VwGH Ra 2017/11/0001

VwGHRa 2017/11/000123.1.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision der N M in K, vertreten durch Beneder Rechtsanwalts GmbH in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 27/DG/9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. November 2016, Zl. W166 2119534-1/16E, betreffend Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle NÖ), den Beschluss gefasst:

Normen

BEinstG §14 Abs1;
BEinstG §14 Abs2;
BEinstG §2;
BEinstG §3;
B-VG Art133 Abs4;
EinschätzungsV 2010 §3;
VwGG §34 Abs1;
BEinstG §14 Abs1;
BEinstG §14 Abs2;
BEinstG §2;
BEinstG §3;
B-VG Art133 Abs4;
EinschätzungsV 2010 §3;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1.1. Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 2016, Zl. Ra 2016/11/0057 verwiesen, mit dem das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Februar 2016 betreffend Feststellung, dass die Revisionswerberin nicht mehr dem Kreis der begünstigten Behinderten angehöre, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit (unzutreffende Beurteilung der Verhandlungspflicht und Feststellungsmängel) aufgehoben wurde.

Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 28. November 2016 stellte das Bundesverwaltungsgericht - nach durchgeführter Verhandlung - gemäß den §§ 2, 3 und 14 Abs. 1 und 2 BEinstG fest, dass die Revisionswerberin mit Ablauf des auf die Zustellung dieses Erkenntnisses folgenden Monats nicht mehr dem Kreis der begünstigten Behinderten angehört.

Weiters wurde ausgesprochen, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

1.2. In der Begründung führte das Verwaltungsgericht aus, die Revisionswerberin gehöre seit dem 27. Februar 2013 (nach dem Akt: aufgrund eines Verkehrsunfalls im Jahr 2011) dem Kreis der begünstigten Behinderten mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. an.

Sie leide an einem "chronischen Schmerzsyndrom nach einer dorsalen Fusion C3/4" mit wechselnden Dysästhesien und Brachialgie, depressiver Begleitreaktion sowie Bewegungsdefizit bei Kopfdrehung.

Eine Verbesserung des Gesundheitszustandes sei insoweit eingetreten, als "die dauernde Instabilitätssymptomatik" und die "traumatische Facettengelenksdehiszenz" durch den operativen Eingriff (Fusion im Bereich der Wirbelsäule) behoben worden seien, wodurch auch eine Besserung des motorischen Defizites eingetreten sei.

Das verbliebene "chronische Schmerzsyndrom" führe - auf Basis des eingeholten Gutachtens eines Facharztes für Orthopädie, der sich u.a. auch auf das von der Revisionswerberin vorgelegte neurologische Gutachten bezog - gemäß Pos. 04.11.02 der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010 idF BGBl. II Nr. 251/2012 zu einem nunmehrigen Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. Dabei berücksichtigt seien auch die auftretenden Kopfschmerzen, die in den Arm ausstrahlenden Schmerzen und die im Zusammenhang mit den Schmerzattacken auftretenden Hör- und Sehbeeinträchtigungen.

1.3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Diesem Erfordernis wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. die hg. Beschlüsse vom 25. März 2014, Zl. Ra 2014/04/0001 und vom 18. Februar 2015, Zl. Ra 2015/08/0008).

2.1. Die Revision führt zu ihrer Zulässigkeit aus, die Revisionswerberin habe in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 28. September 2016 - neu - vorgebracht, dass sie im Zusammenhang mit den Schmerzattacken auch "Probleme mit dem rechten Auge und dem rechten Ohr" habe. Deshalb, und wegen der gegebenen Funktionsstörungen an der rechten Hand, hätte das Verwaltungsgericht, wie von der Revisionswerberin beantragt, ein neurologisches Ergänzungsgutachten einholen müssen. Da das Verwaltungsgericht diesem Beweisantrag nicht entsprochen habe, hafte dem angefochtenen Erkenntnis ein Verfahrensmangel an. Das Verwaltungsgericht sei damit vom eingangs zitierten Vorerkenntnis abgewichen, dem zufolge gegenständlich fehlerfreie Feststellungen zum bestehenden Gesundheitszustand der Revisionswerberin hätten getroffen werden müssen.

2.2. Mit diesem Vorbringen wird aus nachstehendem Grund keine Rechtsfrage, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, aufgeworfen:

Der Revisionswerberin ist zwar beizupflichten, dass sie am 28. September 2016 entsprechend dem Verhandlungsprotokoll über Befragen als vorrangiges Leiden die Nervenschmerzsymptomatik genannt und dabei erstmals "Seh- und Hörschwierigkeiten" ins Treffen geführt hat, "wenn sie diese Schmerzattacken habe" (demgegenüber war die in der Revision erwähnte Beeinträchtigung der rechten Hand bereits Gegenstand des im Akt befindlichen neurologischen Gutachtens vom 8. Oktober 2014). Auch ihr anschließender Antrag auf Einholung eines neurologischen Ergänzungsgutachtens betraf die im Zuge der Schmerzattacken auftretende "Beeinträchtigung des Sehens und Hörens" (welche der orthopädische Sachverständige und ihm folgend das Verwaltungsgericht bei der Bewertung des chronischen Schmerzsyndroms durchaus berücksichtigt haben).

Mit der Behauptung eines Verfahrensfehlers (als Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) kann nur dann eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgeworfen werden, wenn im Rahmen des Vorbringens zur Zulässigkeit der Revision auch die Relevanz dieses Verfahrensfehlers aufgezeigt wird (vgl. etwa die hg. Beschlüsse vom 6. Juni 2016, Ra 2016/07/0044, vom 6. Juli 2016, Ra 2015/01/0194, und vom 28. September 2016, Ra 2016/20/0226).

Im vorliegenden Fall wird die Relevanz der unterbliebenen Einholung eines neurologischen Ergänzungsgutachtens nicht dargetan, weil die im Zuge der Schmerzattacken auftretenden "Seh- und Hörschwierigkeiten" vor dem Verwaltungsgericht und auch in der vorliegenden Revision nicht einmal ansatzweise (etwa hinsichtlich Intensität, Dauer, usw.) präzisiert wurden. Somit ist nicht erkennbar, ob es sich um eine (fallweise) von den Schmerzattacken losgelöste Beeinträchtigung handelt, die allenfalls unter die Positionen 11.02 (Sehstörungen) oder 12 (Ohren und Gleichgewichtsorgane) der Einschätzungsverordnung fallen und auf diesem Weg gemäß § 3 der Einschätzungsverordnung (Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen) zum angestrebten höheren Gesamtgrad der Behinderung führen könnte.

3. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 23. Jänner 2017

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