BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2023:L517.2268492.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. NIEDERWIMMER als Vorsitzenden und den Richter Mag. Dr. STEININGER und den fachkundigen Laienrichter Mag. SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Salzburg, vom 14.02.2023, OB: XXXX , in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF iVm § 1 Abs 2, § 40 Abs 1, § 41 Abs 1, § 42, § 45 Abs 1 und 2, § 47 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl. Nr. 283/1990 idgF iVm § 1 Abs 4 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idgF, stattgegeben und aufgrund des ermittelten Sachverhaltes festgestellt, dass die Voraussetzungen hinsichtlich der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass iSd zitierten Bestimmungen des BBG vorliegen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idgF, nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
12.12.2022 – Anträge der beschwerdeführenden Partei („bP“) auf Ausstellung eines Behindertenpasses, Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ in den Behindertenpass und Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung 1960 (Parkausweis) beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Salzburg (belangte Behörde, „bB“)
23.01.2023 - Erstellung eines Sachverständigengutachtens (Facharzt für Chirurgie), GdB 50 v.H., Dauerzustand, Zusatzeintragung „Osteosynthesematerial“, Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittels
23.01.2023 – Parteiengehör
06.02.2023 – Stellungnahme der bP
13.02.2023 - Erstellung eines Sachverständigengutachtens (Facharzt für Chirurgie), Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittels
14.02.2023 - Bescheid der bB: Abweisung des Antrages der bP auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ in den Behindertenpass
15.02.2023 – Versendung des unbefristet gültigen Behindertenpasses mit einem GdB von 50% und der Zusatzeintragung „Der Inhaber/die Inhaberin des Passes ist TrägerIn von Osteosynthesematerial“
03.03.2023 – Beschwerde der bP gegen den die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel abweisenden Bescheid
14.03.2023 – Beschwerdevorlage am Bundesverwaltungsgericht
30.07.2023 - Erstellung eines Ergänzungsgutachtens, Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel
16.09.2023 - Erstellung eines Sachverständigengutachtens, Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel
II. Feststellungen (Sachverhalt)
Die bP ist österreichischer Staatsangehöriger und an der im Akt ersichtlichen Adresse im Bundesland Salzburg wohnhaft.
Am 12.12.2022 stellte die bP die Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ in den Behindertenpass und Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung 1960 (Parkausweis) bei der bB.
Ein im Auftrag der bB nach der Einschätzungsverordnung erstelltes Sachverständigengutachten vom 23.01.2023 (Facharzt für Chirurgie), welches einen Grad der Behinderung von 50 v.H. sowie die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel feststellte, weist im Wesentlichen nachfolgenden relevanten Inhalt auf:
„Anamnese:
Nach Leitersturz am 26.11.2020 inkomplette Berstungsfraktur im Niveau L3, zunächst konservatives Prozedere, dann Operation mit dorsaler Fusion, zementaugmentiert von L1-L5. Keine neurologischen Ausfälle.
2002 rechtshemisphärischer Insult mit Hemiparese linksseitig mit weitgehender Remission, ohne motorisch/sensible Defizite, subjektiv aber gestörtes Kälte-/Wärmeempfinden beinbetont.
2015 nicht näher definierte Tumorerkrankung am Dickdarm mit operativer Sanierung (keine Chemotherapie) mit Rezidivfreiheit seither. Behandlung/Nachbehandlung definitiv abgeschlossen, keine Rezidivkontrollen.
Zustand nach Prostatahyperplasie/-operation vor 5 oder 6 Jahren ohne weitere Beschwerden.
Hypertonie-Anamnese.
Derzeitige Beschwerden:
Im Vordergrund stünde die Lendenwirbelsäule, es würden Spontan- und Belastungsschmerzen vorliegen, eine Schmerzausstrahlung an das linke Bein wäre gegeben. Motorische Defizite oder sensible Ausfälle lägen nicht vor.
Seitens des Insultes keine manifest motorisch/sensiblen Defizite, eine gewisse Schwindelneigung beim rasch Umdrehen würde beobachtet. Das Temperaturempfinden sei an den linken Extremitäten etwas eingeschränkt.
Subjektiv eingeschätzte Gangleistung: Mit Stockhilfe bis 200 m unterbrechungsfrei, ein Rollator wird bedarfsweise verwendet.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Behandlungen: Keine laufend.
Medikamente: Calciduran 500 mg/800 I.E. 1 x 1, Thrombo ASS 100 mg 1 x 1, Lercanidipin 1 x 1, Valsartan 1 x 1
Hilfsmittel: Stützstock, Rollator
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Arztbrief XXXX klinikum vom 01.01.2021:
Zustand nach zementaugmentierter dorsaler Fusion bei L3, Berstungsfraktur (UKH 21.12.2021).
Krankengeschichte des UKH XXXX vom 23.12.2020:
Diagnose: Fract. corpus L3 non recens
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
Stabil.
Ernährungszustand:
Adipös.
Größe: 176,00 cm Gewicht: 114,00 kg Blutdruck:
Klinischer Status – Fachstatus:
Herr XXXX kommt gehend mit Konfektionsschuhen zur Begutachtung, es wird eine Stützkrücke verwendet, das Gangbild soweit stabil. Auskleiden kombiniert im Sitzen und im Stehen ohne Fremdhilfe.
Der Barfußgang auf ebenem Boden voll belastend, aber disharmonisch, wesentlich seitengleich schrittverkürzt, linksrechtshinkend.
Der Zehenballenstand unsicher, der Einbeinstand unsicher, der Fersenstand wird nicht überprüft.
BECKENRING, UNTERE EXTREMITÄTEN:
Becken stabil, Schiefstand, links niedriger wie rechts, die Beinachsen linksbetont beidseitig varisch (unter 10°), die periphere Sensibilität, Durchblutung und Motorik soweit ungestört. Die Füße weisen eine beidseitige Senk-/Spreizfuß-Bildung auf.
Hüften äußerlich unauffällig, aktiv/passiv soweit freie Hüftfunktion, keine Schmerzprovokation.
KNIEGELENKE:
Beidseitig varisch, reizlos, frei beweglich, Bänder jeweils stabil.
Linksseitig Patellakrepitation beim passiv Durchbewegen mit Anpressschmerz.
Sprunggelenke bandstabil, die Sprunggelenkgabeln geschlossen, soweit freies Bewegungsmuster.
BEWEGLICHKEIT:
Hüfte:
S 0/0/110 -seitengleich
Knie:
S 0/0/135 – seitengleich
Sprunggelenk:
S 10/0/45 – seitengleich
UMFANGMASZE:
Oberschenkel (10 cm proximal der Patella):
55 cm – seitengleich
Größter Wadenumfang:
RECHTS: 40 cm, LINKS: 39 cm
WIRBELSÄULE:
HWS:
Orthograde Achsenverhältnisse, keine Myogelose, freies Bewegungsmuster mit R 80/0/80 ohne Schmerzprovokation. Die oberen Extremitäten motorisch und sensibel frei.
BWS/LWS:
(Untersuchung im Sitzen)
Orthograde Achsenverhältnisse, mäßige Gibbusbildung an der unteren BWS. Die LWS soweit orthograd, mehrfache Inzisionsmarken paraspinos an der oberen und unteren LWS, jeweils beidseitig bis 5 cm Länge.
Eingeschränktes Bewegungsmuster im Stand mit Flexion bis 30°, Schonhaltung beim Lagewechsel vom Sitzen zum Liegen sowie umgekehrt.
Punktueller Druckschmerz an der unteren LWS – L5/S1.
Keine manifest motorischen Defizite an den unteren Extremitäten, keine manifest sensiblen Defizite.
SCHULTERGÜRTEL, OBERE EXTREMITÄTEN:
Schultergürtel symmetrisch, Schulterkonturen seitengleich, die Armumfänge seitengleich, Fingermotorik, -durchblutung, -sensibilität intakt, Faustschluss beidseits mittelkräftig.
Die großen Gelenke bandstabil und seitengleich frei beweglich.
THORAX, ABDOMEN:
Thorax symmetrisch, seitengleiche Atemexkursion, Abdomen massiv über Thoraxniveau, mediane Laparotomienarbe von subxiphoidal bis suprapubisch mit instabiler Narbe am Mittelbauch und Bruchbildung ohne Inkarzeration, im Durchmesser von klinisch 4 – 5 cm, ohne Bruchinhalt, ohne subjektive Beschwerden.
Gesamtmobilität – Gangbild:
Eingeschränkte Gesamtmobilität, begrenzt eingeschränktes Gangbild mit Stützstockbedarf.
Status Psychicus:
Orientierend unauffällig.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions-einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
1 Zustand nach Kompressionsbruch des 3. Lendenwirbelkörpers mit polysegmentaler Versteifungsoperation L1-L5, Bewegungs- und Belastungsschmerzen ohne Lähmungen, Störung des Gangbildes.
Auswahl der gegebenen Position im Sinne einer mittelgradigen Funktionseinschränkung, oberer Rahmensatz bei maßgeblichen Einschränkungen im Alltag ohne höhergradigen Schmerzmittelbedarf.
Pos.Nr. 02.01.02
GdB 40%
2 Zustand nach rechtshemisphärischem Insult mit subjektiv gestörtem Temperaturempfinden an den linken Extremitäten, ohne motorisch/sensible Defizite, leichte Schwindelneigung.
Auswahl der gegebenen Position mit unterem/mittlerem Rahmensatz bei Insultfolgen leichten Grades.
Pos.Nr. 04.01.01
GdB 20%
3 Varusgonarthrosen beidseitig, Retropatellararthrose links, freies Bewegungsmuster ohne Reizzustand und ohne Schmerzhaftigkeit.
Auswahl der gegebenen Position im Sinne einer geringgradig beidseitigen Funktionseinschränkung mit unterer Rahmensatzanwendung.
Pos.Nr. 02.05.19
GdB 20%
4 Narbenhernie am Mittelbauch
Position und unterer Rahmensatz bei subjektiv fehlenden Beschwerden, Bruch ohne Prolaps , ohne Einklemmungstendenz.
Pos.Nr. 07.08.01
GdB 10%
5 Arterielle Hypertonie.
Position und Rahmensatz bei medikamentöser Kompensation.
Pos.Nr. 05.01.01
GdB 10%
Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Stufenerhöhung der führenden Position lfd. Nr. 1 durch die Position lfd. Nr. 2 + 3 um insgesamt 1 Stufe, keine Stufenerhöhung durch die Position lfd. Nr. 4 + 5 wegen Geringfügigkeit/fehlender wechselnder Leidensbeeinflussung.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Zustand nach Darmtumoroperation vor 7 Jahren mit Rezidivfreiheit und fehlenden Beschwerden.
[X] Dauerzustand
Aufgrund der vorliegenden funktionellen Einschränkungen liegen die medizinischen Voraussetzungen für die Vornahme nachstehender Zusatzeintragungen vor:
[X] Die / Der Untersuchte ist Trägerin oder Träger von Osteosynthesematerial
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum? Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist nach Maßgabe des aktuell orthopädisch-traumatologischen Funktionsstatus zumutbar, kurze ebene Wegstrecken sind stabil, gegebenenfalls unter Verwendung eines Stützstockes zu bewältigen, welches auch für den sicheren Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln zutrifft.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt ein Immundefekt vor im Rahmen dessen trotz Therapie erhöhte Infektanfälligkeit und wiederholt außergewöhnliche Infekte wie atypische Pneumonien auftreten? Nein.
Folgende Gesundheitsschädigungen im Sinne von Mehraufwendungen wegen Kranken-diätverpflegung liegen vor, wegen:
Erkrankungen des Verdauungssystems, Hypertonie (Pos.05.01) und Herzerkrankungen nach Pos. 05.02. sowie 05.05. bis 05.07.
GdB: 10 v.H.
Begründung:
Krankendiät nach D3 bei Hypertonie.“
Am 23.01.2023 wurde der bP Parteiengehör gewährt.
In ihrer Stellungnahme vom 06.02.2023 gab die bP an, dass zwar eine Bushaltestelle im Nahbereich ihrer Wohnadresse existiere, es ihr jedoch mit Krückstock bzw. Rollator nicht gelinge, die 3 Stufen in den Bus zu bezwingen. Die angeführten 200m Gangleistung seien je nach momentaner Schmerzsituation nicht immer erreichbar. Weiters bestehe in ganz XXXX Kurzparkzone, teilweise mit einer halben Stunde Parkdauer, weshalb sie aufgrund der Überziehung der Parkdauer des öfteren Probleme mit der Parkaufsicht habe, welche meinte, sie solle sich um einen Behindertenparkausweis kümmern.
Das in der Folge im Auftrag der bB am 13.02.2023 erstellte medizinische Gutachten des bereits betrauten Sachverständigen stellte erneut im Ergebnis fest, dass ein Grad der Behinderung von 50% vorliegt und die Voraussetzungen für die Eintragung der „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ nicht gegeben ist. Es weist Hinblick auf die Beurteilung der Frage der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nachfolgenden Inhalt auf:
„Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum? Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist nach Maßgabe des aktuell orthopädisch-traumatologischen Funktionsstatus zumutbar, kurze ebene Wegstrecken sind stabil, gegebenenfalls unter Verwendung eines Stützstockes zu bewältigen, welches auch für den sicheren Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln zutrifft. Hierzu ist festzustellen, dass die Funktion der unteren Extremitäten - muskulär und sensibel neurologisch keine Ausfälle aufweist, und ebenso auch ein seitengleich stabiler, uneingeschränkter Gelenkstatus der großen Gelenke vorliegt. Eine relative Gangunsicherheit mit Kurzschrittigkeit ist nicht zenral post Insult und nicht spinal-neurologisch bedingt, sondern entspricht - soweit nachvollziehbar und nach (neurologisch) fehlender Befundlage einer Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule nach operativer Versteifung. Die Funktion der oberen Extremitäten ist ungestört und ist damit in Summe eine Sicherheit bei Transport und Be- wie Entsteigen öffentlicher Verkehrsmittel gewährleistet. Eine Schwindelneigung ist (so wie der aktuelle chirurgisch/orthopädische Status) nicht weiter befunddokumentiert, eine höhergradige Einschränkung / Unsicherheit hierdurch nicht belegt und nach Maßgabe einer gegebenen PKW Fahrtauglichkeit auch nicht anzunehmen.“
Mit Bescheid der bB vom 14.02.2023 wurde der Antrag der bP auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ in den Behindertenpass abgewiesen.
Am 16.02.2023 wurde der unbefristet ausgestellte Behindertenpass mit einem GdB von 50% und der Zusatzeintragung „Der Inhaber/die Inhaberin des Passes ist TrägerIn von Osteosynthesematerial“ an die bP versendet.
Mit am 03.03.2023 eingelangter Beschwerde gegen den die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel abweisenden Bescheid verwies die bP auf ihre Ausführungen in ihrer Stellungnahme.
Am 14.03.2023 erfolgte die Beschwerdevorlage am Bundesverwaltungsgericht.
Das im Auftrag des BVwG am 30.07.2023 erstellte Ergänzungsgutachten des Facharztes für Chirurgie weist nachfolgenden relevanten Inhalt auf:
„Der Beschwerdeführer war zum Zeitpunkt der in Rede stehenden gutachterlichen Untersuchung vom 17.01.2023, 72 Jahre alt, er unterstand keiner laufenden medizinisch ärztlichen Therapie und gab nachstehende Dauermedikation an: 1 Osteoporosepräparat, 1 Blutdrucksenker, 1 Thrombosehemmer.
Aktuell krankengeschichtlich fehlten Befunde für manifest funktionell motorische oder sensible Ausfälle der unteren Extremitäten und fanden sich hierzu die großen Gelenke bandstabil und soweit frei beweglich. Ebenso war die Krankengeschichte für die oberen Extremitäten leer und ein jeweils seitengleich freier Funktionsstatus gegeben. Mit beidseitigen, geringen O-Beinfehlstellungen lagen moderate Abnützungen beider Kniegelenke mit subjektiv schmerzfreien Arthrosen ohne besonderem Reizzustand vor. Maßgebliche Einschränkungen resultierten aus einem Wirbelsäulenleiden nach Wirbelbruch an der Lendenwirbelsäule (3. LWK) mit operativer Abstützung an allen 5 Wirbelsegmenten, stabiler Ausheilung aber – nachvollziehbarer Bewegungseinschränkung und lokal/regionaler Schmerzhaftigkeit – ohne Lähmungen, sowie ohne regelmäßigen Schmerzmittelbedarf. Letztere wurden i. R. der Einschätzung auch nach den Usancen und Vorgaben der Einschätzungsverordnung als „maßgebliche Einschränkungen im Alltag unter Anwendung eines erhöhten Rahmensatzes (30-40%) mit 40 % GdB bewertet. Der beschuhte Gang zeigte sich mit normalen Straßenschuhen stabil, es wurde hierzu 1 Stützkrücke mitgeführt wozu der Berufungswerber erklärend eine Schmerzausstrahlung am linken Bein bei Belastung geltend machte und subjektiv eine unterbrechungsfreie Gangleistung mit (mindestens) 200 Meter angegeben hatte. Eine regelhafte Verwendung eines Rollators war nicht zu erheben, wie auch die vorgelegene Krankengeschichte keinen medizinischen Bedarf (Verordnung) eines solchen dokumentiert hatte. Mit einem „begrenzt eingeschränkten" - also gering bis mittel, nicht mittel bis stark eingeschränkten „Gangbild" umschreibt das gegenständlichen SVGutachten in Summe ein begrenztes Maß einer Gangstörung. Eine solche begrenzte Gangstörung - wie sie gegenständlich auch bei Beschreibung von Barfußgang, barfuß - Einbeinstand und barfuß - Zehenballenstand zum Ausdruck kam, ist üblicher Weise und so auch gegenständlich zutreffend – durch Verwendung stabilen Schuhwerkes und bedarfsweise zusätzlicher Verwendung einer Stützhilfe - wie Stützstock oder Stützkrücke durchaus soweit kompensierbar dass ausreichende Gangleistungen an ebenen Gehstrecken unterbrechungsfrei absolviert werden können. Dies trifft auch auf eine Möglichkeit einer stabilen Stiegen- und Stufenbenützung zu: Der motorische Gesamtstatus des Beschwerdeführers bot - so wie die vorgelegte, aktuell schriftliche Krankengeschichte, keinen fassbaren medizinischen, orthopädisch/traumatologischen Befund, welcher eine Überwindung von Stufen unmöglich machte. Wiewohl stabiles Stufengehen nicht Teil einer gutachterlichen Exploration ist, zeigte der stattgehabte Unteruchungsgang mit seitengleich demonstrierter Vollbelastbarkeit der Beine (Stützstock frei) und Ausleiden im Stand (teilweise) eine durchaus moderate Beinstabilität. Eine Besteigung öffentlicher Verkehrsmittel wird üblicher Weise durch seitlich angebrachte Haltegriffe messbar erleichtert. Hierzu werden funktionsintakte obere Extremitäten benötigt, mit welchen der Beschwerdeführer - laut Gutachtenbefund einschränkungslos ausgestattet ist. Es ist also durchaus zuzumuten sich beim Besteigen eines öffentlichen Verkehrsmittels mit einer Hilfshand stabil an einem Haltegriff zu fxieren, wofür für die Gegenhand eine Führung für einen bedarfsweisen Stützstock zur zusätzlichen Unterstützung verbliebe. Richtig ist, dass der Beschwerdeführer bei einer Körpergröße von 176 cm ein Körpergewicht von 114 Kg aufweist, bzw. bei Gutachtenerstellung aufgewiesen hatte. Eine solche Erschwernis ist aber - per se nach der Einschätzungsverordnung nicht zu berücksichtigen. Stellungnahme zur schriftlichen Einwendung des Beschwerdeführers (handschriftlich vom 02.02.2023):
1. Zur Bezwingung von 3 Busstufen - siehe Ausführungen oben.
2. Über den Umstand einer Gesamtkurzparkzone in XXXX : Dass im gesamten Ortsgebiet XXXX angeblich Kurzparkzonen von gerade einmal 30 Minuten Parkerlaubnis eingerichtet sind, ist durchaus bedauerlich. Dieser Umstand stellt aber kein Kriterium einer Unzumutbarkeit einer Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dar und verhält sich dieser vergleichbar mit einem von einer Haltestelle weit entfernten Wohnort: Eine überdurchschnittlich große Distanz zur Erreichung öffentlicher Verkehrsmittel ist ebenfalls kein positives Kriterium für eine Unzumutbarkeit. Die bedauerliche Kurzparkregelung XXXX betrifft übrigens die gesamte Einwohner- und Besucherschaft.
3. Zur Feststellung nach welcher 200 Meter Gangleistung je nach momentaner Schmerzsituation nicht immer erreichbar wären: Laut gutachterlicher Untersuchung und Befragung lag eine durchaus kompensierte Schmerzsituation vor: Laut Angaben des Beschwerdeführeres wurde eine regelhafte Einnahme von Schmerzmitteln negiert, und war
insbesondere auch keine Einnahme etwaiger Morphinderivate - also schwerer Schmerzmittel zu erheben, bzw. eine solche vielmehr auszuschließen. Bei entsprechendem Bedarf wäre eine Schmerzmitteleinnahme auch zumutbar. Grundsätzlich hat das gegenständliche Gutachtenergebnis einen schweren Behindertenstatus des Beschwerdeführers als Gesamtgrad einer Behinderung in Höhe von 50% ergeben. Es ist ja durchaus denkbar, dass sich im Laufe des abgelaufenen Halbjahres seit Begutachtung, eine messbare und damit auch einschätzungsrelevante Verschlechterung eines Mobilitätsstatus mit Chronizität eingestellt hatte. Für diesen Fall wäre eine Neubegutachtung zum nächst möglichen Zeitpunkt nahezulegen und empfehlenswert.“
Aufgrund der Aussagen des unfallchirurgischen Sachverständigen wurde dieser mit der Erstellung eines Gutachtens mit Untersuchung betraut, welches, erstellt am 16.09.2023, die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel feststellte und nachfolgenden Inhalt aufweist:
„Anamnese:
Siehe Vorgutachten vom 17. 01. 2023.
Nach Leitersturz am 26. 11. 2020 LWS-Verletzung ohne Neurologie mit inkomplettem Berstungsbruch des 3. Lendenwirbelkörpers.
Sekundäre Operation mit dorsaler Fusion unter Zementaugmentierung von L1-L5, postoperativ keine neurologischen Ausfälle.
2002 rechtshemisphärischer Insult mit Hemiparese links und sekundärer Remission. Subjektiv anhaltend gestörtes Kälte-/Wärmeempfinden beinbetont links.
2010 Dickdarmtumorerkrankung mit operativer Sanierung und Teilresektion/Hemikolektomie rechts 12/2010 bei tubulärem Adenokarzinom ohne Chemotherapie. Rezidivfrei. Behandlung definitiv abgeschlossen, keine Verlaufskontrollen. Zustand nach Prostatahyperplasie und Operation 2017. Hypertonie-Anamnese. Von 18. 06. 2023-20. 06. 2023 stationäre Abklärung an der Inneren Medizin des XXXX bei prolongiert respiratorischem Infekt/Pneumonie nach 12. 06. 2023. Diabetes mellitus Typ 2, nur diätetisch therapiert.
Derzeitige Beschwerden:
Im Vordergrund stünden anhaltende Beschwerden der Lendenwirbelsäule, Spontan- und
Belastungsschmerzen, Schmerzausstrahlung an das linke Bein ohne Muskel- oder Gefühlsausfälle.
Eine anhaltende Störung des Temperaturempfindens sei linksseitig gegeben.
Beide Kniegelenke würden nach längeren Ruhephasen mit Anlaufschmerzen linksbetont
eingeschränkt sein.
Subjektiv eingeschätzte Gangleistung: Mit Rollator 200 m unterbrechungsfrei. Der Rollator
würde mittlerweile ständig verwendet werden müssen, ausgenommen im häuslichen Wohnbereich.
Subjektiv eingeschätzte Gangleistuna: Unter 200 Meter
Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel:
Derzeit keine laufenden Behandlungen.
Rollator
Medikamente:
Calciduran 500 mg/800 I. E. 1x1, Thrombo ASS 100mg 1 x 1, Lercanidipin 1x1, Valsartan
1 X 1
Hilfsmittel:
Rollator, Wirbelsäulengurt
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Seit Letztbegutachtung keine neuen Befunde.
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
Stabil.
Ernährungszustand:
Adipös.
Größe: 176cm Gewicht: 114 kg Blutdruck:
Klinischer Status - Fachstatus:
Herr XXXX kommt gehend mit Konfektionsschuhen zur Begutachtung, es wird ein Rollator
verwendet.
Das Gangbild mit Rollator unter beidseitiger Armabstützung disharmonisch, etwas schrittverkürzt,
linksrechtshinkend.
Der rollatorfreie Gang auf ebenem seitengleich deutlich bis wesentlich schrittverkürzt, linksrechtshinkend
und auch etwas unsicher.
Beckenring, untere Extremitäten:
Becken stabil, Schiefstand, links niedriger als rechts, die Beinachsen beidseitig varisch (unter
10°), die periphere Durchblutung, Sensibilität und Motorik ungestört, beidseitige Senk-
Spreizfuß-Bildung an den Füßen.
Die Hüftgelenke äußerlich unauffällig, Leisten und Trochanteren palpatorisch frei, aktiv/
passiv alterskonform durchschnittlicher Bewegungsstatus.
Die Kniegelenke beidseitig varisch ausgerichtet üeweils unter 10°), klinisch kein Erguss, keine
Überwärmung, keine Rötung.
Stabiler Kapsel-Band-Apparat.
Beidseitig linksbetont Patellakrepitation beim passiv Durchbewegen, jeweils auch leicht bis
deutlicher Anpressschmerz.
Die Sprunggelenke bandstabil, die Sprunggelenkgabeln geschlossen bei freiem Bewegungsmuster.
Beweglichkeit:
Hüfte: RECHTS: S 0/0/110,
F 30/0/20,
R 30/0/20,
LINKS: S 0/0/100
F 30/0/20
R 30/0/20
Knie:
RECHTS: S 0/0/130,
LINKS: S 0/0/130
Sprunggelenk:
RECHTS: S 10/0/40,
LINKS: S 10/0/45
Umfangmaße:
Oberschenkel (10 cm prox. d. Patella): RECHTS: 54 cm, LINKS: 54 cm
Größter Wadenumfang: RECHTS: 41 cm, LINKS: 40 cm
Wirbelsäule:
HWS:
Orthograde Achsenverhältnisse, keine Myogelose, freies Bewegungsmuster ohne Spontan- oder Belastungsschmerzhaftigkeit, Flexion/Deflexion uneingeschränkt mit R 80/0/80.
Die oberen Extremitäten motorisch und sensibel frei.
BWS/LWS:
Es wird ein Stützgurt getragen.
Orthograde thorakolumbale Wirbelsäulenachse, die Krümmungen abgeflacht längsgestellte
doppelte Operationsmarken an der oberen und unteren LWS von jeweils 4 - 5 cm Länge.
Die thorakale Wirbelsäule palpatorisch soweit frei, die LWS durchgehend über den Dornfortsätzen druckschmerzhaft, subjektive Schmerzausstrahlung gürtelförmig linksbetont.
Eingeschränktes Bewegungsmuster, Flexion im Stand bis 30°, darüber hinaus Schmerzhemmung, die Retroflexion bei 0° bereits limitiert, die Rotation bei 20° aufgehoben.
Die unteren Extremitäten sind motorisch und sensibel frei, der Zehenballenstand und der Fersenstand aktiv andeutungsweise beidseits ausführbar. Subjektiv vermindertes Temperaturempfinden linksseitig. Keine besonderen muskulären Atrophien, keine manifesten motorisch/sensiblen Defizite.
Pseudolasegue beidseitig linksbetont bei jeweils 50°, PSR links stark bis mittellebhaft, schwach bis fehlend.
Schultergürtel, obere Extremitäten:
Schultergürtel symmetrisch, Schulterkonturen seitengteich, die periphere Motorik, Durchblutung und Sensibilität ungestört, Faustschluss beidseits mittelstark. Schulter-, -Ellbogen- und Handgelenke sind bandstabil und werden seitengleich frei bewegt.
Thorax, Abdomen:
Thorax symmetrisch, unauffällige Atemexkursion.
Abdomen massiv gebläht/über Thoraxniveau, längsgestellte Laparotomienarbe zwischen
Brustbein und Schambeinfuge von btander Qualität, umschriebener Narbenbruch am medianen Ober-/Mittelbauch von klinisch 5 - 6 cm Durchmesser, ohne Bruchinhalt oder Inkarzeration.
Gesamtmobilität - Gangbild:
Es liegt eine Einschränkung der Gesamtmobilität vor, es sind auch eine Einschränkung Gangbildes und der Gangleistung gegeben, welche sich in Relation zum Letztgutachten tendenziell verschlechtert hat, und liegt laut subjektiver Angabe ein Dauerbedarf einer Verwendung eines Rollators vor, welcher traumatologisch fachärztlich nachvollziehbar ist.
Status psychicus:
Orientierend unauffällig.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
[…]
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Die Gesamtmobilität und im Engeren die Gangleistung haben sich tendenziell verschlechtert,
es liegt ein beständiger Rollatorbedarf vor.
[X] Dauerzustand
Prüfung der Auswirkungen der festgestellten Gesundheitsschädigungen nach Art und Schwere für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:
1. Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist nach Maßgabe des aktualisiert erhobenen orthopädisch-traumatologischen Funktionsbefundes nicht mehr zumutbar, kurze ebene Wegstrecken sind nicht mehr im ausreichenden Maße bewältigbar, wozu insbesondere ein nachvollziehbarer Bedarf einer Dauerverwendung eines Rollators bei chronischem Wirbelsäulenschmerz mit Bewegungseinschränkung seit Letztbegutachtung, eine zumutbare Benützung sowie einen sicheren Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln verwehrt.“
2.0. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der bB und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Der oben unter Punkt II.1. festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens.
Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich durch Einsicht in das zentrale Melderegister, sowie die sonstigen relevanten Unterlagen.
2.2. Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen. Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: „Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (…)“. Vergleiche dazu auch VwGH vom 18.06.2014, Ra 2014/01/0032.
Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).
Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).
Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).
Der VwGH führte aber in diesem Zusammenhang auch aus, dass keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, wenn einem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nicht stattgegeben wird (VwGH vom 25.06.1987, 87/06/0017).
Ebenso kann die Partei Sachverständigengutachten erfolgreich bekämpfen, ohne diesem auf gleichem fachlichem Niveau entgegentreten zu müssen, wenn es Widersprüche bzw. Ungereimtheiten im Gutachten aufzeigt (vgl. z.B. VwGH vom 20.10.2008, GZ 2005/07/0108).
Die von der bP in ihrer Beschwerde erhobenen Einwände waren geeignet, die gutachterliche Einschätzung im Hinblick auf die Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in Zweifel zu ziehen. Es wurden im Beschwerdeverfahren ein Ergänzungsgutachten des bereits betrauten unfallchirurgischen Sachverständigen sowie in der Folge ein Sachverständigengutachten des Unfallchirurgen mit Untersuchung der bP eingeholt. Das der Entscheidung des Gerichts zugrundeliegende aktuelle Gutachten des Unfallchirurgen vom 16.09.2023 stellte, abweichend zu dessen vorherigen Gutachten, die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel fest.
Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte, insbesondere der zitierten Entscheidungen, ist das im Beschwerdeverfahren vor dem BVwG erstellte Sachverständigengutachten vom 16.09.2023 schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf.
Nach Würdigung des erkennenden Gerichtes erfüllt das Gutachten auch die an ein ärztliches Sachverständigengutachten gestellten Anforderungen.
Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen der persönlichen Untersuchungen eingehend erhobenen klinischen Befunden, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen.
Die vorgelegten Beweismittel stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises.
Das im Verfahren vor der bB eingeholte medizinische Sachverständigengutachten zum Grad der Behinderung bedarf nach der Rsp des VwGH (vom 21.06.2017, Ra 2017/11/0040) einer ausreichenden, auf die vorgelegten Befunde eingehenden und die Rahmensätze der Einschätzungsverordnung vergleichenden Begründung.
Im angeführten Gutachten wurde vom Sachverständigen auf die Art der Leiden und deren Ausmaß, sowie die vorgelegten Befunde der bP ausführlich eingegangen. Insbesondere erfolgte die Auswahl und Begründung weshalb nicht eine andere Positionsnummer mit einem höheren Prozentsatz gewählt wurde, schlüssig und nachvollziehbar (VwGH vom 04.12.2017, Ra 2017/11/0256-7).
Aufgrund der Aussage des Unfallchirurgen in seinem Ergänzungsgutachten vom 30.07.2023, wonach es ja durchaus denkbar sei, dass sich im Laufe des abgelaufenen Halbjahres seit Begutachtung eine messbare und damit auch einschätzungsrelevante Verschlechterung eines Mobilitätsstatus mit Chronizität eingestellt hatte und für diesen Fall eine Neubegutachtung zum nächst möglichen Zeitpunkt nahezulegen und empfehlenswert sein würde, wurde der Unfallchirurg mit der Erstellung eines Gutachtens mit Untersuchung der bP beauftragt.
Die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel begründetet der Mediziner in seinem Gutachten vom 16.09.2023, welches der Entscheidung des Gerichts zugrunde gelegt wird, nach eingehender Untersuchung nachvollziehbar damit, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nach Maßgabe des aktualisiert erhobenen orthopädisch-traumatologischen Funktionsbefundes nicht mehr zumutbar ist, kurze ebene Wegstrecken nicht mehr im ausreichenden Maße bewältigbar sind, wozu insbesondere ein nachvollziehbarer Bedarf einer Dauerverwendung eines Rollators bei chronischem Wirbelsäulenschmerz mit Bewegungseinschränkung seit Letztbegutachtung eine zumutbare Benützung sowie einen sicheren Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln verwehrt.
Zur Gesamtmobilität und zur Änderung der Einschätzung im Vergleich zum Letztgutachten legt der Sachverständige schlüssig dar, dass eine Einschränkung der Gesamtmobilität, des Gangbildes und der Gangleistung vorliegt, welche sich in Relation zum Letztgutachten tendenziell verschlechtert hat. Ferner führt der Sachverständige aus, dass der Dauerbedarf einer Verwendung eines Rollators traumatologisch fachärztlich nachvollziehbar ist.
Nach Ansicht des ho. Gerichts erfolgte die Beurteilung schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei.
Die eingeholten Sachverständigengutachten stehen mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch.
In den Gutachten wurden alle relevanten, von der bP beigebrachten Unterlagen bzw. Befunde berücksichtigt.
Der unfallchirurgische Sachverständige erläuterte schlüssig und nachvollziehbar die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel. Dessen Gutachten wurde in oben beschriebenem Umfang in freier Beweiswürdigung der Entscheidung des Gerichtes zu Grunde gelegt. Gemäß diesen Gutachten ist von der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auszugehen.
3.0. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Entscheidungsrelevante Rechtsgrundlagen:
- Bundesverfassungsgesetz B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idgF
- Bundesbehindertengesetz BBG, BGBl. Nr. 283/1990 idgF
- Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idgF
- Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010 idgF
- Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idgF
- Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF
- Verwaltungsgerichtshofgesetz VwGG, BGBl. Nr. 10/1985 idgF
Nachfolgende Bestimmungen beziehen sich auf die im Pkt. 3.1. angeführten Rechtsgrundlagen in der jeweils geltenden Fassung.
3.2. Gemäß Art. 130 Abs 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden
1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit; …
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Gemäß § 45 Abs. 4 BBG hat bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs 3 eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
Gemäß § 45 Abs. 5 BBG entsendet die im § 10 Abs. 1 Z 6 des BBG genannte Vereinigung die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs 2 des BBG anzuwenden. Für jede Vertreterin und jeden Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.
In Anwendung des Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG iVm § 45 Abs 3 BBG wird die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes in der zugrundeliegenden Beschwerdeangelegenheit begründet und fällt die Entscheidung der gegenständlichen Rechtssache jenem Richtersenat zu, der unter Berücksichtigung der zitierten Bestimmungen in der Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes dafür vorgesehen ist. Der erkennende Senat ist daher in diesem Beschwerdeverfahren zuständig.
3.3. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs 3) zu überprüfen.
Gemäß § 9 Abs 1 VwGVG hat die Beschwerde zu enthalten:
1. die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides, der angefochtenen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder der angefochtenen Weisung,
2. die Bezeichnung der belangten Behörde,
3. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,
4. das Begehren und
5. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Bezugnehmend auf die zitierten Bestimmungen waren die unter Pkt. 3.1. im Generellen und die unter Pkt. 3.2 f im Speziellen angeführten Rechtsgrundlagen für dieses Verfahren in Anwendung zu bringen.
3.4. Gemäß § 1 Abs 1 BBG soll Behinderten und von konkreter Behinderung bedrohten Menschen durch die in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Maßnahmen die bestmögliche Teilnahme am gesellschaftlichen Leben gesichert werden.
Gemäß § 1 Abs 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Gemäß § 40 Abs 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
Gemäß § 40 Abs 2 BBG ist behinderten Menschen, die nicht dem im Abs 1 angeführten Personenkreis angehören, ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
Gemäß § 41 Abs 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr.104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.
Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs 2 vorliegt.
Gemäß § 42 Abs 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
Gemäß § 45 Abs 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Gemäß § 45 Abs 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§41 Abs 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
Gemäß § 47 BBG ist der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.
Gemäß § 1 Abs 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen:
Z 1: die Art der Behinderung, etwa dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes
[…]
lit i: eine Gesundheitsschädigung gemäß § 2 Abs. 1 dritter Teilstrich der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen aufweist; diese Eintragung ist bei Funktionsbeeinträchtigungen im Sinne der Abschnitte 07 und 09 der Anlage zur Einschätzungsverordnung sowie bei Malignomen des Verdauungstraktes im Sinne des Abschnittes 13 der Anlage zur Einschätzungsverordnung entsprechend einem festgestellten Grad der Behinderung von mindestens 20% vorzunehmen.
Z 3:
[…]
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.
Gemäß Abs 5 leg cit bildet Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
Dem VwGH zufolge kommt es für die Berechtigung der zusätzlichen Eintragung in den Behindertenpass hinsichtlich der „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel an, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erschweren (VwGH vom 22.10.2002, GZ 2001/11/0258). Entscheidungs-wesentlich ist dabei ausschließlich der Gesundheitszustand der bP selbst. Maßgeblich ist nur, ob erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten und Funktionen vorliegen oder eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorliegt.
Gemäß dem der Entscheidung des Gerichts zugrundeliegenden Gutachten vom 16.09.2023 liegen derartige Umstände vor.
Das Sachverständigengutachten wurden im oben beschriebenen Umfang in freier Beweiswürdigung der Entscheidung des Gerichtes zu Grunde gelegt. Dieses stellte im Ergebnis fest, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung der „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ bei der bP vorliegen, weshalb der Beschwerde stattzugeben war.
3.5. Gemäß § 24 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Gemäß § 24 Abs 5 VwGVG kann das Verwaltungsgericht von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
Verfahrensgegenständlich erwies sich die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung als nicht erforderlich, da der maßgebliche Sachverhalt hinreichend durch die Aktenlage geklärt war und durch die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten ist.
Es steht für das erkennende Gericht der entscheidungserhebliche Sachverhalt aufgrund der Sachverständigengutachten, der eingebrachten Unterlagen, der Vorbringen der bP in ihrer Stellungnahme und der Beschwerde fest und bedarf dieser keiner Ergänzungen mehr, weshalb das Gericht von der Durchführung einer Verhandlung Abstand nimmt.
Weiters liegt auch kein Rechtsschutzdefizit für die bP – auf Grundlage der vorliegenden Unterlagen (Sachverständigengutachten in Verbindung mit der klinischen Untersuchung und den vorgelegten Befunden, Parteiengehör und dergleichen) und aus dem sich damit ergebenden persönlichen Eindruck von der bP auf das Gericht – vor und würde auch eine mündliche Verhandlung, bedingt durch die vorliegenden Tatsachen, keinen anderen ergänzenden Sachverhalt ergeben.
3.7. Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. (VwGH vom 22.05.2014, Ra 2014/01/0030)
Nach Art. 133 Abs. 4 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (VwGH vom 19.12.2017, Ra 2017/11/0288-3, vom 06.12.2017 Ra 2015/11/0046-8, vom 11.12.2017 Ra 2015/11/0102-5).
Nach ständiger Judikatur sind Rechtsfragen des Verfahrensrechts nur dann solche von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes auf dem Spiel stehen bzw. wenn die in der angefochtenen Entscheidung getroffene Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre, wozu kommt, dass auch die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels in der Zulassungsbegründung dargelegt werden muss (VwGH vom 19.12.2017, Ra 2017/11/0288-3, VwGH vom 23.01.2017 Ra 2017/11/0001, mwN).
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Diesbezüglich ist die vorliegende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Darüber hinaus stellten sich im gegenständlichen Fall in erster Linie Fragen der Tatsachenfeststellung und der Beweiswürdigung.
Sonstige Hinweise, die auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage schließen lassen, liegen ebenfalls nicht vor. Rein der Umstand, dass das Bundesverwaltungsgericht erst mit 01.01.2014 ins Leben gerufen wurde, lässt nicht den Schluss zu, dass es sich um eine Rechtsfrage handelt, die noch nicht vom Verwaltungsgerichtshof geklärt wurde.
Die grundsätzliche Bestimmung betreffend der Zusatzeintragungen in den Behindertenpass im Sinne des BBG erfuhr keine substanzielle Änderung, weshalb auch die Voraussetzungen des Art. 133 Abs 4 B-VG diesbezüglich nicht gegeben waren.
Im Hinblick auf die außerordentliche Revision ist bei den gem. § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorzubringenden Gründen konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte und in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des VwGH abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage dieser uneinheitlich oder noch nicht beantwortet hat. Dabei hat der Revisionswerber konkret darzulegen, dass der der gegenständlich angefochtenen Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt einer der von ihm ins Treffen geführten hg. Entscheidungen gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden hat und es damit von der ständigen Rechtsprechung des VwGH abgewichen ist, wobei die bloße Wiedergabe von Rechtssätzen zu verschiedenen hg. Entscheidungen nach Datum und Geschäftszahl, ohne auf konkrete Unterschiede in dieser Rechtsprechung hinzuweisen, nicht ausreicht (VwGH vom 06.12.2017, Ra 2015/11/0046-8, vgl. Beschluss Ra 2017/11/0225, mwN).
Auf Grundlage der obigen Ausführungen war spruchgemäß zu entscheiden.
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