BVwG W113 2233639-1

BVwGW113 2233639-118.7.2023

B-VG Art133 Abs4
UVP-G 2000 Anh1 Z43 lita
UVP-G 2000 Anh1 Z43 litb
UVP-G 2000 §19 Abs1 Z1
UVP-G 2000 §3 Abs1
UVP-G 2000 §3 Abs2
UVP-G 2000 §3 Abs3
UVP-G 2000 §3 Abs4
UVP-G 2000 §3 Abs5
UVP-G 2000 §3 Abs6
UVP-G 2000 §3 Abs7
UVP-G 2000 §3a Abs1
UVP-G 2000 §3a Abs2
UVP-G 2000 §3a Abs3
UVP-G 2000 §3a Abs4
UVP-G 2000 §3a Abs5
UVP-G 2000 §3a Abs6
UVP-G 2000 §39
UVP-G 2000 §40 Abs1
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2023:W113.2233639.1.00

 

Spruch:

 

 

 

W113 2233639-1/23E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Katharina David über die Beschwerden der XXXX und des XXXX , beide vertreten durch Wintersberger Riess Rechtsanwälte GmbH in Ried im Innkreis, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 17.06.2020, GZ. AUWR-2017-369957/52-Müb, betreffend die Feststellung, dass für das Vorhaben des XXXX , In der XXXX in XXXX XXXX , die Erweiterung seines landwirtschaftlichen Betriebes durch Errichtung eines Tierwohlstalles für Ferkel und Mastschweine und Adaptierung des Bestandes durch Nutzungsänderung auf den Grundstücken Nr. XXXX und XXXX , KG XXXX , in der Gemeinde XXXX keine Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem UVP-G 2000 durchzuführen ist, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Den Beschwerden wird stattgegeben und festgestellt, dass für das Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung im vereinfachten Verfahren nach dem UVP-G 2000 durchzuführen ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Mit Schreiben vom 20.01.2020 beantragte Herr XXXX (im Folgenden: Antragsteller), In der XXXX in XXXX , bei der Oberösterreichischen Landesregierung als UVP-Behörde (im Folgenden: belangte Behörde) die Feststellung, ob für das von ihm geplante Vorhaben der Erweiterung seines landwirtschaftlichen Betriebes durch Errichtung eines Tierwohlstalles für Ferkel und Mastschweine und Adaptierung des Bestandes in der Gemeinde XXXX (im Folgenden Standortgemeinde), konkret auf den Grundstücken Nr. XXXX , KG XXXX , eine Umweltverträglichkeitsprüfung (kurz: UVP) durchzuführen sei.

2. Mit gegenständlichem Bescheid vom 17.06.2020, GZ. AUWR-2017-369957/52-Müb, gelangte die belangte Behörde zu dem Schluss, dass für das geplante Vorhaben keine UVP vorzunehmen sei.

3. Mit Schriftsatz vom 15.07.2020 erhoben Frau XXXX und Herr XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer) Beschwerde gegen den angeführten Bescheid und führten im Wesentlichen aus, sie seien je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ XXXX , GB XXXX , mit dem Grundstück XXXX und der Grundstücksadresse XXXX . Diese Liegenschaft befinde sich in einer Entfernung von ca. 350 m von der Anlage des Antragstellers. Die Liegenschaft der Beschwerdeführer sei durch die von der Anlage des Antragstellers ausgehenden geruchlichen Emissionen massiv beeinträchtigt. Sie seien daher Nachbarn im Sinne des Gesetzes und zur Erhebung einer Beschwerde legitimiert. Dies sei auch in der Stellungnahme des Sachverständigen für Luftreinhaltung dokumentiert, der dezidiert von Auswirkungen auf das Wohngebiet östlich der Anlagen spreche.

Seit Inbetriebnahme der Anlage durch den Antragsteller habe sich die Geruchssituation massiv verschlechtert. Da andere Anlagen in dieser Zeit nicht hinzugekommen seien, sei davon auszugehen, dass die zusätzliche Beeinträchtigung von der Anlage des Antragstellers ausgelöst werde. Wenn eine Anlage bereits in Betrieb sei, seien aber deren konkrete Auswirkungen zu prüfen. Die von der belangten Behörde vorgenommene rechnerische Überprüfung reiche nicht. Die sich aus der Stellungnahme des Sachverständigen für Luftreinhaltung ergebende Schlussfolgerung sei daher mangelhaft. Bei Durchführung einer konkreten Prüfung der Auswirkungen durch Messungen hätte sich eine deutlich stärkere Belastung durch Jahresgeruchsstunden ergeben, als dies von der belangten Behörde bislang zugrunde gelegt worden sei.

Darüber hinaus verweise die belangte Behörde in ihrer Entscheidung darauf, dass für die Anlage des Antragstellers ein neuerliches Bauverfahren anhängig sei. Dort seien aber weitere Schritte bis zur Beendigung des bei der belangten Behörde anhängigen Feststellungsverfahrens ausgesetzt. In den im Bauverfahren eingereichten Planunterlagen seien Lüftungsanlagen vorgesehen. Diese seien aber aktuell noch nicht errichtet und sei noch nicht geprüft, ob diese den Erfordernissen entsprächen.

Die belangte Behörde hätte daher zuwarten müssen, bis im Bauverfahren klargestellt sei, welche baulichen Anlagen insbesondere in Bezug auf die Luftreinhaltung tatsächlich berücksichtigt würden. Wenn die belangte Behörde nun davon ausgehe, dass entsprechende bauliche Maßnahmen von der Baubehörde vorgeschrieben würden, um die Geruchsbelästigung auf das zulässige Maß zu reduzieren, so greife sie einer Entscheidung einer anderen Behörde vor, die diese noch gar nicht konkret getroffen habe. Es sei nicht sichergestellt, dass von Seiten des Antragstellers im Bauverfahren noch eine Änderung des Gegenstandes im Sinn einer verminderten Adaptierung hinsichtlich Luftreinhalteanlagen erfolge. Damit wäre aber die offenbar von der belangten Behörde nun dem Bescheid zugrunde gelegte Ausgangssituation wieder verändert und müsste einer neuerlichen Beurteilung zugeführt werden.

Die angefochtene Entscheidung sei daher formell und materiell rechtswidrig. Bei Berücksichtigung der relevanten Umstände hätte die belangte Behörde zum Ergebnis kommen müssen, dass für die Anlage des Antragstellers eine UVP erforderlich sei. Abschließend wird u.a. die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

4. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und wurde das Beschwerdeverfahren einer Gerichtsabteilung am Bundesverwaltungsgericht zugewiesen. Im Rahmen der Aktenvorlage stellte die belangte Behörde im Wesentlichen klar, dass sich nach ihrem aktuellen Wissensstand der Tierwohlstall der XXXX tatsächlich bereits in Betrieb befinde und baubehördlich bewilligt sei. Daraus ergebe sich im Wesentlichen, dass Messungen vor Ort nicht zielführend seien, da solche lediglich den Ist-Stand abbilden könnten, der nicht dem beantragten Projekt entspreche. Sollte der Tierwohlstall in vom Feststellungsverfahren abweichender Form errichtet worden sein, würde dies eine konsenswidrige Errichtung implizieren. Der Prüfumfang beschränke sich beim Feststellungsverfahren auf eine Grobprüfung. Ein Messen sei davon nicht erfasst. Überdies habe die Baubehörde ihr Verfahren zu Recht ausgesetzt. Sollte das zu verwirklichende Vorhaben nicht jenem des Feststellungsverfahrens entsprechen, läge ein aliud vor und es sei erneut ein UVP-Feststellungsverfahren durchzuführen.

5. In einer Stellungnahme vom 08.02.2021 teilte die Standortgemeinde als mitwirkende Baubehörde mit: Es sind grundsätzlich zwei Bauvorhaben zu unterscheiden, die beide in einem Feststellungsverfahren beurteilt wurden. Die Errichtung eines Tierwohlstalles (Bau 8/2020) und der Einbau von Ferkel- und Mastschweineabteilen in den bestehenden Vierkanthof (Bau 9/2020).

Die Errichtung eines Tierwohlstalles der XXXX auf Grundstück Nr. XXXX , KG XXXX , wurde ursprünglich mit Bescheid der Bürgermeisterin der Standortgemeinde vom 08.01.2018 baubehördlich genehmigt. Vorab wurde ein UVP-Feststellungsverfahren (darin wurde die Errichtung zweier identischer Tierwohlställe geprüft) durchgeführt. Mit Feststellungsbescheid aus 2018 erfolgte die Feststellung, dass für das geplante Vorhaben keine UVP-Pflicht besteht.

Nach der Inbetriebnahme des Tierwohlstalles erfolgten ab Mitte 2019 Anrainerbeschwerden aus dem Bereich der XXXX . Daraufhin wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, unter anderem wurden mehrere baupolizeiliche Überprüfungen durchgeführt, Geruchsprotokolle erhoben und Windprotokolle der ZAMG angefordert. Im Ergebnis wurde wegen diverser Abweichungen vom genehmigten Bestand (vor allem eine Abweichung in der Lüftungsausführung) ein baubehördlicher Auftrag zur neuerlichen Genehmigung mit Bescheid vom 27.11.2019 erteilt.

Von der XXXX wurde daraufhin ein neuer Baubewilligungsantrag für den bestehenden Tierwohlstall gestellt. Gegenstand des Verfahrens waren Änderungen, die immissionsmindernde Auswirkungen haben sollten (unter anderem der Einbau einer mechanischen Lüftungsanlage mit Abluftkaminen inklusive Zuluftkühlung, die vollflächige Überdachung der freien Fläche und der Einbau von Windschutznetzen).

Im Zuge der Überprüfungen wegen der Beschwerden bezüglich des Tierwohlstalles wurde auch festgestellt, dass im Vierkanthof des XXXX eine Nutzungsänderung von der Haltung von Zuchtschweinen auf die Haltung von Ferkeln und Mastschweinen erfolgte. Mit Bescheid vom 13.12.2019 wurde XXXX der Auftrag erteilt, diese Nutzungsänderung nachträglich bewilligen zu lassen. Teil des Verfahrens zur Bewilligung der Nutzungsänderung ist auch die Adaptierung der Lüftungsanlage auf den Stand der Technik.

Im Zuge der beiden oben genannten Verfahren Bau 8/2020 (Änderungen Tierwohlstall) und Bau 9/2020 (Nutzungsänderung ihm Vierkanthof) wurde auf Antrag des XXXX ein erneutes Feststellungsverfahren, diesmal für einen Tierwohlstall und die Nutzungsänderung im Vierkanthof durchgeführt. Mit dem jetzt bekämpften Bescheid vom 17.06.2020 wurde festgestellt, dass die Durchführung einer UVP für die beiden Bauvorhaben nicht erforderlich ist.

6. Nach Zuweisung des Beschwerdeverfahrens an eine andere Gerichtsabteilung wurden die Parteien aufgefordert den aktuellen Stand der Sachlage darzulegen. Mit Schreiben vom 27.02.2023 teilte die belangte Behörde mit, dass keine Änderung des Sachverhalts bekannt sei. Dem Sachverständigendienst sei jedoch ein Bescheid des Bürgermeisters der Standortgemeinde übermittelt worden (Gz Bau-009/2020 vom 03.08.2021), mit welchem die Baubewilligung für die Nutzungsänderung „Einbau von Ferkel- und Mastabteilen“ erteilt worden sei. Möglicherweise sei daher § 3 Abs. 6 UVP-G 2000 einschlägig, wonach in bestimmten Fällen vor Abschluss einer Einzelfallprüfung (wie im gegenständlichen Fall) keine Genehmigung erteilt werden dürfe. Die Gemeinde legte zudem mit E-Mail vom 09.03.2023 zwischenzeitlich erlassene baurechtliche Bescheide vor.

7. Im Beschwerdeverfahren wurden Amtssachverständige für Geruchstechnik und Humanmedizin beigezogen.

8. Am 29.06.2023 fand eine Beschwerdeverhandlung statt, in der die Sach- und Rechtslage erörtert wurde. Die Amtssachverständigen erörterten ihre Gutachten und den Parteien wurde Gelegenheit gegeben, dazu Stellung zu nehmen. Dem Antragsteller, der der Verhandlung unentschuldigt fernblieb, wurde das Verhandlungsprotokoll zugestellt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Vorhaben:

Der Antragsteller betreibt (gemeinsam mit der XXXX , vertreten durch seinen Sohn XXXX ) in der Marktgemeinde XXXX einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Schweinehaltung. In den Jahren 2017/2018 plante er die Änderung bzw. Erweiterung seines Betriebes. Es sollten zwei neue Tierwohlställe auf dem Grundstück Nr. XXXX , KG XXXX , errichtet werden und 800 Ferkel sowie 800 Mastschweine hinzukommen. Darüber wurde ein UVP-Feststellungsverfahren durchgeführt, die baubehördliche Bewilligung für einen Tierwohlstall mit 800 Tieren (während dem anhängigen UVP-Feststellungsverfahren) erteilt und schließlich mit Bescheid der belangten Behörde vom 13.02.2018 festgestellt, dass für das Vorhaben (zwei Tierwohlställe) keine UVP notwendig ist. Dieser Bescheid wurde nicht angefochten.

Im Zuge von baubehördlichen Überprüfungen im Jahr 2019 wegen Anrainerbeschwerden auf Grund von Geruchsbelästigungen durch die mitwirkende Behörde wurden zum einen konsenslose Änderungen beim Neubau festgestellt und zum anderen eine bereits umgesetzte Nutzungsänderung beim bestehenden Vierkanthof ermittelt. Der Antragsteller stellte daher Anfang 2020 bei der UVP-Behörde (und der Baubehörde) Anträge auf Änderung der Bewilligung des Tierwohlstalles sowie auf Nutzungsänderung des Vierkanthofes. Die Änderungen betrafen im Vergleich zum ersten Feststellungsbescheid insbesondere Abweichungen bei den Lüftungsanlagen und eine Verringerung von zwei Tierwohlställen auf einen sowie die Nutzungsänderung beim Vierkanthof, der künftig auch fast 400 Ferkel und 400 Mastschweine beherbergen sollte.

Daraufhin wurde eine neues UVP-Feststellungsverfahren durchgeführt und mit gegenständlichem Bescheid der belangten Behörde vom 17.06.2020 festgestellt, dass über die beiden Vorhaben keine UVP durchzuführen ist. Baubehördliche Bewilligungen wurden von der mitwirkenden Baubehörde, trotzdem der Bescheid angefochten wurde, zwischenzeitlich erlassen.

Bescheide der Standortgemeinde als Baubehörde:

Tierwohlstall

08.01.2018, Zl. Bau 76/2017 Bewilligung eines Tierwohlstalls (bereits umgesetzt)

27.11.2019 Auftrag neue Bewilligung, weil konsenslose Änderungen

02.03.2020 Antrag, Einreichunterlagen vollständig

27.05.2020, Zl. Bau 8/2020 Änderungsbewilligung Tierwohlstall

Nutzungsänderung Vierkanthof

24.02.2020 Antrag Nutzungsänderung (bereits umgesetzt)

03.08.2021, Zl. Bau 9/2020 Bewilligung Nutzungsänderung

16.08.2022, Zl. Bau 9/2020 B Änderung Bewilligung Nutzungsänderung

Bescheide der Landesregierung Oberösterreich als belangte UVP-Behörde:

 11.09.2017 Antrag Errichtung von zwei Tierwohlställen

13.02.2018, AUWR-2017-369957/26 Müb Feststellungbescheid ALT

 20.01.2020 Antrag Errichtung ein Tierwohlstall und Nutzungsänderung Vierkanthof

17.06.2020, AUWR-2017-369957/52 Müb Feststellungbescheid NEU

Zum Vorhaben, das dem gegenständlichen Feststellungsverfahren zu Grunde liegt und das bereits baurechtlich bewilligt und umgesetzt ist:

Der Antragsteller betrieb in der Standortgemeinde einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Schweinehaltung (85 Zuchtschweine, 400 Ferkel, 2 Eber, 10 Jungsauen und 3 Rinderplätze). Der Betrieb sollte durch die Errichtung eines Stallgebäudes auf dem Grundstück Nr. XXXX , KG XXXX erweitert werden. Dort sollten entsprechend den vorgelegten Plänen 400 Ferkel und 400 Mastschweine untergebracht werden. Der Stall war als sogenannter Tierwohlstall konzipiert. Zudem war vorgesehen, den bestehenden Bauernhof zu adaptieren, sodass nach der Nutzungsänderung dort 400 Mastschweine und 380 Ferkel untergebracht sein sollten. Die derzeit dort vorhandenen 2 Eber, 10 Jungsauen und 85 Zuchtschweine sollten Zug um Zug wegfallen. Insgesamt verfügt der Betrieb dann über 800 Mastschweine und 780 Ferkel.

Dabei ist der – zwischenzeitlich errichtete – Stall in einen Innenbereich (Warmbereich) und einen überdachten Auslaufbereich gegliedert, zudem sind verschiedene Funktionsbereiche vorgesehen. Es sind Mastschweine und Ferkel untergebracht. Das Stallgebäude wurde mit Abmessungen von ca. 80,0 m x 15,9 m bei einer Firsthöhe von rund 4,9 m über Gelände geplant und verfügt über eine Güllegrube und einen Lagerbereich unter dem Gebäude. An der Nordwestseite ist eine Technikraum angebaut. Auch wurde die Errichtung einer weiteren Güllegrube am Grundstück verwirklicht, wie auch ein befestigter Vorplatz über dem Keller. Die Fütterung der Schweine erfolgt automatisiert. Die Entlüftung des Stallgebäudes erfolgt durch Lüftungskamine.

Beim bestehenden Bauernhof, welcher am Grundstück Nr. XXXX , KG XXXX gelegen ist, wurde der südwestliche Trakt adaptiert, d.h. eine Nutzungsänderung erfolgte. Im Erdgeschoss werden Mastschweine in Abteilen, im Obergeschoss Ferkel untergebracht. Auch hier ist eine Entlüftung durch Kamine umgesetzt.

Durch die Errichtung des geplanten Stalles und die Adaptierung des Bestandsgebäudes ergibt sich nach den Angaben im angefochtenen Bescheid folgender Tierbestand:

Das Grundstück, auf dem der neue Stall errichtet wurde, ist als Grünland für Land- und Forstwirtschaft, mit der Sonderausweisung Nutztierhaltung, gewidmet. Das Grundstück, auf dem sich das Bestandsgebäude befindet, hat die Widmung Grünland für Land- und Forstwirtschaft, Ödland.

Etwa 280 m östlich des neu errichteten Stallgebäudes befindet sich als Wohngebiet gewidmetes Bauland. In westlicher Richtung befindet sich, in ca. 90 m Entfernung zum neuen Gebäude ein Gehöft auf einem ebenfalls als Bauland (Dorfgebiet) gewidmeten Grundstück. Dabei handelt es sich allerdings um ein Einzelgehöft. Richtung Nordwesten ist das nächstgelegene Siedlungsgebiet ca. 325 m entfernt. Auch vom bestehenden Bauernhof aus ist dies das nächstgelegene Wohngebiet und ca. 265 m entfernt. Das innerhalb der oben angeführten Widmung Dorfgebiet liegende Einzelgehöft ist rund 10 m vom bestehenden Hof entfernt.

In unmittelbarer Nähe (nördlich des Vorhabens, auf Gst. Nr. XXXX , KG XXXX ) befindet sich ein weiterer Intensivtierhaltungsbetrieb mit folgendem Tierbestand:

Tierart Nachbarbetrieb

Mastschweine 640

Zuchtschweine 147

Jungsauen 20

Ferkel 1210

Eber 2

Zur Frage, ob das umgesetzte Vorhaben ein aliud im Vergleich zu jenem Vorhaben darstellt, welches dem Feststellungsverfahren zu Grunde liegt: Die Pläne, die dem Feststellungsverfahren zu Grunde liegen, decken sich mit den Plänen, die den (letztgültigen) baubehördlichen Bewilligungsbescheiden zu Grunde liegen. Es ist somit vom gleichen Vorhaben auszugehen.

1.2. Zu den Beschwerdeführern

Die Beschwerdeführer sind Eigentümer der Liegenschaft EZ XXXX , GB XXXX , mit dem Grundstück XXXX und der Grundstücksadresse XXXX . Sie sind an der genannten Adresse wohnhaft. Diese Liegenschaft befindet sich in einer Entfernung von ca. 350 m von der gegenständlichen Anlage. Das Grundstück der BF ist als Wohngebiet gewidmet. Die Beschwerdeführer können durch die Errichtung, den Betrieb oder den Bestand des Vorhabens insbesondere durch Geruchsemissionen belästigt werden.

1.3. Zu den Auswirkungen des Vorhabens – Luftreinhaltetechnik

Die Gesamtgeruchsfracht des Bestandes, wobei der Nachbarbetrieb den größten Anteil einnimmt, liegt bei etwa 34 Megageruchseinheiten pro Stunde (kurz MGE/h). Die Gesamtgeruchsfracht des Bestandes mit dem gegenständlichen Vorhaben (Änderung Vierkanthof und Tierwohlstall) beträgt etwa 55 MGE/h.

Im Bestand ergeben die Geruchsimmissionskonzentrationen damit eine Jahresgeruchsstundenhäufigkeit von ca. 9 %. Durch das Vorhaben (Änderung Vierkanthof und Tierwohlstall) ergeben sich gemeinsam mit dem Nachbarbetrieb ca. 18 % an Geruchsbelastungen, die durch die Kumulation des Nachbarbetriebes mit dem gegenständlichen Vorhaben entstehen.

1.4. Zu den Auswirkungen des Vorhabens – Humanmedizin

Auf der Grundlage der sich überlagernden Geruchsbelastungen des Nachbarbetriebs mit dem gegenständlichen Vorhaben ist von einer erheblichen Belästigung der Anwohner durch die gegenständliche Anlage im Sinne der TA-Luft auszugehen. Aufgrund der Dauer der Exposition ist langfristig eine Beeinträchtigung der Gesundheit der Anwohner zu erwarten.

2. Beweiswürdigung:

Die angeführten Feststellungen ergeben sich im Wesentlichen aus dem vorgelegten Verfahrensakt und erweisen sich über weite Strecken als unstrittig. Die geänderten Tierzahlen im Nachbarbetrieb ergeben sich durch die detailliertere Darstellung durch den ASV Luftreinhaltetechnik, der dies bei der Baubehörde vor Ort erhoben hat. Dies wurde nicht in Zweifel gezogen.

Zum Punkt 1.3. Fachgebiet Luftreinhaltetechnik

Der ASV für Luftreinhaltetechnik des Behördenverfahrens kam in seinem Gutachten vom 24.10.2017 (im ursprünglichen Feststellungsverfahren; dieses Gutachten änderte sich nicht im gegenständlichen behördlichen Feststellungsverfahren) zu der Einschätzung, dass im Bestand ein gesamter Geruchsemissionsmassenstrom von 39,4 MGE/h anzunehmen ist und mit dem Vorhaben ein solcher von 66,8 MGE/h. Er ging dabei von 800 Matschweinen und 800 Ferkeln durch das Vorhaben aus. Dazu führte er aus:

„[…] Im nächstgelegenen Wohngebiet (in östlicher Richtung vom Erweiterungsvorhaben) sind nach Durchführung von Berechnungen des Richtlinienabstandes für verschiedene Geruchshäufigkeiten Änderungen im Bereich von rund 1% der Jahresgeruchsstunden möglich.

Im Abstand von rund 280 m (Abstand gemessen vom Rand des Grundstückes der neu geplanten Stallgebäude zu gewidmetem Wohngebiet) ergibt sich rechnerisch eine Veränderung „Bestand zu geplant“ der berechneten Geruchsstundenhäufigkeit von 13% auf 14%. […]“

In seinem Gutachten (ergänzt durch eine Stellungnahme vom 14.06.2023 und vom 29.06.2023) führte der ASV Luftreinhaltetechnik des Beschwerdeverfahrens auszugsweise aus:

„Im geruchstechnischen Gutachten werden sämtliche bis zum UVP-Feststellungsantrag, eingelangt bei der UVP-Behörde am 20. Jänner 2020, bewilligten und errichteten Stallungen berücksichtigt und folglich vereinfacht als "Bestand" bezeichnet. Sämtliche bewilligten Änderungen und errichteten Stallungen seit dem Antrag werden vereinfacht als "Neu" bezeichnet. Zudem ist festzustellen, dass beim Nachbarbetrieb seit 2007 keine neuen Stallungen mehr bewilligt worden sind.

In der nachfolgenden Tabelle werden die relevanten Stallparameter und Lüftungsdaten, die den angeführten Genehmigungsunterlagen, Gutachten sowie Beschreibungen entnommen wurden, überblicksmäßig dargestellt. Die für die Ausbreitungsberechnung benötigten Quellstärken bzw. Geruchsfrachten, angegeben in Megageruchseinheiten pro Stunde (MGE/h), wurden gemäß den Vorgaben der Richtlinie zur Beurteilung von Geruchs-immissionen aus der Nutztierhaltung in Stallungen (bmlfuw, Jänner 2017) berechnet. Für die Geruchsfracht wird die Tieranzahl mit der mittleren Lebendtiermasse und dem tierartspezifischen Geruchsemissionsfaktor, Konventionswerte der VDI 3894 Blatt 1 Tab. 22, multipliziert.“

Durch die Anpassung des Gutachtensauftrags war der Tierwohlstall nicht als Bestand zu qualifizieren. Daraus ergab sich nach Ergänzung durch den ASV Luftreinhaltetechnik folgendes:

„[…] In der tabellarischen Betrachtung der Stallparameter und der daraus resultierenden Geruchsfrachten sind die Angaben zum Tierwohlstall "Bestand" zu streichen.

[…] In den neuen Ausbreitungsberechnungen wurde das Rechengebiet angepasst, sodass die Liegenschaft der Bf XXXX nunmehr vollständig enthalten ist. Weiters wurde das westlich an die Liegenschaft der Bf angrenzende Nachbarhaus berücksichtigt. […]

[…] Die errechneten Geruchsimmissionskonzentrationen ergeben auf der Liegenschaft der Bf XXXX Maximalwerte von etwa 12% im Szenario "Bestand" und rund 24 % im Szenario "Neu". Nach Berücksichtigung der Hedonik unter Anwendung des tierartspezifischen Gewichtungsfaktors von 0,75 für Mastschweine und Sauen gemäß der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft – TA Luft, herausgegeben im August 2021, ergeben sich Geruchsbelastungen von ca. 9 % im Szenario "Bestand" und ca. 18 % im Szenario "Neu".“

Auf die Frage in der Beschwerdeverhandlung (vgl. Beschwerdeverhandlung 29.06.2023, S. 4), warum es zu den gravierenden Unterschieden zwischen dem behördlichen und dem vorliegenden Gutachten kommt, gab der ASV an, dass der ASV im behördlichen UVP-Feststellungsverfahren im Sinne einer Grobbeurteilung eine vereinfachte Screening Variante herangezogen hat. „[…] Wir berufen uns auf die Ö. Geruchsimmissionsrichtlinie, die Richtlinie zur Beurteilung von Geruchsimmission aus der Nutztierhaltung (BMLFUW Jänner 2017), welche im Jahr 2017 veröffentlicht wurde. Dort gibt es mehrere Varianten, wie man im Einzelfall Stellen beurteilen darf. Im Endeffekt obliegt es dem SV, was auch so in der Richtlinie niedergeschrieben ist, dass er selbst das geeignete Werkzeug auswählt. Es gibt verschiedenste Modelle, Screening oder die prognostische Variante, wo man wirklich in die Tiefe geht.“

Diese Angaben des ASV Luftreinhaltetechnik erweisen sich als schlüssig und gab es keine Einwendungen dagegen. Die deutlichen Unterschiede zwischen den dargelegten Gutachten ergeben sich nachvollziehbar aus der Verwendung eines genaueren Rechenmodells, das insbesondere die vor Ort vorherrschenden Windverhältnisse berücksichtigt.

Zum Punkt 1.4. Fachgebiet Humanmedizin

Der ASV für Humanmedizin erläuterte in der Beschwerdeverhandlung (vgl. Beschwerdeverhandlung vom 29.06.2023, S. 6-7), dass es in Österreich keine verbindliche Rechtsnorm gibt, die Geruchsimmissionen regelt, weshalb in Österreich die gängige Begutachtungspraxis ist, sich an der deutschen TA-Luft zu orientieren (vormals GIRL). Die TA-Luft besagt nun für Wohngebiete bzw. Wohngebiete mit Wohnnutzung, also Mischgebiete, urbane Gebiete oder Kerngebiete, damit keine erhebliche Belästigung auftritt, sollen 10 % der Jahresgeruchsstunden nicht überschritten werden. Ausnahmen bestehen für Dorfgebiete mit bis zu 15 %.

Der ASV zitiert aus der ÖAL Nummer 3 Blatt 1:

„Belästigung, Störung des Wohlbefindens, Beeinträchtigung des Wohlbefindens:

Hier handelt es sich weitgehend um subjektive Wahrnehmungsqualitäten. Jede Immission – vorausgesetzt, dass sie überhaupt wahrgenommen wird, d.h., dass sie die Wahrnehmungsschwelle überschreitet – kann vom gesunden normal empfindenden Menschen im konkreten Fall als Belästigung empfunden werden und damit eine Störung des Wohlbefindens bewirken. Das Empfinden einer Belästigung ist inter- und intraindividuell sehr unterschiedlich. Die Wahrnehmung einer Immission an sich stellt noch keine Belästigung dar. Zum Belästigungserleben kommt es erst insbesondere, wenn die Immission emotional negativ bewertet wird. Einzuschließen in diese Kategorie wären auch Störungen bestimmter höherer Funktionen und Leistungen – wie etwa der geistigen Arbeit, der Lern- und Konzentrationsfähigkeit, der Sprachkommunikation etc. Es sei an dieser Stelle ausdrücklich betont, dass solche Funktions- und Leistungsstörungen über einen längeren Zeitraum hinweg sehr wohl zu einer Gesundheitsgefährdung werden können.“

Der ASV führte weiter aus: „Im konkreten Fall habe ich folgendes bezüglich Immersionen aus Schweinebetrieben, aus dem Leitfaden „Medizinische Fakten zur Beurteilung von Geruchsimmissionen“ von den Ärztinnen und Ärzten für eine gesunde Umwelt gefunden. Verschiedene Studien belegen, dass AnrainerInnen von landwirtschaftlichen Schweinebetrieben häufig über körperliche Symptome und gesundheitliche Probleme klagen. Symptome wie Reizungen in der Nase, der Augen und im Hals, Verkühlung, Kurzatmigkeit, Heiserkeit, Benommenheit, Kopfweh, Übelkeit, Herzklopfen oder Stimmungsveränderungen werden häufig berichtet. Hinweise auf somatische Wirkungen aufgrund von Geruchsbelastungen konnten nachgewiesen werden. Es wurde in Untersuchungen hormonelle Stressbelastungen aufgrund von Umweltgerüchen gefunden. SCHUSTERMAN berichtet über vermehrte Beschwerden wie Übelkeit, Durchfall, Augen-Nasenschleimhaut und Halsreizungen, Kopfweh und Kurzatmigkeit bedingt durch Gerüche, die von landwirtschaftlichen Aktivitäten hervorgerufen wurden.

In diesem Sinne ist von einer erheblichen Belästigung der AnwohnerInnen durch die gegenständliche Anlage im Sinne der TA-Luft auszugehen. Aufgrund der Dauer der Exposition ist langfristig eine Beeinträchtigung der Gesundheit der AnwohnerInnen erwartbar, auch im Sinne des vorher genannten.“

Auf die Frage, ob diese Einschätzung auch gelte, wenn man gegenständlich ein dörfliches Gebiet annehmen würde, gab der ASV an, dass in diesem Fall auch die dann geltenden 15 % deutlich überschritten sind.

Diese Ausführungen des ASV sind schlüssig und nachvollziehbar und gab es dagegen keine Einwendungen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur Zuständigkeit und Zulässigkeit:

Gemäß Art. 131 Abs. 4 Z 2 lit. a B-VG i.V.m. § 40 Abs. 1 UVP-G 2000 entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen nach dem UVP-G 2000 das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Für UVP-Feststellungsverfahren nach § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 ist keine Senatszuständigkeit vorgesehen (§ 40 Abs. 2 UVP-G 2000).

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Die Beschwerdeführer sind Nachbarn iSd § 19 UVP-G 2000, da sie in einer solchen Entfernung zum Vorhaben wohnhaft sind, dass sie insbesondere durch vorhabensbedingte Geruchsemissionen belästigt werden könnten.

Gemäß § 3 Abs. 9 UVP-G 2000 ist ein Nachbar gemäß § 19 Abs. 1 Z 1 UVP-G 2000 berechtigt, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zu erheben, wenn die Behörde feststellt, dass für ein Vorhaben keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist.

Die Beschwerde ist zulässig und sie erweist sich auch als rechtzeitig.

3.2. Rechtliche Beurteilung:

3.2.1. Maßgebliche Rechtsgrundlagen in der für den vorliegenden Fall maßgeblichen Fassung:

Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (UVP-G 2000), BGBl. Nr. 697/1993 idF BGBl. I Nr. 26/2023:

„Gegenstand der Umweltverträglichkeitsprüfung

§ 3. (1) Vorhaben, die in Anhang 1 angeführt sind, sowie Änderungen dieser Vorhaben sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen. Für Vorhaben, die in Spalte 2 und 3 des Anhanges 1 angeführt sind, ist das vereinfachte Verfahren durchzuführen. […].

(2) Bei Vorhaben des Anhanges 1, die die dort festgelegten Schwellenwerte nicht erreichen oder Kriterien nicht erfüllen, die aber mit anderen Vorhaben gemeinsam den jeweiligen Schwellenwert erreichen oder das Kriterium erfüllen, hat die Behörde im Einzelfall festzustellen, ob auf Grund einer Kumulierung der Auswirkungen mit erheblichen schädlichen, belästigenden oder belastenden Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen und daher eine Umweltverträglichkeitsprüfung für das geplante Vorhaben durchzuführen ist. Für die Kumulierung zu berücksichtigen sind andere gleichartige und in einem räumlichen Zusammenhang stehende Vorhaben, die bestehen oder genehmigt sind, oder Vorhaben, die mit vollständigem Antrag auf Genehmigung bei einer Behörde früher eingereicht oder nach §§ 4 oder 5 früher beantragt wurden. Eine Einzelfallprüfung ist nicht durchzuführen, wenn das geplante Vorhaben eine Kapazität von weniger als 25 % des Schwellenwertes aufweist. Bei der Entscheidung im Einzelfall sind die Kriterien des Abs. 5 Z 1 bis 3 zu berücksichtigen, die Abs. 7 und 8 sind anzuwenden. Die Umweltverträglichkeitsprüfung ist im vereinfachten Verfahren durchzuführen. Die Einzelfallprüfung entfällt, wenn der Projektwerber/die Projektwerberin die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung beantragt.

(3) Wenn ein Vorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen ist, sind die nach den bundes- oder landesrechtlichen Verwaltungsvorschriften, auch soweit sie im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde zu vollziehen sind, für die Ausführung des Vorhabens erforderlichen materiellen Genehmigungsbestimmungen von der Behörde (§ 39) in einem konzentrierten Verfahren mit anzuwenden (konzentriertes Genehmigungsverfahren). Ausgenommen davon sind Vorhaben der Z 18 lit. a bis d und f des Anhanges 1.

(4) Bei Vorhaben, für die in Spalte 3 des Anhanges 1 ein Schwellenwert in bestimmten schutzwürdigen Gebieten festgelegt ist, hat die Behörde bei Zutreffen dieses Tatbestandes im Einzelfall zu entscheiden, ob zu erwarten ist, dass unter Berücksichtigung des Ausmaßes und der Nachhaltigkeit der Umweltauswirkungen der schützenswerte Lebensraum (Kategorie B des Anhanges 2) oder der Schutzzweck, für den das schutzwürdige Gebiet (Kategorien A, C, D und E des Anhanges 2) festgelegt wurde, wesentlich beeinträchtigt wird. Bei dieser Prüfung sind schutzwürdige Gebiete der Kategorien A, C, D oder E des Anhanges 2 nur zu berücksichtigen, wenn sie am Tag der Einleitung des Verfahrens ausgewiesen oder in die Liste der Gebiete mit gemeinschaftlicher Bedeutung (Kategorie A des Anhanges 2) aufgenommen sind. Ist mit einer solchen Beeinträchtigung zu rechnen, ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen. Bei der Entscheidung im Einzelfall sind die Kriterien des Abs. 5 Z 1 bis 3 zu berücksichtigen, Abs. 7 und 8 sind anzuwenden. Die Einzelfallprüfung entfällt, wenn der Projektwerber/die Projektwerberin die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung beantragt.

(4a) Bei Vorhaben, für die in Spalte 3 des Anhanges 1 andere als in Abs. 4 genannte besondere Voraussetzungen festgelegt sind, hat die Behörde bei Zutreffen dieser Voraussetzungen unter Anwendung des Abs. 7 im Einzelfall festzustellen, ob durch das Vorhaben mit erheblichen schädlichen oder belastenden Auswirkungen auf die Umwelt im Sinn des § 1 Abs. 1 Z 1 zu rechnen ist. Bei Vorhaben der Z 18 lit. f, 19 lit. d, 19 lit. f und 21 lit. c des Anhanges 1 hat sich diese Prüfung darauf zu beschränken, ob durch das Vorhaben mit erheblichen schädlichen oder belastenden Auswirkungen auf die Schutzgüter Fläche und Boden zu rechnen ist. Stellt sie solche fest, ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem vereinfachten Verfahren durchzuführen. Die Einzelfallprüfung entfällt, wenn der Projektwerber/die Projektwerberin die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung beantragt.

(5) Bei der Entscheidung im Einzelfall hat die Behörde folgende Kriterien, soweit relevant, zu berücksichtigen:

1. Merkmale des Vorhabens (Größe des Vorhabens, Nutzung der natürlichen Ressourcen, Abfallerzeugung, Umweltverschmutzung und Belästigungen, vorhabensbedingte Anfälligkeit für Risiken schwerer Unfälle und von Naturkatastrophen, einschließlich solcher, die wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge durch den Klimawandel bedingt sind, Risiken für die menschliche Gesundheit),

2. Standort des Vorhabens (ökologische Empfindlichkeit unter Berücksichtigung bestehender oder genehmigter Landnutzung, Reichtum, Verfügbarkeit, Qualität und Regenerationsfähigkeit der natürlichen Ressourcen einschließlich des Bodens, der Fläche, des Wassers und der biologischen Vielfalt des Gebietes und seines Untergrunds, Belastbarkeit der Natur, gegebenenfalls unter Berücksichtigung der in Anhang 2 angeführten Gebiete),

3. Merkmale der potentiellen Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt (Art, Umfang und räumliche Ausdehnung der Auswirkungen, grenzüberschreitender Charakter der Auswirkungen, Schwere und Komplexität der Auswirkungen, erwarteter Zeitpunkt des Eintretens, Wahrscheinlichkeit von Auswirkungen, Dauer, Häufigkeit und Reversibilität der Auswirkungen, Möglichkeit, die Auswirkungen wirksam zu vermeiden oder zu vermindern) sowie Veränderung der Auswirkungen auf die Umwelt bei Verwirklichung des Vorhabens im Vergleich zu der Situation ohne Verwirklichung des Vorhabens.

Bei in Spalte 3 des Anhanges 1 angeführten Vorhaben ist die Veränderung der Auswirkungen im Hinblick auf das schutzwürdige Gebiet maßgeblich. Bei Vorhaben der Z 18 lit. f, 19 lit. d, 19 lit. f und 21 lit. c des Anhanges 1 ist die Veränderung der Auswirkungen im Hinblick auf die Schutzgüter Fläche und Boden maßgeblich. Der Bundesminister/die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie kann mit Verordnung nähere Einzelheiten über die Durchführung der Einzelfallprüfung regeln.

(6) Vor Abschluss der Umweltverträglichkeitsprüfung oder der Einzelfallprüfung dürfen für Vorhaben, die einer Prüfung gemäß Abs. 1, 2, 4 oder 4a unterliegen, Genehmigungen nicht erteilt werden und kommt nach Verwaltungsvorschriften getroffenen Anzeigen vor Abschluss der Umweltverträglichkeitsprüfung keine rechtliche Wirkung zu. Entgegen dieser Bestimmung erteilte Genehmigungen können von der gemäß § 39 Abs. 3 zuständigen Behörde innerhalb einer Frist von drei Jahren als nichtig erklärt werden.

(7) Die Behörde hat auf Antrag des Projektwerbers/der Projektwerberin, einer mitwirkenden Behörde oder des Umweltanwaltes festzustellen, ob für ein Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach diesem Bundesgesetz durchzuführen ist und welcher Tatbestand des Anhanges 1 oder des § 3a Abs. 1 bis 3 durch das Vorhaben verwirklicht wird. Diese Feststellung kann auch von Amts wegen erfolgen. Der Projektwerber/die Projektwerberin hat der Behörde Unterlagen vorzulegen, die zur Identifikation des Vorhabens und zur Abschätzung seiner Umweltauswirkungen ausreichen, im Fall einer Einzelfallprüfung ist hiefür Abs. 8 anzuwenden. Hat die Behörde eine Einzelfallprüfung nach diesem Bundesgesetz durchzuführen, so hat sie sich dabei hinsichtlich Prüftiefe und Prüfumfang auf eine Grobprüfung zu beschränken. Die Entscheidung ist innerhalb von sechs Wochen mit Bescheid zu treffen. In der Entscheidung sind nach Durchführung einer Einzelfallprüfung unter Verweis auf die in Abs. 5 angeführten und für das Vorhaben relevanten Kriterien die wesentlichen Gründe für die Entscheidung, ob eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist oder nicht, anzugeben. Bei Feststellung, dass keine Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung besteht, ist in der Entscheidung auf allfällige seitens des Projektwerbers/der Projektwerberin geplante projektintegrierte Aspekte oder Maßnahmen des Vorhabens, mit denen erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen vermieden oder verhindert werden sollen, Bezug zu nehmen. Parteistellung und das Recht, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zu erheben, haben der Projektwerber/die Projektwerberin, der Umweltanwalt und die Standortgemeinde. Vor der Entscheidung sind die mitwirkenden Behörden und das wasserwirtschaftliche Planungsorgan zu hören. Die Entscheidung ist von der Behörde in geeigneter Form kundzumachen und der Bescheid jedenfalls zur öffentlichen Einsichtnahme aufzulegen und auf der Internetseite der UVP-Behörde, auf der Kundmachungen gemäß § 9 Abs. 4 erfolgen, zu veröffentlichen; der Bescheid ist als Download für sechs Wochen bereitzustellen. Die Standortgemeinde kann gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts Revision an den Verwaltungsgerichtshof erheben. Der Umweltanwalt und die mitwirkenden Behörden sind von der Verpflichtung zum Ersatz von Barauslagen befreit.

[…].

(9) Stellt die Behörde gemäß Abs. 7 fest, dass für ein Vorhaben keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist, ist eine gemäß § 19 Abs. 7 anerkannte Umweltorganisation oder ein Nachbar/eine Nachbarin gemäß § 19 Abs. 1 Z 1 berechtigt, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zu erheben. Ab dem Tag der Veröffentlichung im Internet ist einer solchen Umweltorganisation oder einem solchen Nachbarn/ einer solchen Nachbarin Einsicht in den Verwaltungsakt zu gewähren. Für die Beschwerdelegitimation der Umweltorganisation ist der im Anerkennungsbescheid gemäß § 19 Abs. 7 ausgewiesene Zulassungsbereich maßgeblich.

[…].

Änderungen

§ 3a. (1) Änderungen von Vorhaben,

1. die eine Kapazitätsausweitung von mindestens 100% des in Spalte 1 oder 2 des Anhanges 1 festgelegten Schwellenwertes, sofern ein solcher festgelegt wurde, erreichen, sind einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen; dies gilt nicht für Schwellenwerte in spezifischen Änderungstatbeständen;

2. für die in Anhang 1 ein Änderungstatbestand festgelegt ist, sind einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen, wenn dieser Tatbestand erfüllt ist und die Behörde im Einzelfall feststellt, dass durch die Änderung mit erheblichen schädlichen, belästigenden oder belastenden Auswirkungen auf die Umwelt im Sinn des § 1 Abs. 1 Z 1 zu rechnen ist.

(2) Für Änderungen sonstiger in Spalte 1 des Anhanges 1 angeführten Vorhaben ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, wenn

1. der Schwellenwert in Spalte 1 durch die bestehende Anlage bereits erreicht ist oder bei Verwirklichung der Änderung erreicht wird und durch die Änderung eine Kapazitätsausweitung von mindestens 50% dieses Schwellenwertes erfolgt oder

2. eine Kapazitätsausweitung von mindestens 50% der bisher genehmigten Kapazität des Vorhabens erfolgt, falls in Spalte 1 des Anhanges 1 kein Schwellenwert angeführt ist,

und die Behörde im Einzelfall feststellt, dass durch die Änderung mit erheblichen schädlichen, belästigenden oder belastenden Auswirkungen auf die Umwelt im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 zu rechnen ist.

(3) Für Änderungen sonstiger in Spalte 2 oder 3 des Anhanges 1 angeführten Vorhaben ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem vereinfachten Verfahren durchzuführen, wenn

1. der in Spalte 2 oder 3 festgelegte Schwellenwert durch die bestehende Anlage bereits erreicht ist oder durch die Änderung erreicht wird und durch die Änderung eine Kapazitätsausweitung von mindestens 50% dieses Schwellenwertes erfolgt oder

2. eine Kapazitätsausweitung von mindestens 50% der bisher genehmigten Kapazität des Vorhabens erfolgt, falls in Spalte 2 oder 3 kein Schwellenwert festgelegt ist,

und die Behörde im Einzelfall feststellt, dass durch die Änderung mit erheblichen schädlichen, belästigenden oder belastenden Auswirkungen auf die Umwelt im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 zu rechnen ist.

(4) Bei der Feststellung im Einzelfall hat die Behörde die in § 3 Abs. 5 Z 1 bis 3 angeführten Kriterien zu berücksichtigen. § 3 Abs. 7 und 8 sind anzuwenden. Die Einzelfallprüfung gemäß Abs. 1 Z 2, Abs. 2, 3 und 6 entfällt, wenn der Projektwerber/die Projektwerberin die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung beantragt.

(5) Soweit nicht eine abweichende Regelung in Anhang 1 getroffen wurde, ist für die Beurteilung der UVP-Pflicht eines Änderungsprojektes gemäß Abs. 1 Z 2 sowie Abs. 2 und 3 die Summe der Kapazitäten, die innerhalb der letzten fünf Jahre genehmigt wurden einschließlich der beantragten Kapazitätsausweitung heranzuziehen, wobei die beantragte Änderung eine Kapazitätsausweitung von mindestens 25% des Schwellenwertes oder, wenn kein Schwellenwert festgelegt ist, der bisher genehmigten Kapazität erreichen muss.

(6) Bei Änderungen von Vorhaben des Anhanges 1, die die in Abs. 1 bis 5 angeführten Schwellenwerte nicht erreichen oder Kriterien nicht erfüllen, die aber mit anderen Vorhaben gemeinsam den jeweiligen Schwellenwert oder das Kriterium des Anhanges 1 erreichen oder erfüllen, hat die Behörde im Einzelfall festzustellen, ob auf Grund einer Kumulierung der Auswirkungen mit erheblichen schädlichen, belästigenden oder belastenden Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen und daher eine Umweltverträglichkeitsprüfung für die geplante Änderung durchzuführen ist. Für die Kumulierung zu berücksichtigen sind andere gleichartige und in einem räumlichen Zusammenhang stehende Vorhaben, die bestehen oder genehmigt sind, oder Vorhaben, die mit vollständigem Antrag auf Genehmigung bei einer Behörde früher eingereicht oder nach §§ 4 oder 5 früher beantragt wurden. Eine Einzelfallprüfung ist nicht durchzuführen, wenn das geplante Änderungsvorhaben eine Kapazität von weniger als 25 % des Schwellenwertes aufweist. Bei der Entscheidung im Einzelfall sind die Kriterien des § 3 Abs. 5 Z 1 bis 3 zu berücksichtigen, § 3 Abs. 7 ist anzuwenden. Die Umweltverträglichkeitsprüfung ist im vereinfachten Verfahren durchzuführen.

[…].“

Behörden und Zuständigkeit

„§ 39. […]

(3) Bescheide, die entgegen § 3 Abs. 6 erlassen wurden, sind von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde oder, wenn eine solche nicht vorgesehen ist, von der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, als nichtig zu erklären.“

Anhang 1 UVP-G 2000 lautet auszugsweise:

„Der Anhang enthält die gemäß § 3 UVP-pflichtigen Vorhaben.

In Spalte 1 und 2 finden sich jene Vorhaben, die jedenfalls UVP-pflichtig sind und einem UVP-Verfahren (Spalte 1) oder einem vereinfachten Verfahren (Spalte 2) zu unterziehen sind. Bei in Anhang 1 angeführten Änderungstatbeständen ist ab dem angeführten Schwellenwert eine Einzelfallprüfung durchzuführen; sonst gilt § 3a Abs. 2 und 3, außer es wird ausdrücklich nur die `Neuerrichtung´, der `Neubau´ oder die `Neuerschließung´ erfasst.

In Spalte 3 sind jene Vorhaben angeführt, die nur bei Zutreffen besonderer Voraussetzungen der UVP-Pflicht unterliegen. Für diese Vorhaben hat ab den angegebenen Mindestschwellen eine Einzelfallprüfung zu erfolgen. Ergibt diese Einzelfallprüfung eine UVP-Pflicht, so ist nach dem vereinfachten Verfahren vorzugehen.

Die in der Spalte 3 genannten Kategorien schutzwürdiger Gebiete werden in Anhang 2 definiert. Gebiete der Kategorien A, C, D und E sind für die UVP-Pflicht eines Vorhabens jedoch nur dann zu berücksichtigen, wenn sie am Tag der Antragstellung ausgewiesen sind.

[…]

 

UVP

UVP im vereinfachten Verfahren

 

Spalte 1

Spalte 2

Spalte 3

 

Land- und Forstwirtschaft

 

 

Z 43

 

a) Anlagen zum Halten oder zur Aufzucht von Tieren ab folgender Größe:

48 000 Legehennen-, Junghennen-, Mastelterntier- oder Truthühnerplätze

65 000 Mastgeflügelplätze

2 500 Mastschweineplätze

700 Sauenplätze

500 Rinderplätze (für Rinder über ein Jahr alt);

b) Anlagen zum Halten oder zur Aufzucht von Tieren in schutzwürdigen Gebieten der Kategorie C oder E oder in Beobachtungsgebieten oder voraussichtlichen Maßnahmengebieten gemäß § 33f WRG 1959, ab folgender Größe:

40000 Legehennen-, Junghennen-, Mastelterntier- oder Truthühnerplätze

42500 Mastgeflügelplätze

1400 Mastschweineplätze

450 Sauenplätze

300 Rinderplätze (für Rinder über ein Jahr alt).

Betreffend lit. a und b gilt: Bei gemischten Beständen werden die Prozentsätze der jeweils erreichten Platzzahlen addiert, ab einer Summe von 100% ist eine UVP bzw. eine Einzelfallprüfung durchzuführen; Bestände bis 5% der jeweiligen Platzzahlen innerhalb eines Vorhabens bleiben unberücksichtigt.

    

Aus Anhang 2 UVP-G 2000 ergibt sich für das schutzwürdige Gebiet „Siedlungsgebiet“:

„in oder nahe Siedlungsgebieten.

Als Nahebereich eines Siedlungsgebietes gilt ein Umkreis von 300 m um das Vorhaben, in dem Grundstücke wie folgt festgelegt oder ausgewiesen sind:

1. Bauland, in dem Wohnbauten errichtet werden dürfen (ausgenommen reine Gewerbe-, Betriebs- oder Industriegebiete, Einzelgehöfte oder Einzelbauten),

2. Gebiete für Kinderbetreuungseinrichtungen, Kinderspielplätze, Schulen oder ähnliche Einrichtungen, Krankenhäuser, Kuranstalten, Seniorenheime, Friedhöfe, Kirchen und gleichwertige Einrichtungen anerkannter Religionsgemeinschaften, Parkanlagen, Campingplätze und Freibeckenbäder, Garten- und Kleingartensiedlungen.“

3.2.2. Rechtliche Würdigung:

Schwellenwertberechnung

Der Pflicht zur Durchführung einer UVP unterliegen Vorhaben gemäß § 3 Abs. 1 UVP-G 2000 nur dann, wenn sie unter einen Tatbestand fallen, der in Anhang 1 angeführt ist. Vorhaben, die in Spalte 1 des Anhangs aufgelistet sind und die dortigen Schwellenwerte erreichen, sind in jedem Fall einer UVP zu unterziehen. Vorhaben laut Spalte 2 sind einer UVP im vereinfachten Verfahren zu unterziehen, Vorhaben laut Spalte 3 (Vorhaben in einem schutzwürdigen Gebiet) sind einer Einzelfallprüfung zur Feststellung einer allfälligen UVP-Pflicht zu unterziehen.

Projekte können aber gemäß § 3 Abs. 2 UVP-G 2000 auch dann der UVP-Pflicht unterliegen, wenn sie zwar für sich genommen keinen Schwellenwert des Anhangs 1 UVP-G 2000 überschreiten, wenn sie aber mit anderen Vorhaben gemeinsam den jeweiligen Schwellenwert erreichen oder das Kriterium erfüllen. Entsprechendes gilt gemäß § 3a UVP-G 2000 für Änderungen bereits bestehender Vorhaben.

Im vorliegenden Fall erweist sich als unstrittig, dass für das zur Feststellung beantragte Änderungsvorhaben wegen der Kumulierung der zu erwartenden Auswirkungen gemäß § 3a Abs. 6 UVP-G 2000 eine Einzelfallprüfung durchzuführen war. Die belangte Behörde ging dabei von folgenden zutreffenden Erwägungen aus:

Das geplante Änderungsvorhaben kommt in bzw. nahe einem Siedlungsgebiet, also einem schutzwürdigen Gebiet der Kategorie E gemäß Anhang 2 des UVP-G 2000 zu liegen, da, wie sich aus den Feststellungen ergibt, im Umkreis von 300 m um das Vorhaben Grundstücke als Bauland gewidmet sind.

Vorweg ist festzuhalten, dass sich die Berechnungen deswegen geringfügig änderten, da die Bestandszahlen der Tiere angepasst wurden. Die Werte orientieren sich an der Tabelle des ASV Luftreinhaltetechnik in der Beweiswürdigung zu Pkt. 1.3., der die jeweiligen Tierzahlen bei der genehmigenden Baubehörde vor Ort erhoben hat. Eine im Vergleich zum behördlichen Feststellungsverfahren geänderte Beurteilung ergibt sich insbesondere auf Grund der detaillierteren bzw. aktualisierten Daten zum Nachbarbetrieb. Die Ferkel und Eber spielen in der Schwellwertberechnung keine Rolle, Jungsauen hingegen schon (vgl. zu „Jungsauen“ das Rundschreiben UVP-G 2000, Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft Umwelt und Wasserwirtschaft, GZ BMLFUW-UW.1.4.2/0052-I/1/2015 vom 10.07.2015; vgl. auch VwGH 29.09.2015, 2013/05/0077).

Zur Prüfung nach den Schwellenwerten gemäß Anhang 1 Z 43 lit. a UVP-G 2000 (Mastschweine: 2.500 Stk., Sauen: 700 Stk.):

Der ursprüngliche Bestand betrug 13,57 % des Schwellenwerts (10 Jungsauen und 85 Zuchtsauen sowie 3 Rinder, die unberücksichtigt bleiben, weil sie die 5 %-Schwelle der jeweiligen Platzzahlen innerhalb des Vorhabens nicht erreichen). Der geplante Bestand beträgt 32 % des Schwellenwerts (800 Mastschweine). Die Änderung des Bestands und somit die Kapazitätsausweitung beträgt somit 18,43 % des Schwellenwerts (zur Gegenrechnung vgl. nächsten Punkt). Somit ist aufgrund der Kapazitätsausweitung für sich genommen keine UVP durchzuführen (§ 3a Abs. 3 UVP-G 2000). Auch eine kumulierte Betrachtung gemäß § 3a Abs. 6 UVP-G 2000 kommt nicht in Frage, da die Änderung die 25 %-Schwelle nicht erreicht.

Zur Prüfung nach den Schwellenwerten gemäß Anhang 1 Z 43 lit. b UVP-G 2000 (Mastschweine: 1.400 Stk., Sauen: 450 Stk., 300 Rinderplätze):

Der ursprüngliche Bestand des Antragstellers betrug 21,11 % des Schwellenwerts (10 Jungsauen und 85 Zuchtsauen sowie 3 Rinder, die unberücksichtigt bleiben, weil sie die 5 %-Schwelle der jeweiligen Platzzahlen innerhalb des Vorhabens nicht erreichen). Dieser Bestand fällt zur Gänze weg und war mit der geplanten Änderung gegenzurechnen, da mit der Auflassung der Zuchtsauen- und Jungsauenplätze auch deren Auswirkungen zeitgleich endeten und die Umstrukturierung des Betriebes Zug um Zug erfolgte (vgl. VwGH 29.09.2015, 2013/05/0077).

Es ergibt sich ein geplanter Bestand von 57,14 % des Schwellenwerts (800 Mastschweine). Die Änderung des Bestands und somit die Kapazitätsausweitung beträgt somit 36,03 % des Schwellenwerts. Daher ist aufgrund der Kapazitätsausweitung für sich genommen keine UVP durchzuführen (§ 3a Abs. 3 UVP-G 2000). Allerdings verfügt der angeführte benachbarte Betrieb über einen (gemischten) Bestand von 82,82 % des Schwellenwerts (640 Mastschweine und 147 Zuchtsauen sowie 20 Jungsauen). Die Kapazitätsausweitung erreicht zudem die 25 %-Schwelle gemäß § 3a Abs.6 UVP-G 2000. Bei kumulierter Betrachtung ergibt sich somit ein Bestand von rund 119 % des Schwellenwerts, woraus gemäß § 3a Abs. 6 UVP-G 2000 eine Verpflichtung zur Einzelfallprüfung bezogen auf das schutzwürdige Gebiet der Kategorie E „Siedlungsgebiet“ resultiert.

Einzelfallprüfung

Gemäß § 3a Abs. 6 UVP-G 2000 war im Einzelfall festzustellen, ob auf Grund einer Kumulierung der Auswirkungen mit erheblichen schädlichen, belästigenden oder belastenden Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen und daher eine UVP für die geplante Änderung durchzuführen ist.

Für die Kumulierung zu berücksichtigen sind andere gleichartige und in einem räumlichen Zusammenhang stehende Vorhaben, die bestehen oder genehmigt sind, oder Vorhaben, die mit vollständigem Antrag auf Genehmigung bei einer Behörde früher eingereicht oder früher beantragt wurden: Gegenständlich befindet sich ein weiterer Schweinehaltungsbetrieb unmittelbar neben dem geplanten Vorhaben. Bei diesem Nachbarbetrieb handelt es sich somit um ein gleichartiges Vorhaben, das unstrittig im räumlichen Zusammenhang mit dem geplanten Vorhaben liegt.

Die Beschwerdeführer sind im schutzwürdigen Gebiet der Kategorie E „Siedlungsgebiet“ gemäß Anhang 2 des UVP-G 2000 wohnhaft und war zu klären, ob auf Grund einer Kumulierung der Auswirkungen des Vorhabens mit dem Nachbarbetrieb mit erheblichen schädlichen, belästigenden oder belastenden Auswirkungen auf die Umwelt mit Blick auf das Siedlungsgebiet zu rechnen ist. Bei einer Einzelfallprüfung in einem schutzwürdigen Gebiet hat keine umfassende Prüfung der Umweltauswirkungen des Vorhabens, sondern eine auf den Schutzzweck des schutzwürdigen Gebietes zu erfolgen (vgl. VwGH 11.05.2017, Ra 2017/04/0006).

Zur Klärung der Frage der kumulierenden Wirkungen beauftragte die belangte Behörde Sachverständige aus den Fachbereichen Hydrologie und Grundwasserwirtschaft, Luftreinhaltung, Schalltechnik und Humanmedizin. Auf dieser Basis ging die belangte Behörde davon aus, dass mit keinen erheblichen schädlichen, belästigenden oder belastenden Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen sein werde.

Die Beschwerdeführer bringen dagegen in ihrer Nachbareigenschaft vor, dass die Geruchsbelästigung seit der Umsetzung des Vorhabens stark zugenommen habe. Im Fokus des Ermittlungsverfahrens im Beschwerdeverfahren stand somit die Geruchsbelastung der Anrainer durch das gegenständliche Änderungsvorhaben in Kumulation mit dem Nachbarbetrieb.

Als wesentlicher Streitpunkt erweist sich im vorliegenden Fall, ob in Anbetracht des Umstandes, dass das Vorhaben bereits errichtet wurde, abweichende Kriterien an die Grobprüfung anzulegen seien; konkret, ob nicht nur Prognose-Rechnungen anzustellen, sondern Messungen vorzunehmen seien. Mit diesem Einwand vermochten die Beschwerdeführer nichts zu gewinnen: Aus der Richtlinie zur Beurteilung von Geruchsimmissionen des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung vom März 2021 ergibt sich beispielsweise, wie Feldbegehungen dem Stand der Technik entsprechend durchzuführen sind: „Hierbei werden an fixen Beobachtungspunkten in der Umgebung von Geruchsquellen pro Jahr mindestens 104 (52 pro Halbjahr) Begehungen durchgeführt, wobei die Geruchsmessungen durch ein Probandenteam von wenigstens acht Personen erfolgen. […]“ (http://app.luis.steiermark.at/berichte/Download/Fachberichte/ABT15_Lu_02_2021_Geruchsrichtlinie.pdf ). Solche Messungen übersteigen den Zeitraum eines Feststellungsverfahrens von 6 Wochen um ein Vielfaches. Messungen zur Geruchsbelastung würden daher zum einen den Rahmen der Grobprüfung sprengen (vgl. VwGH 25.09.2018, Ra 2018/05/0061). Zum anderen wäre damit im vorliegenden Fall nichts zu gewinnen, da lediglich der derzeitige Zustand (mit dem umgesetzten Vorhaben), nicht jedoch der Zustand davor erhoben werden könnte, womit kein Vergleichswert vor Umsetzung des Vorhabens vorläge bzw. dieser auch nur rechnerisch ermittelt werden könnte.

Wie sich aus den Feststellungen ergibt, verursacht das Änderungsvorhaben eine Geruchsbelastung für die Beschwerdeführer.

Beurteilungsgegenstand der Einzelfallprüfung nach § 3 Abs. 2 UVP-G 2000 ist nicht, ob das einzelne Vorhaben an sich wesentliche Auswirkungen auf die Umwelt erwarten lässt, sondern ob aufgrund der Kumulierung der Auswirkungen mit solchen Auswirkungen zu rechnen ist (Ennöckl, RdU-UT 2009, 30; Raschauer, RdU-UT 2009, 22). In der Judikatur des VwGH ist anerkannt, dass das Bestehen mehrerer Anlagen, die für sich genommen jeweils nur Emissionen in geringem Ausmaß verursachen, in Summe dennoch relevante kumulative und additive Effekte bewirken können (VwGH 17.12.2015, 2012/05/0153; 24.07.2014, 2011/07/0214; 11.12.2019, Ra 2019/05/0005). Es ist folglich zu fragen, ob aufgrund der Kumulierung insgesamt erhebliche schädliche, belästigende oder belastende Auswirkungen auf die Umwelt zu erwarten sind. Im Rahmen der Einzelfallprüfung muss eine konkrete Gefährdungsprognose in Hinblick auf das zur Beurteilung anstehende Projekt und eine Aussage zu den Schutzgut- oder Schutzzweckbeeinträchtigungen, mit denen durch dieses zu rechnen ist, getroffen werden.

Im Ermittlungsverfahren des Beschwerdeverfahrens hat sich ergeben, dass ohne das gegenständliche Änderungsvorhaben, somit im Bestand (Bestand des Antragstellers samt Nachbarbetrieb) Geruchsbelastungen (mittels Ausbreitungsrechnung berechnet und unter Anwendung des tierartspezifischen Gewichtungsfaktors gemäß der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft – TA Luft von August 2021) auf der Liegenschaft der Beschwerdeführer, die mithin am meisten belastet sind, von ca. 9 % Jahresgeruchsstunden vorherrschten. In Kumulation mit dem Änderungsvorhaben stiegen die Geruchsbelastungen auf insgesamt 18 %, diese verdoppelten sich somit.

Der beigezogene ASV für Humanmedizin beurteilte die – durch das Änderungsvorhaben gesteigerte – Geruchsbelastung als erhebliche Belästigung der Anwohner. Aufgrund der Dauer der Exposition ist langfristig auch eine Beeinträchtigung der Gesundheit der Anwohner erwartbar.

Die Gefährdungsprognose, die durch die mittlerweile vollständige Umsetzung des Änderungsvorhabens mehr eine Abbildung des Istzustandes ist, ergab erhebliche schädliche, belästigende oder belastende Auswirkungen auf die Umwelt, hier konkret des Schutzgutes Siedlungsgebiet, durch die Kumulierung des Bestandes mit dem Änderungsvorhaben aufgrund von additiven, sich überlagernden Geruchsbelastungen.

Gemäß § 3a Abs. 6 UVP-G 2000 war daher im Einzelfall festzustellen, dass auf Grund einer Kumulierung der Auswirkungen mit erheblichen schädlichen, belästigenden oder belastenden Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen und daher eine UVP für die geplante Änderung durchzuführen ist.

Sperrwirkung im UVP-Feststellungsverfahren

§ 3 Abs. 6 UVP-G 2000 sieht eine Sperrwirkung vor, wonach vor Abschluss der UVP oder der Einzelfallprüfung für Vorhaben, die einer Prüfung gemäß Abs. 1, 2, 4 oder 4a unterliegen, Genehmigungen nicht erteilt werden dürfen. Entgegen dieser Bestimmung erteilte Genehmigungen können von der gemäß § 39 Abs. 3 leg. cit. zuständigen Behörde innerhalb einer Frist von drei Jahren als nichtig erklärt werden.

Gegenständlich liegt ein Änderungsvorhaben vor, welches vom für baurechtliche Angelegenheiten zuständigen Bürgermeister der Standortgemeinde am 08.01.2018 (Tierwohlstall), am 27.05.2020 (Änderung Tierwohlstall) und am 03.08.2021 bzw. 16.08.2022 (Nutzungsänderung Vierkanthof) baurechtlich bewilligt wurde. Sämtliche Vorhabensteile wurden bereits umgesetzt.

Fraglich, aber wohl zu bejahen ist, ob auch Änderungsvorhaben nach § 3a UVP-G 2000 von der Sperrwirkung umfasst sind, zumal § 3 Abs. 6 nicht auf § 3a verweist. Laut Schmelz/Schwarzer ist die Frage zu bejahen, weil § 3 Abs. 1 Satz 1 auch die Änderung der Vorhaben des Anhangs 1 umfasst; mit dem Hinweis auf die UVP „nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen“ können auch die (bei § 3a weit überwiegenden) Fälle der EFP als mitumfasst angesehen werden. Allerdings wäre auch das gegenteilige Auslegungsergebnis vertretbar, weil das UVP-G 2000 klar zwischen UVP und EFP unterscheidet und weil der nachfolgende § 3 Abs. 7 (hinsichtlich Feststellungsbescheiden) im Gegensatz zu Abs. 6 sehr wohl ausdrücklich auch auf § 3a Abs. 1 bis 3 verweist (Schmelz/Schwarzer, UVP-G-ON 1.00 § 3 UVP-G, Rz 113, Stand 01.07.2011, www.rdb.at ; klar für die Anwendung auf Änderungsvorhaben: D. Ennöckl in Ennöckl/Raschauer/Bergthaler (Hrsg), UVP-G: Kommentar3 (2013) zu § 3 UVP-G 2000, Rz 33).

Unabhängig davon, ob jene Änderungsgenehmigung für die Nutzungsänderung des Vierkanthofes noch von der dreijährigen Nichtigkeit nach § 3 Abs. 6 iVm § 3a UVP-G 2000 bedroht ist (alle anderen materienrechtlichen Genehmigungen fallen nicht mehr unter die dreijährige Frist und sind jedenfalls rechtskräftig), gilt für das gegenständliche Feststellungsverfahren nach dem UVP-G 2000 folgendes:

Das Verstreichen der dreijährigen Frist des § 3 Abs. 6 letzter Satz UVP-G 2000 ist für die Feststellung der UVP-Pflicht nicht relevant. Auch nach Ablauf dieser Frist ist gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 über die allfällige UVP-Pflicht eines Vorhabens abzusprechen (vgl. US 23.03.2009, 7B/2009/2-6 Oberstorcha; US 27.06.2008, 7B/2008/13-8 Hainsdorf Dev; Baumgartner et al, RdU 2000, 127; BVwG 23.03.2017, W104 2010407-1/17E; aA Schmelz/Schwarzer, UVP-G-ON 1.00 § 3 UVP-G, Rz 120, Stand 01.07.2011, www.rdb.at ).

Allfällige Konsequenzen

Nach Ablauf der 3-jährigen, nicht verlängerbaren Frist erlischt nach § 3 Abs. 6 UVP-G die Befugnis zur Nichtigerklärung. Die Genehmigung ist also nach dem nationalen Recht nicht mehr angreifbar, jedoch besteht nach Ablauf der 3-Jahres-Frist nach wie vor die Möglichkeit einer amtswegigen Nichtigerklärung bei Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen des § 68 Abs. 3 und 4 AVG (z.B. zur Beseitigung von das Leben oder die Gesundheit von Menschen gefährdenden Missständen).

Die Konsequenz dieser Feststellung, dass das Änderungsvorhaben UVP-pflichtig gewesen wäre, wird jedoch – über die Möglichkeit einer Nichtigerklärung nach dem AVG hinaus – kaum darin liegen, dass rechtskräftig erteilte Bewilligungen aufgehoben werden können und der Betrieb eines derartigen Vorhabens aus diesem Grund untersagt werden kann (BVwG 23.03.2017, W104 2010407-1/17E). Der normative Gehalt des § 3 Abs. 6 besteht insbesondere darin, dass nach Ablauf der 3-Jahres-Frist das Vorhaben auf Grundlage der materiengesetzlichen Genehmigungen rechtmäßig errichtet und betrieben werden darf (BVwG 18.03.2016, W113 2115723-1/7E; Schmelz/Schwarzer, UVP-G-ON 1.00 § 3 UVP-G, Rz 120, Stand 01.07.2011, www.rdb.at ).

Das Gemeinschaftsrecht verlangt zudem nicht, dass eine Verwaltungsbehörde verpflichtet ist, eine bestandskräftige Verwaltungsentscheidung zurückzunehmen (EuGH 13.01.2004, C-453/00 Kühne & Heitz, Rz 24). Es steht nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegen, die unter bestimmten Umständen die Legalisierung gemeinschaftsrechtswidriger Vorgänge oder Handlungen zulassen, doch darf eine solche Möglichkeit nur eingeräumt werden, wenn sie den Betroffenen keine Gelegenheit bietet, das Gemeinschaftsrecht zu umgehen oder es nicht anzuwenden und sie die Ausnahme bleibt (EuGH 03.07.2008, Rs C-215/06 Kommission/Irland; Altenburger/Berger, UVP-G Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz2 (2010), Rz 67).

Der EuGH hält im Hinblick auf die dreijährige Anfechtungsfrist des § 3 Abs. 6 UVP-G 2000 fest, dass die „Festsetzung angemessener Fristen für die Rechtsverfolgung im Interesse der Rechtssicherheit, die zugleich den betroffenen Einzelnen und die betroffene Behörde schützt, mit dem Unionsrecht vereinbar“ ist (EuGH 17.11.2016, C-348/15, Stadt Wiener Neustadt, Rn 41 und 42). Der EuGH rekurriert somit auf die Rechtssicherheit, die zu den im Gemeinschaftsrecht anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätzen zählt. Nach gefestigter Rechtsprechung des Gerichtshofs, so der EuGH weiter, sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, alle durch das Unterbleiben einer UVP entstandenen Schäden zu ersetzen und müssen zu diesem Zweck alle allgemeinen oder besonderen Maßnahmen ergreifen, um dem Unterbleiben einer solchen Prüfung abzuhelfen (EuGH 07.01.2004, Wells, C‑201/02, Rn. 66 und 68).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die ordentliche Revision ist im vorliegenden Fall nicht zulässig, weil gegenständlich insbesondere Sachverhaltsfragen zu klären waren, die zu einer Einzelfallentscheidung führten. Rechtsfragen wurden vorliegend nicht aufgeworfen, bzw. liegt eine klare Rechtslage sowie Rechtsprechung der Höchstgerichte vor.

Die Lösung der Rechtsfrage, welche Konsequenzen sich aus diesem Erkenntnis insbesondere für allfällige Folgeverfahren ergeben, ist für das gegenständliche Verfahren nicht von Relevanz.

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