VfGH V87/2014

VfGHV87/201414.12.2016

Zurückweisung des Individualantrags einer anerkannten Umweltorganisation auf Aufhebung einer Flächenwidmungsplanänderung mangels Legitimation; keine Begründung der Parteistellung durch die Aarhus-Konvention

Normen

B-VG Art139 Abs1 Z3
Flächenwidmungsplan der Gemeinde Forchtenstein idF der Änderung vom 02.06.2014
Übereinkommen von Aarhus, BGBl III 88/2005 Art2 Z4, Z5, Art9 Abs3
UVP-G 2000 §19 Abs7
B-VG Art139 Abs1 Z3
Flächenwidmungsplan der Gemeinde Forchtenstein idF der Änderung vom 02.06.2014
Übereinkommen von Aarhus, BGBl III 88/2005 Art2 Z4, Z5, Art9 Abs3
UVP-G 2000 §19 Abs7

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art139 B‑VG gestützten Antrag begehrt die Antragstellerin, eine anerkannte Umweltorganisation iSd §19 Abs7 des Bundesgesetzes über die Prüfung der Umweltverträglichkeit (Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 - UVP-G 2000), BGBl 697/1993, der Verfassungsgerichtshof möge,

"1) die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Forchtenstein vom 2. Juni 2014, aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 23. Juli 2014, Zl LAD/RO.3319-10002-35-2014, kundgemacht am 4. August 2014, insoweit mit dieser Verordnung Teilflächen der Grundstücke 1583 bis 1607, 1609, 1610/1, 1610/2 und 1610/3[,] alle KG Forchtenau[,] gemäß Plan Beilage ./B von Grünland in Bauland-Aufschließungsgebiet (AW), Verkehrsfläche (V) und Grünfläche Erholungsgebiet (GE) umgewidmet wurden (Änderungspunkt 19 AW), als gesetz- und unionsrechts- bzw. verfassungswidrig aufheben;

2) dem Antragsgegner auftragen, der Antragstellerin die durch das verfassungsgerichtliche Verfahren entstandenen Kosten im gesetzlichen Ausmaß zuzüglich Umsatzsteuer zu Handen ihres ausgewiesenen Vertreters binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen sowie

3) eine mündliche Verhandlung anberaumen."

Die Antragstellerin führt einleitend aus, dass mit Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Forchtenstein Teilflächen mehrerer Grundstücke von vormals "Grünland" in "Bauland Aufschließungsgebiet-Wohngebiet" ("AW"), "Verkehrsfläche" ("V") und "Grünfläche Erholungsgebiet" ("GE") umgewidmet worden seien; diese Änderung sei mit Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 23. Juli 2014 genehmigt worden. Dabei seien entgegen der unionsrechtlichen Vorgaben keine strategische Umweltprüfung und keine Naturverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden, obwohl die neue Baulandausweisung im Europaschutzgebiet Mattersburger Hügelland liege und insbesondere zu befürchten sei, dass das Habitat der Zwergohreule zerstört werde.

II. Rechtslage

1. Die für den vorliegenden Fall maßgebliche Bestimmung des UVP-G 2000 idF BGBl I 95/2013, lautet wie folgt:

"Partei- und Beteiligtenstellung sowie Rechtsmittelbefugnis

§19. (1) Parteistellung haben

1.-6. […]

7. Umweltorganisationen, die gemäß Abs7 anerkannt wurden.

 
  

(2)-(5) […]

(6) Umweltorganisation ist ein Verein oder eine Stiftung,

1. der/die als vorrangigen Zweck gemäß Vereinsstatuten oder Stiftungserklärung den Schutz der Umwelt hat,

2. der/die gemeinnützige Ziele im Sinn der §§35 und 36 BAO, BGBl Nr 194/1961, verfolgt und

3. der/die vor Antragstellung gemäß Abs7 mindestens drei Jahre mit dem unter Z1 angeführten Zweck bestanden hat.

(7) (Verfassungsbestimmung) Der Bundesminister/die Bundesministerin für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft hat im Einvernehmen mit dem Bundesminister/der Bundesministerin für Wirtschaft und Arbeit auf Antrag mit Bescheid zu entscheiden, ob eine Umweltorganisation die Kriterien des Abs6 erfüllt und in welchen Bundesländern die Umweltorganisation zur Ausübung der Parteienrechte befugt ist.

(8) Dem Antrag gemäß Abs7 sind geeignete Unterlagen anzuschließen, aus denen hervorgeht, dass die Kriterien des Abs6 erfüllt werden und auf welches Bundesland/welche Bundesländer sich der Tätigkeitsbereich der Umweltorganisation erstreckt. Eine Ausübung der Parteienrechte ist in Verfahren betreffend Vorhaben möglich, die in diesem Bundesland/in diesen Bundesländern oder daran unmittelbar angrenzenden Bundesland/Bundesländern verwirklicht werden sollen. Der Bundesminister/die Bundesministerin für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft veröffentlicht auf der Homepage des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft eine Liste jener Umweltorganisationen, die mit Bescheid gemäß Abs7 anerkannt wurden. In der Liste ist anzuführen, in welchen Bundesländern die Umweltorganisation zur Ausübung der Parteienrechte befugt ist.

(9) […]

(10) Eine gemäß Abs7 anerkannte Umweltorganisation hat Parteistellung und ist berechtigt, die Einhaltung von Umweltschutzvorschriften im Verfahren geltend zu machen, soweit sie während der Auflagefrist gemäß §9 Abs1 schriftlich Einwendungen erhoben hat. Sie ist auch berechtigt, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht sowie Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

(11) […]"

2. Die für den vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, BGBl III 88/2005, (in der Folge: Aarhus-Konvention) lauten wie folgt:

"Artikel 2

Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieses Übereinkommens

1.-3 […]

4. bedeutet 'Öffentlichkeit' eine oder mehrere natürliche oder juristische Personen und, in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder der innerstaatlichen Praxis, deren Vereinigungen, Organisationen oder Gruppen;

5. bedeutet 'betroffene Öffentlichkeit' die von umweltbezogenen Entscheidungsverfahren betroffene oder wahrscheinlich betroffene Öffentlichkeit oder die Öffentlichkeit mit einem Interesse daran; im Sinne dieser Begriffsbestimmung haben Nichtregierungsorganisationen, die sich für den Umweltschutz einsetzen und alle nach innerstaatlichem Recht geltenden Voraussetzungen erfüllen, ein Interesse.

Artikel 9

Zugang zu Gerichten

(1) Jede Vertragspartei stellt im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass jede Person, die der Ansicht ist, dass ihr nach Artikel 4 gestellter Antrag auf Informationen nicht beachtet, fälschlicherweise ganz oder teilweise abgelehnt, unzulänglich beantwortet oder auf andere Weise nicht in Übereinstimmung mit dem genannten Artikel bearbeitet worden ist, Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle hat.

Für den Fall, dass eine Vertragspartei eine derartige Überprüfung durch ein Gericht vorsieht, stellt sie sicher, dass die betreffende Person auch Zugang zu einem schnellen, gesetzlich festgelegten sowie gebührenfreien oder nicht kostenaufwendigen Überprüfungsverfahren durch eine Behörde oder Zugang zu einer Überprüfung durch eine unabhängige und unparteiische Stelle, die kein Gericht ist, hat.

Nach Absatz 1 getroffene endgültige Entscheidungen sind für die Behörde, die über die Informationen verfügt, verbindlich. Gründe werden in Schriftform dargelegt, zumindest dann, wenn der Zugang zu Informationen nach diesem Absatz abgelehnt wird.

(2) Jede Vertragspartei stellt im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit,

(a) die ein ausreichendes Interesse haben oder alternativ

(b) eine Rechtsverletzung geltend machen, sofern das Verwaltungsverfahrensrecht einer Vertragspartei dies als Voraussetzung erfordert,

Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht und/oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, um die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die Artikel 6 und - sofern dies nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht vorgesehen ist und unbeschadet des Absatzes 3 - sonstige einschlägige Bestimmungen dieses Übereinkommens gelten.

Was als ausreichendes Interesse und als Rechtsverletzung gilt, bestimmt sich nach den Erfordernissen innerstaatlichen Rechts und im Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit im Rahmen dieses Übereinkommens einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren. Zu diesem Zweck gilt das Interesse jeder Nichtregierungsorganisation, welche die in Artikel 2 Nummer 5 genannten Voraussetzungen erfüllt, als ausreichend im Sinne des Buchstaben a. Derartige Organisationen gelten auch als Träger von Rechten, die im Sinne des Buchstaben b verletzt werden können.

Absatz 2 schließt die Möglichkeit eines vorangehenden Überprüfungsverfahrens vor einer Verwaltungsbehörde nicht aus und lässt das Erfordernis der Ausschöpfung verwaltungsbehördlicher Überprüfungsverfahren vor der Einleitung gerichtlicher Überprüfungsverfahren unberührt, sofern ein derartiges Erfordernis nach innerstaatlichem Recht besteht.

(3) Zusätzlich und unbeschadet der in den Absätzen 1 und 2 genannten Überprüfungsverfahren stellt jede Vertragspartei sicher, dass Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben, um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen.

(4) Zusätzlich und unbeschadet des Absatzes 1 stellen die in den Absätzen 1, 2 und 3 genannten Verfahren angemessenen und effektiven Rechtsschutz und, soweit angemessen, auch vorläufigen Rechtsschutz sicher; diese Verfahren sind fair, gerecht, zügig und nicht übermäßig teuer. Entscheidungen nach diesem Artikel werden in Schriftform getroffen oder festgehalten. Gerichtsentscheidungen und möglichst auch Entscheidungen anderer Stellen sind öffentlich zugänglich.

(5) Um die Effektivität dieses Artikels zu fördern, stellt jede Vertragspartei sicher, dass der Öffentlichkeit Informationen über den Zugang zu verwaltungsbehördlichen und gerichtlichen Überprüfungsverfahren zur Verfügung gestellt werden; ferner prüft jede Vertragspartei die Schaffung angemessener Unterstützungsmechanismen, um Hindernisse finanzieller und anderer Art für den Zugang zu Gerichten zu beseitigen oder zu verringern."

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Die Antragstellerin führt zu ihrer Antragslegitimation Folgendes aus:

1.1. Zur Frage des Vorliegens der rechtlichen Betroffenheit hält die Antragstellerin zunächst fest, dass sie eine anerkannte Umweltorganisation iSd §19 Abs7 UVP‑G 2000 und als "Person" iSd Art139 Abs1 Z3 B‑VG zu qualifizieren sei, weil sie Trägerin von Rechten sein könne. Gemäß §19 Abs10 leg.cit. habe eine Umweltorganisation Parteistellung im UVP-Genehmigungsverfahren und sei berechtigt, die Einhaltung von Umweltschutzvorschriften im Verfahren geltend zu machen.

Darüber hinaus sei sie ganz allgemein dazu berechtigt, von Behörden vorgenommene Handlungen anzufechten, wenn diese gegen umweltbezogene Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts verstoßen. Art9 Abs3 der Aarhus-Konvention, welcher sowohl Österreich als auch – als Rechtsvorgängerin der Europäischen Union – die Europäische Gemeinschaft als Vertragsparteien beigetreten seien, sehe vor, dass jede Vertragspartei sicherstelle, dass Mitglieder der Öffentlichkeit – also auch die Antragstellerin –, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren hätten, um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstießen. Die Antragstellerin sei der Auffassung, dass Art9 Abs3 Aarhus-Konvention so ausgelegt und angewandt werden müsse, dass die nützliche Wirkung des europäischen Umweltrechts gewährleistet sei. Daraus folge, dass Mitgliedstaaten, die auch Vertragsparteien der Aarhus-Konvention seien, ihren Verpflichtungen aus Art9 Abs3 leg.cit. iVm den Verträgen (Art216 Abs2 AEUV) und dem Prinzip der nützlichen Wirkung ("effet utile") des europäischen Umweltrechts erst dann nachkommen würden, wenn sie für "Mitglieder der Öffentlichkeit", wie auch die Antragstellerin, Zugang zu einem gerichtlichen Überprüfungsverfahren gewährten, um eine Verletzung von EU Richtlinien durch ein Handeln oder Unterlassen von Behörden vor einem Gericht anfechten zu können.

Auch der Gerichtshof der Europäischen Union habe in seiner Entscheidung vom 8.3.2011, Rs. C-240/09, Lesoochranárske zoskupenie VLK, Ministerstvo životného prostredia Slovenskej republiky, zwar die unmittelbare Anwendung des §9 Abs3 Aarhus-Konvention verneint, dabei jedoch festgehalten, dass das nationale Recht so weit wie möglich im Einklang mit den Zielen des Art9 Abs3 leg.cit. auszulegen sei. In diesem Fall sei der Gerichtshof der Europäischen Union zum Ergebnis gelangt, dass Umweltschutzorganisationen Entscheidungen, die möglicherweise im Widerspruch zum Umweltrecht der Union stünden, gerichtlich anfechten könnten.

1.2. Zur unmittelbaren Betroffenheit führt die Antragstellerin aus, dass ein Eingriff in ihre rechtlich geschützten Interessen bereits deshalb vorliege, weil die angefochtene Verordnung umweltbezogenen Vorschriften widerspreche und auf Grund ihrer Kundmachung Rechtsgültigkeit erlangt habe. Dabei sei es ausreichend, wenn im Zuge der Erlassung der angefochtenen Norm zwingende Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen worden seien und die angefochtene Norm als solche dem geltenden Recht, insbesondere dem Unionsrecht, widerspreche.

1.3. Weiter sei auf Grund der vorliegenden Widmung "Bauland-Aufschließungsgebiet" die Gemeinde Forchtenstein berechtigt und verpflichtet, die umgewidmete Fläche entsprechend aufzuschließen, also Straßen, ein Kanalsystem und sonstige Infrastruktur zu errichten. Bereits mit diesen Tätigkeiten werde der Naturraum zerstört und somit auch der Schutzzweck der Vogelschutzrichtlinie (Richtlinie 2009/147/EG über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten) und FFH-RL (Richtlinie 92/43/EWG zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen) verletzt. Beachtlich sei in diesem Zusammenhang, dass auf Grund einer Grundsatzvereinbarung zwischen der Gemeinde Forchtenstein und den von der Widmung betroffenen Grundeigentümern bereits die umgehende Erschließung des Gebietes vorgesehen sei und die Zerstörung u.a. des Habitats der Zwergohreule unmittelbar bevorstehe. Ein konkretes Baubewilligungsverfahren sei daher im vorliegenden Fall für die geforderte Aktualität des Eingriffs nicht erforderlich.

1.4. Schließlich sei für die (geplante) Genehmigung von Einfamilienhäusern auf den umgewidmeten Grundstücksteilen keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, weshalb der Antragstellerin insbesondere im erwarteten Baubewilligungsverfahren – und damit in jenem Materienverfahren, in welchem der Flächenwidmungsplan als Grundlage des Baubewilligungsbescheides präjudiziell sei – keine Parteistellung zukomme. Ein Umweg, die vorliegenden Rechtsverletzungen allenfalls im Rahmen eines "Bescheidverfahrens" an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, sei daher nicht gegeben.

1.5. Sollte der Verfassungsgerichtshof zur Ansicht gelangen, dass Zweifel darüber bestünden, ob Art9 Abs3 der Aarhus-Konvention unter Berücksichtigung des effet-utile-Grundsatzes des Unionsrechts der Antragstellerin im vorliegenden Fall ein Antragsrecht iSd Art139 Abs1 Z3 B‑VG einräume, werde angeregt, diese Frage dem Gerichtshof der Europäischen Union im Zuge eines Vorabentscheidungsersuchens vorzulegen.

2. Die Burgenländische Landesregierung legte die Verordnungsakten vor, gab eine Äußerung ab und führt darin zur Frage der Zulässigkeit des Individualantrags wie folgt aus:

"Eine gemäß §19 Abs7 UVP-G 2000 anerkannte Umweltorganisation hat als Formalpartei eine begrenzte, ausschließlich ihr im Rahmen der jeweiligen (Materien-)Gesetze zukommende Parteistellung. Par. cit. beschränkt diese im Rahmen des UVP-Verfahrens auf die Berechtigung, die Einhaltung von Umweltschutzvorschriften im Verfahren geltend zu machen (soweit sie während der Auflagefrist gemäß §9 Abs1 schriftlich Einwendungen erhoben hat) sowie zur Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und zur Revision an den Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerdelegitimation gemäß Art139 B‑VG kommt der antragstellenden Partei in diesem Zusammenhang bereits aus einem Umkehrschluss aus §19 Abs10 UVP-G 2000 nicht zu (VfSlg 17.220/2004 und 19.477/2011).

Freilich ist zu bedenken, dass der nunmehrige Verfahrensgegenstand vor dem Verfassungsgerichtshof kein UVP-Verfahren ist. Eine ebenfalls beschränkte Parteistellung von Umweltorganisationen im Sinne der zitierten Bestimmung sieht lediglich das Burgenländische IPPC-Anlagen-, SEVESO II-Betriebe- und Umweltinformationsgesetz, LGBl Nr 8/2007, in der Fassung des Gesetzes LGBl Nr 79/2013, nämlich in §5 Abs1 Z6 in Verbindung mit §3 Abs2 Z11, vor. Dieses Gesetz war jedoch gegenständlich ebenfalls nicht anzuwenden.

Eine Parteistellung der antragstellenden Partei wird durch die im Verfahren zur Erlassung der gegenständlichen Verordnung anwendbaren Rechtsvorschriften (Burgenländisches Raumplanungsgesetz) nicht eingeräumt.

In Naturschutz- oder Raumplanungsverfahren sieht das Burgenländische Landesrecht keine Parteistellung von Umweltorganisationen vor. Dies ist aber auch unionsrechtlich nicht geboten, da die entsprechenden unionsrechtlichen Vorschriften ebenfalls auf bestimmte Verfahrensgegenstände beschränkt sind. Mangels einschlägigen Unionsrechts ist insofern auch keine entsprechende Legitimation aus vermeintlich unmittelbar anwendbarem Unionsrecht denkbar. Dies gilt auch für die sogenannte Aarhus-Konvention (VwGH 27.4.2012, 2009/02/0239). Mit dem Argument, dass die Bestimmungen des Art9 Abs3 des auch von der antragstellenden Partei zitierten Übereinkommens von Aarhus keine klare und präzise Verpflichtung enthalten, die die rechtliche Situation Einzelner unmittelbar regeln könnte, sprach sich auch der EuGH gegen eine unmittelbare Anwendung dieser Bestimmungen aus (EuGH 8. 3. 2011, C-240/09, Lesoochranárske zoskupenie, Rn. 45, 52).

Im Übrigen hätte selbst bei grundsätzlicher Beschwerdelegitimation die antragstellende Partei keine Rechtsposition, die im Sinne des Art139 Abs1 Z3 B‑VG geschützt wäre. Bei den durch §19 Abs7 UVP-G 2000 vom einfachen Gesetzgeber zu subjektiven Rechten erklärten öffentlichen Interessen handelt es sich nicht um 'echte' subjektive öffentliche Rechte. Dies ergibt sich schon aus dem herkömmlichen Verständnis jener Rechte: Subjektive öffentliche Rechte dienen nicht bloß der Wahrung öffentlicher Interessen, sondern sind zumindest auch dem Schutz bestimmter privater Interessen zu dienen bestimmt (VfSlg 18.659/2008).

Ebenso ist im gegenständlichen Fall die Verordnung nicht 'ohne Erlassung eines Bescheides' wirksam geworden, vielmehr wurde gegenständlich gestützt auf §19 Abs4 in Verbindung mit §18 Abs9 Burgenländisches Raumplanungsgesetz ein Bescheid der Burgenländischen Landesregierung am 23. Juli 2014 erlassen.

Eine behauptete Verletzung ihrer gemäß §19 Abs7 UVP-G 2000 eingeräumten Rechte hätte die antragstellende Partei im dortigen Verfahren geltend machen müssen. Ob eine entsprechende Legitimation überhaupt vorliegt, wäre dort zu prüfen gewesen. Dass die antragstellende Partei im dortigen Verfahren übergangene Partei wäre oder sonstige geeignete Versuche einer Rechtsverfolgung unternommen hätte, ist nicht ersichtlich.

Schließlich zeigt der Antrag nicht auf, welche Schritte der Rechtsverfolgung die antragstellende Partei unternommen hätte. Es wird lediglich einleitend auf eine während der Auflage des Entwurfes zur Flächenwidmungsplanänderung eingebracht[e] Stellungnahme sowie darauf, dass diese nicht berücksichtigt wurde, hingewiesen.

Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art139 Abs1 Z3 B‑VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung — im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit — in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese — im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit — verletzt. Der Antragsteller hat darzustellen, dass kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr der — behaupteten — Rechtswidrigkeit zur Verfügung steht (VfGH 21.02.2014, G56/2013, V43/2013).

Der Antrag bleibt schuldig darzustellen, ob und welche Schritte gegen diese Nichtberücksichtigung unternommen wurden sowie wieso entsprechende Schritte nicht offengestanden wären. Im Übrigen war, wie unten noch ausgeführt wird, eine inhaltliche Berücksichtigung mangels zutreffender Bedenken gar nicht erforderlich.

Die Umwegsunzumutbarkeit darzustellen wurde aber nicht nur von der an-tragstellenden Partei unterlassen, sie liegt auch nicht vor. Ein vermeintlicher Anwendungsvorrang von Unionsrecht könnte schließlich auch in der Form aufgegriffen werden, dass eine Umweltorganisation als vermeintlich übergangene Partei die Erlassung eines Feststellungbescheides oder die Zustellung eines erlassenen Bescheides (wie etwa jenen der Landesregierung zur Genehmigung der Flächenwidmungsplanänderung) verlangt. Wäre ein solcher Antrag mangels Legitimation zurückgewiesen worden, hätte mit einer Beschwerde gegen diesen Bescheid die Parteistellung geltend gemacht bzw. überprüft werden können. Erst nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges wäre (auch) der Verfassungsgerichtshof zu befassen gewesen (etwa VfSlg 18.909/2009).

Im Übrigen wird gegenständlich aber auch keine Verfassungswidrigkeit (substantiert) behauptet, sondern ein bloßes einfachgesetzliches 'Materienproblem'. Der vermeintliche Anwendungsvorrang könnte eben auch grundsätzlich vor jeder Behörde geltend gemacht werden.

Abgesehen von weitgehenden allgemeinen Feststellungsbescheidmöglichkeiten sieht sogar eine gegenständlich einschlägige Bestimmung die Erlassung eines Feststellungsbescheides vor: Gemäß §22e Abs2 Burgenländisches Naturschutz-und Landschaftspflegegesetz ist über eine Naturverträglichkeitsprüfungspflicht mit Feststellungsbescheid der Landesregierung abzusprechen. Ein allfälliger denkmöglicher Anwendungsvorrang, aus dem sich eine Legitimation der antragstellenden Partei zur Geltendmachung von Rechten ergeben sollte, könnte in einem solchen Verfahren behauptet und mit effektiven Rechtsmitteln überprüft werden. Auf die Erfolgschancen des zu Gebote stehenden (Verfahrens-)'Umweges' kommt es dabei nicht an, sondern bloß darauf, dass sich im Zuge eines derartigen Verfahrens eine Rechtsverfolgungsgelegenheit bietet (VfSlg 18.351/2008, 18.739/2009).

Da der Antrag nach Art139 B‑VG an enge Voraussetzungen geknüpft ist, wäre er aus Sicht des Anwendungsvorranges nur als subsidiärer Rechtsbehelf zu sehen und die antragstellenden Partei auf ein anderes Verfahren als zumutbarer Umweg zu verweisen.

Schließlich wäre selbst dann, wenn das Gebot eines effektiven Rechtsbehelfs durch einen Anwendungsvorrang unionsrechtlicher Vorschriften grundsätzlich zu berücksichtigen wäre, der Rechtsschutzsuchende auf das jeweils einschlägige Verfahren zu verweisen und kann nicht irgendein Rechtsmittel ausgewählt werden. Insofern ist auch in diesem Zusammenhang die Umwegszumutbarkeit zu prüfen.

Im Übrigen ist durch die gegenständliche Flächenwidmung keine aktuelle Beeinträchtigung von Umweltschutzvorschriften gegeben. Konkrete Beeinträchtigungen sind in einem Projektbewilligungsvorhaben anhand eines tatsächlich geplanten Eingriffes zu prüfen. Eine mit der Flächenwidmung lediglich eröffnete abstrakte Eingriffsmöglichkeit ist aber nicht als gegenwärtiger Eingriff in die (vermeintlich bestehenden) Rechte zu qualifizieren.

Zusammengefasst ist festzuhalten, dass sich weder aus nationalem Recht, noch aus unionsrechtlichen Vorschriften eine Legitimation oder Rechtsstellung der antragstellenden Partei, die für eine Antragsberechtigung im Sinne des Art139 B‑VG herangezogen werden könnte, ergibt. Schließlich ist das antragsgegenständliche Verfahren vom sachlichen Anwendungsbereich der geltend gemachten Richtlinien nicht erfasst (VwGH 27.4.2012, 2009/02/0239). Wieso gerade im konkreten Verfahren eine Durchsetzbarkeit der vermeintlich unmittelbar anwendbaren Vorschriften stattfinden soll und nicht der allenfalls denkmögliche und zumutbare 'Umweg' über andere Verwaltungsverfahren, in denen eine tatsächliche und unmittelbare Beeinträchtigung zu beurteilen wäre, zugemutet werden kann, zeigt der gegenständliche Antrag nicht auf."

3. Der Gemeinderat der Gemeinde Forchtenstein legte ebenfalls die Verordnungsakten vor und erstattete eine Äußerung, in der er zur Zulässigkeit des Individualantrages im Wesentlichen das Gleiche ausführt wie die Burgenländische Landesregierung.

IV. Erwägungen

Der Antrag ist unzulässig.

1. Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art139 Abs1 letzter Satz B‑VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung – im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).

2. Unbestrittenermaßen ist die Antragstellerin selbst in keiner Weise Adressatin der von ihr bekämpften Normen, sodass die Verordnung nicht in ihre Rechtssphäre unmittelbar eingreift. Sie leiten ihre Antragslegitimation vielmehr aus Art9 Abs3 der Aarhus-Konvention ab, wonach "Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben, um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen".

2.1. Vorausgeschickt sei, dass es sich bei der antragstellenden Partei zweifellos um ein Mitglied der Öffentlichkeit im Sinne des Art2 Z4 der Aarhus-Konvention handelt. Der Umstand, dass die Antragstellerin auch den Begriff der "betroffenen Öffentlichkeit" im Sinne des Art2 Z5 Aarhus-Kovention erfüllt, begründet noch nicht ihre Parteistellung im Sinne des Art9 Abs3 leg.cit., der spezifische-innerstaatliche Kriterien erfordert.

2.2. Die Frage, inwieweit Art9 Abs3 Aarhus-Konvention in Österreich (teilweise) unmittelbar anwendbar ist, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben. Bei der Aarhus-Konvention handelt es sich um ein sogenanntes "gemischtes" Abkommen, dessen Vertragsparteien sowohl die Europäische Union als solche als auch die vertragschließenden Mitgliedstaaten sind; es ist von der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten jeweils in ihrem Wirkungsbereich zu erfüllen. Die Europäische Union hat anlässlich der Ratifikation einen Vorbehalt abgegeben, wonach sie erklärt, dass die geltenden Rechtsakte die Umsetzung der auf Art9 Abs3 des Übereinkommens resultierenden Verpflichtungen nicht zur Gänze abdecken, da sie sich auf Verwaltungs- und Gerichtsverfahren zur Überprüfung von Handlungen und Unterlassungen durch Privatpersonen und Behörden beziehen, die "nicht zu den Einrichtungen der Europäischen Gemeinschaft nach Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe d zählen", und dass demgemäß zum Zeitpunkt der Genehmigung des Übereinkommens durch die Europäische Gemeinschaft die Mitgliedstaaten für die Erfüllung dieser Verpflichtungen verantwortlich sind und dies so lange bleiben, bis die Gemeinschaft allenfalls in Ausübung ihrer Befugnisse nach dem EG-Vertrag die Umsetzung dieser Verpflichtungen abdeckende gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen erlässt.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat hiezu in der Entscheidung Lesoochranárske zoskupenie – aus Sicht des Unionsrechts – festgestellt, dass Art9 Abs3 (aus Sicht des Unionsrechts) "keine klare und präzise Verpflichtung enthalten, die die rechtliche Situation Einzelner unmittelbar regeln könnte", sodass die Durchführung und die Wirkungen dieser Vorschrift vom Erlass eines weiteren Rechtsakts abhänge. Dies schließt es nicht grundsätzlich aus, dass aus mitgliedstaatlicher Sicht vor dem Hintergrund der Rechtsordnung des Mitgliedstaates Art9 Abs3 Aarhus-Konvention unmittelbar anwendbar sein könnte. Wie der Gerichtshof der Europäischen Union in der erwähnten Entscheidung weiter auch festgestellt hat, hat ein nationales Gericht jedenfalls sein nationales Recht im Hinblick auf die Gewährung eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes in den vom Umweltrecht der Union erfassten Bereichen so auszulegen, dass es soweit wie möglich im Einklang mit den in Art9 Abs3 des Übereinkommens von Aarhus-Konvention festgelegten Zielen steht.

2.3. Die Zuständigkeiten des Verfassungsgerichtshofes werden durch Bestimmungen im Verfassungsrang festgelegt, im konkreten Fall Art139 Abs1 Z3 B‑VG (VfSlg 17.220/2004, 17.847/2006). Eine Zuständigkeit von Mitgliedern der Öffentlichkeit im Sinne des Art9 Abs3 Aarhus-Konvention, Verordnungen vor dem Verfassungsgerichtshof zu bekämpfen, könnte daher nur durch eine Verfassungsbestimmung bewirkt werden, eine solche existiert nicht. Die bestehenden Vorschriften des Art139 B‑VG lassen sich auch im Lichte des Art9 Abs3 Aarhus-Konvention nicht in der Weise auslegen, dass Umweltschutzorganisationen, die nicht in subjektiven Rechten unmittelbar betroffen sind, umweltrelevante Vorschriften im Verordnungsrang bekämpfen könnten; dies unabhängig davon, ob sie unter das Umweltrecht der Europäischen Union fallen oder im von den Mitgliedstaaten selbständig umzusetzenden Bereich der Verpflichtungen der erwähnten europäischen Verträge zum Schutz der Umwelt liegen.

V. Ergebnis

1. Der Antrag ist daher bereits aus diesem Grund als unzulässig zurückzuweisen, ohne dass zu prüfen ist, ob seiner meritorischen Erledigung noch weitere Prozesshindernisse entgegenstehen.

2. Dieser Beschluss konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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