B-VG §139
European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.AV.730.001.2020
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch den Richter Hofrat Mag. Gindl über die Beschwerden von1. A, ***, ***, 2. B, ***, ***,
gegen den Bescheid der NÖ Landesregierung vom 2. Juni 2020, Zl. ***, betreffend Zurückweisung des Antrages vom 3.3.2020 iVm dem Schreiben vom 29.4.2020 auf Überprüfung der Fischotter-Verordnung, LGBl. Nr. 98/2019, zu Recht:
1. Den Beschwerden wird gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) keine Folge gegeben und werden diese abgewiesen.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig (§ 25a VwGG).
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Bescheid der NÖ Landesregierung (in der Folge: belangte Behörde) wurde der Antrag von 1. A (in der Folge: Erstbeschwerdeführerin bzw. Beschwerdeführer) und 2. B (in der Folge: Zweitbeschwerdeführerin bzw. Beschwerdeführer) vom 3.3.2020 iVm dem Schreiben vom 29.4.2020 auf Überprüfung der Fischotter-Verordnung, LGBl. Nr. 98/2019, zurückgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass gemäß § 6 Abs. 1 AVG die Behörde ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen habe. Die Prüfung von Verordnungen obliege nach Art 139 B-VG ausschließlich dem Verfassungsgerichtshof, sodass die Zuständigkeit der belangten Behörde nicht vorliege.
Dagegen haben die Beschwerdeführer gleichlautend mit Schreiben vom 2. Juli 2020 Beschwerde erhoben. In dieser führten sie im Wesentlichen aus, dass sie sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Sachentscheidung verletzt erachten. Sie seien in ihrem Recht verletzt, dass ein unionsrechtskonformes artenschutzrechtliches Ausnahmeverfahren in Übereinstimmung mit den Art 12 und 16 FFH-RL sowie eine Prüfung in Übereinstimmung mit Art 6 Abs. 3 FFH-RL durchgeführt werde. Aus diesem Grund werde der Bescheid in seinem gesamten Umfang angefochten. Die Beschwerdeführer seien anerkannte Umweltorganisationen gem. §19 Abs. 7 UVP-G und somit Teil der betroffenen Öffentlichkeit iSd Art 2 Z 5 Aarhus Konvention. Art 6 Aarhus Konvention räume der betroffenen Öffentlichkeit das Recht auf Beteiligung an Entscheidungen über Tätigkeiten mit potentiell erheblichen Umweltauswirkungen, und in Art 9 Abs. 2 ein damit korrespondierendes Recht auf gerichtliche Überprüfung dieser Entscheidungen ein. Darüber hinaus gewähre Art 9 Abs. 3 Aarhus Konvention der Öffentlichkeit das Recht auf Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren, um Verstöße gegen Umweltrecht anzufechten. Konkret verlange die Aarhus Konvention Zugang zu einem Überprüfungsverfahren, um die materiell rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten (Art 9 Abs. 2) bzw. um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres Innerstaatlichen Rechts verstoßen (Art 9 Abs 3). Die Republik Österreich habe die Aarhus Konvention 1998 unterzeichnet und 2005 ratifiziert. Ebenso habe die EU die Aarhus Konvention 1998 unterzeichnet und 2005 ratifiziert - die Aarhus Konvention sei somit auch zum Bestandteil des Unionsrechts geworden. Soweit EU-Umweltrecht betroffen sei, bestehe damit nicht nur eine völkerrechtliche, sondern auch eine unionsrechtliche Verpflichtung zur Umsetzung der Vorgaben der Aarhus Konvention. Der Konvention widersprechende österreichische Regelungen seien daher gleichzeitig auch unionsrechtswidrig und somit unangewendet zu lassen. Außerdem sei sämtliches innerstaatliches Recht soweit wie möglich in Einklang mit den Bestimmungen der Aarhus Konvention auszulegen (vgl dazu EuG 15.3.2018, C-470/16). Dabei sei stets die Auslegung der Bestimmungen durch das Aarhus Convention Compliance Committee (ACCC) zu berücksichtigen. Dementsprechend nehme auch der VwGH in seiner Rechtsprechung auf die Spruchpraxis des ACCC Bezug (vgl VwGH 8.6.2010 AW 2010/06/0001). Die gegenständliche Angelegenheit liege zweifellos im Anwendungsbereich des Unionsrechts: Die Verordnung betreffe eine streng geschützte Art (Lutra lutra) nach Anhang II und IV der FFH-RL. Mit der Fischotter-Verordnung werde das Ausnahmeregime von Art 16 FFH-RL umgesetzt. Da die geplanten Fischotter-Entnahmen aufgrund der örtlichen Nähe zu ausgewiesenen Europaschutzgebieten dazu geeignet seien, auch die Fischotterpopulation in Europaschutzgebieten erheblich zu beeinträchtigen, hätte der Erlass der Fischotter-Verordnung mit einer Naturverträglichkeitsprüfung gem. Art 6 Abs. 3 FFH-RL, zumindest aber mit einer entsprechenden Vorprüfung, einhergehen müssen. Denn, dass durch Fischotterentnahmen eine Auswirkung auf Europaschutzgebiete – auf Grund der Lebensraumnutzung des Fischotters mit ausgedehnten Streifgebieten entlang von Flussläufen - vorab nicht ausgeschlossen werden könne, sei bereits vom LVwG NÖ zu einer vergangenen artenschutzrechtlichen Ausnahmeentscheidung (Entnahmebescheid: ***) der belangten Behörde festgehalten worden. Dementsprechend stehe der betroffenen Öffentlichkeit ein Recht auf Beteiligung im Rahmen der Naturverträglichkeitsprüfung und des artenschutzrechtlichen Ausnahmeverfahrens, sowie ein Recht auf gerichtliche Überprüfung dieser Entscheidungen zu. Zu Art 6 FFH-RL habe der EuGH bereits festgestellt (EuGH 8.11.2016, C-243/15 „Braunbär II"), dass die nationalen Behörden und Gerichte die betroffene Öffentlichkeit am Verfahren zu beteiligen haben, und letztere die Rechtmäßigkeit von staatlichen Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen iZh mit Art 6 FFH-RL anfechten können müssen (EuGH 8.11.2016, C-243/15 „Braunbär II", Rn 60).
Art 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention in Verbindung mit. Art 47 GRC der Europäischen Union verpflichte die Mitgliedstaaten dazu, einen wirksamen gerichtlichen Schutz der durch das Recht der Union garantierten Rechte, insbesondere der Vorschriften des Umweltrechts, zu gewährleisten (EuGH 20,12.2017, C-664/15 „Protect", Rn 45). Entscheidungen die im Rahmen eines artenschutzrechtlichen Ausnahmeverfahrens in Umsetzung von Art 16 FFH-RL erlassen worden seien, seien daher jedenfalls zumindest einer gerichtlichen Überprüfung durch gem § 19 Abs. 7 UVP-G anerkannten Umweltorganisationen zugänglich zu machen.
Die Fischotter-Verordnung wäre auf ihre Naturverträglichkeit gem § 10 NÖ NSchG zu prüfen gewesen. Das NÖ NSchG sehe eine Beteiligtenstellung mit Überprüfungsrechten für Umweltorganisationen, die gemäß § 19 Abs. 7 des UVP-G 2000, BGBl Nr 697/1993, zur Ausübung von Parteienrechten in Niederösterreich befugt seien für Naturverträglichkeitsprüfungen gem §10 NÖ NSchG vor (vgl § 27b NÖ NSchG). Die belangte Behörde habe in gegenständlicher Angelegenheit von Amts wegen keine Naturverträglichkeitsprüfung gem § 10 NÖ. NSchG durchgeführt. Gem § 10 Abs .2 NÖ NSchG können nur der „Projektwerber" oder die NÖ Umweltanwaltschaft eine NVP-Feststellung beantragen. Die Beschwerdeführer hätten also nach nationaler Gesetzeslage nicht das Recht der unionsrechtswidrigen Unterlassung einer NVP bzw einer NVP-Feststellung in der gegenständlichen Angelegenheit entgegenzuwirken.
Die Fischotter-Verordnung stelle außerdem eine artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung gem Art 16 FFH-RL dar. Diese Bestimmung sei in Niederösterreich umgesetzt für den Bereich der jagdbaren Tiere im NÖ JagdG (§ 3 Abs 11) und im Naturschutzrecht In § 20 Abs 4 und 6 NÖ NSchG. Gegen artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigungen nach § 20 Abs 4 NÖ NSchG hätten anerkannte Umweltorganisationen ein Überprüfungsrecht (§ 27c NÖ NSChG). Ebenso sehe das NÖ JagdG in § 3 Abs 11 ein Überprüfungsrecht von anerkannten Umweltorganisationen gegen artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigungen des § 3 Abs 8 NÖ JagdG vor. Dahingegen stehe anerkannten Umweltorganisationen gegen artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigungen nach § 20 Abs 6 NÖ NSchG kein Überprüfungsrecht zu.
Aufgrund einer im Jahr 2016 etablierten Judikatur habe der VfGH anerkannten Umweltorganisationen das Recht auf Aufhebung von Verordnungen im Anwendungsbereich von Art 9 Abs. 3 Aarhus Konvention abgesprochen. Das Höchstgericht sei der Ansicht, dass diese Organisationen durch eine Verordnung mit umweltbezogenen Vorschriften nicht in ihren subjektiven Rechten betroffen sein könne (VfGH 14.12.2016, V87/2014 „Forchtenstein", VfGH 14.12.2016, V134/2015 „Wasserwirtschaftlicher Rahmenplan Tiroler Oberland"). Anerkannten Umweltorganisationen bleibe es somit verwehrt einen Individualantrag gem Art 139 B-VG zu stellen, um wie im gegenständlichen Fall, Verstöße gegen umweltbezogene Vorschriften im Bereich des Unionsrechts überprüfen zu lassen. Da das Gesetz derzeit kein Verfahren vorsehe, in dem Umweltorganisationen Verordnungen wie die gegenständliche überprüfen lassen zu können, und der Gang zum VfGH verwehrt sei, werde der vorliegende Antrag unter Berufung auf die unionsrechtskonforme Auslegung nationalen Verfahrensrechts in Verbindung mit der Aarhus Konvention, der GRC und der FFH-RL gestellt. Der VwGH habe zur Berechtigung von Umweltorganisation, die Einhaltung von unionsrechtlich determinierten umweltschützenden Vorschriften in Verordnungen prüfen zu lassen bereits judiziert:
Rechtsschutz gegen im Umweltbereich unionsrechtswidrige Verordnungen sei von Behörden/Gerichten im Verwaltungsweg - auf Grundlage eines Überprüfungsantrages der betroffenen Öffentlichkeit - zu gewährleisten. Im genannten Fall ging es um die Anfechtung von Luftreinhalteplänen nach der Luftquaiitäts-Richtlinie (VwGH 19.2.20.18, Ra 2015/07/0074-6). Der VwGH ging dabei erstmals auf die neue Judikatur des Europäischen Gerichtshofes, vor allem in der Rs Protect ein und interpretierte die Rechtslage für Österreich.
Der VwGH habe ausdrücklich festgehalten, dass auch der Umstand, dass bestimmte Maßnahmen in Form von Verordnungen ergehen und es kein Antragsrecht oder ein geregeltes Verfahren zur Verordnungserlassung gebe, keine Rechtfertigung für die Versagung des Rechtsschutzes von Umweltorganisationen biete. Dementsprechend stehe den Beschwerdeführer im gegenständlichen Fall das Recht auf Überprüfung der NÖ Fischotter-VO zu.
Die belangte Behörde hätte die Verpflichtung gehabt die im Anwendungsbereich des Unionsrechts einschlägigen Rechtsvorschriften der Union zu identifizieren und deren Sinn auch anhand der Rechtsprechung der Gerichte der Europäischen Union, insbesondere des EuGH, der letztlich zur Auslegung der Rechtsvorschriften der Europäischen Union zuständig sei (vgl Art 267 AEUV), zu erfassen. Auf dieser Grundlage wäre der Inhalt der österreichischen Rechtsvorschriften zu klären gewesen, die damit im Zusammenhang stehen und unionsrechtliche Vorgaben umsetzen. Die belangte Behörde hätte für das Zusammenwirken zwischen unionsrechtlichen und österreichischen Rechtsvorschriften insbesondere die unionsrechtlichen Grundsätze des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts samt der unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechtes zur Anwendung bringen müssen (vgl dazu etwa VwGH 25.2.2020, Ra 2019/03/0120).
Die gegenständliche Verordnung lasse sich aus zahlreichen näher ausgeführten Gründen nicht mit Art 16 FFH-RL vereinbaren. So gewährleiste die konkrete Ausgestaltung der gegenständlichen Verordnung nicht jene Einzelfallgerechtigkeit, die der EuGH für die Zulässigkeit von Ausnahmen vom strengen Schutz voraussetzt. Die Verordnung nehme eine Pauschalgenehmigung vor und ermöglicht es den Rechtsanwendern nicht, zu beurteilen, ob eine Entnahme im konkreten Einzelfall auch tatsächlich zulässig sei. Sie siehe eine solche Einzelfallbeurteilung nicht einmal vor und verstoße daher gegen Art 16 FFH-RL, der das Vorliegen der Kriterien für jede einzelne Abweichung voraussetzt. Des Weiteren seien Auswirkungen auf Europaschutzgebiete, in denen der Fischotter als Schutzgut gelistet sei, aufgrund der Ausstrahlungswirkung der Entnahmen nicht ausgeschlossen. Aufgrund dieser potentiellen erheblichen Beeinträchtigungen von Europaschutzgebieten hätte die Fischotter-VO einer Verträglichkeitsprüfung nach Art 6 Abs 3 FFH-RL unter Beteiligung der Öffentlichkeit unterzogen werden müssen. Mangels Durchführung einer solchen Naturverträglichkeitsprüfung verstoße die Fischotter-VO auch aus diesem Grund gegen die FFH-RL. Zudem seien die einzelnen Kriterien für die Zulässigkeit einer Ausnahmegenehmigung nach Art 16 FFH-RL nicht erfüllt:
• Eine der Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Ausnahmen sei, dass die Populationen der betroffenen Art in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahme in einem günstigen Erhaltungszustand bleiben.
• Bei der Gewährung von Ausnahmen sei außerdem nachzuweisen, dass es unter Berücksichtigung der besten einschlägigen wissenschaftlichen und. technischen Erkenntnisse sowie der Umstände des konkreten Falls keine anderweitige zufriedenstellende Lösung gebe,
• Schließlich seien Ausnahmen nur zur Erreichung bestimmter Ziele (Ausnahmegründe) zulässig, wobei auch hier durch fundierte, wissenschaftliche Daten nachzuweisen sei, dass die Methode zur Erreichung dieses Ziels geeignet sei.
Wie dargelegt, sei im gegenständlichen Fall anzunehmen, dass sämtliche dieser Kriterien nicht erfüllt seien. Weder sei hinreichend nachgewiesen, dass die Entnahmen zu Erreichung des Ziels geeignet seien, noch sei nachgewiesen, dass die Entnahmen erforderlich seien, weil es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung gebe. Verschärft würden diese FFH-widrigen Eingriffe in eine besonders geschützte Art außerdem durch die fehlende Monitoring-Verpflichtung und die Verwendung nicht selektiver Fällen werden.
Es wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie die Überprüfung der Niederösterreichische Fischotter-Verordnung auf ihre Unionsrechtskonformität, in eventu die Abänderung des Bescheides dahingehend, dass festgestellt werde, dass die belangte Behörde den Beschwerdeführern Parteistellung und ein Überprüfungsrecht im gegenständlichen artenschutzrechtlichen Ausnahmeverfahren gewährt, in eventu die Aufhebung und Rückverweisung des Bescheides beantragt.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat erwogen:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz erkennt das Verwaltungsgericht über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht - sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist - über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden. Das Verwaltungsgericht hat dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen und nach § 28 Abs. 2 VwGVG grundsätzlich in der Sache zu entscheiden (§ 27 VwGVG). Relevant ist dabei im Bescheidbeschwerdeverfahren – nach h. M. (in diesem Sinn auch VwGH 21.10.2014, Ro 2014/03/0076) – regelmäßig die in seinem Entscheidungszeitpunkt geltende Sach- und Rechtslage, sodass diesbezügliche Änderungen – zum Vor- und Nachteil des Beschwerdeführers (VwGH 27.3.2007, 2007/18/0059) zu berücksichtigen sind. In seinem Verfahren hat das Verwaltungsgericht – soweit sich nicht aus dem VwGVG anderes ergibt – die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1-5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG).
„Sache“ des Beschwerdeverfahrens ist – ungeachtet des durch § 27 VwGVG vorgesehenen Prüfungsumfanges – jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (vgl. VwGH vom 17.12.2014, Ra 2014/03/0049).
Durch den angefochtenen Bescheid wurden Anträge der Beschwerdeführerinnen vom 29. April 2020 zurückgewiesen. Sache des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens ist somit ausschließlich die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung dieser Anträge.
Gemäß § 6 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) hat die Behörde ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen; langen bei ihr Anbringen ein, zu deren Behandlung sie nicht zuständig ist, so hat sie diese ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu weisen.
Die belangte Behörde führte für die Begründung der Zurückweisung ihre mangelnde Zuständigkeit zur Überprüfung von Verordnungen (so auch der NÖ Fischotter-Verordnung) aus.
Das B-VG sieht in Art 139 ein Prüfungsmonopol des Verfassungsgerichtshofes für die Rechtmäßigkeit von Verordnungen vor, mit der Kompetenz, Verordnungen wegen Gesetzwidrigkeit aufzuheben oder gegenüber bereits außer Kraft getretenen Verordnungen deren Gesetzwidrigkeit auszusprechen.
Die belangte Behörde hat daher zu Recht ihre Zuständigkeit verneint und den Antrag zurückgewiesen. Es war daher die Beschwerde – ohne weitere inhaltliche Prüfung - abzuweisen.
Ergänzend wird ausgeführt, dass selbst unter der Annahme eines – wie behauptet - mangelnden Rechtsschutzes von Umweltorganisationen mangels sonstiger Zuständigkeitsregeln entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die sachlich nächste Behörde zuständig wäre. Dies ist (wäre) für Anträge auf Prüfung und Aufhebung von Verordnungen unzweifelhaft der Verfassungsgerichtshof.
Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG abzusehen, da eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht hätte erwarten lassen und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010, S.389, entgegenstanden. Es handelt sich im vorliegenden Beschwerdeverfahren ausschließlich um Rechtsfragen, zu deren Lösung im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist (vgl. VwGH vom 24.6.2014, 2014/05/0059, 17.4.2012, 2012/05/0029 bzw. 21.12.2012, 2012/03/0038).
Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.
Gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine Rechtsfrage im Sinne des Artikel 133 Abs. 4 B-VG, welcher grundsätzliche Bedeutung zukommt, war gegenständlich nicht zu lösen, sodass eine ordentliche Revision nicht zulässig ist.
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