VwGH 84/08/0211

VwGH84/08/021127.6.1985

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident DDr: Heller und die Hofräte Dr. Liska, Dr. Knell, Dr. Puck und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Gerscha, über die Beschwerde der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse in Linz, vertreten durch Dr. Alfred Eichler, Rechtsanwalt in Linz, Goethestraße 11, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 14. August 1984, Zl. SV-1531/3-1984, betreffend Nachverrechnung von Sonderbeiträgen und Beitragszuschlag (mitbeteiligte Partei: Land Oberösterreich), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §49 Abs1;
ASVG §49 Abs2;
ASVG §49 Abs3 Z11;
ASVG §49 Abs1;
ASVG §49 Abs2;
ASVG §49 Abs3 Z11;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 9.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aufgrund einer gemäß § 42 Abs. 1 ASVG vorgenommenen Beitragsprüfung schrieb die Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 30. März 1984 den "Landeskuranstalten Bad Hall" als Dienstgeber Sonderbeiträge in der Höhe von S 14.911,50 vor, die aus einer Nachverrechnung von Schulbeihilfen resultierten, welche an bestimmte Dienstnehmer gewährt wurden. Ferner wurde gemäß § 113 Abs. 1 ASVG ein Beitragszuschlag in der Höhe von S 1.500,-- vorgeschrieben.

Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Partei als Rechtsträger der "Landeskuranstalten Bad Hall" Einspruch. Darin wurde geltend gemacht, daß die Schulbeihilfen nicht den Bediensteten, sondern deren Kindern gewährt worden seien, so daß es sich um kein Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1 und 2 ASVG handle. Selbst wenn man aber die Meinung vertreten wollte, die Schulbeihilfen seien dem Entgelt zuzurechnen, so seien sie als freiwillige soziale Zuwendungen nach § 49 Abs. 3 Z. 11 ASVG nicht beitragspflichtig.

Mit dem angefochtenen Beschluß gab die belangte Behörde dem Einspruch Folge und sprach gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Abänderung des Bescheides der Beschwerdeführerin aus, daß "die Landeskuranstalten Bad Hall" gemäß §§ 54 und 113 Abs. 1 ASVG nicht verpflichtet seien, die für Schulbeihilfen nachverrechneten Sonderbeiträge und den vorgeschriebenen Beitragszuschlag zu zahlen. Zur Begründung wurde ausgeführt, daß die Schulbeihilfen, wie aus den jährlichen Runderlässen des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung (richtig: der Oberösterreichischen Landesregierung) ersichtlich sei, für Kinder von Landesbediensteten gewährt würden. Nach diesen Runderlässen seien von der Schulbeihilfenaktion ausgenommen:

"1. Kinder, für die mit Stichtag 1. September seitens des Landes OÖ kein Steigerungsbetrag gewährt,wird ...

2. Kinder von Landesbediensteten, die

a) Besucher von Universitäten oder Pädagogischen Akademien sind und das vorgesehene Ausmaß des Studiums um mehr als 2 Semester überschritten haben ....

3. Kinder von Landesbediensteten, die

a) Volksschulen, ........ besuchen."

Diese Runderlässe und die ihnen zugrundeliegenden "Landesregierungsbeschlüsse" schlössen die Auslegung, daß die Schulbeihilfen den Kindern von Landesbediensteten gewährt worden seien, nicht von vornherein aus. Seien also die (aufgrund des Dienstverhältnisses ausgezahlten) Schulbeihilfen nicht den Dienstnehmern, sondern deren Kindern gewährt worden, so könnten sie nicht als Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1 und 2 ASVG angesehen werden, weil Entgelt nur Bezüge seien, auf die der Dienstnehmer Anspruch habe oder die er darüber hinaus aufgrund des Dienstverhältnisses erhalte. Offenkundig sei, daß die Schulbeihilfen soziale Zuwendungen seien, die vom Land Oberösterreich freiwillig gewährt würden. Fest stehe auch, daß die Schulbeihilfen für Kindern jener Bediensteter gewährt würden, die Anspruch auf einen Steigerungsbetrag zur Haushaltszulage hätten. Die allgemeine sprachliche Bedeutung des Begriffes "Gruppe" gestatte die Auslegung, daß jene Vertragsbediensteten eines Amtes bzw. einer Anstalt, die Anspruch auf einen Steigerungsbetrag zur Haushaltszulage hätten, als Gruppe von Dienstnehmern anzusehen seien. Somit seien die umstrittenen Schulbeihilfen gemäß § 49 Abs. 3 Z. 11 erster Halbsatz ASVG als freiwillige soziale Zuwendungen des Dienstgebers an eine bestimmte Gruppe von Dienstnehmern sozialversicherungsbeitragsfrei. Gehe man aber davon aus, daß es sich bei den Vertragsbediensteten, die Anspruch auf einen Steigerungsbetrag zur Haushaltszulage hätten, um individuell bezeichnete Dienstnehmer handle, so sei zu prüfen, ob die Schulbeihilfen einmalig und aus einem besonderen Anlaß gewährt worden seien. Ein Schulbesuch sei ebenso ein besonderer Anlaß wie eine andere Ausbildung. Der Wortlaut des § 49 Abs. 3 Z. 11 zweiter Halbsatz ASVG, vor allem die dort angeführten Beispiele wie Geburtenbeihilfen, Heiratsbeihilfen, Ausbildungs- und Studienbeihilfen sowie Krankenstandsaushilfen, geböten die Auslegung, daß Schulbeihilfen, auch wenn sie in zwei oder mehreren aufeinanderfolgenden Jahren gewährt würden, einmalige soziale Zuwendungen aus einem besonderen Anlaß seien, denn Ausbildungs- und Studienbeihilfen würden während der Ausbildungszeit in der Regel ebenfalls jährlich gewährt. Auch Krankenstandsaushilfen und Geburtsbeihilfen könnten in mehreren aufeinanderfolgenden Jahren gewährt werden. Nicht einmal der Heiratsbeihilfe sei absolute Einmaligkeit immanent. Würden daher - wie im vorliegenden Fall - Schulbeihilfen in der Regel in zwei oder mehreren aufeinanderfolgenden Jahren gewährt oder für bestimmte Kinder nur einmal ausbezahlt, so seien sie gemäß § 49 Abs. 3 Z. 11 zweiter Halbsatz ASVG beitragsfrei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei beantragten in ihren Gegenschriften die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 49 Abs. 1 ASVG sind unter Entgelt die Geld und Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer (Lehrling) aus dem Dienst(Lehr)verhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus aufgrund des Dienst(Lehr)verhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält.

Sonderzahlungen, das sind Bezüge im Sinne des Abs. 1, die in größeren Zeiträumen als den Beitragszeiträumen gewährt werden, wie z. B. ein 13. oder 14. Monatsbezug, Weihnachts- oder Urlaubsgeld, Gewinnanteile oder Bilanzgeld, sind nach § 49 Abs. 2 leg. cit. als Entgelt nur nach Maßgabe der Bestimmungen des § 54 und der sonstigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, in denen die Sonderzahlungen ausdrücklich erfaßt werden, zu berücksichtigen.

Gemäß § 49 Abs. 3 Z. 11 ASVG gelten nicht als Entgelt im Sinne des Abs. 1 und 2:

"freiwillige soziale Zuwendungen des Dienstgebers an alle Dienstnehmer oder bestimmte Gruppen seiner Dienstnehmer oder an den Betriebsratsfonds sowie einmalige soziale Zuwendungen des Dienstgebers, die individuell bezeichneten Dienstnehmern aus einem besonderen Anlaß gewährt werden, wie z.B. Geburtsbeihilfen, Heiratsbeihilfen, Ausbildungs- und Studienbeihilfen, Krankenstandsaushilfen;"

Zu Recht bekämpft die Beschwerdeführerin die Auffassung der belangten Behörde, die hier strittigen Schulbeihilfen könnten nicht als "Entgelt" im Sinne des § 49 Abs. 1 ASVG angesehen werden, weil sie nicht den Dienstnehmern, sondern deren Kindern gewährt würden. Schon der Ausdruck "Schulbeihilfe" deutet darauf hin, daß es sich um eine Zuwendung handelt, die dazu bestimmt ist, zur Finanzierung der durch den Schulbesuch erwachsenen Kosten beizutragen, und die daher dem zugute kommen soll, der diese Kosten trägt. Dies sind in der Regel die Eltern der eine Schule besuchenden Kinder, nicht aber die Kinder selbst. Wenn es in den jährlichen Rundschreiben der Oberösterreichischen Landesregierung heißt, daß die Schulbeihilfen für Kinder

von Landesbeamten ... gewährt werden, so kommt damit gleichfalls

klar zum Ausdruck, daß die Schulbeihilfen nicht an die Kinder, sondern an die im Erlaß angeführten Bediensteten geleistet werden. Daß bei der Formulierung der Ausnahmebestimmungen auf die Kinder abgestellt wurde ("von der Schulbeihilfenaktion sind ausgenommen: Kinder ....") vermag demgegenüber ebensowenig ins Gewicht zu fallen wie der Umstand, daß die Auszahlung der Beihilfen nicht aufgrund eines Antrages, sondern eines von den Bediensteten auszufüllenden "Fragebogens" erfolgt.

Demnach fallen die Schulbeihilfen also unter den Entgeltsbegriff des § 49 Abs. 1 ASVG. Da sie laut dem angefochtenen Bescheid "in zwei- oder mehreren aufeinanderfolgenden Jahren", sohin in größeren Zeiträumen als den Beitragszeiträumen, gewährt werden, weisen sie auch die Tatbestandsmerkmale der Sonderzahlungen gemäß § 49 Abs. 2 leg. cit. auf. Unter Sonderzahlungen im Sinne dieser gesetzlichen Bestimmung sind nämlich nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (verpflichtende oder freiwillige) Zuwendungen im Sinne des § 49 Abs. 1 leg. cit. (gleich welcher Benennung) zu verstehen, die mit einer gewissen Regelmäßigkeit in bestimmten, über die Beitragszeiträume hinausreichenden Zeitabschnitten wiederkehren, wobei die Regelmäßigkeit der Leistungen im wesentlichen aus der Dienstgeberzusage oder dem tatsächlichen Ablauf der Ereignisse zu beurteilen ist (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Juni 1980, Zlen. 2814, 2817/77, und Zlen. 2815, 2816/77, mit Weiteren Judikaturhinweisen).

Sind die strittigen Schulbeihilfen aber als Sonderzahlungen im Sinne des § 49 Abs. 2 ASVG zu qualifizieren, dann muß weiter geprüft werden, ob sie unter die Ausnahmebestimmung des § 49 Abs. 3 Z. 11 leg. cit. fallen. Unter freiwilligen sozialen Zuwendungen im Sinne der beiden ersten Tatbestände dieser Bestimmung sind - wie der Verwaltungsgerichtshof in den genannten Entscheidungen vom 12. Juni 1980 ausführlich dargelegt hat - nicht direkte Geld- oder Sachzuwendungen an individuell bezeichnete Dienstnehmer, sondern nur solche Zuwendungen zu verstehen, deren Empfängerkreis zwar durch die betriebliche Zugehörigkeit oder die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe eingeschränkt ist, bei denen aber im Zeitpunkt ihrer Erbringung nicht feststeht, wie vielen und im einzelnen welchen Dienstnehmern sie überhaupt und in welchem Ausmaß sie den einzelnen von ihnen zugute kommen.

Diese Voraussetzungen treffen jedoch auf die gegenständlichen Schulbeihilfen nicht zu, weil diese unmittelbar an jene Vertragsbediensteten ausbezahlt wurden, die Anspruch auf einen Steigerungsbetrag zur Haushaltszulage hatten, und die daher solcherart individuell bezeichnet wurden.

Die Schulbeihilfen können daher als freiwillige soziale Zuwendungen an individuell bezeichnete Dienstnehmer angesehen werden. Derartige Zuwendungen sind nach § 49 Abs. 3 Z. 11 letzter Halbsatz ASVG beitragsfrei, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind: nämlich die Einmaligkeit (im Gegensatz zur Regelmäßigkeit der Sonderzahlungen) und die Gewährung aus einem (die persönliche oder die familiäre Sphäre des Dienstnehmers selbst betreffenden) besonderen Anlaß (vgl. die oben genannten Erkenntnisse vom 11. Juni 1980). Eine die Einmaligkeit der Zuwendung ausschließende regelmäßige Wiederkehr der Zuwendung ist nicht nur dann anzunehmen, wenn eine ausdrückliche Zusage des Dienstgebers gegenüber dem Dienstnehmer vorliegt, sondern kann auch aus dem tatsächlichen Ablauf der Ereignisse abgeleitet werden (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 11. Mai 1960, Slg. N.F. Nr. 5295/A). Daß auch im konkreten Fall nach dem tatsächlichen Ablauf der Ereignisse eine regelmäßige Wiederkehr der Leistung als gegeben anzunehmen ist, geht eindeutig aus dem der Gewährung der Schulbeihilfen im Jahr 1982 zugrundeliegenden Erlaß der Oberösterreichischen Landesregierung vom 28. Juni 1982, Zl. PersR- 31/2-1982/Py, hervor, wonach für Kinder von Landesbeamten .... "auch heuer wiederum" Schulbeihilfen gewährt werden. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde kann daher von keiner Einmaligkeit der umstrittenen Zuwendungen gesprochen werden.

In Verkennung dieser Rechtslage belastet die belangte Behörde demnach den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb dieser Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den § 47 ff VwGG in Verbindung mit den Art. I und III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Soweit nichtveröffentliche Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 27. Juni 1985

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