatzblenden angebracht gewesen seien. Er habe sich noch ungefähr daran erinnern können, daß die Überprüfung am 10. März 1988 (offenbar gemeint: 1987) um ca. 14.30 Uhr stattgefunden habe. Der Aufforderung zur Akteneinsicht sei der Vertreter des Beschwerdeführers nicht gefolgt. Ebenso habe er trotz der fernschriftlichen Aufforderung der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 4. Februar 1988 keine näheren Angaben über die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschwerdeführers gemacht. Aus der im erstbehördlichen Akt enthaltenen Auskunft der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 27. April 1987 sei ersichtlich, daß der Beschwerdeführer ab 18. Juli 1986 Geschäftsführer für das Handelsgewerbe gemäß § 103 Abs. 1 lit. b Z. 25 GewO 1973, eingeschränkt auf den Großhandel mit Blumen und Topfpflanzen im Stammstandort H, sei und ebenso für das Gewerbe "Feilbieten von Naturblumen" im selben Standort und das Blumenbindergewerbe. Die Bestätigung dieses Gewerberegisterauszuges sei auch einem Gespräch mit der Gewerbereferentin der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 5. November 1987 zu entnehmen und ebenso einem Telefongespräch vom 5. November 1987 mit dem Gewerbeamt, Mag. Bezirksamt für den 10. Bezirk. Aktenkundige Tatsachen bedürften nach § 45 AVG 1950 keines weiteren Beweises. Die Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers für gewerberechtliche Vorschriften im Sinne des § 370 Abs. 2 GewO 1973 sei erwiesen und ebenso die Begehung der Verwaltungsübertretung. Des weiteren enthält der angefochtene Bescheid Erörterungen im Zusammenhang mit der Strafbemessung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Seinem gesamten Vorbringen zufolge erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht verletzt, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht wegen der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung bestraft zu werden. Er bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, der Spruch eines Straferkenntnisses bedürfe der Anführung aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens erforderlich seien. Danach habe der Spruch eines Straferkenntnisses jedenfalls auch die Tatzeit zu enthalten. Die belangte Behörde habe dem Beschwerdeführer im angefochtenen Bescheid die inkriminierte Verhaltensweise "zwischen dem 10. 3. 1987 (gegen 14.30 Uhr) und dem 6. 7. 1987 (17.10 Uhr)" angelastet. Diese Bezeichnung sei aber nicht als ausreichend im Sinne des § 44 a lit. a VStG 1950 anzusehen. Weiters sei Verfolgungsverjährung gemäß § 31 VStG 1950 in Ansehung des Tatvorwurfes jedenfalls schon insofern eingetreten, als im erstbehördlichen Bescheid die Tatzeit mit "bis zum 6. 7. 1987" bezeichnet worden sei. Demnach seien die Vorwürfe von Übertretungen in der Zeit vor dem 6. Juli 1987 nicht Gegenstand des Verfahrens erster Instanz gewesen. Des weiteren sei gemäß § 27 Abs. 1 VStG 1950 jene Behörde örtlich zuständig, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden sei, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten sei. Der Ort, an dem auf Grund der Gewerbeordnung 1973 bestehende Verpflichtungen nicht eingehalten worden seien, sei aber mit dem Sitz der Unternehmensleitung gegeben, daß es für den Bereich von Unternehmungen in Ansehung der örtlichen Zuständigkeit nicht auf den Ort ankomme, an dem das Unternehmen betrieben werde. Der Sitz des Unternehmens der H-GesmbH befinde sich aber in G. Weiters könne gemäß § 47 Abs. 1 GewO 1973 für die Ausübung des Gewerbes in einer weiteren Betriebsstätte eine Person bestellt werden, die der Behörde gegenüber für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften in der weiteren Betriebsstätte verantwortlich sei. Die belangte Behörde verweise in der darauf angefochtenen Entscheidung lediglich darauf, daß er seit 18. Juli 1986 Geschäftsführer für das Handelsgewerbe im Standort H, sei, übergehe jedoch, daß er in seiner Berufung bestritten habe, für den Standort R, gewerberechtlich verantwortlicher Geschäftsführer zu sein.

Gemäß § 367 Z. 26 GewO 1973 begeht eine Verwaltungsübertretung, die - nach dem Einleitungssatz dieser Gesetzesstelle mit einer Geldstrafe bis zu S 20.000,-- oder mit einer Arreststrafe bis zu vier Wochen zu ahnden ist, wer Gebote oder Verbote von gemäß § 82 Abs. 1 und 2 erlassenen Verordnungen nicht befolgt oder die gemäß den Bestimmungen der §§ 74 bis 83 in Bescheiden vorgeschriebenen Auflagen oder Aufträge nicht einhält.

Dadurch, daß § 367 Z. 26 GewO 1973 auf die in den Betriebsanlagengenehmigungsbescheiden vorgeschriebenen Auflagen und Aufträge verweist, wird das jeweilige, in einem solchen Bescheid enthaltene Gebot oder Verbot Teil des Straftatbestandes (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 22. November 1988, Zl. 88/04/0109, u. a.). Ausgehend davon kann aber in Ansehung des nach den vorstehenden Darlegungen hier in Betracht zu ziehendem Strafttatbestandes, der auf beim Betrieb der Anlage einzuhaltende Auflagen abgestellt ist, entgegen der Meinung des Beschwerdeführers nicht angenommen werden, daß die in Rede stehende Verwaltungsübertretung - bei Zutreffen der sonstigen Voraussetzungen - nicht am Standort der Betriebsanlage, sondern am hievon abweichenden Sitz der Unternehmensleitung begangen worden wäre, weshalb auch kein Hinweis für eine andere gemäß § 27 Abs. 1 VStG 1950 örtlich zuständige Behörde als die im vorliegenden Verfahren in dieser Funktion eingeschrittene besteht. Sofern sich der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auf verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung bezieht, so betrifft diese jedenfalls nicht den hier in Rede stehenden Verwaltungsstraftatbestand.

Der Beschwerde kommt aber aus folgenden Überlegungen Berechtigung zu:

Gemäß § 44 a lit. a VStG 1950 hat der Spruch eines Straferkenntnisses - wenn er nicht auf Einstellung lautet - die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß 1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung der Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird, und 2) die Identität der Tat (z. B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 13. Juni 1984, Slg. N.F. Nr. 11.466/A, u.a.).

Im Beschwerdefall kann die im angefochtenen Bescheid aufscheinende Anführung der Tatzeit mit "zwischen dem 10. 3. 1987 (gegen 14.30 Uhr) und dem 6. 7. 1987 (17.10 Uhr)" im Sinne der obigen Darlegungen schon deshalb nicht als ausreichend angesehen werden, weil daraus nicht eindeutig zu entnehmen ist, ob die belangte Behörde dem Beschwerdeführer die Begehung eines fortgesetzten Deliktes oder aber - punktuell - zeitlich bezeichnete Einzeltathandlungen zur Last legte - "... (gegen 14.30 Uhr) ... (17.10 Uhr)" -, zumal sich die belangte Behörde - ebenso wie auch schon die Verwaltungsbehörde erster Instanz in der Bescheidbegründung lediglich auf die Durchführung von Erhebungen zu den beiden angeführten Zeitpunkten bezog und der Tatvorwurf zu

"1) Auflage I/1" dahin geht, daß die Türe nicht geschlossen gewesen sei, ein Umstand, der aber nicht etwa schon seiner Art nach eine Tatbegehung im gesamten Zeitraum zwischen den beiden im Spruch des angefochtenen Bescheides bezeichneten Zeitpunkten schlüssig indizieren würde.

Des weiteren mangelt im angefochtenen Bescheid aber auch eine entsprechende Bezeichnung der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschrift gemäß § 44 a lit. b VStG 1950, da im Sinne der obigen Darlegungen die einen Teil des Straftatbestandes bildenden Auflagen nicht in eindeutiger Weise ("bzw.") einem bestimmten hiefür in Betracht kommenden Betriebsanlagengenehmigungsbescheid zugeordnet wurden.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid schon in Hinsicht darauf mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Eine Erörterung des weiteren Beschwerdevorbringens war sohin entbehrlich.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte im Hinblick auf § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985; die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den für "Barauslagen" angesprochenen Betrag, da solche im Sinne der hiefür maßgeblichen Bestimmungen des § 48 Abs. 1 Z. 1 VwGG nicht entstanden sind.

Wien, am 22. November 1988

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