VwGH 88/02/0055

VwGH88/02/005528.9.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Sittentahler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hollinger über die Beschwerde des PA in L, vertreten durch Dr. Karl Puchmayr, Rechtsanwalt in Linz, Friedhofstraße 6/11, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 8. Februar 1988, Zl. VerkR-4675/5-1988-II/Bi, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Kraftfahrgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2;
KDV 1967 §1 litd;
KFG 1967 §102 Abs1;
KFG 1967 §4 Abs1;
VStG §22 Abs1;
VStG §44a lita;
VStG §44a litc;
VStG §44a Z1;
VStG §44a Z3;
VStG §44a;
VwGG §42 Abs2 litc Z3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §58 Abs2;
KDV 1967 §1 litd;
KFG 1967 §102 Abs1;
KFG 1967 §4 Abs1;
VStG §22 Abs1;
VStG §44a lita;
VStG §44a litc;
VStG §44a Z1;
VStG §44a Z3;
VStG §44a;
VwGG §42 Abs2 litc Z3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.840,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 8. Februar 1988 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, am 26. Jänner 1987 um 9.20 Uhr in Linz, Wienerstraße nächst dem Haus Nr. 288, einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw gelenkt zu haben, wobei festgestellt worden sei, daß der Aufbau in einem vorschriftswidrigen Zustand gewesen sei, die Betriebsbremse mangelhaft sowie die Feststellbremse nicht funktioniert habe und durch die Auspuffanlage übermäßiger Schadstoffausstoß erzeugt worden sei, wodurch der Beschwerdeführer eine Verwaltungsübertretung nach § 102 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 sowie § 6 Abs. 1 KFG und § 1 lit. d (richtig wohl: § ld) Abs. 3 KDV begangen habe. Es wurde eine Geldstrafe verhängt sowie eine Ersatzarreststrafe festgesetzt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Gemäß § 102 Abs. 1 KFG darf der Kraftfahrzeuglenker ein Kraftfahrzeug erst in Betrieb nehmen, wenn er sich, soweit dies zumutbar ist, davon überzeugt hat, daß das von ihm zu lenkende Kraftfahrzeug und ein mit diesem zu ziehender Anhänger sowie deren Beladung den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften entsprechen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. November 1980, Slg. Nr. 10 308/A) schließt diese Regelung die Verpflichtung ein, die Inbetriebnahme und damit auch das Lenken eines Kraftfahrzeuges zu unterlassen, wenn das im Rahmen des Zumutbaren vorgenommene "Überzeugen" zu dem Ergebnis geführt hat, daß das Kraftfahrzeug den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften nicht entspricht.

Der Beschwerdeführer sieht eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides darin, daß die belangte Behörde nicht die Bestimmung des § 22 VStG 1950 beachtet und für mehrere verschiedene Delikte eine einheitliche Geldstrafe verhängt habe.

Damit ist der Beschwerdeführer im Recht: Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1987, Zlen. 87/02/0073, 0074) wird im Falle des Vorliegens mehrerer Verwaltungsübertretungen durch die Nichtanwendung des § 22 VStG 1950 dem Beschuldigten die Möglichkeit genommen, sich gegen die strafrechtliche Verfolgung jedes einzelnen der ihm zur Last gelegten Delikte zur Wehr zu setzen.

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde die Rechtslage insoweit verkannt. Ist nämlich der Lenker des Kraftfahrzeuges hinsichtlich des "Sich-Überzeugens" seiner Verpflichtung nicht nachgekommen, obwohl das Fahrzeug in mehrfacher Hinsicht den in Betracht kommenden Vorschriften nicht entspricht, so kommt das im § 22 VStG 1950 normierte Kumulationsprinzip zum Tragen (vgl. in diesem Zusammenhang das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 1985, Zlen. 84/03/0098, 0099 zu § 102 Abs. 1 in Verbindung mit § 27 Abs. 2 KFG).

Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grund wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Für das fortzusetzende Verfahren sei allerdings auf folgendes verwiesen: Der oben dargestellte Schuldspruch entspricht nicht dem Konkretisierungsgebot des § 44a lit. a VStG 1950, weil darin festgestellt wird, daß der "Aufbau in einem vorschriftswidrigen Zustand" gewesen sei, vielmehr hätte es insoweit einer näheren Beschreibung bedurft; dies auch deshalb, um die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die dadurch verletzte Verwaltungsvorschrift (§ 44a lit. b VStG 1950) zu ermöglichen. Was im übrigen den Vorwurf anlangt, es sei durch die "Auspuffanlage übermäßiger Schadstoffausstoß erzeugt" worden, ist darauf hinzuweisen, daß der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 20. Februar 1987 vorgebracht hat, auf Grund des gültigen grünen "Pickerls" habe er annehmen dürfen, daß der Schadstoffausstoß in Ordnung gewesen sei. Der belangten Behörde wäre es daher im Hinblick auf die Art des Mangels oblegen, darzulegen, daß dem Beschwerdeführer die diesbezügliche Überprüfung zumutbar war (vgl. dazu näherhin das hg. Erkenntnis vom 18. April 1975, Slg. Nr. 8811/A).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Das Mehrbegehren war abzuweisen, da Portoersatz neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwandersatz nicht zusteht.

Wien, am 28. September 1988

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