European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2015:RA2015010125.L00
Spruch:
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht stattgegeben.
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien vom 14. November 2014 wurde dem Antrag des Revisionswerbers, die aufschiebende Wirkung der gegen die Bescheide des Magistrates der Stadt Wien je vom 8. September 2011 erhobenen Beschwerde 1. des mj. X X und 2. der I M R auszuschließen, gemäß § 22 Abs. 2 VwGVG nicht stattgegeben (Spruchpunkt I.). Weiters wurde ausgesprochen, dass gemäß § 25a VwGG die Erhebung einer ordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig ist (Spruchpunkt II.).
Innerhalb der Revisionsfrist stellte der Revisionswerber beim Verwaltungsgerichtshof einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer Revision.
Mit hg. Beschluss vom 26. Februar 2015 wurde der Antrag auf Verfahrenshilfe abgewiesen. Dieser Beschluss wurde dem Revisionswerber am 6. Mai 2015 zugestellt.
Mit an den Verwaltungsgerichtshof adressierter Eingabe vom 9. Juni 2015 erhob der Revisionswerber Revision gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien vom 14. November 2014. Diese Eingabe wurde am 11. Juni 2015 zur Post gegeben und langte beim Verwaltungsgerichtshof am 17. Juni 2015 ein. Mit verfahrensleitender Anordnung vom 19. Juni 2015 wurde die Revision dem Verwaltungsgericht Wien übermittelt, wo sie am 23. Juni 2015 einlangte.
Mit Eingabe vom 30. Juni 2015 stellte der Revisionswerber den gegenständlichen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Revision gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien vom 14. November 2014.
Begründet wurde der Antrag - nach umfangreichen Darlegungen, warum der Revisionswerber die Revision aus seiner Sicht "unter außergewöhnlichst widrigen Umständen verfassen und einbringen" habe müssen - im Wesentlichen damit, dass der Revisionswerber sich kurz vor Ende der Revisionsfrist "bepackt mit übervollem Aktenkoffer, Lebensmitteln und zwei Kuverts mit jeweils einer Ausfertigung der gegenständlichen VwGH-Beschwerde" in der S-Gasse in W befunden habe. Er habe nämlich vorsichtshalber sowohl eine "Beschwerde" zur Absendung an das Verwaltungsgericht Wien als auch eine zur Absendung an den Verwaltungsgerichtshof vorbereitet, weil er oft keine Möglichkeit eines Internet-Zuganges mit seinem "Billigst-Handy" gehabt habe und er sich infolge Ausgesperrt-Seins von seiner Bibliothek und ohne Geld nicht durch Recherche und Gesetzeslektüre vergewissern habe können, ob die "Verwaltungsgerichtshofbeschwerde" direkt beim Verwaltungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgericht einzubringen sei. Diese beiden Ausfertigungen habe er "hinter der Statue des heiligen Florian im Erdgeschoss des Stiegenhauses" (gemeint: im Haus S-Gasse) versteckt bzw. für "ihm allenfalls noch einfallende Abänderungsnotwendigkeiten" bereitgehalten. Am letzten Tag der Frist habe er "eine seit vielen Jahren als äußerst verlässlich erprobte Anwaltssekretärin" gebeten, ihm die "Verwaltungsgerichtshofbeschwerden von hinter der Heiligenstatue im Erdgeschoss des Stiegenhauses der S-Gasse herüber zum R-Weg" zu bringen, damit er diese "noch ein bisschen umbessern und dann verlässlich einbringen" könne. Die Sekretärin habe dies zugesagt. Als sie "etwas verzögert unterwegs" gewesen sei, habe der Revisionswerber sie angerufen und gebeten, ihm den Weg zum Postamt zu ersparen und gleich selbst die Post aufzugeben, weil die Änderung nicht wirklich notwendig und den zusätzlichen Aufwand nicht wert sei. Damit sei die Sekretärin einverstanden gewesen. Es habe sich inzwischen herausgestellt, dass sich "insofern ein Missverständnis" eingeschlichen habe, als die Sekretärin von hinter der Statue bloß eines der beiden Kuverts herausgenommen habe, weil sie aufgrund der nicht optimalen Tonqualität des "Billig-Ersatzhandys" des Revisionswerbers statt "Verwaltungsgerichtshofbeschwerden" nur "Verwaltungsgerichtshofbeschwerde" verstanden habe. Die Sekretärin habe daher - "aus ihrer Sicht ganz natürlich" - einfach nur die "Verwaltungsgerichtshofbeschwerde" beim Postamt eingebracht und abstempeln lassen, die sie - entgegen der Annahme des Revisionswerbers - als einzige in Händen gehalten habe, als der Revisionswerber sie angerufen und Richtung Postamt umdirigiert habe. Dadurch sei die rechtzeitige Einbringung der "Verwaltungsgerichtshofbeschwerde" beim Verwaltungsgericht Wien innerhalb der Frist von sechs Wochen ab Abweisung des Verfahrenshilfeantrages ohne Verschulden des Revisionswebers und der "jahrelang bewährten, verlässlichen Sekretärin, jedenfalls ohne ein schädliches Verschulden im Sinne der Wiedereinsetzungsregelung" unterblieben.
Das Verwaltungsgericht Wien legte mit Schreiben vom 16. Juli 2015 den Wiedereinsetzungsantrag und die Revision unter Anschluss der Verfahrensakten vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über diesen Antrag sowie über die Zulässigkeit der vorliegenden Revision erwogen:
1. Das VwGG (idF BGBl. I Nr. 122/2013) lautet auszugsweise:
"Revision
§ 25a. ...
(5) Die Revision ist beim Verwaltungsgericht einzubringen. Revisionsfrist
§ 26. (1) Die Frist zur Erhebung einer Revision gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes (Revisionsfrist) beträgt sechs Wochen. Sie beginnt
1. in den Fällen des Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG dann, wenn das Erkenntnis dem Revisionswerber zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn das Erkenntnis dem Revisionswerber nur mündlich verkündet wurde, jedoch mit dem Tag der Verkündung;
...
(3) Hat die Partei innerhalb der Revisionsfrist die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt (§ 61), so beginnt für sie die Revisionsfrist mit der Zustellung des Bescheides über die Bestellung des Rechtsanwaltes an diesen. Wird der rechtzeitig gestellte Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe abgewiesen, so beginnt die Revisionsfrist mit der Zustellung des abweisenden Beschlusses an die Partei.
...
(5) Auf die Beschlüsse der Verwaltungsgerichte sind die für ihre Erkenntnisse geltenden Bestimmungen dieses Paragraphen sinngemäß anzuwenden.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand |
§ 46. (1) Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
...
(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Revision beim Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision beim Verwaltungsgerichtshof binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen.
...
(4) Bis zur Vorlage der Revision hat über den Antrag das Verwaltungsgericht zu entscheiden. Ab Vorlage der Revision hat über den Antrag der Verwaltungsgerichtshof in nichtöffentlicher Sitzung durch Beschluss zu entscheiden. Das Verwaltungsgericht oder der Verwaltungsgerichtshof können dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.
..."
2. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt keine Berechtigung zu:
Der Begriff des minderen Grades des Versehens im letzten Satz des § 46 Abs. 1 VwGG ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht in besonders nachlässiger Weise außer Acht gelassen haben (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 11. September 2013, Zl. 2013/02/0152, mwN).
Nach dem Vorbringen des Revisionswerbers im Wiedereinsetzungsantrag besteht das die Einhaltung der Revisionsfrist hindernde Ereignis darin, dass die von ihm ersuchte - im Wiedereinsetzungsantrag namentlich nicht genannte - Anwaltssekretärin aufgrund der nicht optimalen Tonqualität des verwendeten Handys des Revisionswerbers statt "Verwaltungsgerichtshofbeschwerden" nur "Verwaltungsgerichtshofbeschwerde" verstanden habe und daher nur eine der beiden "hinter der Statue des heiligen Florian im Erdgeschoss des Stiegenhauses" versteckt gehaltenen Ausfertigungen an sich genommen und zur Post gegeben habe.
Mit diesem Vorbringen zeigt der Revisionswerber - der in der Revision ausführt, im Jahr 1987 die Anwaltsprüfung abgelegt zu haben und danach ca. 25 Jahre als Wirtschaftsanwalt tätig gewesen zu sein - allerdings nicht auf, dass ihn an der Versäumung der Frist nur ein minderer Grad des Versehens trifft, enthält der Wiedereinsetzungsantrag doch keinerlei Ausführungen dazu, dass der Revisionswerber in der von ihm behaupteten Ausgangslage, in der er zwei Ausfertigungen der "Verwaltungsgerichtshofbeschwerde" hinter eine Säule versteckt gehalten hat, beim (zweiten) Telefonat mit der Sekretärin auf die Notwendigkeit der postalischen Aufgabe beider als "Verwaltungsgerichtshofbeschwerden" bezeichneter Eingaben hingewiesen oder sich im Nachhinein von deren Einbringung vergewissert hat. Damit unterschreitet das Verhalten des Revisionswerbers aber schon in dieser Hinsicht auffallend jenen Sorgfaltsmaßstab, der in der von ihm behaupteten Situation erforderlich und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten auch zumutbar gewesen wäre. Von einem bloß minderen Grad des Versehens kann daher hier keine Rede sein.
Hinzu kommt, dass eine Partei, die einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung einer Frist stellt, den Wiedereinsetzungsgrund im Wiedereinsetzungsantrag glaubhaft zu machen bzw. bereits im Antrag taugliche Bescheinigungsmittel beizubringen hat (vgl. den hg. Beschluss vom 30. Juni 2010, Zl. 2010/12/0098, mwN). Dies setzt die - hier aber unterbliebene - namentliche Nennung jener Person, der der Auftrag zur Postaufgabe der vorliegenden Revision erteilt wurde, voraus (vgl. dazu nochmals den genannten hg. Beschluss vom 30. Juni 2010 mit Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 27. April 2004, Zl. 2003/05/0065).
Dem vorliegenden Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher gemäß § 46 Abs. 1 VwGG nicht stattzugeben. Bei diesem Ergebnis konnte eine Aufforderung zur Behebung der dem Wiedereinsetzungsantrag anhaftenden formellen Mängel unterbleiben (vgl. den hg. Beschluss vom 30. September 2014, Zl. Ra 2014/02/0056).
3. Die Revision ist verspätet:
Wird ein fristgebundenes Anbringen bei einer unzuständigen Stelle eingebracht, so erfolgt die Weiterleitung auf Gefahr des Einschreiters. Die Frist ist nur dann gewahrt, wenn die unzuständige Stelle das Anbringen zur Weiterleitung an die zuständige Stelle spätestens am letzten Tag der Frist zur Post gibt oder das Anbringen bis zu diesem Zeitpunkt bei der zuständigen Stelle einlangt (vgl. den hg. Beschluss vom 20. Mai 2015, Zl. Ra 2015/10/0014, mwN).
Im vorliegenden Fall wurde die Revision zwar noch vor Ablauf der am 17. Juni 2015 endenden Revisionsfrist beim unzuständigen Verwaltungsgerichtshof eingebracht, sie wurde aber weder innerhalb der Revisionsfrist zur Weiterleitung an die zuständige Stelle zur Post gegeben noch langte sie innerhalb dieser Frist bei der zuständigen Stelle ein. Eine Fristwahrung trotz Einbringung der Revision bei der unzuständigen Stelle liegt demnach nicht vor.
Die Revision war daher - ohne dass auf die ihr anhaftenden Mängel eingegangen zu werden brauchte (vgl. den hg. Beschluss vom 3. Juni 2015, Zl. Ra 2015/02/0071) - gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Wien, am 8. September 2015
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