BVwG W151 2256107-1

BVwGW151 2256107-119.7.2022

BSVG §23
BSVG §24
BSVG §32
BSVG §34
BSVG §40
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §33 Abs1
VwGVG §7 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2022:W151.2256107.1.00

 

Spruch:

W151 2256107-1/5E

W151 2256107-2/3E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Doris KOHL, MCJ als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX gegen den Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen, Landesstelle Wien, vom 04.05.2022, Zl. XXXX , sowie über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde vom 05.07.2022:

A)

I. zu Recht erkannt:

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

II. beschlossen:

Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen (im Folgenden SVS oder belangten Behörde) vom 04.05.2022 stellte diese fest, dass der Beschwerdeführer zum 04.04.2022 verpflichtet sei, Beiträge zur Sozialversicherung inklusive Beitragszuschläge in einer Gesamthöhe von EUR 4.226,02 zu zahlen.

2. Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 06.05.2022 zugestellt.

3. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde der belangten Behörde am 03.06.2022 um 14:56 per E-Mail übermittelt.

4. Die gegenständliche Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) von der belangten Behörde am 21.06.2022 vorgelegt. Unter einem erstattete die belangte Behörde eine Stellungnahme und führte aus, dass die Beschwerde außerhalb der Amtsstunden und somit verspätet eingebracht worden sei.

5. Mit Verspätungsvorhalt durch das BVwG vom 22.06.2022, wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass ausweislich der Aktenlage der Bescheid am 06.05.2022 zugestellt worden sei, die Frist daher am 03.06.2022 geendet habe. Die Einbringung sei am 03.06.2022 per E-Mail um 14:56 erfolgt. Laut Erreichbarkeitskundmachung der SVS würden die Amtsstunden an Freitagen um 14:45 enden.

6. Mit Schreiben vom 05.07.2022 brachte der Beschwerdeführer eine Stellungnahme ein, in der darauf hinwies, dass die Beschränkung der Amtsstunden auf 14:45 an Freitagen nur für die Entgegennahme von persönlich oder durch Boten überbrachte schriftliche Sendungen, nicht jedoch auf elektronische Sendungen, wofür keine Amtsstunden definiert seien, gelte. Zugleich stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und begründete diesen im Wesentlichen damit, dass es der langjährigen und erfahrenen Kanzleileiterin nicht gelungen sei, den WEB-ERV-Code der belangten Behörde herauszufinden und diese in der Eile die Beschränkung der Amtsstunden so verstanden habe, dass diese nur für persönlich oder per Boten eingebrachte Eingaben gelte. Damit liege ein unabwendbares und unvorhergesehenes Ereignis vor. An dem Versehen treffe den Beschwerdeführer Verschulden minderen Grades.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 04.05.2022 stellte diese fest, dass der Beschwerdeführer zum 04.04.2022 verpflichtet sei, Beiträge zur Sozialversicherung inklusive Beitragszuschläge in einer Gesamthöhe von EUR 4.226,02 zu zahlen.

Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 06.05.2022 zugestellt, sodass die Beschwerdefrist mit 06.05.2022 zu laufen begann und am 03.06.2022 endete.

Die Beschwerde wurde am 03.06.2022 (Freitag) um 14:56 per E-Mail an die SVS übermittelt.

Laut Erreichbarkeitskundmachung der SVS, Verlautbarung Nr. 184/2019, enden an Freitagen die Amtsstunden um 14:45 Uhr. Die Empfangsgeräte (Online-Formulare und E-Mail) der SVS sind zwar außerhalb dieser Amtsstunden empfangsbereit, allerdings werden diese nur während der Amtsstunden betreut. Anbringen, die außerhalb der Amtsstunden an diese Empfangsgeräte gerichtet werden, können daher nicht entgegengenommen werden. Dies hat die Wirkung, dass Anbringen auch dann, wenn sie an sich bereits in den Verfügungsbereich der SVS gelangt sind, erst mit Wiederbeginn der Amtsstunden als eingebracht gelten.

Die Einbringung der Beschwerde erfolgte außerhalb der Amtsstunden und gilt somit erst mit Wiederbeginn der Amtsstunden, somit am 06.06.2022 als eingebracht. Damit wurde die Beschwerde nach Ablauf der Beschwerdefrist eingebracht.

Es wurde nicht glaubhaft gemacht, dass der Beschwerdeführer durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis, wobei den Beschwerdeführer nur ein minderer Grad des Versehens getroffen hätte, an der Einhaltung der Beschwerdefrist gehindert war.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides ergeben sich aus dem aktenkundigen Rückschein, auf dem ausgewiesen ist, dass der Bescheid am 06.05.2022 zugestellt wurde. Der Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides ist unstrittig.

Ebenso unstrittig ist, dass die Beschwerde per E-Mail am 03.06.2022 um 14:56 an die belangte Behörde übermittelt wurde.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit:

§ 414 Abs. 1 ASVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide eines Versicherungsträgers.

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG entscheidet in Angelegenheiten nach § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag einer Partei durch einen Senat.

Gegenständlich wurde kein Antrag auf Senatsentscheidung gestellt. Somit obliegt die Entscheidung der vorliegenden Beschwerdesache der nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichterin.

3.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit .). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Die zentrale Regelung zur Frage der Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte bildet § 28 VwGVG. Die vorliegend relevanten Abs. 1 und 2 dieser Bestimmung lauten wie folgt:

„§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.“

Gegenständlich steht der maßgebliche Sachverhalt im Sinne von § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG fest. Das Bundesverwaltungsgericht hat folglich in der Sache selbst zu entscheiden.

3.3. Maßgebende Rechtsvorschriften in der Sache:

§ 33 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, StF BGBl. I Nr. 33/2013, (VwGVG) lautet:

„Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

§ 33. (1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis – so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat – eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

(2) …

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen

1. nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.

2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Stellung eines Antrags auf Vorlage Kenntnis erlangt hat,

bei der Behörde zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

(4) …“

§ 71 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, StF BGBl. Nr. 51/1991, (AVG) lautet:

„Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

§ 71.

(1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

1. die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder

2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, daß kein Rechtsmittel zulässig sei.

(2) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muß binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

(3) Im Fall der Versäumung einer Frist hat die Partei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.

(4) Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat.

(5) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages findet keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand statt.

(6) Die Behörde kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(7) Der Wiedereinsetzungsantrag kann nicht auf Umstände gestützt werden, die die Behörde schon früher für unzureichend befunden hat, um die Verlängerung der versäumten Frist oder die Verlegung der versäumten Verhandlung zu bewilligen.“

Zu A) I. Abweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:

Bei Versäumen der Beschwerdefrist für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist allein § 33 VwGVG die maßgebliche Bestimmung und nicht die §§ 71, 72 AVG, weil es sich um ein Verfahren über eine im VwGVG geregelte Beschwerde handelt (VwGH 28.09.2016, Ra 2016/16/0013). Der Verwaltungsgerichtshof hat allerdings in seiner Rechtsprechung festgehalten, dass grundsätzlich die in der Rechtsprechung zu § 71 AVG entwickelten Grundsätze auf § 33 VwGVG übertragbar sind (siehe etwa VwGH 13.09.2017, Ra 2017/12/0086).

Ein Ereignis im Sinne des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist unvorhergesehen, wenn die Partei es tatsächlich nicht miteinberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwartet werden konnte. Unabwendbar ist ein Ereignis jedenfalls dann, wenn sein Eintritt vom Willen des Betroffenen nicht verhindert werden kann (VwGH 31.03.2005, 2005/07/0020).

Anders als das Tatbestandsmerkmal des „unabwendbaren“ erfasst jenes des „unvorhergesehenen“ Ereignisses die subjektiven Verhältnisse der Partei, sodass nicht der objektive Durchschnittsablauf, sondern der konkrete Ablauf der Ereignisse maßgebend ist (VwGH 17.02.1994, 93/16/0020). Die erforderliche zumutbare Aufmerksamkeit ist dann noch gewahrt, wenn der Partei (oder ihrem Vertreter) in Ansehung der Wahrung der Frist nur ein minderer Grad des Versehens unterläuft (VwGH 26.06.1985, 83/03/0134; VfGH 27.02.1985, G 53/83-13 u.a.).

Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Gerichten oder Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht außer Acht gelassen haben (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/01/0125, u.a.). Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige oder bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2, § 71 AVG, E 96 ff).

Bei der Beurteilung, ob eine auffallende Sorglosigkeit vorliegt, ist also ein unterschiedlicher Maßstab anzulegen, wobei es insbesondere auf die Rechtskundigkeit und die Erfahrung im Umgang mit Behörden ankommt (VwGH 07.06.2000, 99/01/0337). Das Verschulden, welches den Bevollmächtigten der Partei trifft, ist so zu behandeln, als wäre es der Partei selbst unterlaufen, gleichgültig ob der Wiedereinsetzungswerber von einem Rechtsanwalt oder sonst einer Vertrauensperson vertreten wird (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, § 71 Rz 44, samt zahlreichen Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur; VwGH 30.05.2017, Ra 2017/19/0113).

3.4. Fallbezogen folgt daraus:

Der gegenständliche Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde im Wesentlichen damit begründet, dass es der langjährigen und erfahrenen Kanzleileiterin nicht gelungen sei, den WEB-ERV-Code der belangten Behörde herauszufinden und diese in der Eile die Beschränkung der Amtsstunden so verstanden habe, dass diese nur für persönlich oder per Boten eingebrachte Eingaben gelte.

Führt das Fehlverhalten anderer Personen, etwa das von Angestellten, zu einer Fristversäumung, so ist zu prüfen, ob der Vertreter der Partei bzw. die Partei selbst dadurch ein schuldhaftes Verhalten gesetzt hat, dass er (bzw. sie) eine ihm (ihr) auferlegte Sorgfaltspflicht außer Acht gelassen hat (vgl. etwa VwGH 29.10.2015, 2013/07/0102, mwN).

Wer einen Wiedereinsetzungsantrag auf das Verhalten einer solchen Hilfsperson stützt, hat somit durch ein substantiiertes Vorbringen darzulegen, aus welchen Gründen ihn selbst kein die Wiedereinsetzung ausschließendes Verschulden trifft, etwa dass und in welcher Weise der Wiedereinsetzungswerber die erforderliche Kontrolle ausgeübt hat (vgl. VwGH 30.4.2019, Ra 2019/15/0042, mwN).

Ein solches substantiiertes Vorbringen wurde gegenständlich nicht erstattet:

Der Umstand, dass es der Kanzleileiterin des Beschwerdeführers, der selbst rechtkundig ist, da er Rechtsanwalt ist, nicht rechtzeitig gelungen ist, die erforderlichen Kontaktdaten der Behörde für die Übermittlung im ERV zu ermitteln, stellt ebenso wie die unrichtige Auslegung der Erreichbarkeitskundmachung der SVS (siehe hierzu unten) seitens der Kanzleileiterin weder ein unabwendbares, noch ein unvorhergesehenes Ereignis iSd § 33 Abs. 1 VwGVG dar.

Dem rechtskundigen Beschwerdeführer wäre es im Hinblick auf seine erhöhte Sorgfaltspflicht jedenfalls zumutbar gewesen, anlässlich der Zusendung des Bescheides die relevanten Einbringungszeiten und Kontaktdaten der Behörde evident zu halten oder (im Zweifelsfalle) rechtzeitig diesbezügliche Erkundigungen anzustellen und die mit der Abfertigung betrauten Kanzleikräfte entsprechend anzuleiten. Dass der Beschwerdeführer im Sinne der oben angeführten Rechtsprechung die erforderliche Kontrolle ausgeübt hat, wurde somit gerade nicht dargelegt.

Es wurde somit nicht glaubhaft gemacht, dass der Beschwerdeführer durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis, wobei den Beschwerdeführer nur ein minderer Grad des Versehens getroffen hätte, an der Einhaltung der Beschwerdefrist gehindert war.

Infolge dessen war der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand somit abzuweisen.

Zu A) II. Zurückweisung der Beschwerde:

Gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG vier Wochen. Sie beginnt gemäß Z 1 leg.cit., wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung.

Gemäß § 32 Abs. 2 AVG enden nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Gemäß § 33 Abs. 2 AVG ist, wenn das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag oder Karfreitag fällt, der nächste Werktag der letzte Tag der Frist. Eine nach Wochen bestimmte Frist endet demnach um Mitternacht (24.00 Uhr) des gleich bezeichneten Tages der letzten Woche der Frist (vgl. VwGH 18.10.1996, 96/09/0153 mwN).

Gemäß § 13 Abs. 1 AVG können, soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, Anträge, Gesuche, Anzeigen, Beschwerden und sonstige Mitteilungen bei der Behörde schriftlich, mündlich oder telefonisch eingebracht werden. Rechtsmittel und Anbringen, die an eine Frist gebunden sind oder durch die der Lauf einer Frist bestimmt wird, sind schriftlich einzubringen.

Gemäß Abs. 2 können schriftliche Anbringen der Behörde in jeder technisch möglichen Form übermittelt werden, mit E-Mail jedoch nur insoweit, als für den elektronischen Verkehr zwischen der Behörde und den Beteiligten nicht besondere Übermittlungsformen vorgesehen sind. Etwaige technische Voraussetzungen oder organisatorische Beschränkungen des elektronischen Verkehrs zwischen der Behörde und den Beteiligten sind im Internet bekanntzumachen.

Gemäß Abs. 5 ist die Behörde nur während der Amtsstunden verpflichtet, schriftliche Anbringen entgegenzunehmen oder Empfangsgeräte empfangsbereit zu halten, und, außer bei Gefahr im Verzug, nur während der für den Parteienverkehr bestimmten Zeit verpflichtet, mündliche oder telefonische Anbringen entgegenzunehmen. Die Amtsstunden und die für den Parteienverkehr bestimmte Zeit sind im Internet und an der Amtstafel bekanntzumachen.

Die Erläuterungen zur inhaltlichen Neufassung dieser Bestimmung durch die Novelle BGBl. I Nr. 5/2008 (RV 294 BlgNR XXIII. GP , 11) führen dazu u.a. aus, dass die Behörde ihre mangelnde Bereitschaft zur Entgegennahme elektronischer Anbringen außerhalb der Amtsstunden durch entsprechende Erklärungen mit der Wirkung zum Ausdruck bringen kann, dass elektronische Anbringen auch dann, wenn sie an sich bereits in ihren elektronischen Verfügungsbereich gelangt sind, erst zu einem späteren Zeitpunkt (mit Wiederbeginn der Amtsstunden) als eingebracht (und eingelangt) gelten.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mit Erkenntnis vom 23.5.2012, 2012/08/0102, ausgeführt hat, ist eine Kundmachung im Internet von (u.a.) organisatorischen Beschränkungen des elektronischen Verkehrs zwischen Behörden und Beteiligten in § 13 Abs. 2 zweiter Satz AVG ausdrücklich vorgesehen; unter organisatorischen Beschränkungen sind auch Beschränkungen für außerhalb der Amtsstunden einlangende elektronische Anbringen zu verstehen; darin liegt keine dem Gesetzgeber nicht zusinnbare Erschwerung des Zugangs zum Rechtsschutz, ist doch durch die Kundmachung im Internet sichergestellt, dass sich die Parteien über die Voraussetzungen für ein rechtzeitiges Einlangen ihrer Anbringen umfassend informieren können (Vgl. VwGH vom 23.01.2018, Ra 2017/05/0296). Dass auch eine Pflicht für unvertretene, rechtsunkundige Parteien besteht, sich derartige Informationen zu beschaffen, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt dargelegt (vgl. etwa VwGH 18.12.2000, 2000/10/10/0127, 0128, VwGH 30.4.2003, 2001/03/0183, VwGH 26.8.2010, 2009/21/0400, oder VwGH 12.7.2012, 2012/02/0146, 0147).

Im vorliegenden Fall liegt eine solche Kundmachung betreffend organisatorische Beschränkungen im Sinn des § 13 Abs. 2 letzter Satz AVG vor. Laut Erreichbarkeitskundmachung der SVS, Verlautbarung Nr. 184/2019, enden an Freitagen die Amtsstunden um 14:45 Uhr. Die Empfangsgeräte (Online-Formulare und E-Mail) der SVS sind zwar außerhalb dieser Amtsstunden empfangsbereit, allerdings werden diese nur während der Amtsstunden betreut. Anbringen, die außerhalb der Amtsstunden an diese Empfangsgeräte gerichtet werden, können daher nicht entgegengenommen werden. Dies hat die Wirkung, dass Anbringen auch dann, wenn sie an sich bereits in den Verfügungsbereich der SVS gelangt sind, erst mit Wiederbeginn der Amtsstunden als eingebracht gelten (siehe die entsprechende Verlautbarung unter https://www.svs.at/cdscontent/load?contentid=10008.730344 ).

Gegenständlich wurde der Bescheid der belangten Behörde vom 04.05.2022 dem Beschwerdeführer am 06.05.2022 zugestellt, sodass die Beschwerdefrist mit 06.05.2022 zu laufen begann und am 03.06.2022 endete. Die Beschwerde wurde am 03.06.2022 (Freitag) um 14:56 per E-Mail an die SVS übermittelt.

Laut der soeben zitierten Erreichbarkeitskundmachung der SVS enden an Freitagen die Amtsstunden um 14:45 Uhr. Außerhalb der Amtsstunden eingebrachte elektronische Anbringen gelten erst mit Wiederbeginn der Amtsstunden als eingebracht.

Die Einbringung der Beschwerde erfolgte außerhalb der Amtsstunden und gilt somit erst mit Wiederbeginn der Amtsstunden, somit am 06.06.2022 als eingebracht. Damit wurde die Beschwerde nach Ablauf der Beschwerdefrist eingebracht.

Daran vermag auch die Angabe in der automatisch generierten Eingangsbestätigung der SVS vom 03.06.2022, wonach das Anbringen als mit 03.06.2022 als eingebracht gilt, nichts zu ändern.

Im Übrigem kann dem Vorbringen, wonach die Beschränkung der Amtsstunden auf 14:45 an Freitagen nur für die Entgegennahme von persönlich oder durch Boten überbrachte schriftliche Sendungen, nicht jedoch für elektronische Sendungen, gelte, da für diese keine Amtsstunden definiert seien, nicht gefolgt werden. Aus dem Zusammenhang des Textes der Erreichbarkeitskundmachung der SVS ergibt sich zweifellos, dass der darin genannte Begriff „Amtsstunden“ auf jene unter Abschnitt „Entgegennahme von persönlich oder durch Boten überbrachten schriftlichen Sendungen (Amtsstunden)“ definierten Zeiten (Montag bis Donnerstag von 7.30 bis 16.00 Uhr und Freitag von 7.30 bis 14.45 Uhr) Bezug nimmt.

Die Beschwerde war daher als verspätet zurückzuweisen.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der BF die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Partei zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Im gegenständlichen Fall liegt dem Bundesverwaltungsgericht die zur Klärung der Rechtsfrage nötige Aktenlage vor. Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes hätte eine mündliche Verhandlung auch keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lassen. Somit war der Sachverhalt iSd § 24 Abs. 4 VwGVG entscheidungsreif und konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das hg. Erkenntnis hält sich an die darin zitierte Judikatur des VwGH.

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