VwGH 86/08/0175

VwGH86/08/017526.3.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident DDr. Heller und die Hofrate Dr. Liska, Dr. Knell, Dr. Puck und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein des Schriftführers Rat Dr. Novak, über die Beschwerde der C-Gesellschaft mbH in W vertreten durch Dr. Axel Friedberg, Rechtsanwalt in Wien I, Gonzagagasse 3, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 11. Juni 1986, Zl. VII/2-2919/7-1936, betreffend Beitragsvorschreibung (mitbeteiligte Partei:

Niederösterreichische Gebietskrankenkasse, 3100 St. Pölten, Dr. Karl Renner-Promenade 14-16), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §49 Abs1;
ASVG §49 Abs2;
ASVG §49 Abs3 idF vor 1985/205;
ASVG §49 Abs3 Z11;
ASVG §49 Abs3 Z2;
AVG §56;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 9.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Auf Grund einer bei der Beschwerdeführerin am 18. und 22. Juli 1985 vorgenommenen Beitragsprüfung für die Zeit vom 1. September 1984 bis 30. April 1985 schrieb die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse der Beschwerdeführerin mit Beitragsrechnung vom 6. August 1985 die Nachzahlung von Beitragen für vier Dienstnehmer von insgesamt S 9.383,20 vor. Die Beschwerdeführerin beantragte gemäß § 410 Abs. 1 Z. 7 ASVG die Erlassung eines Bescheides. Dem kam die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse mit Bescheid vom 13. November 1985 nach, in dem sie aussprach, daß die mit der genannten Beitragssrechnung vorgeschriebene Beitragsnachforderung zu Recht bestehe und die Beschwerdeführerin demnach verpflichtet sei, Beiträge im Gesamtausmaß von S 9.383,20 zu bezahlen. Begründend wurde ausgeführt, daß bei der obgenannten Beitragsprüfung zutage getreten sei, daß die Beschwerdeführerin ihren Dienstnehmern Schmutzzulagen gewährt habe. Diese Schmutzzulagen stellten aber kein beitragsfreies Entgelt nach § 49 Abs. 3 Z. 2 ASVG, sondern Entgelt nach § 49 Abs. 1 leg. cit. dar, da sie weder auf Grund eines Kollektivvertrages (der anzuwendende "Kollektivvertrag für Arbeiter im österreichischen Hotel- und Gastgewerbe" sehe keinen Anspruch auf Schmutzzulagen vor) noch auf Grund gesetzlicher Vorschriften gewährt würden; die Steuerfreiheit allein genüge nicht für die Beitragsfreiheit nach der zitierten Gesetzesstelle.

In dem dagegen erhobenen Einspruch brachte die Beschwerdeführerin vor, sie gewähre allen an einen bestimmten Unternehmer "vermieteten" (gemeint: in Form von Leiharbeitsverhältnissen überlassenen) Dienstnehmern für die Erschwernis der Arbeit in Würstelständen - Pommes Frittes-Geruch, Reinigungsarbeiten, Heben schwerer Güter sowie voller Getränkegebinde usw. - unter dem lediglich betriebsinternen Titel "Schmutz- und Erschwerniszulagen" freiwillige soziale Zuwendungen. Nach § 49 Abs. 3 Z. 11 ASVG gälten derartige freiwillige soziale Zuwendungen des Dienstgebers, wenn sie an alle Dienstnehmer oder bestimmte Gruppen seiner Dienstnehmer geleistet würden, nicht als Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1 und 2 ASVG und seien demnach nicht der Sozialversicherungsbeitragspflicht unterworfen. Da die strittigen Vergütungen sämtliche in § 49 Abs. 3 Z. 11 erster Halbsatz ASVG genannten Voraussetzungen erfüllten, seien die im Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse gemachten Ausführungen über das Bestehen und den allfälligen Inhalt eines Kollektivvertrages nicht erforderlich. Denn § 49 Abs. 3 Z. 11 ASVG nehme auf kollektivvertragliche Vereinbarungen oder gesetzliche Normierung sozialer Zuwendungen keinerlei Bezug.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch nicht statt und bestätigte den Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse. Die gewährten Vergütungen stellten aus den im bestätigten Bescheid genannten Gründen keine beitragsfreies Entgelt nach § 49 Abs. 3 Z. 2 ASVG dar, es fehle aber auch eindeutig der soziale Aspekt, den § 49 Abs. 3 Z. 11 ASVG verlange, würden doch, wie im Einspruch selbst betont werde, die Zuwendungen geleistet, um die Erschwernis der Dienstnehmer abzugelten. Aus Anlaß einer stärkeren Verschmutzung - etwa durch Reinigungsarbeiten bedingt - gewährte Schmutzzulagen sollten schließlich nur einen Aufwandersatz darstellen, der einen Mehraufwand des Dienstnehmers, der durch Verschmutzung hervorgerufen worden sei, ausgleichen und damit seinen Lebensstandard erhalten solle. Demgegenüber solle durch "soziale Zuwendungen" die wirtschaftliche Stellung des Dienstnehmers nach Möglichkeit verbessert werden.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mit dem durch den angefochtenen Bescheid bestätigten Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 13. November 1985 wurden der Beschwerdeführerin Beiträge für "betriebsintern als Schmutz- oder Erschwerniszulagen bezeichnete" Vergütungen, die in der Zeit vom 1. September 1984 bis 30. April 1985 an Leiharbeitnehmer der Beschwerdeführerin gewährt wurden, vorgeschrieben. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum zeitlichen Anwendungsbereich von Normen ist entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Beitragsvorschreibung noch von der bis einschließlich 31. Mai 1985 geltenden Fassung des § 49 Abs. 3 ASVG auszugehen (vgl. dazu das Erkenntnis vom 26. Februar 1987, Zl. 86/08/0115, mit ausführlichen Judikaturhinweisen). Nach dessen Z. 2 gelten Schmutzzulagen, wenn sie auf Grund gesetzlicher Vorschriften oder kollektivvertraglicher Regelungen gewährt werden und soweit sie von der Einkommensteuer (Lohnsteuer) befreit sind, nicht als Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1 und 2 ASVG. Da die gegenständlichen "Schmutz- und Erschwerniszulagen" unbestritten weder auf Grund eines Kollektivvertrages noch auf Grund gesetzlicher Vorschriften gewährt wurden (die Beschwerdeführerin bestreitet in der Beschwerde zwar die Anwendbarkeit des im Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse genannten Kollektivvertrages, behauptet aber selbst nicht, daß die gewährten Vergütungen auf Grund eines anderen Kollektivvertrages zustünden), scheidet die Beitragsfreiheit dieser Vergütungen nach § 49 Abs. 3 Z. 2 ASVG aus. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt aber diese Bestimmung eine abschließende Regelung für die unter diesem Titel gewährten Vergütungen dar, die eine Unterstellung solcher Vergütungen (jedenfalls) unter die Ziffern 1 und 5 des § 49 Abs. 3 ASVG (mit denen jeweils ein andersartiger spezifischer Aufwandersatz beitragsfrei gestellt wird) ausschließt; dabei kommt es auf den Grund und Inhalt des abgegoltenen Aufwandes und nicht auf die Benennung an (vgl. die Erkenntnisse vom 22. November 1984, Zl. 82/08/0229, Slg. Nr. 11592/A, und vom 20. Dezember 1984, Zl. 83/08/0012, Slg. Nr. 11630/A, jeweils mit ausführlichen Judikaturhinweisen). Nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Einspruch werden diese Vergütungen an alle an einen bestimmten Unternehmer "vermieteten" Dienstnehmer "für die Erschwernis der Arbeit in Würstelständen - Pommes-Frittes-Geruch, Reinigungsarbeiten, Heben schwerer Güter sowie voller Getränkegebinde usw. - unter dem lediglich betriebsinternen Titel 'Schmutz- und Erschwerniszulagen' als freiwillige soziale Zuwendungen" gewährt. Läßt dieses Vorbringen zum Grund und Inhalt des abgegoltenen Aufwandes schon Zweifel an ihrem Charakter als Schmutzzulagen aufkommen, was die Beschwerdeführerin selbst durch ihre Wertung als freiwillige soziale Zuwendungen im Sinne des § 49 Abs. 3 Z. 11 ASVG erkannt haben dürfte, so bestand jedenfalls für die belangte Behörde auf Grund dieses Vorbringens keine Veranlassung zu untersuchen, ob diese Vergütungen den Ziffern 1 oder 5 des § 49 Abs. 3 ASVG zu unterstellen seien. Soweit die Beschwerdeausführungen diesbezüglich über das Einspruchsvorbringen hinausgehen, steht ihrer Beachtung das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot entgegen.

Die belangte Behörde hat diese Vergütungen aber auch mit Recht nicht dem § 49 Abs. 3 Z. 11 ASVG unterstellt. Darnach gelten freiwillige soziale Zuwendungen des Dienstgebers an alle Dienstnehmer oder bestimmte Gruppen seiner Dienstnehmer oder an den Betriebsratsfonds sowie einmalige soziale Zuwendungen des Dienstgebers, die individuell bezeichneten Dienstnehmern aus einem besonderen Anlaß gewährt werden, wie z.B. Geburtsbeihilfen, Heiratsbeihilfen, Ausbildungs- und Studienbeihilfen, Krankenstandsaushilfen, nicht als Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1 und 2 ASVG. Die strittigen Vergütungen fallen schon deshalb nicht unter diese Bestimmung, weil ihrer Subsumierung unter die beiden ersten Tatbestände die unmittelbare Gewährung an die Leiharbeitnehmer und ihrer Unterstellung unter den vierten Tatbestand des § 49 Abs. 3 Z. 11 ASVG die fehlende Einmaligkeit und die Gewährung aus einem (die persönliche oder familiäre Sphäre des Dienstnehmers selbst betreffenden) besonderen Anlaß entgegensteht (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Juni 1980, Zlen. 2814, 2817/77, Slg. Nr. 10159/A, und Zlen. 2815, 2816/77 mit weiteren Judikaturhinweisen, sowie das Erkenntnis vom 27. Juni 1985, Zl. 84/08/0211, Slg. Nr. 11814/A).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse des Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen.

Wien, am 26. März 1987

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