LVwG Niederösterreich LVwG-AV-1065/001-2021

LVwG NiederösterreichLVwG-AV-1065/001-202110.8.2021

BauO NÖ 2014 §6
BauO NÖ 2014 §20
BauO NÖ 2014 §21
VwGVG 2014 §27

European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.AV.1065.001.2021

 

 

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich fasst durch den Richter Hofrat Mag. Hubmayr über die Beschwerde von A, B, C, D, E, F und G, alle vertreten durch H Rechtsanwälte GmbH in ***, gegen den Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 5. Mai 2021, Zahl ***, betreffend Aufhebung und Zurückverweisung des Verfahrens an die Baubehörde erster Instanz zur Entscheidung über den Antrag des I auf Erteilung einer Baubewilligung vom 11. Juli 2019 für Um- und Zubauten am bestehenden Wohngebäude auf der Liegenschaft ***, den

 

BESCHLUSS

 

1. Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

 

2. Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

 

Rechtsgrundlagen:

 

§ 28 Abs. 1, 31 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG

§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG

Begründung:

 

1. Sachverhalt:

 

Herr I (in der Folge: Bauwerber) ist Miteigentümer der Liegenschaft EZ ***, KG ***, bestehend aus Grundstück Nr. *** mit der Liegenschaftsadresse *** (in der Folge: Baugrundstück) in ***.

 

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 20. Mai 2019 zu AZ *** wurde auf Grund eines Antrages der Liegenschaftseigentümer der Bestand des Wohngebäudes mit einer Wohneinheit auf der Liegenschaft gemäß § 70 Abs. 6 NÖ Bauordnung 2014 (NÖ BO 2014) als bewilligt festgestellt.

 

Mit Ansuchen vom 11. Juli 2019 beantragte der Bauwerber den Umbau des auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft bestehenden Gebäudes. Beantragt wurden bauliche Änderungen am bestehenden Wohngebäude sowie die Neuerrichtung einer Garage und einer Einfriedung.

 

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 31. März 2020 zu Zahl *** wurde im Spruchpunkt II. der Baubewilligungsantrag vom 11. Juli 2019 abgewiesen. Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, dass das eingereichte Projekt u.a. hinsichtlich der Einhaltung des südlichen Bauwichs dem Bebauungsplan widerspreche.

 

Die dagegen fristgerecht eingebrachte Berufung des Bauwerbers vom 14. Mai 2020 wurde mit Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 10. Juni 2020, Zahl ***, abgewiesen.

 

Über die Beschwerde des Bauwerbers vom 14. Juli 2020 wurde beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich am 9. Februar 2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt und die Entscheidung über die Beschwerde verkündet. Soweit sich die Beschwerde gegen die Abweisung des Baubewilligungsantrages richtete, wurde der angefochtene Berufungsbescheid mit Beschluss behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung und Ergänzung des Ermittlungsverfahrens an die belangte Behörde zurückverwiesen.

Der von den Baubehörden festgestellte Widerspruch des eingereichten Projektes zum Bebauungsplan stehe dessen Bewilligungsfähigkeit im Hinblick auf § 20 Abs. 1 NÖ Bauordnung 2014 nicht entgegen. Zum allfälligen Vorliegen sonstiger Hindernisse gemäß § 20 Abs. 1 NÖ Bauordnung 2014 oder zu subjektiv-öffentliche Rechten der Nachbarn gemäß § 6 Abs. 2 NÖ Bauordnung 2014 sei das Ermittlungsverfahren zu ergänzen.

 

Mit dem nunmehr angefochtenen Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 5. Mai 2021, Zahl ***, wurde der Berufung des Bauwerbers des Bauwerbers vom 14. Mai 2020 Folge gegeben, der erstinstanzliche Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 31. März 2020 zu Zahl *** im Spruchpunkt II. (Abweisung des Baubewilligungsantrages vom 11. Juli 2019) aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Baubehörde I. Instanz zurückverwiesen.

 

Herr A ist Eigentümer der Liegenschaft EZ ***, KG ***, bestehend aus dem Grundstück Nr. *** mit der Grundstücksadresse ***, welches im Süden an das Baugrundstück unmittelbar angrenzt.

Herr B, Frau C, Frau D und Herr E sind Miteigentümer der Liegenschaft EZ ***, KG ***, bestehend aus dem Grundstück Nr. *** mit der Grundstücksadresse ***, welches im Norden an das Baugrundstück unmittelbar angrenzt.

Frau F und Herr G sind Miteigentümer der Liegenschaft EZ ***, KG ***, bestehend aus dem Grundstück Nr. *** mit der Grundstücksadresse ***, welches ebenfalls im Norden an das Baugrundstück unmittelbar angrenzt.

Diese Nachbarn (in der Folge: Beschwerdeführer) erhoben mit Schriftsatz vom 1. Juni 2021 durch ihre gemeinsame ausgewiesene Rechtsvertretung die nunmehrige Beschwerde gegen den genannten Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 5. Mai 2021.

 

Zur Begründung der Beschwerde wird vorgebracht, dass der angefochtene Bescheid auf dem nicht rechtskräftigen und inhaltlich unrichtigen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 16. März 2021, LVwG-812/001-2020, beruhe. Der Umstand, dass die Beschwerdeführer dem Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht nicht beigezogen worden seien, stelle einen wesentlichen Verfahrensmangel dar. Das unter Umgehung der Beschwerdeführer zustande gekommene Erkenntnis könne dementsprechend gegenüber den Beschwerdeführern keine Rechtswirkungen entfalten.

 

Mit Schreiben vom 10. Juni 2021, eingelangt am 16. Juni 2021, wurde die Beschwerde seitens der belangten Behörde unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsaktes dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zur Entscheidung vorgelegt.

 

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in diesen vorgelegten Verwaltungsakt.

 

Im Wesentlichen ist der vorliegende Sachverhalt als unstrittig zu beurteilen und ergibt sich dieser aus dem vorhandenen Akteninhalt, dem Inhalt des Voraktes zu LVwG-812/001-2020, in Verbindung mit dem bekämpften Bescheid und dem Vorbringen der Beschwerdeführer.

 

2. Anzuwendende Rechtsvorschriften:

 

2.1. Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG:

 

§ 9. (1) Die Beschwerde hat zu enthalten:

1. die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides oder der angefochtenen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt,

2. die Bezeichnung der belangten Behörde,

3. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,

4. das Begehren und

5. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist.

(…)

 

§ 24. (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(2) Die Verhandlung kann entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben oder die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären ist …

(…)

 

§ 27. Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid und die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

 

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(…)

 

§ 31. (1) Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss.

(…)

 

2.2. NÖ Bauordnung 2014:

 

§ 6 Parteien und Nachbarn

 

(1) In Baubewilligungsverfahren und baupolizeilichen Verfahren nach § 34 Abs. 2 und § 35 haben Parteistellung:

1. der Bauwerber und der Eigentümer des Bauwerks

2. der Eigentümer des Baugrundstücks

3. die Eigentümer der Grundstücke, die an das Baugrundstück angrenzen oder von diesem durch dazwischen liegende Grundflächen mit einer Gesamtbreite bis zu 14 m (z. B. schmale Grundstücke, Verkehrsflächen, Gewässer, Grüngürtel) getrennt sind (Nachbarn), und …

(…)

Nachbarn sind nur dann Parteien, wenn sie durch das fertiggestellte Bauvorhaben bzw. das Bauwerk und dessen Benützung in den in Abs. 2 erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechten oder als Inhaber eines Fahr- und Leitungsrechtes nach § 11 Abs. 3 beeinträchtigt werden können. (…)

 

§ 14. Nachstehende Vorhaben bedürfen einer Baubewilligung:

1. Neu- und Zubauten von Gebäuden;

2. die Errichtung von baulichen Anlagen;

3. die Abänderung von Bauwerken, wenn die Standsicherheit tragender Bauteile, der Brandschutz, die Belichtung oder Belüftung von Aufenthaltsräumen, die Trinkwasserversorgung oder Abwasserbeseitigung beeinträchtigt oder Rechte nach § 6 verletzt werden könnten oder ein Widerspruch zum Ortsbild (§ 56) entstehen könnte;

 

§ 20 Vorprüfung

 

(1) Die Baubehörde hat bei Anträgen nach § 14 vorerst zu prüfen, ob dem Bauvorhaben

1. die im Flächenwidmungsplan festgelegte Widmungsart des Baugrundstücks, seine Erklärung zur Vorbehaltsfläche oder Aufschließungszone, sofern das Vorhaben nicht der Erfüllung einer Freigabebedingung dient,

2. der Bebauungsplan,

3. der Zweck einer Bausperre,

4. die Unzulässigkeit der Erklärung des betroffenen Grundstücks im Bauland zum Bauplatz,

5. ein Bauverbot nach § 13 oder nach § 42 Abs. 6 des NÖ Raumordnungsgesetzes 2014, LGBl. Nr. 3/2015 in der geltenden Fassung,

6. bei Hochhäusern, sofern deren Raumverträglichkeit nicht bereits im Widmungsverfahren geprüft wurde, das Unterbleiben der Raumverträglichkeitsprüfung oder deren negatives Ergebnis, oder

7. sonst eine Bestimmung

– dieses Gesetzes, ausgenommen § 18 Abs. 4,

– des NÖ Raumordnungsgesetzes 2014, LGBl. Nr. 3/2015 in der geltenden Fassung,

– der NÖ Aufzugsordnung 2016, LGBl. Nr. 9/2017,

– des NÖ Kleingartengesetzes, LGBl. 8210,

– des NÖ Kanalgesetzes, LGBl. 8230, oder

– einer Durchführungsverordnung zu einem dieser Gesetze

entgegensteht.

Die Baubehörde kann von der Überprüfung des Energieausweises absehen, wenn nicht im Verfahren Zweifel an der Richtigkeit des Energieausweises auftreten.

Bei gewerblichen Betriebsanlagen ist die Prüfung nach Z 7 auf jene Bestimmungen eingeschränkt, deren Regelungsinhalt durch die gewerberechtliche Genehmigung nicht erfasst ist.

Weisen bewilligte Hauptgebäude bereits einen Widerspruch zum geltenden Bebauungsplan (Z 2) auf, welcher nicht beseitigt werden kann, sind Zubauten und Abänderungen insofern zulässig, als der Istzustand im Hinblick auf die Festlegungen des Bebauungsplanes nicht verschlechtert wird.

Die Z 1 bis 7 stehen dem Bauvorhaben nicht entgegen, wenn es sich um Flächen handelt, für die eine rechtswirksame überörtliche Planung im Sinn des § 15 Abs. 2 Z 1 NÖ ROG 2014 für Flughäfen besteht. Anzuwenden sind lediglich die bautechnischen Bestimmungen dieses Gesetzes und der NÖ Aufzugsordnung 2016 sowie die Bestimmungen dieses Gesetzes über die Parteistellung, die Behördenzuständigkeit und das Verfahren, jeweils samt allfälliger Durchführungsverordnungen.

Bei Hochhäusern und Bauwerken für größere Menschenansammlungen von mehr als 120 Personen (Veranstaltungsstätten) ist ein Vertreter der Feuerwehr als Auskunftsperson einzubinden.

(2) Wenn die Baubehörde eines der im Abs. 1 angeführten Hindernisse feststellt, hat sie den Antrag abzuweisen. Hält sie dessen Beseitigung durch eine Änderung des Bauvorhabens für möglich, dann hat sie dies dem Bauwerber mitzuteilen.

Diese Mitteilung hat eine Frist zur Vorlage der geänderten Antragsbeilagen zu enthalten. Wird diese Frist nicht eingehalten, ist der Antrag abzuweisen.

 

§ 21 Verfahren mit Parteien und Nachbarn

(1) Führt die Vorprüfung (§ 20) zu keiner Abweisung des Antrages, hat die Baubehörde die Parteien und Nachbarn (§ 6 Abs. 1 und 3) nachweislich vom geplanten Vorhaben nach § 14 zu informieren und darauf hinzuweisen, dass bei der Baubehörde in die Antragsbeilagen und in allfällige Gutachten Einsicht genommen werden darf. Gleichzeitig sind die Parteien und Nachbarn – unter ausdrücklichem Hinweis auf den Verlust ihrer allfälligen Parteistellung – aufzufordern, eventuelle Einwendungen gegen das Vorhaben schriftlich binnen einer Frist von 2 Wochen ab der Zustellung der Verständigung bei der Baubehörde einzubringen. Werden innerhalb dieser Frist keine Einwendungen erhoben, erlischt die Parteistellung. (…)

(…)

(3) Der Bescheid, mit dem über den Antrag nach § 14 entschieden wird, ist den Parteien und jenen Nachbarn zuzustellen, die rechtzeitig Einwendungen erhoben haben. Die Zustellung dieses Bescheides begründet jedoch keine Parteistellung.

 

 

2.3. Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985:

 

§ 25a. (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

3. Rechtliche Würdigung:

 

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid aufgrund der in der Beschwerde geltend gemachten Beschwerdegründe zu überprüfen.

 

Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen und nach § 28 Abs. 2 VwGVG grundsätzlich in der Sache zu entscheiden. Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG durch Beschluss.

 

Sache ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des angefochtenen Bescheides gebildet hat (z.B. VwGH 2009/15/0152; 2010/16/0032; 2012/15/0161).

 

Zufolge § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid schließlich nur im angefochtenen Umfang, das heißt hinsichtlich der in der Beschwerde vorgebrachten Beschwerdepunkte und Beschwerdebegründung zu prüfen. § 27 VwGVG legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde ist die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt.

 

Die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, müssen ausdrücklich in der Beschwerde an das Verwaltungsgericht ausgeführt sein, der Verweis auf andere Schriftsätze (z.B. aus dem gemeindebehördlichen Verfahren) ist nicht zulässig (vgl. VwGH 2012/05/0191, 2005/13/0078, 2003/03/0304).

 

Zusammengefasst wird der angefochtene Bescheid mit der Begründung bekämpft, dass die Aufhebung des das Baubewilligungsansuchen abweisenden Vorbescheides der Berufungsbehörde, des Berufungsbescheides des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 10. Juni 2020, Zahl ***, mangels Beiziehung der nunmehrigen Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren zu LVwG-812/001-2020 sowie mangels Zustellung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes im Beschwerdeverfahren zu LVwG-812/001-2020 an die nunmehrigen Beschwerdeführer, nicht wirksam erfolgt sei.

Dementsprechend wird ausgeführt, dass auch der nunmehr angefochtene Bescheid nicht ergehen hätte dürfen.

 

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens zu LVwG-812/001-2020 war die Abweisung des Baubewilligungsantrages wegen eines von der Baubehörde erkannten Widerspruchs zum Bebauungsplanes im Vorprüfungsverfahren gemäß § 20 NÖ Bauordnung 2014. Den Nachbarn des Baugrundstückes kam in diesem Beschwerdeverfahren Parteistellung nicht zu. Die Nachbarstellung alleine gewährt nämlich noch keine Parteistellung.

 

Auch im Baubewilligungsverfahren besitzt ein Nachbar kein umfassendes Mitspracherecht und kann bzw. darf nur im Umfang seiner geltend gemachten subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte mitwirken und auch nur im Bereich dieses Mitspracherechtes Verfahrensfehler und andere Rechtswidrigkeiten aufzeigen.

Dem Nachbarn kommt ein subjektiv-öffentliches Recht auf „korrekte Anwendung der Bestimmungen innerhalb der NÖ Bauordnung“ nicht zu (z.B. VwGH 2010/05/0081).

 

Objektive Rechtswidrigkeiten können im Hinblick auf dieses beschränkte Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren für sich allein noch nicht berücksichtigt werden. Im Beschwerdeverfahren zu LVwG-812/001-2020 gegenständlich war die Abweisung eines Baubewilligungsantrages wegen vermeintlichen Widerspruches zum Bebauungsplan. Diese Abweisung, deren Rechtmäßigkeit im Beschwerdeverfahren zu prüfen war, erfolgte gemäß § 20 Abs. 1 Z. 2 NÖ Bauordnung 2014 wegen eines angenommenen Widerspruches zum Bebauungsplan, also wegen vermeintlicher objektiver Rechtswidrigkeit, noch im Stadium des Vorprüfungsverfahrens, noch bevor Parteien und Nachbarn ins Verfahren einzubeziehen waren (vgl. § 21 Abs. 1 NÖ Bauordnung 2014).

 

Im Vorprüfungsverfahren ist die Übereinstimmung des eingereichten Projektes mit Rechtsvorschriften, hinsichtlich der den Nachbarn kein Mitspracherecht eingeräumt ist, zu prüfen.

Nachbarrechte können erst nach Abschluss des Vorprüfungsverfahrens geltend gemacht werden. Daran ändert auch die faktische vorzeitige Einbeziehung von Nachbarn ins Verfahren bzw. die Zustellung des das Baubewilligungsansuchen – wegen vermeintlicher objektiver Rechtswidrigkeit – abweisenden Bescheides an Nachbarn durch die Baubehörde nichts.

 

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens war ausschließlich eine im Rahmen des Vorprüfungsverfahrens ergangene Entscheidung der Baubehörde. Im Rahmen der Prüfung, ob dem Bauvorhaben generelle Rechtsvorschriften objektiv entgegenstehen, kommt Nachbarn (noch) kein Mitspracherecht zu, weshalb diese auch im Beschwerdeverfahren nicht beizuziehen waren.

 

Dem Beschwerdeverfahren zu LVwG-812/001-2020 waren daher ausschließlich der Bauwerber (als dortiger Beschwerdeführer) und die belangte Behörde beizuziehen. Der in diesem Beschwerdeverfahren ergangene Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes bindet jedenfalls die belangte Behörde, welche – weiterhin im Rahmen des Vorverfahrens – den nunmehr angefochtenen Ersatzbescheid als funktionell zuständige Baubehörde II. Instanz erlassen hat.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 5. Mai 2021, Zahl ***, hat die belangte Behörde als zuständige Berufungsbehörde jedoch keine Sachentscheidung getroffen. Vielmehr wurde das erstinstanzliche Verfahren, somit also das gemäß § 20 NÖ Bauordnung 2014 geführte Vorprüfungsverfahren, aufgehoben und die Angelegenheit an die Baubehörde erster Instanz zurückverwiesen zur neuerlichen Entscheidung über den Antrag des I auf Erteilung einer Baubewilligung vom 11. Juli 2019.

 

Zur Erhebung einer Beschwerde ist gemäß Art. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG legitimiert, wer behauptet, durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein.

 

Es muss aber zumindest die Möglichkeit bestehen, dass Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem gesetzlich normierten subjektiven Recht verletzt wurden (z.B. VwGH 2008/05/0075, 2008/03/0168, 2011/17/0111).

Die Verletzung bestimmter subjektiv-öffentliche Rechte gemäß § 6 Abs. 2 NÖ Bauordnung 2014 wurde in der gegenständlichen Beschwerde für die einzelnen Beschwerdeführer auch nicht näher konkretisiert.

Das Landesverwaltungsgericht ist nicht berechtigt, aus Anlass eines Rechtsmittels eines Nachbarn andere Fragen als Fragen der Verletzung der subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte aufzugreifen (vgl. u.a. VwGH 82/05/0158).

 

Nachbarrechte können jedoch erst dann geltend gemacht werden (vgl. § 21 Abs. 1 NÖ Bauordnung 2014), wenn die Vorprüfung zu keiner Abweisung geführt.

Wegen der erfolgten Abweisung des Bauansuchens gemäß § 20 Abs. 1 Z. 1 NÖ Bauordnung 2014 konnte ein Verfahren unter Einbeziehung der Nachbarn gemäß § 21 NÖ Bauordnung 2014 noch nicht eingeleitet werden.

 

Durch den angefochtenen verfahrensrechtlichen Bescheid der Berufungsbehörde konnten die Beschwerdeführer in keinem Recht verletzt werden, kommt doch den Nachbarn im Rahmen des Vorprüfungsverfahrens kein Mitspracherecht zu und gehen die prozessualen Rechte der Nachbarn nicht weiter als deren materielle Rechte. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.

 

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Hinblick auf die obigen Ausführungen liegen auch sonst keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.

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