VwGH 2010/05/0081

VwGH2010/05/008113.12.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail sowie den Hofrat Dr. Enzenhofer und die Hofrätin Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde 1. des RC und 2. der HC, beide in W und vertreten durch Dr. Georg Lugert, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Dr. Karl Renner Promenade 10, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 16. Februar 2010, Zl. RU1-BR-881/003-2009, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. VC in W, 2. Stadtgemeinde W), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauO NÖ 1996 §6 Abs1;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2;
BauRallg;
AVG §8;
BauO NÖ 1996 §6 Abs1;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2;
BauRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Ansuchen vom 24. Mai 2007 beantragte die erstmitbeteiligte Partei die Erteilung der nachträglichen baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung einer Terrasse im seitlichen Bauwich auf einer näher bezeichneten Liegenschaft in W.

Anlässlich der am 26. Juli 2007 durchgeführten mündlichen Verhandlung erklärte der Vertreter der als Anrainer geladenen Beschwerdeführer, dass das gegenständliche Bauvorhaben entgegen der Baubeschreibung keine Terrasse iSd § 52 Abs. 3 Z 3 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 (BO) darstelle. Eine Terrasse sei entweder eine befestigte Oberfläche einer Anschüttung im Anschluss an ein Gebäude oder eine in den Bauwich vorspringende und das anschließende Gelände überragende Kellerdecke. Beides sei hier nicht der Fall. Überdies sei von der Gesamtlänge der Terrassenkonstruktion auszugehen, welche jedenfalls länger als ein Drittel der Gebäudelänge sei und auch mehr als 5 m betrage.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 8. August 2007 wurde der erstmitbeteiligten Partei die nachträgliche Baubewilligung erteilt. Zum in der mündlichen Verhandlung erstatteten Vorbringen der Beschwerdeführer wurde begründend ausgeführt, dass damit keine subjektivöffentlichen Rechte geltend gemacht worden seien.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachten die Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass es sich bei der gegenständlichen Konstruktion nicht um eine Terrasse, sondern um einen Zubau handle, weshalb die Behörde zu Unrecht § 52 BO angewandt habe.

Diese Berufung wurde vom Stadtrat der mitbeteiligten Stadtgemeinde mit Bescheid vom 10. Dezember 2007 als unzulässig zurückgewiesen, da die Beschwerdeführer mangels Erhebung von Einwendungen gegen das Bauvorhaben keine Parteistellung erlangt hätten. Dieser Bescheid wurde auf Grund der dagegen eingebrachten Vorstellung der Beschwerdeführer mit Bescheid der belangten Behörde vom 29. Juli 2008 behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die mitbeteiligte Stadtgemeinde zurückverwiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, auf Grund des Fehlens des ausdrücklichen Hinweises auf die Regelung des § 42 AVG in der Ladung der Beschwerdeführer zur mündlichen Verhandlung am 26. Juli 2007 sei ein Verlust der Parteistellung für diese nicht eingetreten.

Der in der Folge ergangene Bescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 26. Februar 2009, mit welchem die Berufung der Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen worden war, wurde auf Grund der dagegen eingebrachten Vorstellung der Beschwerdeführer mit Bescheid der belangten Behörde vom 1. Oktober 2009 wiederum behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die mitbeteiligte Stadtgemeinde zurückverwiesen, weil die betreffende Erledigung keine Deckung in dem vom Stadtrat gefassten Beschluss gefunden habe.

Daraufhin wies der Stadtrat der mitbeteiligten Stadtgemeinde mit Bescheid vom 22. Oktober 2009 die Berufung der Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet ab. In der Begründung wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführer lediglich eine Erklärung abgegeben hätten, wonach es sich beim Bauvorhaben ihrer Ansicht nach nicht um eine Terrasse handle, sie jedoch keinen Einwand dagegen erhoben hätten.

In ihrer dagegen erhobenen Vorstellung verwiesen die Beschwerdeführer auf ihr Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vom 29. Juli 2007 und brachten vor, damit die Nichteinhaltung des Bauwichs und das Ausgehen unzulässiger Emissionen (Lärm) vom Bauwerk geltend gemacht zu haben. Warum das Vorbringen, wonach es sich beim gegenständlichen Bauvorhaben um keine Terrasse iSd BO handle, keine Einwendung sein soll, sei unerfindlich. Tatsächlich handle es sich beim gegenständlichen Bauvorhaben um einen Zubau, weshalb § 52 BO zu Unrecht angewendet worden sei. Entgegen der Ansicht der Baubehörde hätten sich die Beschwerdeführer auch gegen die Größe, insbesondere die Längsausdehnung, der Terrasse gewendet und vorgebracht, dass die Gesamtlänge der Terrassenkonstruktion jedenfalls länger als ein Drittel der Gebäudelänge und auch mehr als 5 m sei. Die von der Baubehörde angestellte Berechnung der Nutzfläche der Terrasse unter Abzug des von den Blumentrögen eingenommenen Raums sei gesetzwidrig.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung der Beschwerdeführer als unbegründet ab. Begründend führte sie nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und der anzuwendenden Rechtsvorschriften im Wesentlichen aus, dass sich die Einwendungen der Beschwerdeführer offensichtlich gegen die Länge des Bauvorhabens insgesamt und dessen rechtliche Qualifikation als Terrasse iSd § 52 Abs. 3 Z 3 BO gerichtet hätten. Von einer Beeinträchtigung des Lichteinfalls auf die Hauptfenster bestehender oder zulässiger Gebäude auf dem Grundstück der Beschwerdeführer selbst sei nicht die Rede gewesen und eine Beeinträchtigung des Lichteinfalls auf Hauptfenster von Gebäuden auf dem Nachbargrundstück sei nie erwähnt worden. Es begründe aber nicht jedes objektiv rechtswidrige Bauvorhaben subjektiv-öffentliche Rechte der Nachbarn iSd § 6 Abs. 2 Z 3 BO, sondern diese Rechte seien insofern beschränkt, als durch die Ausführung des Bauvorhabens der Lichteinfall auf Hauptfenster beeinträchtigt werde oder die Beeinträchtigung zumindest möglich sein müsse. Zum Vorbringen der Beschwerdeführer, wonach mit unzulässigen Emissionen vom Bauwerk zu rechnen sei, führte die belangte Behörde aus, dass zum einen die von der Rechtsprechung geforderte Spezialisierung nicht vorliege und nicht ersichtlich sei, welche Emissionen und wodurch diese befürchtet würden und zum anderen, sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken ergebende Immissionen nicht dem Immissionsschutz der Nachbarn unterliegen würden. Da rechtswirksame Einwendungen iSd BO nicht erhoben worden seien, sei die Abweisung der Berufung der Beschwerdeführer zu Recht erfolgt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes "und/oder" wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Die Beschwerdeführer erachten sich in ihrem "Recht verletzt, dass unter Beachtung der vom Gesetz geforderten Voraussetzungen die nachträgliche baubehördliche Bewilligung des Zubaus nicht erteilt wird". Sie bringen vor, dass die gegenständliche Konstruktion keine einzige Voraussetzung erfülle, die notwendig wäre, um als Terrasse nach der BO qualifiziert zu werden. Es liege im Gegenteil schlicht ein Zubau vor. Mit der von den Beschwerdeführern erhobenen Einwendung, wonach keine Voraussetzung für das Vorliegen einer Terrasse erfüllt sei, hätten sie die Einhaltung des Bauwichs erreichen wollen. Die Beschwerdeführer hätten das "subjektiv-öffentliche Recht, dass von Behörden jene Vorschriften zur Anwendung gebracht werden, unter die ohne Zweifel und ohne Ermessensspielraum ein Sachverhalt zu subsumieren ist. Dies bedeute, dass jenes subjektiv-öffentliche Recht zur Anwendung kommt, das über der NÖ Bauordnung zu suchen ist, nämlich das subjektiv-öffentliche Recht auf korrekte Anwendung der Bestimmungen innerhalb der NÖ Bauordnung und somit nicht den Beschränkungen der NÖ Bauordnung unterliegt".

2.1. Das aufsichtsbehördliche Vorstellungsverfahren (vgl. hiezu insbesondere § 61 NÖ Gemeindeordnung 1973) dient ebenso wie die Bescheidbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Artikel 131 Abs. 1 Z 1 B-VG der Prüfung der Frage, ob subjektive Rechte des Vorstellungswerbers bzw. Beschwerdeführers verletzt wurden. Nicht jede objektive Rechtswidrigkeit eines vor der Aufsichtsbehörde bzw. dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheides führt daher zu dessen Aufhebung, vielmehr tritt diese Rechtsfolge nur im Falle der Verletzung von subjektiven Rechten des Vorstellungswerbers bzw. des Beschwerdeführers ein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 2011, Zl. 2009/05/0220, mwN).

2.2. Gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 BO haben in Baubewilligungsverfahren und baupolizeilichen Verfahren nach § 32, § 33 Abs. 2, § 34 Abs. 2 und § 35 die Eigentümer der Baugrundstücke, die an das Baugrundstück angrenzen oder von diesem durch dazwischen liegende Grundflächen mit einer Gesamtbreite bis zu 14 m (z.B. schmale Grundstücke, Verkehrsflächen, Gewässer, Grüngürtel) getrennt sind, Parteistellung (Nachbarn). Nachbarn sind nur dann Parteien, wenn sie durch das Bauwerk und dessen Benützung in den in Abs. 2 erschöpfend festgelegten subjektivöffentlichen Rechten berührt sind.

§ 6 Abs. 2 BO hat folgenden Wortlaut:

"(2) Subjektiv-öffentliche Rechte werden begründet durch jene Bestimmungen dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, sowie der Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen, die

1. die Standsicherheit, die Trockenheit und den Brandschutz der Bauwerke der Nachbarn (Abs. 1 Z. 4) sowie

2. den Schutz vor Immissionen (§ 48), ausgenommen jene, die sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken oder einer Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß (§ 63) ergeben,

gewährleisten und über

3. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe, den Bauwich, die Abstände zwischen Bauwerken oder deren zulässigen Höhe, soweit diese Bestimmungen der Erzielung einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster (§ 4 Z. 9) der zulässigen (bestehende bewilligte und zukünftig bewilligungsfähige) Gebäude der Nachbarn dienen."

2.3. Aus der dargestellten Rechtslage folgt, dass das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt ist: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat. Daraus folgt, dass die Prüfungsbefugnisse der Berufungsbehörde sowie der Aufsichtsbehörde und auch der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts im Falle des Rechtsmittels einer Partei des Verwaltungsverfahrens mit beschränktem Mitspracherecht, wie dies auf Nachbarn nach der BO im Baubewilligungsverfahren zutrifft, auf jene Fragen beschränkt ist, hinsichtlich derer dieses Mitspracherecht als subjektivöffentliches Recht besteht und soweit rechtzeitig im Verfahren derartige Einwendungen erhoben wurden. Die Beschwerdeführer können durch die von der Berufungsbehörde erteilte Baubewilligung nur dann in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt sein, wenn ihre öffentlich-rechtlichen Einwendungen von den Baubehörden in rechtswidriger Weise nicht berücksichtigt worden sind (vgl. dazu auch das schon zitierte Erkenntnis vom 25. Februar 2011).

3. Wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat, haben die Beschwerdeführer im Baubewilligungsverfahren - auch nicht in den weiteren Rechtsgängen - keine rechtserheblichen Einwendungen iSd § 6 Abs. 2 BO erhoben. Soweit die Beschwerdeführer behaupten, dass sie mit ihrer Einwendung, wonach keine Voraussetzung für das Vorliegen einer Terrasse erfüllt sei, die Einhaltung des Bauwichs hätten erreichen wollen, ist auszuführen, dass sich dies ihrem im Baubewilligungsverfahren erstatteten Vorbringen nicht entnehmen lässt. Zudem begründen die Bestimmungen über den Bauwich nur insoweit subjektiv-öffentliche Rechte der Nachbarn, als sie der Erzielung einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster der zulässigen (bestehende bewilligte und zukünftig bewilligungsfähige) Gebäude der Nachbarn dienen (vgl. § 6 Abs. 2 Z 3 BO). Dass durch das Bauvorhaben der erstmitbeteiligten Partei eine ausreichende Belichtung ihrer Hauptfenster nicht mehr gegeben wäre, haben die Beschwerdeführer ebenfalls nicht vorgebracht.

Auch mit der (bloßen) Behauptung, beim Bauvorhaben der erstmitbeteiligten Partei handle es sich nicht um eine Terrasse, sondern um einen Zubau, wird kein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht geltend gemacht. Die im Katalog des § 6 Abs. 2 BO enthaltene Aufzählung der subjektiv-öffentlichen Rechte der Nachbarn ist taxativ (vgl. § 6 Abs. 1 letzter Satz leg. cit). Demnach kommt den Nachbarn - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht - kein subjektiv-öffentliches Recht "auf korrekte Anwendung der Bestimmungen innerhalb der NÖ Bauordnung" zu. Mit diesem Beschwerdevorbringen wird vielmehr lediglich eine objektive Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides behauptet, die - gegebenenfalls - im Hinblick auf das im Baubewilligungsverfahren beschränkte Mitspracherecht der Nachbarn für sich allein, wie oben dargelegt, noch nicht zu dessen Aufhebung führen kann. Auf die diesbezüglichen Beschwerdeausführungen war daher nicht weiter einzugehen.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 13. Dezember 2011

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte