Normen
B-VG Art139 Abs1 Z3
B-VG Art140 Abs1 Z1 litc
Oö SexualdienstleistungsG §3 Abs4, §4, §19 Abs3
Oö PolStG §2 Abs2
ProstitutionsV des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz vom 17.04.2008 idF vom 14.08.2008
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2014:G56.2013
Spruch:
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Der Antragsteller ist Miteigentümer einer Liegenschaft mit der Adresse Dinghoferstraße 55, 4020 Linz, und beabsichtigt, in einem Geschäftslokal, das im Erdgeschoß des auf dieser Liegenschaft befindlichen Hauses liegt, ein Bordell zu betreiben oder dieses Geschäftslokal zum Zweck des Betriebs eines Bordells zu verpachten. Mit den vorliegenden, auf Art139 und Art140 B‑VG gestützten Individualanträgen begehrt der Antragsteller, die Verordnung des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz, "kundgemacht im Amtsblatt der Landeshauptstadt Linz zu Nr 17, vom 08.09.2008", und die Bestimmungen des §3 Abs4 und des §19 Abs3 des Oö. Sexualdienstleistungsgesetzes (Oö. SDLG), LGBl 80/2012 idF LGBl 4/2013, als gesetz- bzw. verfassungswidrig aufzuheben sowie festzustellen, dass die Bestimmung des §2 Abs2 des Oö. Polizeistrafgesetzes (Oö. PolStG), LGBl 36/1979 idF LGBl 77/2007, verfassungswidrig war.
2. Zu seiner Antragslegitimation bringt der Antragsteller Folgendes vor:
2.1. Die angefochtene Verordnung und die angefochtenen Gesetzesbestimmungen stünden der Aufnahme des Betriebs eines Bordells im oben genannten Geschäftslokal entgegen, wodurch die wirtschaftliche Nutzung dieses Geschäftslokales erschwert werde. Auch könne der Antragsteller seiner Erwerbstätigkeit nicht nachgehen oder aus einer allfälligen Verpachtung des Geschäftslokales zum Zweck des Betriebs eines Bordells Einkünfte erzielen. Eine Anfrage beim Bezirksverwaltungsamt des Magistrates der Landeshauptstadt Linz habe ergeben, dass die Behörde eine Bewilligung zum Betrieb eines Bordells nicht erteilen würde. Da die angefochtene Verordnung, mit der die Anbahnung oder Ausübung der Prostitution in bestimmten Gebäuden verboten wird, "völlig unbegründet diverse Gebäude im Stadtbereich von Linz herausfiltert", werde "in die dem Eigentumsrecht im Sinne des Art5 StGG zuordenbare Wirtschaftssphäre, aber auch in die Erwerbsfreiheit gemäß Art6 StGG des [Antragstellers] direkt und unmittelbar eingegriffen."
2.2. Die Übergangsbestimmung des §19 Abs3 Oö. SDLG, wonach Verordnungen, die auf Grund früherer gesetzlicher Bestimmungen erlassen wurden, als Verordnungen auf Grund des Oö. SDLG gelten, wenn sie auf dieses Gesetz gestützt werden können, greife deshalb unmittelbar in die Rechtspositionen des Antragstellers ein, weil diese Bestimmung zum einen keine Kriterien festlege, anhand welcher die Weitergeltung von Verordnungen zu beurteilen wäre, und zum anderen wiederum auf die angefochtene Bestimmung des §3 Abs4 Oö. SDLG verweise, welche "abweichend von der Bestimmung des §6 Abs1 Oö. SDLG der Behörde zusätzlich eine Berechtigung zur Erlassung einer Verbotsverordnung einräumt, ohne dazu jedoch nähere Kriterien anzuführen".
2.3. Der Antragsteller behauptet ferner, dass es ihm nicht zumutbar sei, die Bewilligung des Betriebs eines Bordells zu beantragen, da er nicht mit einer positiven Erledigung dieses Antrags rechnen könne.
3. Die Oö. Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie den Antrag stellt, der Verfassungsgerichtshof möge die Individualanträge als unzulässig zurückweisen, in eventu als unbegründet abweisen. Der Stadtsenat der Landeshauptstadt Linz erstattete eine Äußerung, in der er den Antrag stellt, der Verfassungsgerichtshof möge die Individualanträge als unbegründet abweisen.
II. Rechtslage
1. Die angefochtene Verordnung des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz vom 14. August 2008, mit welcher die Verordnung des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz vom 17. April 2008 (Amtsblatt 12/2008) geändert wird, kundgemacht im Amtsblatt Nummer 17 vom 8. September 2008, lautet:
"Artikel I
Dem §1 der Verordnung des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz vom 17.4. 2008 werden folgende Adressen hinzugefügt:
Rosenbauerstraße 11
Franzosenhausweg 57
Artikel II
Diese Verordnung tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung im Amtsblatt der Landeshauptstadt Linz in Kraft."
2. Die Verordnung des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz vom 17. April 2008 (Amtsblatt 12/2008) lautet wie folgt:
"§1
Die Nutzung der nachstehend angeführten Gebäude zum Zweck der Anbahnung oder Ausübung der Prostitution ist verboten:
[…]
5. Dinghoferstraße 55
[…]
§2
Diese Verordnung tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung im Amtsblatt der Landeshauptstadt Linz in Kraft."
3. Der angefochtene §2 Abs2 des Oö. Polizeistrafgesetzes (Oö. PolStG), LGBl 36/1979 idF LGBl 77/2007, lautet:
"§2
Prostitution
(1) […]
(2) Die Nutzung bestimmter Gebäude, Gebäudeteile oder Gruppen von Gebäuden zum Zweck der Anbahnung oder Ausübung der Prostitution ist in der Nähe von Kirchen, Friedhöfen, Krankenanstalten, Schulen, Kindergärten, Kinder- und Jugendspielplätzen, Jugendheimen und dergleichen verboten. Überdies kann die Gemeinde die Nutzung bestimmter Gebäude, Gebäudeteile oder Gruppen von Gebäuden des Gemeindegebietes zum Zweck der Anbahnung oder Ausübung der Prostitution durch Verordnung untersagen, wenn durch diese Tätigkeit
1. die Nachbarschaft in unzumutbarer Weise belästigt wird oder
2. das örtliche Gemeinwesen gestört wird oder eine solche Störung zu erwarten ist oder
3. sonstige öffentliche Interessen, insbesondere solche der Ruhe, Ordnung und Sicherheit oder des Jugendschutzes, verletzt werden oder eine solche Verletzung zu erwarten ist.
(3) - (6) […]"
Diese Bestimmung ist gemäß §19 Abs2 des Oö. Sexualdienstleistungsgesetzes (Oö. SDLG), LGBl 80/2012, mit Ablauf des 28. September 2012 außer Kraft getreten.
4. Die §§3, 4, 6 und 19 des Oö. Sexualdienstleistungsgesetzes (Oö. SDLG), LGBl 80/2012 idF LGBl 4/2013, lauten (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):
"§3
Verbotsbestimmungen
(1) - (3) […]
(4) Die Gemeinde kann die Nutzung bestimmter Gebäude oder Gebäudeteile zum Zweck der Anbahnung oder Ausübung der Sexualdienstleistung durch Verordnung untersagen oder zeitlich einschränken, wenn zu erwarten ist, dass durch diese beabsichtigte Nutzung
1. die Nachbarschaft in unzumutbarer Weise belästigt wird oder
2. öffentliche Interessen, insbesondere solche der Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder des Jugendschutzes, verletzt werden.
§4
Bewilligungspflicht
(1) Ein Bordell darf nur mit Bewilligung der Gemeinde betrieben werden (Bordellbewilligung). Jede wesentliche Änderung des Bordellbetriebs bedarf vor ihrer Ausführung ebenfalls der Bewilligung.
(2) Die Bewilligung ist zu erteilen, wenn die persönlichen (§5) und sachlichen (§6) Voraussetzungen erfüllt sind. Sie ist zu befristen, mit Auflagen oder unter Bedingungen zu erteilen, soweit dies zur Wahrung der öffentlichen Interessen sowie zur Wahrung der Interessen der Personen, welche die Sexualdienstleistungen anbahnen oder ausüben, erforderlich ist.
(3) […]
§6
Sachliche Voraussetzungen
(1) Die Bewilligung darf nur erteilt werden, wenn
1. […]
2.
für den beantragten Standort kein Verbot durch eine Verordnung der Gemeinde gemäß §3 Abs4 erlassen wurde;
3. - 6. […]
(2) […]
§19
Schluss- und Übergangsbestimmungen
(1) […]
(2) Mit Inkrafttreten dieses Landesgesetzes treten die §§2, 2a und 10 Abs1 litc Oö. Polizeistrafgesetz außer Kraft.
(3) Die auf Grundlage von §2 Abs2 Oö. Polizeistrafgesetz erlassenen Verordnungen gelten als Verordnungen nach §3 Abs4 dieses Landesgesetzes, sofern sie auf dieses Landesgesetz gestützt werden können.
(4) - (6) […]"
III. Erwägungen
Die Anträge sind unzulässig.
1.1. Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art139 Abs1 Z3 B‑VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung – im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt.
Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Artund Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).
Der Antrag, der sich der Sache nach gegen Bestimmungen der Verordnung des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz vom 17. April 2008 in der geltenden Fassung richtet, ist unzulässig, da – sofern der Antragsteller beabsichtigt, in dem im Antrag bezeichneten Geschäftslokal ein Bordell zu betreiben – es ihm jedenfalls zumutbar ist, hiefür gemäß den §§4 ff. Oö. SDLG eine Bewilligung einzuholen. Er hat sohin die Möglichkeit, einen Bescheid zu erwirken, den er nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzugs beim Verfassungsgerichtshof bekämpfen kann (vgl. VfSlg 16.686/2002) und Bedenken gegen die den Bescheid tragenden Vorschriften vorzubringen. Dass der Antrag gemessen an der Rechtslage vorerst aussichtslos erscheinen mag, ändert an der Zumutbarkeit dieses Weges nichts (vgl. VfSlg 18.151/2007; VfGH 27.6.2012, G22/12).
1.2. Die auf Art140 B‑VG gestützten Anträge beziehen sich auf eine bereits außer Kraft getretene Verordnungsermächtigung, eine Verordnungsermächtigung und eine Übergangsbestimmung. Der Verfassungsgerichtshof hat stets die Auffassung vertreten, dass eine (unmittelbare) Anfechtung von Verordnungsermächtigungen, die an Verwaltungsorgane gerichtet sind, nicht zulässig ist, weil sie erst durch die Erlassung der konkreten Verordnung für deren Adressaten wirksam werden und dadurch allenfalls Eingriffe in die Rechtssphäre einer Person zu bewirken vermögen (vgl. zB VfSlg 14.781/1997, 15.332/1998, 15.929/2000, 16.615/2002).
Die (Mit-)Anfechtung der einer Verordnung zugrunde liegenden gesetzlichen Ermächtigung ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes dann zulässig, wenn die – unmittelbar in die Rechtssphäre des Antragstellers eingreifende – Verordnung bereits erlassen wurde (vgl. VfSlg 15.316/1998, 16.808/2003). Sofern der Antragsteller aber beabsichtigt, das bezeichnete Geschäftslokal in Bestand zu geben, greift die angefochtene Verordnung nicht unmittelbar in die Rechtssphäre des Antragstellers ein (vgl. VfSlg 9042/1981, 9254/1981, 12.498/1990, 14.069/1995 zu Anträgen von Hauseigentümern betreffend die Aufhebung von Prostitutionsverbotsverordnungen; vgl. aus jüngerer Zeit VfGH 11.6.2012, G56/12 ua. betreffend die bloß wirtschaftliche Betroffenheit eines Vermieters). Die auf Art140 B‑VG gestützten Anträge erweisen sich somit von vornherein als unzulässig. Im Übrigen hat es der Antragsteller verabsäumt darzulegen, aus welchem Grund die Übergangsbestimmung des §19 Abs3 Oö. SDLG unmittelbar in seine Rechtssphäre eingreift.
2. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne vorangegangene mündliche Verhandlung beschlossen werden.
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