ASVG §4 Abs1 Z1
ASVG §4 Abs2
ASVG §4 Abs4
B-VG Art133 Abs4
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2023:W167.2258607.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Daria MACA-DAASE als Einzelrichterin über die Beschwerde 1. der XXXX (Erstbeschwerdeführerin, BF1) und des 2. XXXX , (Zweitbeschwerdeführer, BF2) beide vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid der Österreichischen Gesundheitskasse, Landesstelle Wien, (ÖGK) vom XXXX , wegen Feststellung, dass der BF2 aufgrund seiner Tätigkeit für die BF1 in den im Bescheid angeführten Zeiträumen der Voll-(Kranken-, Unfall- und Pensions-)versicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG und der Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 1 Abs. 1 lit a AIVG unterliegt, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird festgestellt, dass XXXX , aufgrund seiner Tätigkeit XXXX in den Zeiträumen XXXX der Voll- (Kranken-, Unfall- und Pensions-)versicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z 14 iVm Abs. 4 ASVG und der Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 1 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit Abs. 8 AlVG unterlag.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der BF2 meldete sich am XXXX aufgrund der gegenständlichen Tätigkeit für die BF1 XXXX bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (nunmehr: Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen, SVS). Dieser SV-ZG-Fall wurde am XXXX an die belangte Behörde abgetreten.
2. Mit E-Mail vom XXXX teilte die BF1 der ÖGK mit, dass sie mit dem Ergebnis der Überprüfungen nicht einverstanden sei, da der BF2 nicht als unselbstständiger Dienstnehmer zu qualifizieren sei, und beantragte die Ausfertigung eines Bescheides.
3.. Mit dem angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde aus, dass der BF2 auf Grund seiner Beschäftigung bei der BF1 in den Zeiträumen XXXX der Vollversicherungspflicht (Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung) gem. § 4 Abs. 1 Z 1 iVm § 4 Abs. 2 ASVG und der Arbeitslosenversicherungspflicht gem. § 1 Abs. 1 lit a AlVG unterliege.
Begründend wurde ausgeführt, dass der BF2 XXXX für die BF1 tätig gewesen sei. XXXX Eine Bindung an den Arbeitsort habe bestanden, da die XXXX von der BF1 genau vorgegeben waren. Auch das arbeitsbezogene Verhalten sei von der BF1 vorgegebenen Rahmenbedingungen unterworfen gewesen. Die Kontrollunterworfenheit ergebe sich aus dem Erfordernis genau Protokoll zu führen. Der BF2 habe nie vom Vertretungsrecht Gebrauch gemacht. Zudem wäre im Verhinderungsfall eine Vertretung ausschließlich über die BF1 organisiert worden. Es habe daher kein die persönliche Arbeitspflicht ausschließendes Vertretungsrecht vorgelegen.
4. Gegen diesen Bescheid erhoben die BF1 und der BF2 im Wege ihrer rechtlichen Vertretung fristgerecht eine gleichlautende Beschwerde. Darin brachten sie im Wesentlichen vor, dass die belangte Behörde sowohl den festgestellten Sachverhalt unrichtig rechtlich beurteilt habe, als auch die vorliegenden Beweisergebnisse unrichtig bzw. gar nicht gewürdigt habe. Es bestehe keine persönliche Arbeitspflicht des BF2, da er Aufträge der BF1 jederzeit ganz oder teilweise ablehnen oder an Subunternehmer delegieren könne, sowie die ihm zugeteilten Arbeiten sanktionslos ablehnen könne. Insgesamt seien seit XXXX ausgeschrieben worden, von denen der BF2 lediglich XXXX übernommen habe. Die BF1 verfüge über ein Pool von XXXX die einen abgelehnten Einzelauftrag jederzeit übernehmen könnten. XXXX Dies sei bloß eine organisatorische Notwendigkeit, lasse jedoch nicht auf das Vorliegen der persönlichen Abhängigkeit schließen. Es habe keine Sanktionen für die Nicht-Annahme eines Auftrags gegeben. Weiters sei der BF2 für mehrere Auftraggeber tätig gewesen und verfüge über eine betriebliche Infrastruktur, wie von der SVS in ihrem Bescheid vom XXXX festgehalten. Damit habe sich die belangte Behörde nicht auseinandergesetzt. Die BF1 verfüge auch über keinerlei Kontrollbefugnisse und der BF2 unterliege keinen Weisungen hinsichtlich des Arbeitsverfahrens oder des arbeitsbezogenen Verhaltens. Die Gebundenheit an Arbeitsort und Arbeitszeit ergebe sich bei XXXX aus der Natur der Sache und sei nicht unterscheidungskräftig.
5. Die Beschwerde wurde samt bezughabenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.
6. Vor dem Bundesverwaltungsgericht fand am XXXX eine mündliche Verhandlung statt. Daran nahmen ein informierter Vertreter der BF1 als Zeuge (im Folgenden: Z), der BF2, die anwaltliche Vertretung der BF1 und des BF2, sowie ein Vertreter der belangten Behörde teil. Die übrigen geladenen Behörden (insbesondere die SVS) gaben vorab ihre Nichtteilnahme bekannt bzw. sind nicht erschienen.
Z wurde zur Geschäftstätigkeit der BF1 und der Organisation XXXX allgemein, sowie zur Tätigkeit des BF2 für die BF1 im Speziellen insbesondere hinsichtlich der Vertretungsmöglichkeit und der Ablehnung und Absage von Aufträgen befragt. Der BF2 wurde zum Zustandekommen von Aufträgen, zur konkreten Tätigkeit vor Ort und seinen Entscheidungsbefugnissen, sowie zum Fall, dass es zu kurzfristigen Änderungen kommt, befragt. Weitere Themen waren die vom BF2 verwendeten Betriebsmittel und seine Tätigkeiten für andere Auftraggeber.
7. Mit Eingabe vom XXXX legten die Beschwerdeführer Unterlagen betreffend die steuerliche Geltendmachung der betrieblichen Struktur durch den BF2 vor. Diese wurden der ÖGK zur Kenntnis gebracht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Angaben zur BF1, zur Tätigkeit des BF2 für die BF1 und zum Zustandekommen der Aufträge
Die BF1 betreibt ein Unternehmen, XXXX
XXXX
Die BF1 verfügte zu diesem Zweck im verfahrensgegenständlichen Zeitraum über einen Pool von ungefähr XXXX
XXXX
XXXX Diese haben dann XXXX Zeit um sich zu melden, wenn sie den Auftrag annehmen wollen. Dann erfolgt die Entscheidung, wer den Auftrag konkret übernimmt.
Nach Annahme des Auftrags werden für XXXX die Flüge gebucht. XXXX
XXXX
1.2. Zu den zwischen der BF1 und dem BF2 abgeschlossenen schriftlichen Vereinbarungen
Zwischen der BF1 und dem BF2 wurden im verfahrensgegenständlichen Zeitraum zwei schriftliche „Kooperationsvereinbarungen“, XXXX , sowie ein schriftlicher „Werkvertrag“ XXXX abgeschlossen.
Die Verträge sind jeweils auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und enthalten Kündigungsmodalitäten.
In den „Kooperationsvereinbarungen“ sind der Umfang der Leistungserbringung, sowie die Modalitäten der Leistungserbringung festgehalten. In beiden Vereinbarungen ist zur Erreichbarkeit des BF2 folgendes geregelt: „[BF2] wird nach Maßgeblichkeit der XXXX von [BF1] zur Verfügung stehen. Nichterreichbarkeit wird von ihm fernmündlich an die XXXX gemeldet oder schriftlich per E-Mail bekannt gegeben.“
Betreffend den Leistungsgegenstand wird im „Werkvertrag“ XXXX auf die Leistungsbeschreibung im Anhang verwiesen. Darin sind das Zustandekommen eines Auftrags und die Aufgaben des BF2 grob umschrieben.
Die „Kooperationsvereinbarungen“ enthalten keine Regelungen über die Vertretung. Im „Werkvertrag“ wird festgehalten, dass der BF2 im Verhinderungsfall für eine adäquate Vertretung mit entsprechender Qualifikation Sorge trägt.
Keiner der Verträge zwischen der BF1 und dem BF2 enthält ein Konkurrenzverbot.
Im „Werkvertrag“ XXXX ist Weisungsfreiheit vereinbart.
XXXX
Sämtliche Verträge enthalten auch Regelungen über die Haftung des BF2, Datenschutz und Verschwiegenheitspflichten.
Sämtlichen Verträgen zwischen der BF1 und dem BF2 ist jeweils auch eine Vereinbarung über das Entgelt angeschlossen. XXXX In der Entgeltvereinbarung aus XXXX wird zudem festgehalten, dass dem Auftragnehmer darüber hinaus Hotelkosten und sämtliche Transportkosten ersetzt werden. Laut den älteren Entgeltvereinbarungen werden nötige finanzielle Sonderausgaben und Spesen (z.B. Auslagen für Dokumente oder Transfers) während eines Transportes extra in Rechnung gestellt und gemäß den vorgelegten Belegen von der BF1 ersetzt.
1.3. Zur konkreten Ausgestaltung der Tätigkeit des BF2 für die BF1
1.3.1. Der BF2 war in den Jahren XXXX tätig. Insgesamt wurden in diesem Zeitraum XXXX Aufträge durch die BF1 an den Pool XXXX übermittelt. XXXX Der BF2 verpflichtete sich gegenüber der BF1 nicht zur Übernahme einer bestimmten Mindestanzahl von XXXX .
XXXX
XXXX
XXXX Seitens der BF1 wurde allerdings nur erwartet, dass Beginn- und Endzeit festgehalten werden und dokumentiert wird, wenn es Unregelmäßigkeiten im Ablauf gab. XXXX Außerdem erstellte er aus eigener Initiative eine standardisierte Vorlage für seine Protokolle. XXXX
XXXX
XXXX
XXXX
Der BF2 legte zur Entlohnung seiner Leistungen jeweils nach Erfüllung eines Auftrag Honorarnoten an die BF1. Die darin angeführten Beträge entsprechen der schriftlichen Entgeltvereinbarung und enthalten ist weiters das jeweilige Aktenzeichen XXXX sowie der Zeitraum, den der jeweilige Auftrag in Anspruch genommen hat. In den im Spruch angeführten Zeiträumen überschreitet das Entgelt die jeweilige tägliche bzw. monatliche Geringfügigkeitsgrenze.
1.4. Zur betrieblichen Struktur des BF2 und seinen weiteren Auftraggebern
Der BF2 ist XXXX selbstständig für verschiedene Auftraggeber erwerbstätig.
Mit Bescheid der SVS vom XXXX wurde ausgesprochen, dass der BF2 aufgrund seiner Tätigkeit als XXXX der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG sowie der Unfallversicherung nach § 8 Abs. 1 Z 3 lit a ASVG unterliegt.
Der BF2 verfügt für die Ausübung seiner selbstständigen Tätigkeit (für andere Auftraggeber) über eine betriebliche Struktur, bestehend aus IT-Infrastruktur, Drucker, Kopierer und Mobiltelefon. Er hat auch Kolleg:innen, die er um Vertretungen ersuchen kann, darunter auch Personen, die ebenfalls für die BF1 tätig sind. Außerdem hat er eine Steuerberaterin.
Für die Tätigkeit bei der BF1 verwendete er in erster Linie sein eigenes Mobiltelefon, nämlich zur Annahme der Aufträge und zur Organisation XXXX
Die BF1 stellte dem BF2 für die konkreten XXXX auch ein Mobiltelefon zur Verfügung. Dies diente dazu seine Erreichbarkeit in allen Netzen weltweit zu garantieren. XXXX
XXXX Das Mobiltelefon, dass er für die Ausübung der verfahrensgegenständlichen Tätigkeit verwendete, nahm der BF2 (aufgrund der Finanzierung durch Zahlung kleiner Raten an den Mobilfunkanbieter) nicht in das Anlagenverzeichnis in seiner Steuererklärung auf. Er machte es damit nicht steuerlich als Betriebsmittel geltend.
2. Beweiswürdigung:
1.1. Die Feststellungen zum Geschäftszweig der BF1 basieren auf den ausführlichen Angaben des Z in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, sowie auf den im Verwaltungsakt dokumentierten Angaben der BF1 während des gesamten Verfahrens.
XXXX ebenso, dass er von XXXX für die BF1 tätig war. Die einzelnen im angefochtenen Bescheid in den Feststellungen angeführten XXXX ergeben sich aus den vom BF2 vorgelegten Honorarnoten.
XXXX
Die Feststellungen zum Zustandekommen der konkreten Aufträge basieren auf den übereinstimmenden Angaben des Z und des BF2 in der mündlichen Verhandlung (VH-Protokoll S. 6f und 10). Dies wurde auch bereits im angefochtenen Bescheid aufgrund der Ermittlungen im Verwaltungsverfahren im Wesentlichen so festgestellt und ergibt sich auch aus der dem „Werkvertrag“ angeschlossenen Leistungsbeschreibung XXXX
Nunmehr wurden aufgrund der Angaben des Z insbesondere die Größe des der BF1 zur Verfügung stehenden Pools XXXX . In der Beschwerde wurde angegeben, dass die BF1 über einen Pool von ca. XXXX verfügt (S. 12). Dies entspricht auch den Antworten der BF1 vom XXXX zum Fragbogen im Rahmen des SVZG-Verfahrens. Da Z in der mündlichen Verhandlung nunmehr angab, dass der Pool der BF1 aktuell XXXX umfasse (VH-Protokoll S. 7), ist für die verfahrensgegenständlichen Jahre jedenfalls von einer Größe des Pools von ca. XXXX auszugehen.
Die Feststellungen zu den Buchungen der Flüge nach Übernahme eines Auftrags und dem damit verbundenen Aufwand, sowie den möglichen Alternativen für den Fall, dass keines der Pool-Mitglieder den Auftrag übernehmen möchte, ergeben sich aus den ausführlichen und nachvollziehbaren Schilderungen des Z (VH-Protokoll S. 6f).
1.2. Die Feststellungen zu den schriftlichen Vereinbarungen zwischen der BF1 und dem BF2 ergeben sich aus den seitens der Beschwerdeführer vorgelegten „Kooperationsverträgen“ aus XXXX , sowie dem „Werkvertrag“ aus XXXX .
1.3. Die Feststellungen zur Anzahl der vom BF2 XXXX und zur Anzahl der insgesamt ausgeschriebenen Aufträge ergeben sich aus dem Beschwerdevorbringen, das in der mündlichen durch die Angaben des Z und des BF2 bestätigt wurde (VH-Protokoll S. 8 und 10). Die Anzahl der vom BF2 angenommenen Aufträge ergibt sich auch aus den im verwaltungsbehördlichen Verfahren vorgelegten Honorarnoten (Aktenseiten 88-152) und den Feststellungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid.
Dass sich der BF2 nicht zu einer gewissen Mindestanzahl von XXXX verpflichtet hat, ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass er in den ersten Jahren seiner Tätigkeit lediglich vereinzelt Aufträge angenommen hat, sowie aus der Art des Zustandekommens der einzelnen Aufträge. Zudem verneinte der Z in der mündlichen Verhandlung die Frage danach unter Hinweis auf den der BF1 im Vorhinein ebenfalls nicht bekannten Bedarf an XXXX explizit (VH-Protokoll S. 8).
XXXX die Aufgaben des BF2 in diesem Rahmen, sowie die Feststellungen zur Einschulung ergeben sich aus den Angaben des BF2 in der mündlichen Verhandlung (VH-Protokoll S. 10f), die im Einklang mit den Feststellungen des angefochtenen Bescheides stehen. Aus den Schilderungen über den üblichen Ablauf und der Art der Einschulung geht hervor, dass der BF2 bei der Erfüllung seiner Aufgaben, XXXX weitestgehend frei war. Es bestanden seitens der BF1 weder Vorgaben, wie in welchen Situationen vorzugehen ist, noch kam es zu einer Erteilung konkreter Weisungen.
Die Feststellungen zur Kleidung des BF2 und den diesbezüglichen Anforderungen durch die BF1 basieren auf den Angaben des BF2 (VH-Protokoll S. 16).
XXXX Diese Feststellungen basieren auf der Beantwortung des Fragebogens durch den BF2 vom XXXX . Allerdings geht daraus nicht hervor, aus welchen Gründen, der BF2 diese Umstände protokolliert bzw. ob es sich dabei um Vorgaben der BF1 handelt oder ob er dies aus eigenem Interesse macht. Zudem schlussfolgert die belangte Behörde in der rechtlichen Beurteilung, dass sich die Kontrollunterworfenheit daraus ergebe, dass der BF2 „genau Protokoll zu führen“ (Bescheid S. 20) gehabt habe. Sie konkretisiert aber nicht näher, weshalb die vom BF2 protokollierten Umstände bereits eine „genaue“ Protokollführung darstellen.
Festgehalten wird, dass sich in den schriftlichen Verträgen zwischen der BF1 und dem BF2 keine Verpflichtung zu Aufzeichnungen findet. In der mündlichen Verhandlung wurden der BF2 und der Z zur Protokollführung befragt (VH-Protokoll S. 15). XXXX Dafür hat er sich selbst eine Vorlage erstellt, Formulare der BF1 gibt es nicht. XXXX nur stichprobenartige Überprüfungen erfolgen. Auch über spätere nochmalige Nachfrage durch den Behördenvertreter gab der BF2 an, lediglich zu dokumentieren, wenn „etwas anders läuft“ (VH-Protokoll S. 20) und gab zu verstehen, dass er die Protokollführung in diesem Ausmaß als nicht besonders einschränkend wahrnimmt.
Die Feststellungen zur Vorgehensweise bei zeitlichen Verschiebungen oder Verlängerungen des XXXX basieren auf den Angaben des Z und des BF2 in der mündlichen Verhandlung, die unabhängig voneinander diesbezüglich übereinstimmende Angaben machten (VH-Protokoll S. 6f, 9, 11f).
Bezüglich der nachträglichen Absage von bereits angenommenen Aufträgen gab der BF2 in der mündlichen Verhandlung an (VH-Protokoll S. 13), dass ihm seitens der BF1 der Eindruck vermittelt worden sei, dass das auch aus Gründen, die bei ihm gelegen sind, grundsätzlich möglich ist und es keine Sanktionen gibt, wenngleich davon auszugehen ist, dass niemand damit glücklich ist. Er selbst hat nie aus Gründen, die in seiner Sphäre liegen, einen bereits zugesagten Auftrag abgesagt. Z gab auch an, dass es bereits vorgekommen ist, dass übernommene Aufträge kurzfristig abgesagt werden und dass es dann keine Konsequenzen für die Person gibt, XXXX Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass so etwas aus Sicht der BF1 gar nicht vorkommen darf und der gesamte Auftrag „strikt personalisiert“ – wie im Bescheid festgestellt – ist. XXXX Es wäre auch möglich gewesen, dass der BF2 selbst für seine Vertretung sorgt – wie im schriftlichen Vertrag im Jahr XXXX festgehalten – allerdings erklärte der BF2 selbst, dass er insbesondere andere Kolleg:innen, die ebenfalls für die BF1 tätig sind, um Vertretung ersuchen hätte können (VH-Protokoll S. 17). Dies stellt jedoch keine Vertretung durch Dritte dar.
Die Abrechnung der einzelnen Aufträge mittels Honorarnoten wurde bereits im angefochtenen Bescheid festgestellt und seitens der Beschwerdeführer nicht bestritten. Die ergänzenden Feststellungen zum Inhalt der Honorarnoten ergeben sich aus den im verwaltungsbehördlichen Verfahren vorgelegten Honorarnoten (Aktenseiten 88-152).
Im Verfahren betreffend die Feststellung der Pflichtversicherung ist es ausreichend, darzulegen, dass jedenfalls ein über der Geringfügigkeitsgrenze liegender Entgeltanspruch bestand (vgl. VwGH 04.09.2013, 2013/08/0110). Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass die Einkünfte des BF2 aus der Tätigkeit für die BF1 die jeweiligen Geringfügigkeitsgrenzen überschritten.
1.4. Der Bescheid der SVS vom XXXX wurde der Beschwerde angeschlossen und ist damit aktenkundig.
Während die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid festhielt, dass beim BF2 keine eigene betriebliche Struktur vorliege, da die wesentlichen Betriebsmittel XXXX von der BF1 zur Verfügung gestellt worden seien, wird in der Beschwerde vorgebracht, dass der BF2 über eine dauerhafte betriebliche Struktur verfügte, die er auch für die XXXX bei der Beschwerdeführerin verwendet habe.
In der mündlichen Verhandlung erklärte der BF2, dass er für seine diversen Tätigkeiten eine IT-Infrastruktur, Drucker, Kopierer und Mobiltelefon hat. Zudem verfügt er über ein Pool von Kolleg:innen für Dienstvertretungen und hat eine Steuerberaterin. (VH-Protokoll S. 17)
Das Beschwerdevorbringen ist also insofern zutreffend, als der BF2 grundsätzlich über eine betriebliche Infrastruktur verfügt. Allerdings ist die betriebliche Infrastruktur immer in Hinblick auf die konkret zu beurteilende Tätigkeit zu betrachten (s. rechtliche Beurteilung).
Dazu befragt, welche Betriebsmittel er für seine Tätigkeit für die BF1 tatsächlich verwendet, führte er lediglich sein Mobiltelefon und ein XXXX an, das ebenfalls ihm gehört (VH-Protokoll S. 13). Die Feststellung, dass der BF2 sein eigenes Mobiltelefon für die Tätigkeit bei der BF1 verwendet hat und nur in zwei Ausnahmefällen das von der BF1 zur Verfügung gestellte Mobiltelefon, ergibt sich aus den übereinstimmenden und glaubhaften Angaben des BF1 und des Z in der mündlichen Verhandlung (VH-Protokoll S. 14). XXXX
Dass das vom BF2 für seine Tätigkeit bei der BF1 verwendete Mobiltelefon nicht in sein Betriebsvermögen aufgenommen wurde, ergibt sich aus der Urkundenvorlage vom XXXX . In der angefügten Stellungnahme wurde seitens der Beschwerdeführer auch ausdrücklich festgehalten, dass es nicht in seinem Anlageverzeichnis aufscheint.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. maßgebliche Rechtsgrundlagen
Gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 ASVG (in den Fassungen BGBl. I Nr. 187/2013 und BGBl. I Nr. 75/2016) sind die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung auf Grund dieses Bundesgesetzes versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet.
Gemäß § 4 Abs. 2 ASVG (in den bereits oben angeführten Fassungen) ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.
Gemäß § 4 Abs. 4 Z 1 ASVG (in den bereits oben angeführten Fassungen) stehen den Dienstnehmern im Sinne dieses Bundesgesetzes Personen gleich, die sich auf Grund freier Dienstverträge auf bestimmte oder unbestimmte Zeit zur Erbringung von Dienstleistungen verpflichten, und zwar für einen Dienstgeber im Rahmen seines Geschäftsbetriebes, seiner Gewerbeberechtigung, seiner berufsrechtlichen Befugnis (Unternehmen, Betrieb usw.) wenn sie aus dieser Tätigkeit ein Entgelt beziehen, die Dienstleistungen im wesentlichen persönlich erbringen und über keine wesentlichen eigenen Betriebsmittel verfügen; es sei denn, dass sie auf Grund dieser Tätigkeit bereits nach § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 GSVG [...] versichert sind [...].
Gemäß § 5 Abs. 1 Z 2 ASVG (in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2013) sind Dienstnehmer und ihnen gemäß § 4 Abs. 4 gleichgestellte Personen, von der Vollversicherung nach § 4 – unbeschadet einer nach § 7 oder nach § 8 eintretenden Teilversicherung – ausgenommen, wenn das ihnen aus einem oder mehreren Beschäftigungsverhältnissen im Kalendermonat gebührende Entgelt den Betrag gemäß Abs. 2 nicht übersteigt (geringfügig beschäftigte Personen).
Gemäß § 5 Abs. 2 ASVG (in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2013) betrug die Geringfügigkeitsgrenze im Jahr 2014 täglich EUR 30,35 bzw. monatlich EUR 395,31 (BGBl. II Nr. 434/2013), im Jahr 2015 täglich EUR 31,17 bzw. monatlich EUR 405,98 (BGBl. II Nr. 288/2014), im Jahr 2016 täglich EUR 31,92 bzw. monatlich EUR 415,72 (BGBl. II Nr. 417/2015).
Mit der Novellierung des § 5 Abs. 2 ASVG durch BGBl. I Nr. 79/2015 wurde die tägliche Geringfügigkeitsgrenze abgeschafft. Die monatliche Geringfügigkeitsgrenze für das Jahr 2017 beträgt EUR 425,70 (BGBl. II Nr. 391/2016), im Jahr 2018 438,05 (BGBl. II Nr. 339/2017), im Jahr 2019 EUR 446,81 (BGBl. II Nr. 329/2018) und für das Jahr 2020 EUR 460,66 (BGBl. II Nr. 348/2019).
Gemäß § 5 Abs. 3 Z 1 ASVG (in der Fassung BGBl. I Nr. 79/2015) liegt kein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis liegt vor, wenn das im Kalendermonat gebührende Entgelt den in Abs. 2 genannten Betrag nur deshalb nicht übersteigt, weil infolge Arbeitsmangels im Betrieb die sonst übliche Zahl von Arbeitsstunden nicht erreicht wird (Kurzarbeit) oder die für mindestens einen Monat oder auf unbestimmte Zeit vereinbarte Beschäftigung im Lauf des betreffenden Kalendermonates begonnen oder geendet hat oder unterbrochen wurde.
Gemäß § 539a Abs. 1 ASVG ist für die Beurteilung von Sachverhalten nach diesem Bundesgesetz ist in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes (zB Werkvertrag, Dienstvertrag) maßgebend.
3.2. Daraus folgt für die gegenständliche Beschwerde
Im Beschwerdefall ist strittig, wie die Tätigkeit des BF2 für die BF1 in den Jahren XXXX rechtlich zu qualifizieren ist und ob eine Versicherungspflicht nach ASVG und AIVG gegeben ist.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde für näher konkretisierte Zeiträume die Vollversicherungspflicht gem. § 4 Abs. 2 ASVG (und AIVG) festgestellt. Seitens der Beschwerdeführer wurde das Vorliegen eines (abhängigen) Dienstverhältnisses bestritten.
3.2.1. Zum Nicht-Vorliegen eines Werkvertrags zwischen der BF1 und dem BF2
Zwischen der BF1 und dem BF2 wurden schriftliche Vereinbarungen abgeschlossen, die den Titel „Kooperationsvereinbarung“ bzw. „Werkvertrag“ tragen.
Im Sinne des § 539a ASVG ist jedoch nicht (primär) die vertragliche Vereinbarung bzw. die Bezeichnung des Vertrages, sondern der wahre wirtschaftliche Gehalt der Tätigkeit maßgeblich (vgl. VwGH 29.01.2020, Ra 2018/08/0028, mwN).
Der Werkvertrag begründet in der Regel ein Zielschuldverhältnis. Die Verpflichtung besteht darin, die genau umrissene Leistung – in der Regel bis zu einem bestimmten Termin – zu erbringen. Mit der Erbringung der Leistung endet das Vertragsverhältnis. Das Interesse des Bestellers und die Vertragsverpflichtung des Werkunternehmers sind lediglich auf das Endprodukt als solches gerichtet (vgl. VwGH 05.06.2002, 2001/08/0107; VwGH 03.07.2002, 2000/08/0161).
Für einen Werkvertrag essenziell ist zudem ein „gewährleistungstauglicher“ Erfolg der Tätigkeit, nach welchem die für den Werkvertrag typischen Gewährleistungsansprüche bei Nichtherstellung oder mangelhafter Herstellung des Werks beurteilt werden können (vgl. VwGH 11.11.2011, 2011/09/0154; VwGH 23.10.2017, Ra 2015/08/0135).
In den gegenständlichen Vereinbarungen ist als Leistungsgegenstand XXXX angeführt. Dies entspricht auch der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit des BF2 für die BF1. Die schriftlichen Vereinbarungen wurden jedoch nicht jeweils für XXXX abgeschlossen, sondern regelten allgemein, die Modalitäten der Ausschreibung der einzelnen XXXX durch die BF1 und der Annahme dieser durch die jeweiligen Personen, sowie die Entlohnung und die sonstigen Rahmenbedingungen der Leistungserbringung (Haftung, Kündigungsmodalitäten, Geheimhaltungspflichten). Zudem wurden diese Verträge jeweils auf unbestimmte Dauer abgeschlossen.
Es wurde damit nicht ein einzelnes Werk im Sinne einer in sich geschlossenen Einheit geschuldet, sondern der BF2 stellte fortwährend seine Arbeitskraft für gattungsmäßig umschriebene Leistungen für einen unbestimmten Zeitraum zur Verfügung.
Im Lichte der Judikatur des VwGH ist auch deshalb kein Werkvertrag gegeben, weil es an der vertragsmäßigen Konkretisierung des Werkes fehlt (vgl. VwGH 26.05.2004, 2001/08/0045). Außerdem ist kein Maßstab ersichtlich, nach welchem für den Werkvertrag typische Gewährleistungsansprüche bei Nichtherstellung oder mangelhafter Herstellung des Werkes beurteilt werden sollten. Ein der für den Werkvertrag essenziellen Gewährleistungsverpflichtung zugänglicher Erfolg der Tätigkeit des BF2 ist nicht messbar, weshalb von einem individualisierbaren „Werk“ nicht die Rede sein kann (vgl. dazu VwGH 21.12.2005, 2004/08/0066).
Auch kann nicht davon die Rede sein, dass jeweils bei Annahme eines konkreten Auftrags ein Werkvertrag über XXXX abgeschlossen wurde. Denn im Falle von zeitlichen Verschiebungen oder Verlängerungen des XXXX aufgrund XXXX war der BF2 nicht verpflichtet den Auftrag zu einem anderen Zeitpunkt durchzuführen oder trotz Verlängerung des Zeitraums den Auftrag abzuschließen. Die BF1 ging in solchen Fällen vielmehr davon aus, dass der BF2 den Auftrag nicht erfüllen kann. Es bestand daher seitens des BF2 nur eine Verpflichtung in einem vorab bekanntgegebenen Zeitraum XXXX zur Verfügung zu stehen. Er garantierte jedoch gegenüber der BF1 nicht für XXXX im Sinne eines gewährleistungstauglichen Erfolgs.
Es liegt somit keine selbständige Tätigkeit im Rahmen eines Werkvertragsverhältnisses vor und es ist vielmehr vom Vorliegen eines Dienstvertrages auszugehen.
Es ist daher zu klären, ob der BF2 in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wurde (§ 4 Abs. 2 ASVG, echter Dienstnehmer) bzw. ob er auf Grund eines freien Dienstvertrages zur Erbringung von Dienstleistungen verpflichtet war (§ 4 Abs. 4 ASVG, freier Dienstnehmer).
3.2.2. Zum Nichtvorliegen eines (echten) Dienstverhältnisses iSd § 4 Abs. 2 ASVG
Die Entscheidung über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG ist das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Gesamtabwägung der maßgeblich für bzw. gegen das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses sprechenden Umstände und Merkmale. (VwGH 19.03.2021, Ra 2021/08/0031)
Ein abschließender Katalog von Kriterien, die in jedem Fall unbedingt und kumulativ erfüllt sein müssen, um ein Dienstverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG zu begründen, existiert nicht. Vielmehr kommt es letztlich auf das Gesamtbild der Beschäftigung an, sodass einzelne - sonst für eine Beschäftigung im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG wesentliche - Merkmale im jeweiligen Fall in den Hintergrund treten können. (VwGH 18.01.2012, 2008/08/0252)
Grundvoraussetzung für die Annahme persönlicher Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG und damit eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ist stets die persönliche Arbeitspflicht. Fehlt sie, dann liegt ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht vor. Persönliche Arbeitspflicht ist (unter anderem) dann nicht gegeben, wenn demjenigen, dessen Leistungserbringung zu beurteilen ist, eine generelle Vertretungsbefugnis bei Erbringung dieser Leistung eingeräumt ist oder wenn ein Beschäftigter die Leistung bereits übernommener Dienste jederzeit nach Gutdünken ganz oder teilweise sanktionslos ablehnen kann („sanktionsloses Ablehnungsrecht“, vgl. etwa VwGH 24.11.2016, Ra 2016/08/0011, mwN). Der Empfänger der Dienstleistungen kann unter solchen Umständen nicht darauf bauen und entsprechend disponieren, dass dieser Beschäftigte an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit für Dienstleistungen vereinbarungsgemäß zur Verfügung steht. (VwGH 03.04.2019, Ro 2019/08/0003)
Steht dem Dienstgeber die Möglichkeit offen, im Falle der (jederzeit möglichen) Absage der von ihm in Aussicht genommenen Person aus dem „Pool“ sofort die jeweils nächste Arbeitskraft abzurufen und stehen genügend Arbeitskräfte zur Verfügung, dann könnte der einzelne Teilnehmer am „Pool“, mit dem dies vereinbart wurde oder dem dies bekannt ist, tatsächlich in Übereinstimmung mit dem Vereinbarten davon ausgehen, einzelne Arbeitsleistungen jederzeit nach Gutdünken sanktionslos ablehnen zu dürfen. (VwGH 03.04.2019, Ro 2019/08/0003, mwN)
Eingangs ist festzuhalten, dass es dem BF2 jedenfalls sanktionslos möglich war, die von der BF1 ausgeschriebenen Aufträge nicht anzunehmen. Es gab auch keine Verpflichtung ein bestimmtes Mindestausmaß an XXXX durchzuführen. XXXX Allerdings ergibt sich klar, dass der BF2 ab dem XXXX in den im Spruch angeführten und im gegenständlichen Verfahren zu beurteilenden Zeiträumen sehr regelmäßig für die BF1 tätig war. Die Zusammenfassung der einzelnen XXXX zu diesen Zeiträumen durch die belangte Behörde ist daher sachgemäß.
Die von ihm übernommenen XXXX erbrachte der BF2 stets persönlich, insoweit es aufgrund der Umstände des jeweiligen Auftrags zu keiner größeren Änderung des Zeitraumes gekommen ist. Andernfalls ging die BF1 davon aus, dass der BF2 den Auftrag nicht durchführen oder abbrechen muss, und organisierte eine Vertretung für den BF2. Eine Vertretung durch Dritte aus Initiative des BF2, wenn dieser aus Gründen den Auftrag nicht selbst durchführen hätte können oder wollen, wäre zwar möglich gewesen, aber tatsächlich erfolgte eine Vertretung nur durch andere Kolleg:innen, die ebenfalls für die BF1 XXXX tätig waren bzw. wurde die Vertretung durch die BF1 selbst organisiert. Es waren in der Regel genug Personen verfügbar, welche XXXX übernehmen konnten bzw. konnte die BF1 auch auf XXXX an anderen Standorten, mit denen sie kooperiert zurückgreifen, XXXX . Damit war zwar ein finanzieller und organisatorischer Aufwand für die BF1 verbunden, allerdings war der Aufwand für seitens XXXX abgesagter Aufträge im Verhältnis zu den regelmäßig aufgrund anderer Umstände eintretenden organisatorischen Aufwand von untergeordneter Bedeutung. Der BF2 hat zwar nie übernommene Aufträge wieder abgesagt, es war ihm aber bewusst, dass er die Möglichkeit dazu gehabt hätte und dass ihm dafür keine Konsequenzen gedroht hätten. Wie festgestellt, hat die BF1 in solchen Fällen auch die Kosten für das XXXX übernommen.
Aufgrund der Möglichkeit auch bereits übernommene Aufträge nicht durchzuführen, da der BF1 ein ausreichend großer Pool XXXX zur Verfügung stand und da Stornierungen und Neubuchungen von XXXX ohnehin regelmäßig erfolgen mussten, sowie wegen des Umstandes, dass der BF2 in diesem Fall auch mit keinen Sanktionen zu rechnen hatte, lag im Beschwerdefall keine persönliche Arbeitspflicht und damit auch keine persönliche Abhängigkeit des BF2 vor.
Somit war BF2 kein (echter) Dienstnehmer der BF1 im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG.
Der Vollständigkeit halber wird festgehalten, dass sich der Arbeitsort und die Arbeitszeit im vorliegenden Fall aus der Natur der Sache ergeben. XXXX Arbeitsort und Arbeitszeit sind damit hinsichtlich des Vorliegens einer abhängigen Beschäftigung nicht unterscheidungskräftig, da ein:e selbständig Erwerbstätige:r ebensolchen Sachzwängen bei dieser Tätigkeit unterläge wäre wie ein:e unselbständig Beschäftigte:r (vgl. VwGH 03.04.2019, Ro 2019/08/0003). Dies gilt auch für die Geheimhaltungspflichten, die sich aus dem Umstand ergeben, dass der BF2 im Rahmen seiner Tätigkeit Zugang zu XXXX
Für die Beurteilung, ob eine Erwerbstätigkeit in persönlicher Abhängigkeit ausgeübt wird, ist es von besonderer Aussagekraft, ob der Erwerbstätige in einen Betrieb mit einer vom Dienstgeber determinierten Ablauforganisation in einer Weise eingebunden war, dass dies der Erteilung ausdrücklicher persönlicher Weisungen und der Vornahme entsprechender Kontrollen gleichgehalten werden kann ("stille Autorität" des Dienstgebers). Weiters spielt die für die Tätigkeit erforderliche Qualifikation eine Rolle, weil sich - unabhängig vom Vorliegen konkreter sachlicher Weisungen (die in der Realität des Arbeitsverhältnisses nicht immer erwartet werden können) - mit steigender Qualifikation in der Regel auch die fachliche bzw. sachliche Entscheidungsbefugnis ständig erweitert. Qualifizierte sachliche Entscheidungsbefugnisse können einen gewissen Spielraum für eine eigenständige (unter Umständen auch unternehmerische) Gestaltung der Tätigkeiten eröffnen. Derartige Dispositionsmöglichkeiten stärken - insbesondere bei Fehlen der Einbindung in eine Betriebsorganisation - die Sphäre persönlicher Ungebundenheit und sprechen für das Vorliegen eines freien Dienstverhältnisses (vgl. VwGH 3.4.2019, Ro 2019/08/0003, mwN). (VwGH 23.08.2021, Ra 2020/08/0040)
Dass der BF2 Weisungen seitens der BF1 erhalten hätte, ist im Verfahren nicht hervorgekommen. Im Gegenteil wurde seitens des Gerichts der Eindruck gewonnen, dass der BF2 abgesehen von den Rahmenbedingungen des Auftrags (insb. Ort und Zeitraum) sehr viel Gestaltungsmöglichkeit hatte bzw. selbst aufgrund seiner Erfahrung entscheiden konnte und musste, XXXX Es gab diesbezüglich keine von der BF1 vorgegebene standardisierte Vorgehensweise und die BF1 erteilte auch nie konkrete Weisungen, wie im Einzelfall vorzugehen ist. XXXX Die Kontrollmöglichkeiten der BF1 waren auch nur sehr schwach ausgeprägt, da lediglich die ihr im Regelfall ohnehin bekannten Eckdaten des Auftrags im Protokoll festzuhalten waren, darüberhinaus hatte der BF2 nur allfällige Unregelmäßigkeiten zu dokumentierten. Eine kontinuierliche Überprüfung der Tätigkeit des BF2 und der Qualität seiner Arbeitsleistung war damit nicht möglich. Diese Aufzeichnungen dienten der BF1 primär zur Abrechnung mit ihren eigenen Auftraggeber:innen. Auch dass dem BF2 seitens der BF1 vermittelt wurde, dass bei den XXXX eine angemessene Kleidung zu tragen ist, ist eine Selbstverständlichkeit und kann nicht als Weisung betreffend das arbeitsbezogene Verhalten gewertet werden. Immerhin gab es keine konkreten Vorgaben, wie diese angemessene Kleidung auszusehen hat und auch keine Dienstkleidung.
Anhand des festgestellten Sachverhalts lassen sich also auch keine Einbindung des BF2 in den Betrieb der BF1 oder relevante Kontrollmöglichkeiten der BF1 erkennen, sodass die Bestimmungsfreiheit des BF2 dadurch nicht maßgeblich eingeschränkt wurde. Es konnte daher auch kein Überwiegen der Merkmale persönlicher Abhängigkeit festgestellt werden.
3.2.3. Zum Vorliegen eines freien Dienstverhältnisses gemäß § 4 Abs. 4 ASVG
Gemäß § 4 Abs. 4 ASVG ist Voraussetzung für das Vorliegen eines freien Dienstverhältnisses, dass der Dienstnehmer für einen Dienstgeber im Rahmen seines Geschäftsbetriebes gegen Entgelt tätig wird, die Dienstleistungen im Wesentlichen persönlich erbringt und über keine wesentlichen eigenen Betriebsmittel verfügt.
Bei einem freien Dienstvertrag geht es um die Verpflichtung, eine Mehrheit gattungsmäßig umschriebener Leistungen ohne persönliche Abhängigkeit des Leistungserbringers vom Arbeitsempfänger zu erbringen, die vom Auftraggeber konkretisiert werden und die - im Gegensatz zur Leistungserbringung im Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG - vorgenommen werden. Der freie Dienstnehmer muss sich zur kontinuierlichen Arbeitsleistung für bestimmte oder unbestimmte Zeit verpflichten. Die Verpflichtung besteht also darin, ihrer Art nach bestimmte Arbeiten, die von Seiten des Bestellers konkretisiert werden, wiederholt durch einige Zeit hindurch auszuführen (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 25. April 2007, Zl. 2005/08/0082). (VwGH 02.04.2008, 2007/08/0107)
Aus dem Umstand, dass die schriftlichen Verträge zwischen der BF1 und dem BF2 jeweils auf unbestimmte Zeit abgeschlossen waren und der BF2 in den beschwerdegegenständlichen Zeiträumen auch tatsächlich regelmäßig und oft mehrmals monatlich für die BF1 im Rahmen deren Geschäftsgegenstandes XXXX tätig war, ergibt sich, dass er sich in den im Spruch angeführten Zeiträumen zur Erbringung von Dienstleistungen gegenüber der BF1 verpflichtet hat. Er erbrachte diese Dienstleistungen persönlich und hat sich nicht vertreten lassen. Dass für den BF2 die Möglichkeit bestanden hätte auch bereits übernommene XXXX wieder abzusagen, ändert nichts daran, dass er in den beschwerdegegenständlichen Zeiträumen tatsächlich persönlich für die BF1 tätig wurde. Im Fall des BF2 erfolgten Absagen oder Abbrüche bereits übernommener Aufträge nur in dem Fall, dass es aufgrund von Umständen, die nicht der Sphäre des BF2 zuzurechnen sind, zu Änderungen des vorab angekündigten Zeitraumes kam. Er erhielt zudem unstrittig für seine Tätigkeit ein Entgelt, das über der täglichen bzw. monatlichen Geringfügigkeitsgrenze lag.
Es ist daher weiters zu klären, ob der BF2 über wesentliche eigene Betriebsmittel im Sinne des § 4 Abs. 4 ASVG verfügte.
Dazu ist festzuhalten, dass die eigenen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht zu den Betriebsmitteln zählen, weil ihre Verwendung im Wesen des Einsatzes der persönlichen Arbeitskraft liegt (vgl. Mosler in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm, 114. Lieferung [März 2015] § 4 ASVG Rz 191 mit Literatur und Judikaturverweisen). XXXX
Betriebsmittel sind alle sachlichen Hilfsmittel des Betriebs bzw. Unternehmens, die benötigt werden, um den Betriebszweck zu erreichen. Alles was typischerweise der privaten Lebensführung dient, stellt kein Betriebsmittel dar. Allerdings können auch im Alltag verwendete Güter wie Mobiltelefon, PC oder PKW als Betriebsmittel eingesetzt werden, wovon auszugehen ist, wenn sie in das Betriebsvermögen aufgenommen wurden (vgl. Mosler in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm, 114. Lieferung [März 2015] § 4 ASVG, Rz 192 mit Literatur- und Judikaturhinweisen).
Bei der Beurteilung der Verfügung über wesentliche Betriebsmittel im Sinne des § 4 Abs. 4 ASVG ist zu untersuchen, ob sich der freie Dienstnehmer mit Betriebsmitteln eine eigene betriebliche Infrastruktur geschaffen hat, wobei es in erster Linie in der Ingerenz eines (potentiellen) freien Dienstnehmers gelegen ist, ob er über eine unternehmerische Struktur verfügen möchte oder nicht, ob er also seine Tätigkeit grundsätzlich eher arbeitnehmerähnlich ausführen möchte oder ob er eher unternehmerisch tätig sein und das entsprechende wirtschaftliche Risiko tragen will. Auch in Fällen, in denen eine unternehmerische Organisation bestimmten Ausmaßes nicht klar zutage tritt, ist ein Betriebsmittel grundsätzlich dann für eine Tätigkeit wesentlich, wenn es sich nicht bloß um ein geringwertiges Wirtschaftsgut handelt und wenn es der freie Dienstnehmer entweder durch Aufnahme in das Betriebsvermögen (und die damit einhergehende steuerliche Verwertung als Betriebsmittel) der Schaffung einer unternehmerischen Struktur gewidmet hat oder wenn es seiner Art nach von vornherein in erster Linie der in Rede stehenden betrieblichen Tätigkeit zu dienen bestimmt ist (vgl. VwGH 15.05.2013, 2012/08/0163, mwN). Dabei ist stets vorausgesetzt, dass es sich um ein Sachmittel handelt, das für die konkret in Rede stehende Tätigkeit wesentlich ist, Fertigkeiten (Know-how) bzw. die Arbeitskraft als solche fallen nicht darunter. (VwGH 12.01.2016, Ra 2015/08/0188)
Die Schaffung einer unternehmerischen Infrastruktur für die gegenständlich zu beurteilende Tätigkeit als XXXX ist nicht zu erkennen. BF2 hat für die Tätigkeit für die BF1 lediglich sein Mobiltelefon verwendet und dieses – im Unterschied zu den für seine selbstständige Tätigkeit angeschafften Betriebsmittel – nicht steuerlich als Betriebsmittel geltend gemacht. Die BF1 stellte ihm zudem auch selbst ein Mobiltelefon zur Verfügung, das seine Erreichbarkeit in allen Netzen gewährleisten soll. Dieses hätte der BF2 auch grundsätzlich verwenden können, was er jedoch tatsächlich nur zweimal XXXX tat. Darüber hinaus führte er nur ein XXXX bei seinen XXXX mit. Dieses stand zwar in seinem Eigentum, allerdings kann darin aufgrund dessen Geringwertigkeit und aufgrund des Umstandes, dass es sich hierbei nicht um eine spezielle Ausrüstung XXXX handelt, nicht die Schaffung einer betrieblichen Struktur erkannt werden. Auch seine Kolleg:innen, die er um eine Vertretung bei der Tätigkeit für die BF1 ersuchen kann, und das Beauftragen einer Steuerberaterin, stellen noch keine betriebliche Struktur dar, insbesondere da die Vertretungen tatsächlich durch die BF1 organsiert wurden und die Unterstützung durch eine Steuerberaterin bereits alleine aufgrund des Umstandes, dass der BF2 mehreren Erwerbstätigkeiten – unabhängig davon, ob selbstständig oder unselbstständig – nachgeht, zweckdienlich sein kann. Zudem belegt der Umstand, dass die BF1 das Entgelt und die Modalitäten der Berechnung durch die den Verträgen angeschlossene Entgeltaufstellung festsetzte, dass dem BF2 diesbezüglich kein unternehmerischer Gestaltungsspielraum zukam. Immerhin änderten sich auch die Höhe der festgesetzten Pauschalen in den Jahren XXXX nicht.
Es lag daher betreffend XXXX für die BF1 keine selbstständige Erwerbstätigkeit des BF2, sondern in den im Spruch angeführten Zeiträumen ein freies Dienstverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 4 ASVG vor.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die einzel-fallbezogene Würdigung der Umstände des Beschwerdefalls erging in Anlehnung an die an-geführte Rechtsprechung des VwGH zu § 4 ASVG.
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