VwGH 88/03/0043

VwGH88/03/00439.11.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Baumgartner und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Regierungskommissär Dr. Schmidt, über die Beschwerde des CR in S, vertreten durch Dr. Walter Brandl, Rechtsanwalt in Salzburg, Erzabt- Klotz-Straße 4/2, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 21. Jänner 1988, Zl. 9/01-27500/3-1988, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37
AVG §45 Abs2
StVO 1960 §4 Abs5
VStG §44a lita
VStG §44a Z1
VwGG §42 Abs2 lita
VwGG §42 Abs2 Z1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1988:1988030043.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Ein Beamter der Bundespolizeidirektion Salzburg erstattete am 20. Jänner 1987 gegen den Beschwerdeführer Anzeige wegen § 4 Abs. 5 StVO, wobei im Formblatt als Unfallszeit der

19. Jänner 1987, 10.50 Uhr festgehalten ist. Im Abschnitt "Sachverhalt" wurde ausgeführt, der Meldungsleger sei am

20. Jänner 1987 zum Hagenauer Platz gerufen worden. Dort habe ihm der Lenker des beschädigten Fahrzeuges HR mitgeteilt, er habe den Firmen-Pkw um 10.20 Uhr am Hagenauer Platz abgestellt. Zufolge der Firmenaufschrift am Fahrzeug sei dann die Verständigung erfolgt, daß ein anderes Fahrzeug angefahren sei. Am Tatort habe er festgestellt, daß die Fahrzeugtür eingedrückt sei. BH (ein deutscher Staatsangehöriger) habe ihm mitgeteilt, daß der Beschwerdeführer als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws gegen die Fahrertür gestoßen sei, sich auch den Schaden angesehen, aber dann ohne Hinterlassung einer Nachricht entfernt habe. Der noch am Tatort anwesende GB habe dem Meldungsleger angegeben, der Beschwerdeführer habe gegen 10.50 Uhr sein Fahrzeug in die Parklücke vor dem Hause 1 eingeparkt und sei beim Zurückschieben gegen das parkende Fahrzeug gestoßen, wodurch ein sehr lauter Knall entstanden sei. Der Beschwerdeführer habe angehalten, die Fahrzeugtüre geöffnet und zurückgeschaut, sei jedoch dann ca. 2 m vorgefahren und habe sich nach Versperren seines Fahrzeuges entfernt. Er müsse den Anprall zufolge des lauten Knalls und da er zurückgeschaut habe, zumal er am beschädigten Fahrzeug angestanden sei, bemerkt haben. Vom Meldungsleger wurde festgehalten, daß bei der Besichtigung der abgestellten Fahrzeuge eindeutig festgestellt werden konnte, daß die Beschädigung (Delle in der Fahrzeugtüre) durch die am Fahrzeug des Beschwerdeführers montierte Anhängerkupplung erfolgt sei. Der Beschwerdeführer habe angegeben, wohl am Hagenauer Platz geparkt, aber nichts beschädigt zu haben.

GB wurde am 5. März 1987 und am 23. November 1987 (ergänzend im Berufungsverfahren) als Zeuge vernommen, wobei er die Ausführungen in der Anzeige, wonach der Beschwerdeführer nach dem Zurückstoßen und dem Anprall die Fahrzeugtüre geöffnet und auf das beschädigte Fahrzeug zurückgeblickt habe, nicht bestätigte. Da er (Zeuge) den Anprall aus 25 m Entfernung gehört habe, sei es aber ausgeschlossen, daß der Beschwerdeführer den Vorfall nicht wahrgenommen habe. Er habe erwartet, der Beschwerdeführer werde sich wegen eines allfälligen Schadens umsehen. In der Zeugenvernehmung wurde auf die Tatzeit nicht eingegangen.

Dem Beschuldigten-Ladungsbescheid vom 6. März 1987 (mit Angabe der Tatzeit 19. Jänner 1987) leistete der Beschwerdeführer nicht Folge.

Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 26. März 1987 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 19. Jänner 1987 um 10.50 Uhr am genannten Ort als Lenker des genannten Fahrzeuges einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht und es unterlassen, diesen ohne unnötigen Aufschub der nächsten Sicherheitsdienststelle zu melden, und dadurch eine Übertretung nach § 4 Abs. 5 StVO begangen. Über ihn wurde gemäß § 99 Abs. 3 lit. b StVO eine Geldstrafe von S 3.500,-- (Ersatzarrest 7 Tage) verhängt. Zur Begründung wurde auf die Anzeige vom 19. Jänner 1987 verwiesen und den Umstand, daß der Beschwerdeführer der Ladung nicht Folge geleistet habe.

In der dagegen rechtzeitig erhobenen Berufung brachte der (nunmehr anwaltlich vertretene) Beschwerdeführer vor, es könne wohl davon ausgegangen werden, daß er den Schaden verursacht habe, doch habe er wegen der Fahrbahnverhältnisse (Schneerinnen bzw. - rillen) weder eine Erschütterung noch ein Anstoßgeräusch wahrgenommen. Überdies habe er sein Autoradio (vier Lautsprecher) eingeschaltet gehabt. Er beantrage die Einholung von Sachverständigengutachten.

Der verkehrstechnische Amtssachverständige gelangte in seinem Gutachten vom 2. Juli 1987 zusammenfassend zu dem Ergebnis, wenn auch laut Zeugenaussagen bei der Beschädigung ein "lauter Knall" hörbar gewesen sei, sei es glaubhaft, wenn innerhalb der geschlossenen Fahrzeugzelle bei eingeschaltetem Radio das Beschädigungsgeräusch nicht wahrnehmbar gewesen sei. Wieweit allerdings ein lautes Radiogeräusch, das die Aufmerksamkeit des Lenkers beeinträchtige und das Auffahrgeräusch übertönt habe, als Entschuldigung gewertet werden könne, habe der Sachverständige nicht zu beurteilten. Objektiv gesehen hätte der Lenker die Pflicht gehabt, alle Gegebenheiten, wie Größe der Parklücke, des eigenen Fahrzeuges sowie Fahrbahn- und Sichtverhältnisse abzuschätzen, damit die Beschädigung zu vermeiden gewesen wäre.

In seiner schriftlichen Stellungnahme vom 22. Oktober 1987 vertrat der Beschwerdeführer die Ansicht, es sei somit das Verfahren einzustellen. Im übrigen werde ihm als Tatzeit

19. Jänner 1987 vorgeworfen. Aus der Anzeige vom 20. Jänner 1987 ergebe sich jedoch die Tatzeit 20. Jänner 1987. Tatsächlich habe er auch sein Fahrzeug am 20. Jänner 1987 am Tatort abgestellt gehabt. Da sich die Verfolgung auf den Tatvorwurf 19. Jänner 1987 gerichtet habe, sei Verfolgungsverjährung eingetreten.

Sodann erfolgte die bereits erwähnte ergänzende Vernehmung des Zeugen GB. Am 15. Dezember 1987 wurde Parteiengehör gewährt. Hiezu erstattete der Beschwerdeführer am 4. Jänner 1988 eine schriftliche Stellungnahme.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 21. Jänner 1988 wurde der Berufung nicht Folge gegeben und das erstinstanzliche Straferkenntnis mit einer für das verwaltungsgerichtliche Verfahren nicht bedeutsamen Modifikation unter Beibehaltung der Tatzeit 19. Jänner 1987 bestätigt. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, im Kopf der Anzeige vom 20. Jänner 1987 sei als Tatzeit der 19. Jänner 1987 genannt. In der Sachverhaltsdarstellung der Anzeige sei offenbar versehentlich statt 19. Jänner 1987 der 20. Jänner 1987 geschrieben worden. Sodann wurde nach Wiedergabe der Zeugenaussagen und des Sachverständigengutachtens sowie des Berufungsverfahrens im wesentlichen dargelegt, die belangte Behörde vermöge der Verantwortung des Beschwerdeführers, er sei schuldlos, da er den Unfall nicht bemerkt habe, nicht zu folgen, zumal der Zeuge das Anstoßgeräusch sogar in 25 m Entfernung gehört habe. Der Sachverständige habe im Gutachten die Wahrnehmbarkeit des Anstoßes lediglich bei Vorliegen eines eingeschalteten Radios ausgeschlossen. Bei einem Einparkmanöver, bei welchem von einem motorisierten Verkehrsteilnehmer eine größere Aufmerksamkeit zu fordern sei, könne ein eingeschaltetes Radio nicht entschuldigen. Im übrigen werde die Verantwortung des Beschwerdeführers durch die Angaben des Zeugen GB widerlegt. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers in der Stellungnahme vom 22. Oktober 1987 betreffend die Tatzeit werde festgehalten, daß der Beschwerdeführer die Tat, wie im Kopf der Anzeige vermerkt, am 19. Jänner 1987 begangen habe, da er einerseits nach Ablauf der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist bloß behauptet habe, daß sich der Vorfall am 20. Jänner 1987 ereignet habe, ohne einen Beweis anzubieten, und andererseits davon auszugehen sei, daß es sich bei der Angabe 20. Jänner 1987 am Beginn der Sachverhaltsdarstellung in der Anzeige offenbar um einen Schreibfehler handle, weil die Anzeige am 20. Jänner 1987 verfaßt worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zufolge der Bestimmung des § 44 a lit. a VStG, wonach der Spruch eines Straferkenntnisses u. a. die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten hat, bedarf es der genauen Anführung der Tatzeit (vgl. die hg. Erkenntnisse verstärkter Senate vom 13. Juni 1984, Slg. Nr. 11.466/A, und vom 3. Oktober 1985, Slg. Nr. 11.894/A). Die (selbst irrtümlich) falsche Anführung der Tatzeit im Spruch führt zu einer Aufhebung des Bescheides (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 27. Juni 1984, Slg. Nr. 11.478/A).

Vorliegend hat der Beschwerdeführer im Zuge des Berufungsverfahrens ausdrücklich geltend gemacht, es habe sich der Unfall am 20. Jänner 1987 und nicht, wie es im Straferkenntnis laute, am 19. Jänner 1987 ereignet, wobei er auf die widersprüchliche Anführung der Tatzeit in der Anzeige (vgl. die Ausführungen in der Sachverhaltsdarstellung) Bezug nahm. Der Inhalt der Anzeige läßt nicht entnehmen, ob die Tatzeit 19. Jänner oder 20. Jänner 1987 zutrifft, zumal eben beide Versionen genannt sind. Der Ansicht der belangten Behörde, es handle sich bei der Nennung der Tatzeit mit 20. Jänner 1987 im Sachverhalt der Anzeige um einen offensichtlichen Irrtum, der Beschwerdeführer habe auch keine Beweise angeboten, kann nicht gefolgt werden, zumal im Zuge des Ermittlungsverfahrens jedwede Erhebungen zur Klärung der richtigen Tatzeit unterblieben sind. Abgesehen davon, daß sogar unterlassen wurde, den im Zuge des Berufungsverfahrens am 23. November 1987 ergänzend vernommenen Zeugen GB zum Vorbringen des Beschwerdeführers vom 22. Oktober 1987 hinsichtlich der Tatzeit zu befragen, wäre es zur Klärung der Tatzeit erforderlich gewesen, insbesondere auch den Meldungsleger (als Verfasser der hinsichtlich der Tatzeit widersprüchlichen Anzeige) sowie den Lenker des beschädigten Fahrzeuges einzuvernehmen, allenfalls sogar einen an die Versicherung erstatteten Schadensbericht beizuschaffen. Der Tatzeit kommt vorliegend umsomehr Bedeutung zu, als nach der Aktenlage gegen den Beschwerdeführer innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist des § 31 Abs. 2 VStG Verfolgungshandlungen im Sinne des § 32 Abs. 1 VStG nur hinsichtlich eines Tatverhaltens am 19. Jänner 1987 gesetzt wurden, falls sich aber herausstellen sollte, daß sich die Tat am 20. Jänner 1987 ereignet hat, somit Verfolgungsverjährung eingetreten sein dürfte.

Da somit der Sachverhalt hinsichtlich eines wesentlichen Umstandes einer Klärung bedarf bzw. Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen, können, war der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grunde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Aus verwaltungsökonomischen Gründen wird jedoch zu den weiteren Beschwerdeausführungen betreffend die subjektive Tatseite, mit denen der Beschwerdeführer Verfahrensmängel im Zusammenhang mit der Feststellung der belangten Behörde, einen Fahrzeuglenker vermöge die Behauptung, er habe wegen des eingeschalteten Autoradios beim Einparken den Anstoß nicht wahrnehmen können, nicht zu entschuldigen, geltend macht, auf die hg. Judikatur verwiesen. Danach fällt die allfällige Beeinträchtigung der Aufmerksamkeit eines Fahrzeuglenkers durch ein eingeschaltetes Autoradio dem Lenker zur Last. Ein Autoradio darf jedenfalls nur mit einer solchen Lautstärke betrieben werden, daß hiedurch die Aufmerksamkeit des Lenkers gegenüber dem Verkehrsgeschehen nicht beeinträchtigt wird. Bei einem Aus- und Einparkmanöver, bei welchem Gefahr besteht, andere Fahrzeuge zu beschädigen, hat der Fahrzeuglenker bei Anwendung der von ihm zu fordernden Sorgfaltspflicht, entweder auf den Betrieb des Autoradios zu verzichten oder eine derartige Lautstärke zu wählen, daß er in der Lage ist, ein Anstoßgeräusch zu bemerken (vgl. u. a. das hg. Erkenntnis vom 6. Juli 1984, Zl. 82/02/0072).

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 9. November 1988

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